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Orgelpredigt

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a Schmidlin, Wolfgang Wilhelm: Das heilige und fröliche Aufsehen (Tübingen 1767)

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y Bibelstellen (25)

  • 1 Könige 19,11–12
  • 1 Thessalonicher 4
  • 2 Könige 7,2
  • 2 Petrus 3
  • Apostelgeschichte 4,31
  • Jesaja 6,3
  • Kolosser 3,16–17
  • Lukas 21,25–36
  • Lukas 21,27
  • Lukas 21,28
  • Lukas 21,29–31
  • Lukas 21,31
  • Lukas 21,32
  • Lukas 21,33
  • Lukas 21,34
  • Lukas 21,36
  • Markus 13,1–2
  • Markus 13,31
  • Matthäus 24
  • Matthäus 24,35
  • Matthäus 25
  • Offenbarung
  • Offenbarung 14,13
  • Offenbarung 3,21
  • Römer 14,17

[Bl. 1r]

Titel

Das
heilige und fröliche Aufsehen rechtschaffener
Christen
auf Gott und sein Werk,
bey einer aufgestellten neuen
Orgel
stellte
aus Veranlassung eines dergleichen in Le Geographicumf Ort: Balingen Balingen
wol und vergnüglich verfertigten
Werks,
in
einer evangelischen Betrachtung
über das ordentliche Evangelium
an Dominica II. Adventus 1767.
vor einer volkreichen Versammlung
vor
Magister Lc PredigtautorSchmidlin, Wolfgang Wilhelm (1715–1785) Wolfgang Wilhelm Schmidlin
Special=Superintendent und Stadtpfarrer zu Balingen.
Le Geographicumf Ort: Tübingen Tübingen
bey Lb PersonFues, Ludwig Friedrich (vor 1763 – ca. 1800) Ludwig Friedrich Fues.

[Bl. 1v] vakat

[Bl. 2r] Des Balingischen Wol=Löblichen Magistrats vorzüglich werthestem Oberhaupt dem HochEdelgebohrnen und Rechtsgelehrten Herrn Lb PersonLotter, Christoph Philipp (1738–1793) Christoph Philipp Lotter Oberamtmann meinem theuresten und bewährten Gönner,
nicht weniger dem HochEdelgestreng und Hochgeachten Herrn Lb PersonHobbhan, Johann Wilhelm (vor 1742 – nach 1767) Johann Wilhelm Hobbhan bestmeritirten Stadt= und Amtschreiber meinem in Gevatterschaftlicher Connexion stehenden sehr schäzbaren Wolthäter,
desgleichen denen HochEdelvösten [sic], HochEdeln und Wolvorgeachten Herren Burgermeistern [Bl. 2v] auch wolansehnlichen Herrn Gerichts= und Rathsverwandten meinen Hoch= und vielgeehrten Herren bezeuge durch Uebergebung gegenwärtiger Predigt meine aufrichtige und geziemende Dankbarkeit für alle in 13. Jahren gegen mich und mein Haus bezeugte Wolgewogenheit und Liebe unter dem herzlichen Wunsch aller leiblich und geistlichen Glükseligkeit aus Gottes Gnadenfülle und empfehle mich und die Meinige zu weiterem gewogenen, geneigten und wol=affectionirten Angedenken

gehorsamer und verbundenster Diener und Fürbitter vor Gott;
der Verfasser.

[S. [1]]

Vorrede an den geneigten Leser!

