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Orgelpredigt

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a Trinius, Johann Jacob Bernhard: Predigt Bey der Einweihung einer Orgel (Leipzig 1797)

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y Bibelstellen (4)

  • Psalmen 118,24
  • Psalmen 66,1–3
  • Psalmen 66,2–3
  • Psalmen 66,3

[S. 317]

Titel

Neunzehnter Vortrag.
Predigt.
Bey der
Einweihung einer Orgel
zugleich auch
Antrittspredigt in einer Filial
über
Text. Ly BibelstellePsalmen 66,1–3 Psalm LXVI. v[ersi] 1 = 3.

[S. 318] [vakat]

[S. 319]

Gebet.

Gott, Schöpfer und Vater der Menschen, du hast den heutigen Tag dieser Gemeine zu einem Tag der Freude gemacht. Dieser Tag war es, dem sie so lang mit Sehnsucht entgegen sahe. Du hast ihre Wünsche befriediget, die Gebet erhöhret, und dir gemeinschaftliche Anbetung an dieser Stätte erhöhet durch das musikalische Jnstrument, das heute unsre Lobgesänge begleitet. O erfülle doch alle ihre Herzen mit Dank und Erkenntlichkeit für diese neue Probe deiner väterlichen vorsorge, und heilige ihre Freuden, daß sie dieselben mit unschuldigem Herzen und unverletztem Gewissen genießen mögen. Laß sie und alle, die daran Theil nehmen, laß uns alle immer mehr überzeugt werden, daß du jedes gute Werk, das im vertrauen auf dich angefangen wird, auch zu einer guten Ausführung kommen lässest. Und diese Ueberzeugung mehre täglich unsern Eifer in der Gottseligkeit, unsre Treue in unsern Pflichten, und mache uns voll Vertrauen und kindlicher LIebe zu dir, daß unser oft gefaßter Endschluß, endlich einmal auch fest und unbeweglich werde. Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M Wir wollen unser Lebelang, dich Gott, von nun an ehren.[1] Ja, Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M ihr, die ihr Christi Namen nennt, gebt unserm Gott die Ehre. Jhr, die ihr Gottes Macht bekennt, gebt heute Gott die Ehre. Der Sünde Götzen macht zu Spott, der Herr ist Gott, der Herr ist Gott, gebt eurem Gott die Ehre.[2] Amen.

Meine Andächtigen Zuhörer!

Es ist wahrhaftig ungemien rührend für mein Herz, und läßt mich für die Zukunft wirklich Gutes ahnden, daß ich, euer nunmehriger Lehrer und Freund, nach [S. 320] Zusammentreffung so mancher unvorhergesehener Umstände, mein Amt unter euch an lauter Dank= und Lob= und Freudenfesten antreten kann. Vor wenig Tagen, wo ich meine neuen Gemeinden zu lehren anfing, erinnerten wir uns der großen Segnung Gottes, da er abermals für unser Brod und unsere Bedürfnisse gesorgt, und ich hatte an jenem Tage die erfreuliche Pflicht zu erfüllen, meine Zuhörer zur Dankbarkeit gegen ihren Gott aufzufodern. Und heute, heute bringt mich ebenfalls eine erfreuliche und wirklich feyerliche Veranlassung zum erstenmale zu euch. Denn, ich trete heute auf diese mir ungewohnte Stelle, in der Absicht, Gott für eine ganz besondere Wohlthat zu preisen, und eure Herzen zur Freude über die Vollendung unsrer Orgel zu erwecken. O möchte ich doch, so oft ich künftig von dieser Stätte zu euch reden werde, möchte ich doch niemals mehr nöthig haben, eure Herzen für meinen Vortrag zu öffnen als heute, da eure so zahlreiche Versammlung, euer aller heiteres Angesicht, eure verdoppelte Aufmerksamkeit, mit der ihr ein Wort der Erweckung zum Lobe Gottes aus meinem Munde erwartet, mir deutlich genug sagt, wie erwünscht euch die Ankunft des heutigen Tages, und wie süß euch die Pflicht sey, Gott gemeinschaftlich für die uns erwiesene ausgezeichnete Wohlthat zu loben. Ja, gern m[eine] Fr[eunde], stimme auch ich in euer heutiges Lob Gottes mit ein, und voll von den angenehmsten Empfindungen, rufe ich euch zu: Ly BibelstellePsalmen 118,24 dieß ist ein Tag, den uns der Herr gemacht hat, lasset uns freuen und fröhlich darinne seyn[3]. Ja, jedes Herz jauchze heute dem Herrn, jeder Mund preise ihn, er selbst aber helfe, daß es von uns allen würdig geschehe. Und zu diesem [S. 321] Ende wollen wir uns jetzt nochmals vor dem Throne des Höchsten demüthigen, wir wollen knien und niederfallen und anbten vor dem, der uns erfreuet und gesegnet hat, vorher aber noch zum Preise des Allgütigen mit einander anstimmen und singen: Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M So kommet vor sein Angesicht[4] etc.

