b Schüssling, Abraham (vor 1577 – nach 1603)
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- Schußling, Abraham | Schusling, Ab. | Schußlinger, Abraham | Schusslinger, Abraham
- vor 1577 Besuch der Lateinschule in Eferding
ca. 1577 – ca. 1587 Schüler am Gymnasium poeticum in Regensburg
1587–1589 Schulmeister in Vöcklabruck
1590 Musiker in Gmunden
1591–1597 Kantor in Memmingen
1598 Aufbruch aus Memmingen
1600-1602 verschiedene musikalische Tätigkeiten im Raum Vöcklabruck
1603 Kirchendiener in Wolfpassing
1603 Exulant in Freudenstadt - Lehrer | Kantor | Komponist
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Biographie
Der österreichische Musiker Abraham Schüssling war bislang weitgehend unbekannt. Seine Biographie lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Die früheste Spur führt ins oberösterreichische Le Geographicumf Ort: Eferding Eferding, wo Schüssling die Lateinschule besucht hatte. Deren Ludirektor Lb PersonFurtner, Johannes (fl. 1577) Johannes Furtner stellte ihm am Johannistag 1577 ein Zeugnis aus, von dem am Regensburger Gymnasium poeticum 1587 eine Abschrift erstellt wurde. Innerhalb dieser Zeitspanne dürfte Schüssling Schüler in Le Geographicumf Ort: Regensburg Regensburg gewesen sein, falls er nicht zu den in der Archivakte erwähnten fugitivis
gehörte. Wohl in den Juni 1578 fällt eine signierte Abschrift Schüsslings in einer Regensburger Motettenhandschrift.
1587 findet man ihn als Kantor und Lehrer am Gymnasium in Le Geographicumf Ort: Vöcklabruck Vöcklabruck, wo es von Anfang an zu Konflikten mit ihm kam. Nach mehreren Ermahnungen wurde er 1589 aus dem Schuldienst entlassen. Die Widmung seiner Symphonia Panegyrica Salve praelustri
bezeugt seine Anwesenheit in Le Geographicumf Ort: Gmunden Gmunden im April 1590. Im Mai 1590 erschien die Motette Lw MusikwerkSchüssling, Abraham: Osculetur me M Osculetur me
im Münchner Verlag Berg. Aus Schüsslings Brief an den Rat der Stadt Memmingen von 1597 geht hervor, dass er über einen Landsmann seiner Frau, der in Le Geographicumf Ort: München München studiert hatte, Verbindungen in die bayerische Hauptstadt besaß.
Wenig erschlossen war bisher die folgende berufliche Etappe Schüsslings in Le Geographicumf Ort: Memmingen Memmingen. In Darstellungen der Memminger Schul- und Kirchengeschichte findet man ihn am Rande in seiner Funktion als Kantor an Le Geographicumg Gebäude: Memmingen, St. Martin St. Martin und Lehrer an der Lateinschule erwähnt. Während Schallhammer und Erhard als Dienstjahre annähernd richtig 1592-1597 angeben, sind in Ockels Monographie die Daten durcheinander geraten. Ockel nennt irrtümlich als Vorgänger im Kantorenamt Lb PersonHäselin, Johann Christoph (ca. 1576 – 1635) Christoph Heßlin, dem Schüssling 1597 gefolgt sei. Tatsächlich wurde Heßlin 1598 Schüsslings Nachfolger. Angetreten hatte Schüssling sein Amt in Memmingen am 15. September 1591 als Nachfolger des verstorbenen Lb PersonCraus, Johannes (vor 1570 – 1591) Johannes Craus. Bereits 1593 versuchte er seine Stelle zu kündigen, weil es zu Problemen mit Schülern und beim Chorgesang im Gottesdienst gekommen war. In seinem Brief an den Rat der Stadt vom 27. August 1593 bedankt er sich, dass sie mich einen Frembdling und Wanderer zu einem Cantore aufgenomben
. Er unterstrich auch, dass er anfenklich mehr auff ander Leut persuasion [...] solche officium Cantoris an und auff mich genomben
.
Korrekt ist Ockels Hinweis auf die Entlassung des Österreichers am 23. November 1597. Diese erfolgte auf ein Disziplinarverfahren, in dem Schüsslings Handgreiflichkeiten gegen seine Schüler untersucht worden waren. Am 20. März 1598 verließ der Musiker die Stadt und schenkte dem Rat ein von ihm zusammengestelltes Gesangbuch, das sich nicht erhalten hat. Sein Weggang bezeichnet eine Zäsur in der gottesdienstlichen musikalischen Praxis an St. Martin. An diesem Punkt setzen die Planungen für den Bau einer Orgel ein, den Lc PredigtautorLang, Johannes (1552–1609) Johannes Lang maßgeblich vorantrieb. Das Instrument wurde 1599 mit einer La OrgelpredigtChristliche Predigt (Tübingen 1602) M Predigt eingeweiht, die die bislang älteste Orgelpredigt darstellt.