Jch habe anfangs nicht ohne wichtige Ursachen Anstand genommen, gegenwärtige Predigt in den Druck zu geben: da dergleichen Abhandlungen schon mehrmalen herausgekommen, und Jch, meines Orts hierunter vor andern, welche in solcherley Veranlassungen schöne und gründliche Gedanken geäussert, mir nichts herausnehme. Was mich aber hiezu bewegt, ist einestheils dieser Umstand, daß meine Betrachtung über das Evangelium wegen Kürze der Zeit, und wegen der kalten Witterung nicht ganz vor der Gemeinde konnte vorgetragen werden, so, daß deßwegen zerschiedene[1] gutgesinnte Seelen bezeugt, wie sie wünschten, auch von dem zwar überhaupt angeführten, aber nicht ganz ausgeführten in der Predigt mehrere Erläuterung zu haben: anderntheils ist es das billige Lob, welches der hiesigen Jnnwohnerschaft, und zwar dem meistens gutdenkenden Theil unter den Bürgern beygelegt werden kan, daß sie die wolgemeynte privat=Zusprüche des hiesigen Predigt=Amts zu Stiftungen an den hiesigen Hospital, welcher eigentlich zur Erbauung und Erhaltung der Kirchen=Gebäude und Kirchen=Ornat alles beyzutragen hat, an sich nicht fruchtlos seyn lassen: wie dann ausser denen innerhalb 2½ Jahren geschehenen [S. [2]] beträchtlichen Beyträgen und Stiftungen, (welche, wie schon seit 2 Jahren geschehen, auch künftighin öffentlich in der Gemeinde, so, wie die Stiftungen zum Armen=Kasten verlesen werden:) besonders in diesem zu Ende gehenden 1767sten Jahr zerschiedene Personen zu dem schon besagten pio Corpore des Hospitals, ohne, was sie theils zum Armen=Kasten vermacht, reichliche Stiftungen nach Proportion des Vermögens und guten Willens gemacht, welche mit Einschluß des an dem zweyten Advent, als an dem Tage der gehaltenen Orgel=Predigt Vormittags gefallenen Opfers von mehr als 41 florentiner Gulden, zusammen 111 fl. ausmachen. Und unter denen Personen, welche eigentlich heuer in den Hospital gestiftet, sind, die selige Frau Ochsenwirthin Rollerin mir 15 fl. die sel. Frau Haugin mit 25 fl. die sel. Frau Adlerwirthin Hartmännin mit 15 fl. und eine andere Person, die es in der Stille gethan, mit 15 fl. Diß ist der doppelte Beweggrund meiner öffentlich herausgekommenen Predigt, wobey das hiesig gemeinschaftlich geistliche Amt Gott preiset über der Lenkung der Seelen, auch herzlich wünschet und bittet, daß der höchste Vergelter diese zu Gottes und des Heylands Ehre angewandte Gutthaten und Stiftungen mit überschwenglichem Segen, besonders in der Ewigkeit vergelten, auch eifrige und fromme Nachfolger erwecken wolle. Jch aber übergebe hiemit dem geneigten Leser meine evangelische Betrachtung über hiesiges neues Ld OrgelBalingen, Stadtkirche, Haußdörffer-Orgel 1767 Orgelwerk, wünsche in Durchlesung derselben eine liebreiche Denkungsart, und bezeuge, daß ich Balingen, welches nach seinem allergrösten Theil gute und liebreiche Gesinnungen gegen das Predigtamt hat, lieben werde bis an mein Lebens=Ende.

der Verfasser.

[S. [3]]

Vor=Eingang.

Ly BibelstelleJesaja 6,3 Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaot, alle Lande sind seiner Ehren voll!
Ehre sey Gott dem Vater; Ehre sey Gott dem Sohn, Ehre sey Gott dem heiligen Geist!

der das angefangene gute Werk in unserer Kirche und Gotteshaus nicht hat stecken lassen, und der mitten unter seinen Feinden herrschet, damit Jhme nach erhaltenem Sieg sein Volk williglich opfere im heiligen Schmuk. Amen!

Jn Jesu Geliebte!