Text. Ly BibelstellePsalmen 66,1–3 Ps. LXVI. v. 1=3.

Unser Text, m[eine] Fr[eunde], enthält den Anfang des rührenden Lobes, welches Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David damals gesprochen hat, als sein Geist sich in die Betrachtung der großen und wunderbaren Werke der Schöpfung vertiefte,[5] und welches zugleich der Ausdruck derjenigen Freude ist, die er so tief und stärker als über alle andere erfreuliche Begebenheiten empfand. Jch wünschte, bey der heutigen Feyerlichkeit, an dem Einweihungstage unsrer Orgel, daß ihr alle eben so tief empfindend, wie David, sprechen möchtet: Ly BibelstellePsalmen 66,3 wie wunderlich sind deine Werke! Jch wünschte heute ähnliche Eindrücke auf euer Herz machen zu können. Zwar lese ich Freude genug in euren Gesichtern; aber ich wünschte dabey, daß diese Freude eine recht gründliche, reine, gottgefällige, und andauernde Freude seyn möchte. Soll sie aber das seyn, so muß sie theils aus einer richtigen Erkenntniß derjenigen Wohlthat entspringen, welche eure Freude verursacht, theils muß sie auch euch zur Erfüllung derjenigen Pflichten anfeuren, welche diese Wohlthat Gottes fodert. Jch will euch demnach jetzt zeigen:

[S. 322]

Einmal, worinnen eigentlich die Wohlthat besteht, mit der euch Gott heute erfreuet hat, und zweytens will ich euch auch an diejenigen Pflichten erinnern, zu denen euch diese Wohlthat verbindet.

Abhandlung.

Gott, m[eine] gel[iebten] Fr[eunde], der die Herzen der Menschen und ihre Rathschläge in seiner Hand hat, und alle Unternehmungen, die zu seiner Ehre abzwecken, begünstiget, dieser Gott hat euren vor einigen Jahren gefaßten Entschluß, dies Gotteshauß und die hier zu haltenden Gottesdienste durch eine Orgel noch zu vervollkommnen, dergestalt gesegnet, daß wir heute mit einander dieses vollendeten guten Werks uns erfreuen können. Das, was eure Vorfahren und viele tausend eurer Mitbrüder gewünscht, nemlich durch Begleitung eines vollständigen musicalischen Jnstruments bey ihren gottesdienstlichen Gesängen sich mehr zu erbauen, aber nicht erlangt haben, das hat euch nun Gott verschafft. Ja, jetzt ist es durch die Gnade Gottes, durch die Milde des Herrn N[omen] N[ominandum][6], als gnädigen Kirchenpatron, durch den Fleiß und die Mühe eurer Vorsteher, und durch den sauren Aufwand der Gemeine dahin gediehen, daß den Mängeln bey eurem gemeinschaftlichen Gesange durch eine gute Orgel abgeholfen ist. Das ist die Wohlthat, die euch Gott erzeigt hat, und darüber ihr euch heute so innig erfreuet. Was enthält nun aber wohl eigentlich die Wohlthat großes? Wodurch wird sie euch wichtig? Was bestimmt eure Freude? Das sind die Fragen, wor= [S. 323] über ich gern vor allen Dingen mich mit euch besprechen möchte.