Nach dem Fiasko in Memmingen wandte sich der Kantor erneut in seine österreichische Heimat, wo man zwischen 1600 und 1602 Belege für seine Anwesenheit im Raum Vöcklabruck hat. 1603 gelang es ihm, mit Hilfe eines Zeugnisses der Universität Tübingen eine Anstellung als Kirchendiener in Le Geographicumf Ort: Wolfpassing Wolfpassing zu erhalten. Auch hier verfolgte ihn das Unglück. Noch im selben Jahr findet man den Musiker in der Liste der neu eingetroffenen Exulanten in Le Geographicumf Ort: Freudenstadt Freudenstadt. Hier verliert sich bislang seine Spur.
Schüssling betätigte sich auch als Komponist: Neun Motetten sind aus drei verschiedenen Quellen bekannt, die eine gewisse Verbreitung seiner Werke im süddeutsch-österreichischen Raum anzeigen. Die Hauptquelle (D-Rp: Ms C 119), ein umfangreiches Konvolut mit Orgeltabulaturen, wurde von dem Organisten Lb PersonPleninger, Andreas (1555–1607) Andreas Pleninger angefertigt, der von 1585 bis 1598 an der evangelischen Stadtpfarrkirche in Gmunden tätig war und dort offenbar mit Schüssling verkehrte.
Nur eines dieser neun Werke wurde auch in der originalen vokalen Gestalt publiziert, die fünfstimmige Motette Lw MusikwerkSchüssling, Abraham: Osculetur me M Osculetur me
. Der von Schüssling vertonte Text aus Weish 1,1-4 gehört in den Umkreis des Festes Mariae Himmelfahrt und fügt sich so in das in dem Druck versammelte katholische Repertoire ein, das von
Zwischen 1604 und 1624 wurde Lw MusikwerkSchüssling, Abraham: Osculetur me M Osculetur me
dann von
Die Regensburger Handschrift C 119, diejenige aus Kremsmünster L9 sowie eine weitere, die nur wenig später in Ried im Innkreis angelegt worden ist, bilden eine Gruppe von Orgeltabulaturen, die viele Analogien aufweisen. Im Gegensatz zu den deutlich retrospektiven Orgelhandschriften Mittel- und Norddeutschlands orientieren sie sich an einem erheblich moderneren Repertoire (vgl. Ziegler, Die Tabulatur (1602-1614) des Erasmus Hofer (2004)). Gleichzeitig werden die Motetten nicht einer kunstvollen Kolorierungspraxis unterzogen, mit der norddeutsche Organisten ihr spieltechnisches Können unter Beweis stellten. In den drei Handschriften findet man eine sehr viel stärkere Orientierung an der originalen Werkgestalt. Insgesamt verbinden sich mit diesen Orgeltabulaturen noch viele offene Fragen. Zimmermann etwa hat grundsätzlich Zweifel daran angemeldet, ob es sich überhaupt um Orgeltabulaturen handelt. Seiner Meinung nach sprechen manche satztechnische Besonderheiten dafür, dass man diese Werke auf der Laute aufgeführt habe. Ziegler sieht dagegen in der von ihm untersuchten Handschrift eine deutliche Tendenz zu einer klavierauszugsartigen Präsentation der Vorlage. Für Orgeltabulatur C 119 steht noch eine gründliche Erforschung ihres Kontextes aus.
Lucinde Braun
Eigene Werke
- Schüssling, Abraham, Osculetur me ; als Intavolierung in der Orgeltabulatur A-KR: L9, Nr. 99, RISM ID no. 600153115
- Intavolierungen von 9 Motetten in der Orgeltabulatur D-Rp: Ms C 119
Quellen und Literatur
- Testimonia relicta partim a fugitivis partim ab aliqvis discipulis et alumnis scholae poeticae Ratisbonensis descripta a 6 et 5to classis discipulis Anno 1587. 6 aprilis, Stadtarchiv Regensburg, Ecclesiastica III 2, 76, S. 41f.