Ly BibelstelleLukas 21,28 Wann dieses anfähet, zu geschehen, so sehet auf, und hebet Eure Häupter auf! Diß ist das Ermunterungs=Wort unsers hochgebenedeyten Lb PersonJesus Christus (ca. 0 – ca. 30) Erlösers an seine Jünger in dem heutigen Evangelio. Der Lb PersonJesus Christus (ca. 0 – ca. 30) Heyland redete damals in einem prophetischen Geist von sehr wichtigen Veränderungen der Veran= [S. 4] staltungen, welche nach dem Rath, und auf den Wink seines allmächtigen Vaters, in der jüdischen Kirche, und zwar nach dem ersten Sinn der Weissagung, in und mit dem Tempel zu Jerusalem vorgenommen werden sollten. Die Absicht des Herrn dabey ware vordersamst, dem nahen Reich Gottes, und dem darinn blühenden und herrschenden Evangelio seines Sohnes Raum und Plaz, und freyen Lauf zu machen, welcher vorhin von Aberglauben, blindem Eifer, Neid und Mißgunst, und andern fleischlichen Absichten so heftig aufgehalten worden. Jesus, deme diese Umstände insgesamt vor seinen heiligen Augen schwebten, und Jhme tief in dem Herzen lagen, der auch merkte, und wol erkannte, was die Apostel und Knechte Jesu, neben andern rechtschaffenen Kindern Gottes dabey würden zu leyden haben, gabe den Seinigen die tröstliche Verheissung; Gott werde bald ein neues schaffen; es werde Vorbotten und nachdrükliche Denkzeichen geben, welche sie wol zu beurtheilen hätten: und da sezt Er die anmuthige Erinnerung hinzu: wann dieses anfähet zu geschehen, so sehet auf, und hebet Eure Häupter auf! Der treue Zeuge befiehlt hier den Seinigen, bey so besondern Auftritten, Vorsicht, Nachdenken und Aufmerksamkeit: und, wann sie sehen würden, daß sich alles zum rechten Durchbruch und Guten anlassen werde, wie sie sich, als Siegende und Triumphirende aufführen sollten, welche voll Freuden, mit Erhebung ihres Haupts und Herzens, den Namen des grossen Gottes erhöhen mit Loben und Danken!

Jn Jesu Andächtige!

Gott, der hohe und der erhabene, welcher in der Ewigkeit, und in seinem Heiligthum wohnet, ist in den kleinsten Dingen so groß, als in den grösten, und in den geringsten Theilen sowol, als in dem Ganzen seines unermeßlichen Königreichs gleich kräftig und herrlich; und seine Hand thut, zur Erhaltung und Unterstützung eines Jhme wolgefälligen Gottesdiensts von Zeit zu Zeit, bald bey dieser, bald bey jener Gemeinde grosse Wunder. [S. 5] Es hat das Ansehen, als ob auch an dem heutigen Tage, bey einer ganz besondern Veranlassung die Stimme Gottes unter uns wandle, und redlichgesinnten Seelen zurufe: wann dieses anfähet zu geschehen, so sehet auf, und hebet eure Häupter auf.

Jhr wisset, Geliebteste, was angenehme Saiten=Spiele, Jnstrumente und woleingerichtete Orgelwerker, wann sie in viel lieblichen Tönen zusammenspielen, für einen grossen Einfluß in die Gemüther der Menschen zu einer gesegneten Vorbereitung auf die gottesdienstliche Pflichten im Hause Gottes haben: Jhr habt aber auch von vielen Jahren her, es aus der Erfahrung gehabt, was bey einer zahlreichen Gemeinde ein schwaches Werk für Jrrungen und Mängel in dem Gesang verursacht, und der anhaltenden Andacht hernachmals für oftmaligen Anstand gegeben: so, daß viele nachdenkliche Seelen eine Verbesserung gewünscht, und dabey ihre Absicht auf eine mehrere Ausbreitung der Ehre des göttlichen Namens gerichtet: das hiesige Predigamt hat, mit Einverständigung der hiesigen weltlichen Obern und Vorgesezten vor ungefähr 3. Jahren von dieser heiligen Stätte einen wolgemeynten Vortrag gemacht, daß man von Seiten der Balingischen Jnnwohnerschaft sich aus jedem Hause zu einem stärkern Orgelwerk einen ergiebigen Beytrag möchte gefallen lassen. Gott, der treue Vater, welcher die Herzen lenket, wie die Wasserbäche, gab Gnade, daß mit Einschluß zerschiedener reichlichen Stiftungen von distinguirten Personen, Gutthätern und Gutthäterinnen innerhalb 14. Tagen gegen 680. florentiner Gulden gefallen, und man damit von andern öffentlichen, sonderlich Armen= und Heiligen=Cassen den Ueberschuß zu etwas vollkommenes machen können.