Jst etwa deswegen diese Wohlthat euch erfreulich, weil ihr in dem Wahn stehet, daß Gottes Wort und die Sacramente, Beten und Singen in einem Gotteshause, das mit einer Orgel gezieret ist, mehr Kraft hätte, oder daß Gott in einem solchen Hause lieber wohne, als in einem andern. O wenn dieser Gedanke je hier heute in eure Herzen kam, so komme meine Seele nicht in euren Rath, so nehme ich keinen Theil an eurer Freude. Die, welche vorher, und so lange dies Gotteshaus noch mit keinem solchen musicalischen Jnstrument versehen war, dasselbe besucht haben, haben gewiß hier eben die Kraft für ihre Seelen geholt, und sind gewiß bey ihrem Gottesdienste, wenn sie es anders redlich dabey gemeint haben, Gott eben so angenehm gewesen, als ihr. Doch das, glaube ich, werdet ihr ja schon wissen, liebe Freunde, daß in den Mauren, die uns umgeben, in dem Namen, den sie führen, oder in den Verzierungen, die darinnen angebracht sind, keine Kraft noch Heiligkeit steckt. Jn dem kleinsten dürftigsten Bethause wohnet der Herr mit seinem Segen eben so gut, als in dem größten prachtvollsten Tempel. Aller Nutzen, den ihr von eurer äußeren Gottesverehrung, von dem Kirchen= und Abendmahlgehen, von eurem Beten und Singen habt, beruhet lediglich nur immer auf der Fassung des Gemüths, mit welcher ihr diese äußerlichen Uebungen verrichtet. Und diese Fassung des Gemüths ist überall möglich. Ueberall könnet ihr eure Gedanken zu Gott erheben; überall könnet ihr euch eu= [S. 324] rer Pflichten und eurer Hoffnungen ernsthaft erinnern und daraus Nutzen und Segen für eure Seelen ziehen. - Also wäre unsre Freude an dem heutigen Einweihungstage unsrer Orgel ganz ungegründet oder überflüssig; so möchte vielleicht mancher unter euch denken oder sagen. Aber nein, lieben Freunde, ich will euer Vergnügen durch Verwerfung falscher und unanständiger Bewegungsgründe nicht selbst verwerflich machen. Jhr habt allerdings Ursache, Gott heute zu danken, und euch mit einander zu freuen.

Schon das Besondre der Wohlthat, deren ihr euch heute erinnert, verdient eure Freude. Gewiß, der Tag, den wir heute feyern, zeichnet sich durch seine Seltenheit vor allen andern Lob= und Dankfesten aus, da wir alle noch keinen ähnlichen erlebt haben. Und die Wohlthat, für welche wir heute den Allgütigen preisen, ist ja wahrhaftig so, daß sie auch dem Kinde in die Augen fällt, und groß genug, eure Freude zu erwecken. Denn das, dünkt mich, bedarf doch wohl gar keines weitern Beweises, daß der Gesang beym Gottesdienst ungemein nützlich, und auf wahre Erbauung von dem erheblichsten Einflusse ist. Ja der Werth der gottesdienstlichen Lieder ist bereits längst so allgemein entschieden, daß es gar nicht nöthig ist, viel davon zu sagen. Warlich, nichts ist geschickter und bequemer den Werth der Religion Jesu und ihrer Lehren recht stark im Herzen zu empfinden, als eben der gemeinschaftliche Gesang im Hause des Herrn. Der wichtige Jnhalt der gottesdienstlichen Lieder, die Stärke des Ausdrucks, die bald starken, bald sanften Empfindungen, die darinnen herrschen, die ein= [S. 325] zelnen hohen und tiefen Töne so vieler singenden Lippen; das nach denen in Worten ausgedrückten Empfindungen bald langsame, bald schnelle Rauschen dieser vereinten Töne; die von allen zugleich hörbaren und in einem gleichen Zeitmaas ausgesprochenen Worte, alle diese sinnlichen Hülfsmittel werden von Wirkungen begleitet, die man außerdem wahrhaftig nie erwarten darf. - Und wie sehr wird nicht die gemeinschaftliche Erbauung durch die feyerlichen Umstände, die mit der Anstimmung der gottesdienstlichen Lieder vereinigt sind, auch noch vermehrt. Sie erschallen an einem Orte, der der öffentlichen Anbetung des Unendlichen gewidmet ist, an einem Orte, wo uns alles an seine Größe und an unsre Niedrigkeit erinnert, wo uns die meisten Gegenstände zur gefühlvollsten Andacht ermuntern; an einem Orte, wo uns unsre Beschäfftigung durch den Reiz so vieler lieblichen harmonischen Töne doppelt angenehm wird, wo kein lärmendes Geräusch unsre Beschäfftigung unterbricht, wo unsre Beschäfftigung durch alles, was wir sehen und hören, durch Aufmerksamkeit, Ordnung und ruhige Stille, dem Herzen und dem Verstande gleich wichtig wird. Jst nun zugleich auch dafür gesorgt, daß der gottesdienstliche Gesang durch ein der Versammlung angemessenes Jnstrument begleitet wird; so wird der Eindruck des Gesangs auf die versammleten Gemüther eben dadurch noch mehr gestärkt; denn wer weiß es nicht, daß wenn der Gesang von einer Orgel begleitet wird, alsdann der Mißklang oder andre unangenehmen Störungen beym Gesang nicht so leicht vorfallen können, nicht zu gedenken, daß musicalische Freuden ganz mit unsrer Natur übereinstimmen, und wahre [S. 326] Ergötzung für Leib und Seele sind. O freuet euch also unter einander, m[eine] Fr[eunde], daß ihr nun und künftig diese Ergötzung auch an dieser heiligen Stätte genießen können; freuet euch, und so oft die Stimmen dieses Orgelwerks mit majestätischer Kraft wie die Donner Gottes vor euren Ohren rauschen; so oft sprecht dann zu Gott: Herr! Ly BibelstellePsalmen 66,3 wie wunderlich sind deine Werke!