- Cantus-Stimmbuch der Motetten-Handschrift D-Rs: A.R. 786-837
- Stadtarchiv Memmingen, A 398/5: Brief Abraham Schüsslings an den Rat der Stadt, 27. August 1593; Brief Abraham Schüsslings an Bürgermeister Paul Koller, 3. September 1593
- Stadtarchiv Memmingen, A 398/1: Brief Abraham Schüsslings an den Rat der Stadt, 28. November 1597
- Landesarchiv Niederösterreich, Signatur: HA Stetteldorf Urk 073; http://www.noela.findbuch.net/perma_arid-3695-bekurz-4841205374657474656c646f7266-vnum-79.html
- http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Schuessling_Abraham.xml
- Bossert, Gustav: Die Liebestätigkeit der evangelischen Kirche Württembergs für Österreich bis 1650, in: Dedic, Paul (Hrsg.): Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 26 (1905), Wien: Verl. d. österr. Presseverbandes, 1905, S. 2–57, bes. S. 12, 14
- Ockel, Hans: Geschichte des höheren Schulwesens in Bayerisch-Schwaben während der vorbayerischen Zeit (= Monumenta Germaniae paedagogica 60), Berlin: Weidmann, 1931, S. 156
- Lesure, François (Hrsg.): Recueils imprimés XVIe – XVIIe siècles (= Répertoire International des Sources Musicales (RISM) B 1,1), Kassel / Basel, 1960, S. 348
- Schallhammer, Herbert: Das Schulwesen der Reichsstadt Memmingen von den Anfängen bis 1806 (= Memminger Geschichtsblätter 1962), Memmingen, 1953, S. 19, 77
- Scharnagl, August: Die Orgeltabulatur C 119 der Proske-Musikbibliothek Regensburg, in: Ruhnke, Martin (Hrsg.): Festschrift Bruno Stäblein zum 70. Geburtstag, Kassel / Basel / Paris / London / New York, 1967, S. 206–216, bes. S. 216
- Sterl, Raimund: Zum Kantorat und zur Kirchenmusik Regensburgs, in: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 38 (1969), S. 88–106, bes. S. 105
- Erhard, Hermann: Memminger Pfarrerbuch (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 55), Neustadt a. d. Aisch: Degener, 1977, S. 67
- Haberkamp, Gertraut: Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg. Thematischer Katalog der Musikhandschriften. Teil 1: Sammlung Proske. Manuskripte des 16. und 17. Jahrhunderts aus den Signaturen A.R., B, C, AN (= Kataloge bayerischer Musiksammlungen 14,1), München: Henle, 1989, S. 48-49, 52, 311 (Nr. 175, 177-178, 180-181, 183, 187-190)
- Schwämmlein, Karl: Musikalische Verbindungen zwischen Regensburg und dem reformatorischen Österreich, in: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 107/108 (1991), S. 80–108, bes. S. 97f.
- Ziegler, Reinald: Die Tabulatur (1602-1614) des Erasmus Hofer aus Ried im Innkreis, in: Schütz-Jahrbuch 26 (2004), S. 205–236
- Sterl, Raimund W.: Evangelische Kirchenmusik, in: Emmerig, Thomas (Hrsg.): Musikgeschichte Regensburgs, Regensburg: Pustet, 2006, S. 98– 130, bes. S. 112f.
- Charteris, Richard: A Neglected Anthology of Sacred Vocal Music Dating from the Sixteenth Century, in: Music & Letters. A Quarterly Publication 90,1 (2009), S. 1–34, bes. S. 20, 30
- Zimmermann, Markus: Die Musikhandschrift Kremsmünster L 9. Eine Tabulatur am Wendepunkt der Musikgeschichte (= Beiträge zur Geschichte der Kirchenmusik 15), Paderborn / München / Wien / Zürich: Schöningh, 2010, S. 44-46, 52, 202f., 261
- Braun, Lucinde: Orgel und Kirchenmusik, in: Historischer Verein Memmingen e.V. (Hrsg.): Kirche St. Martin Memmingen. Bauforschung, Ausstattung, Sanierung und Nutzung (= Memminger Geschichtsblätter 2017/2018), Memmingen: Historischer Verein Memmingen e.V., 2017, S. 220–261, bes. S. 234-238
Portaldaten
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- Lang, Johannes: Christliche Predigt (Tübingen 1602)
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Craus, Johannes (vor 1570 – 1591)
Furtner, Johannes (fl. 1577)
Häselin, Johann Christoph (ca. 1576 – 1635)
Pleninger, Andreas (1555–1607)
Stammler, Georg (vor 1589 – 1613)
Empfohlene Zitierweise
DFG-Projekt »Orgelpredigt«. Digitale Edition, https://orgelpredigt.ur.de/E010187 (Version 1.00 vom 31. Januar 2020). DOI: 10.5283/orgelpr.portal
Letzte Änderung dieses Dokuments am 16. Juli 2021.
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