Es wäre billig, die Namen aller derjenigen anzuführen, welche Gott durch ihre Liebes=Gaben die Ehre gegeben, und ihre Linke nicht wissen lassen, was die Rechte gethan; allein die Zeit würde es nicht leiden. Die Nachricht kommt bey einer andern Gelegenheit vor: manche sind viel zu demüthig, als daß sie es wollten [S. 6] ausposaunt haben: alle aber werden und können zufrieden seyn, wie wir es Jhnen wünschen, daß ihre Namen ins Gedächtnißbuch Gottes aufgeschrieben.

Bey einer so gesegneten Aussicht was hat man sich nicht innerhalb 3. Jahren von Seiten geübter und kluger Seelen für eine lautere Hoffnung gemacht, mit allgemeiner Zufriedenheit endlich das bestellte und versprochene Werk zu sehen. Aber was für ein Rauch, Dampf und Nebel von Widrigkeiten hat sich nicht je und je der Helle und dem Licht entgegen gesezt? Soll ichs sagen? Doch nein! Die Liebe decket auch der Sünden Menge! Genug! nicht wir, sondern das Lamm Gottes hat bey manchem Widerstand gesieget! und unser neues Orgelwerk ist glüklich, wol und geschikt vollendet worden! Der Schall in Euren Ohren von 22. Registern soll Zeuge dieser Wahrheit seyn. Bey diesem harmonischen Schall von 1325. kleinen und grossen Pfeifen, welche zusammen ertönen, ruft Euch der Herr in dieser Morgenstunde zu: wann dieses anfähet zu geschehen; so sehet auf, und hebet eure Häupter auf. Gott mahnt Euch damit an die grosse und wichtige Folgen seines Werks und seines Geschäfts an Euch: Er fordert nun ein ernstliches Aufsehen: Er will haben, daß ihr aufwärts schauet, Jhme für seine Hülfe und Beystand danket, der es so weit hat kommen lassen, daß die Hauptsache in seiner Kirche vor sich gegangen, daß ihr munter und frölich seyd in seinem Heil, und Jhn liebet und lobet in seinem Heiligthum. Wir wollen uns hiezu herzlich ermuntern lassen in einer weiteren Betrachtung über das heutige Evangelium. Vorher aber andächtig miteinander anstimmen den 1. und lezten Vers aus dem Gesang: Lw MusikwerkAnonym: Lobe den Herren den mächtigen König M Lobet den Herren, den mächtigen König der Ehren etc.

O Herr allmächtiger Gott etc.

Evangelium: Lucas XXI. versus 25–36.

Ly BibelstelleLukas 21,25–36 Und es werden Zeichen geschehen an der Sonnen, und Mond, und Sternen, und auf Erden wird den [S. 7] Leuten bange seyn, und werden zagen, und das Meer und die Wasserwogen werden brausen, und die Menschen werden verschmachten für Furcht und für warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden: dann auch der Himmel Kräften sich bewegen werden. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in den Wolken mit grosser Kraft und Herrlichkeit. Wann aber diß alles anfähet zu geschehen, so sehet auf, und hebet eure Häupter auf, darum, daß sich eure Erlösung nahet. Und er sagte ihnen ein Gleichniß: sehet an den Feigenbaum, und alle Bäume. Wann sie jezt ausschlagen, so sehet ihrs an ihnen und merkets, daß jezt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wann ihr diß alles sehet angehen, so wisst, daß das Reich Gottes nahe ist. Warlich ich sage euch: diß Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß es alles geschehe. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht. Aber hütet euch, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen, und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch: dann wie ein Fallstrik wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seyd nun wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werden möget zu entfliehen diesem allem, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn.

Eingang.

Jn Jesu Geliebte! Jn Ruksicht auf dasjenige, was wir bereits in unserm Voreingang Eurer Liebe vorgetragen, haben wir uns vorgenommen, eine evangelische Betrachtung anzustellen [S. 8] von dem heiligen und frölichen Aufsehen rechtschaffener Seelen auf Gott und sein Werk bey der hier aufgestellten neuen Orgel.