Jhr habt ferner gegründete Ursach zur Freude, weil diese erbauete Orgel nun euer Eigenthum und ein Vorzug ist, den ihr euch und diesem Gotteshause verschafft habt. Das ist natürliche und allen Menschen angeborne Empfindung; dies ist unser aller Bestreben von Jugend auf, dafür arbeitet der Jüngling und der Mann. Alles menschlichen Strebens Ziel ist, sich Eigenthum und Vorzug zu erwerben. So wenig ihr zwar euch dieses Gotteshauses ohne Orgel bisher zu schämen hattet; so vernünftig ist doch eure Freude darüber, daß ihr nun diese Kirche mit einem solchen Werke geziert sehet, über welches noch unsre spätesten Nachkommen sich vor Gottes Angesicht freuen, und woran noch eure Kindes Kinder sich ergötzen werden.

Und wer könnte euch wohl an dem heutigen Tage eure Freude verdenken, wenn ihr den glücklichen Erfolg eurer Bemühungen erwägt, und die Ehre, welche der Gemeine dadurch zuwächst. Niemand darf gleichgültig seyn gegen den Ruhm, daß er einen Theil seines Vermögens für den Bau dieses Werkes verwendet hat. Wir zeigen allemal dadurch, daß die Religion in unsern Augen einen Werth, wenn wir für die so heilsamen [S. 327] äußerlichen Uebungen derselben besorgt sind. Es ist immer Merkmal der Achtung und Ehrfurcht vor Gott, aber zugleich ist es auch Ehre für uns, wenn wir für die Ehre Gottes wirksam sind. Noch nach Jahrhunderten wird man eure Namen mit Ehrerbietung nennen, und euch als Beförderer der Ehre Gottes selig preisen. Und wenn ihr es euch um die Vollendung dieses Orgelbaues vielleicht sauer werden ließet; wenn auch mancher von euch sich wehe thun mußte, um durch seinen Beytrag dies heilsame Werk zum Besten der Gemeine vollenden zu helfen; so macht auch euch nun eben dieser Kampf, diese Mühe, dieser Aufwand, der der Gemeine zur Ehre gereicht, das alles macht euch nun mit Recht auch desto größres Vergnügen, nachdem Gott ihn gesegnet und mit dem erwünschtesten Ausgange eure Bemühungen gekrönet hat.

Und eben dies, daß es Gott that, daß Gott eure Anstalten gesegnet und eure Wünsche erhört hat, das muß euch ein neuer Grund eurer heutigen Freude werden. So wie jedes Gute in der Welt, das uns an sich schon angenehm ist, uns eben dadurch doppelt schätzbar und erfreulich wird, wenn wir es aus den Händen desjenigen erhalten, den wir lieben, so und noch weit erfreulicher, muß euch also die Wohlthat seyn, deren wir uns heute erinnern, weil es Gott ist, der den Entschluß zu diesem Unternehmen in euch erweckte, Kraft und Vermögen, Mittel und Wege zur Ausführung desselben verlieh, und euch und euren Odem so lange erhielt, daß ihr den heutigen Tag der Freude erleben konntet.