Wir wollen 1) erwägen, worinnen dieses heilige Aufsehen bestehe, und sich sonderlich äussere?
2) die hiezu antreibende und ermunternde Beweggründe, und
3) die davon abhangende Vortheile und Nuzen in Ueberlegung ziehen!

Herr, du lebendiger und allmächtiger! Blase uns an mit dem Odem deines Geistes, daß wir von innen heraus geistlich belebt, alle unsere Kräften Leibes und Gemüths aufraffen, und für dein unermeßliches Wolthun an unserer Gemeinde, Deinem Hause, durch Jesum, deinen Sohn, unsern Jmmanuel, schaffen und würken dein Wolgefallen: daß Du ferner, und von neuem unter uns wohnen, und wandlen, und deine Verheissung erfüllen mögest: ich will ihr Gott seyn, und sie sollen mein Volk seyn. Amen.

I. Abhandlung des ersten Haupttheils.

Bey Aufstellung einer guten und vollständigen Orgel in einer Kirche hat man billig ernstliche und christliche Absichten. Es ist hiebey hauptsächlich darauf angesehen, daß durch den wolklingenden und durchdringenden Schall eines solch künstlichen Jnstruments Ohren und Herzen gerühret, zu einem andächtigen Gesang einstimmig und einmüthig belebt, und durch ein erwekliches Singen das Gemüth und den Geist eines jeden Glieds in einer solchen Gemeinde erhoben und begierig werde, zu hören, was der Herr verkünden läßt in seinem heiligen Tempel.

Jm alten Testament, und unter dem Volk Gottes hat man schon zu einem so gesegneten Zwek die stärkste, ja recht prächtige [S. 9] und angenehme Jnstrumenten bey allerhand feyerlichen und gottesdienstlichen Angelegenheiten und Verrichtungen gebraucht, besonders wann das Halljahr und andere grosse Feste gewesen. Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David und Lb PersonSalomo Salomo, zwey grosse Fürsten Gottes haben Posaunen, Harpfen, Cymbeln, und andere Saitenspiele zur Erweckung der Herzens=Andacht erklingen und spielen lassen; und es ist, nach der Vorsehung Gottes, mit Erfindung anderer Werker, die noch weit penetranter sind, immer weiter gekommen, um den öffentlichen Gottesdienst vor dem Angesicht des Herrn der Heerschaaren desto lebhafter und solenner zu machen.

Wahr ist es, und ich glaube, daß manche unter uns schon auf diesen Gedanken werden verfallen seyn: Jn den ersten Jahrhunderten des Christenthums wußte oder hörte man wenigstens von keiner Thonkunst, von keinem öffentlich spielenden Werk, oder andern beweglichen Musicalien nichts: allein damals waren Verfolgungszeiten, und es gieng freylich ganz stille zu; sie, die erste Christen und Märtyrer waren froh, wann sie nur in abgelegenen oder verschlossenen Häusern, in verborgenen Orten und Einöden, in Felsen=Klüften ihre Andacht haben konnten: und ihre Dürftigkeit würde es nicht verstattet haben, nur eine kleine Orgel, will geschweigen, eine ganze Kirche zu erbauen, bis der Kaiser Lb PersonFlavius Valerius Constantinus (ca. 280 – 337) Constantinus, der Große, das Christenthum in einen öffentlichen Glanz gebracht: hingegen ware vorher und damals die Kraft Gottes, bey dem äussern Mangel, desto überschwenglicher und ausserordentlicher: die Bewegungen und Rührungen der Herzen giengen aus einem überirrdischen und himmlischen Thon: und die Menge der Glaubigen ware ein Herz und eine Seele. Wann aber Gott, nach seiner Weisheit, und nach seinen allerhöchsten Absichten, Ruhe= und Friedenszeiten in seiner Kirche, und in seinen Gemeinden beschehrt, so bedient Er sich darinnen mehr nicht, als der ordentlichen Gabe des Geistes; dabey aber will Er auch durch ordentliche Mittel handlen [sic] und würken, den rechten lautern Herzens=Affect zu erregen, wie Er seyn solle, und siehet darauf, ob man von seinem, oder anderem anver= [S. 10] trauten Vermögen gerne etwas aufopfere, Jhme für den beschehrten Ruhestand in seiner Kirche die Gelübde zu bezahlen, mit Schalle seine Wunder zu preisen, und sich ganz in die gebührende Andacht gegen Gott, vermittelst starker lebender und lebloser Stimmen, einzusenken.