[S. 328]

Sehet, gel[iebte] Fr[eunde], wenn ihr die Freude des heutigen Tages auf diese Betrachtungen gründet, dann ist es eine gründliche und vernünftige Freude. Laßt uns nun auch dafür sorgen, daß es eine heilige und dauerhafte Freude seyn möge. Dies aber kann sie nicht seyn, wofern ihr die Pflichten verabsäumt, zu welchen euch eine so erfreuliche Wohlthat Gottes auffodert, Jch will euch daher jetzt noch im zweyten Theil kürzlich an dasjenige erinnern, wozu euch diese Wohlthat verbindet.

Einmal, m[eine] gel[iebten] Fr[eunde], wenn ihr es einsehet, daß der vollendete Bau eurer Orgel göttliche Wohlthat ist, so danket auch zuförderst ihm für dieses Denkmal seiner unverdienten Güte. Ja, danket dem Besten aller Wesen, dem Schöpfer und Vater der Menschen, eurem gütigen Versorger, der euren Bedürfnissen immer so väterlich abhilft, und dem es Freude ist, seine Menschen zu erfreuen. Schreibt ihm allen Erfolg guter Bemühungen zu, und preiset seine Vorsehung, die mit Weisheit und Liebe alle Umstände so leitete, daß alle Schwierigkeiten endlich besiegt, und alle Hindernisse aus dem Wege geräumt werden mußten. Preiset seine Barmherzigkeit, die er an euch gethan hat, und euer Herz fühle es heute recht innig, wie gut euer Gott ist.

Und dabey, m[eine] Fr[eunde], erfüllet heute zugleich auch immerhin eure Herzen mit Freude und Wonne. Ja dieser Tag fodert euch würklich dazu auf, weil euch Gott ein so besondres Merkmal seiner Gnade und seines Wohlgefallens gegeben hat. Aber nur betragt euch bey den Ausbrüchen eurer Frölichkeit so, daß ihr dieses Wohl= [S. 329] gefallens Gottes durch eine unheilige und sündliche Lust nicht wieder unwürdig werdet. Rein sey euer aller Freude; eure Freude sey und bestehe nicht in wilder Frölichkeit, sondern allein in der Furcht Gottes. Besonders bitte ich euch, bleibt nicht blos bey dem Aeußerlichen stehen. Denkt nicht etwan mit jenen Jsraeliten, daß, weil ihr nun einen äußerlich verbesserten Gottesdienst habt, ihr deshalb auch ein größres Recht auf Gottes Gnadenerweisungen erlangt hättet: nein, nur die Befolgung dessen, wozu euch bey euren gottesdienstlichen Liedern diese Orgel erwecken wird, macht euch der fernern Gnade Gottes würdig. Die Hoffnung, nunmehr und künftig hier mit verstärktem Feuer der Andacht Lob= und Danklieder anzustimmen, und mit mehrerer Erweckung und Erbauung dem Herrn euren Gott an dieser Stätte zu dienen, das, das m[eine] Fr[eunde], sey der Grund eurer Freude.

Und wenn nun dieser Tag der Feyerlichkeit und der Freude vorüber ist, dann, m[eine] gel[iebten] Fr[eunde], lasset mich und alle Menschen es an euch wahrnehmen, daß ihr die Wohlthat eures Gottes nach ihrem wahren Werthe zu schätzen wisset; d[as] h[eißt] kommt recht fleißig in dieses Gotteshaus, und benutzt nun mit eben dem anhaltenden Eifer diese schöne Gelegenheit, euch zu erbauen, mit welcher ihr sie bisher gewünscht und gesucht habt. Ja, ich bitte euch, beschwöre euch bey der Freude, die Gott euch heute gemacht hat, lasset es dieser Wohlthat Gottes nicht ergehen, wie es leider seinen meisten Gaben ergeht: wer sie nicht hat, seufzet darnach, und wer sie hat, achtet sie nicht. Fern sey ein solcher Undank von [S. 330] euch. Fern sey die Schande, die ihr durch erkalteten Eifer in Besuchung eurer Gottesdienste euch vor Gott und bey andern Gemeinen zuziehen würdet.

Und da auch ich zugleich an diesem Einweihungstage mit meinen Arbeiten unter euch den Anfang gemacht habe; da ihr mit der neuen Orgel in diesem Gotteshause auch zugleich an mir einen neuen Lehrer erhalten habt: o so müße also auch dieß für euch alle ein neuer und doppelt starker Antrieb seyn, künftig recht fleißig und in der gehörigen Fassung des Gemüths dem hier zu haltenden Gottesdienste beyzuwohnen. Ja, Br[üder] und Freunde, wenn ihr mich liebt, wenn ihr mir wünscht, mit Ruhe und Zufriedenheit unter euch meine Tage zu verleben: o so laßt mich nur nie und von keinem unter euch Verachtung oder Gleichgültigkeit gegen den öffentlichen Gottesdienst wahrnehmen. Wenn ihr es mir zutrauet, daß ich es mit Gott und euch redlich meyne: so denkt selbst, was ich, was mein Herz dabey empfinden würde, wenn ich bey allem Fleiße, den ich auf meine Vorträge wende, bey allen Bemühungen, euch zu erbauen; und zu frommen und gottgefälligen Menschen zu bilden, ich dennoch bey dem Eindrucke, den meine Vorträge auf euch machen sollten, von eurem Fleiße, von euren Bemühungen, von eurem Eifer so wenig unterstützt würde. Urtheilet, mit welcher geheimen Wehmuth, mit welchem Kummer ich die sauren Wege zu euch thun, und mit welcher Muthlosigkeit ich bey dem Gedanken an einen vielleicht fruchtlosen Vortrag diese Kanzel betreten würde. Urtheilt, ob ich mein Amt mit der Freudigkeit, die ich zu besitzen wünsche, ver= [S. 331] walten könnte, wenn ich unter euch, die ihr mir alle so werth seyd, die ich als Christen, als Brüder, und als meine mir anvertrauten Zuhörer so herzlich liebe, wenn ich unter euch manchen erblicke, der aller meiner Bemühungen ohnerachtet, dennoch sich nicht ändern und bessern wollte. Ja, wenn ihr es glaubt, daß mir euer wahres Bestes wahrhaftig am Herzen liegt; o so bitte, so ermahne ich euch heute an diesem für euch doppelt feyerlichen Tage, hier im Angesichte Gottes, erspart mir jene Wehmuth, jenen Kummer, jene Muthlosigkeit. Und könntet ihr euch vergeblich bitten lassen; könntet ihr machen, daß ich mein Amt mit Seufzen und Thränen unter euch führen müßte: nun, so sey dereinst dieser feyerliche Tag Zeuge wider euch, und diese Stelle, wo ich stehe, diese Mauren, die uns umschließen, diese Thränen, die meinen Augen jetzt entfallen, müssen euch vor jenem alles entscheidenden Richterstuhle des schändlichsten und euch beschämendsten Undanks anklagen. - Doch ich lese Rührung in euren Gesichtern, ich sehe Thränen, und diese Thränen als Beweise gefühlvoller Herzen lassen mich hoffen, ihr werdet meine angelegentliche Bitte erfüllen, und meinen Lehren und Ermahnungen willig folgen; sie lassen mich hoffen, ihr werdet es euch auch angelegen seyn lassen, mir mein Leben unter euch zu versüßen, und alle Lasten desselben zu erleichtern. Und in dieser mir so angenehmen Hoffnung schließe ich denn meinen zum erstenmal unter euch gehaltenen feyerlichen Vortrag. Der Herr segne euch alle vom Großen bis zum Kleinen. Er segne euch und eure Kinder, und lasse euch die Freude erleben, daß der Zustand dieser Gemeine immer blühender werde. [S. 332] Er lasse stets mein und euer Gebet an dieser Stätte erhörlich seyn, und nehme auch die Opfer des Danks und der Freude, die wir ihm heute darbrachten, mit Wohlgefallen an.

Einst stimmen wir mit reinerm Munde
Vor deinem Thron in höh’re Lieder ein,
Und segnen einmal noch die Stunde,
Die wir im Staube hier, Herr deinem Lobe weihn.
[7] Amen.

Einzelanmerkungen

  1. Grammatisch veränderte Anfangszeilen der siebten Strophe des Liedes Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut.
  2. Zitat der fünften Strophe des Liedes Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut.
  3. Der erste Halbvers ist leicht modifiziert.
  4. Beginn der neunten Strophe des Liedes Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut.
  5. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 66,2–3 Ps 66,2-3.
  6. Trinius verwendet hier einen Platzhalter für Personennamen, der bei Verwendung dieser Modellpredigt nach Bedarf mit den Namen der Stifter zu füllen ist.
  7. Die Herkunft dieser Verse konnte bisher nicht erhellt werden.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 21. Dezember 2022.

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