Hat nun aber der alles im Guten wirkende Vater im Himmel ein wichtiges Werk zu seinem Dienst bey einer willigen Gemeinde zu Stande gebracht, so will Er auch ein heiliges und ernstliches Aufsehen auf sein Geschäfte haben.

a) Und bey unserm neu=aufgerichteten Orgelwerk ist diß das erste, daß man sich dabey in einer rechten Wackerheit, Munterkeit und Aufmerksamkeit des Geistes erfinden lasse. Der Heyland befiehlt seinen Jüngern an dem Beschluß des heutigen Evangelii. Daß sie sollen wacker oder wachsam seyn. Jhre Achtsamkeit aber solte bey ihrer Wachsamkeit auf dasjenige gehen, was Gott in seiner Kirche und Republique der Juden, und was Er im ganzen des grossen Welt=Alls vornehmen und auswürken würde.

Manchen Seelen und mancher Gemeinde ists ausser diesem Fall, in gewissen particulier=Umständen genug, wann sie nur auf das wacker, achtsam, und wachsam sind, was der Herr in seinem Hause vor Jhren Augen thut. Ein recht wachsamer und scharfsichtiger Mensch siehet mit Nachdenken auf alles, was um Jhn her ist, so weit Er es übersehen kan.

Und so läßt sich bey einem Orgelwerk sehr vieles mit einem recht wachenden Auge und Herzen bemerken. Es ist eben nicht eigentlich die schöne Aussicht, und künstliche Einrichtung dieser Arbeit, welche einem unparteyischen Kenner und Zuschauer wol in die Augen fallen muß; und worüber man den Schöpfer in seiner Handleitung zu preisen Ursach hat: nein! es sind insonderheit die viele, die vielerley und wunderbar oft untereinander laufende, und abwechslende Thöne, die alle miteinander und Einzel in ihren besondern Registern zur Erholung und Erhebung des Geistes dienen sollen. Lasset jezt in unserm neuen Orgelwerk den Principal, [S. 11] Octav und Mixtur, ich will sagen, die stärkste und die läuteste Pfeifen erthönen, wie kan nicht die ganze Gemeinde nur zu einem gleichförmigen Gesang erwekt werden? Lasset zu einer Figural= oder andern Music nur einige sanfte Thöne von der W W KorrekturOriginal: Viol. du Gambr.Viole de Gambe[2] Flöten erschallen, was gibt es nicht für eine vorläufige gute Rührung und sanfte Bewegung in die Herzen? Lasset den stillen und zitternden Trauer=Thon oder den Tremulanten hören, und begleitet denselben mit Sterbens= und Himmels=Liedern; wie manche Seele kommt darüber in eine göttliche Traurigkeit, und wünscht und seufzt, daß sie sterbe des Todes der Gerechten, und einmal mit Jhnen in Himmel komme; ja sie hört etwa hernach noch so gerne einer Leichenpredigt und Todesbetrachtung zu.

Und so könnten wir noch vieles sagen; wie bey ordnungsmäßiger Rührung und Schlagung einer Orgel sich alles zum Lobe Gottes, und zu einer warhaften Erbauung anlassen kan. Uns genüget aber, nur angemerkt zu haben, wie es ein vornehmes Stück des heiligen Aufsehens von seiten rechtschaffener Christen auf das Geschäft und Werk Gottes seye, wann man mit einer rechten Wackerheit, Lebhaftigkeit und Gegenwart des Geistes ein Orgelwerk nach seinem guten Zwek und heilsamen Würkungen betrachtet.

b) Bey einer so gründlichen Erwägung der kostbaren Einrichtungen Gottes kommt es, vermittelst eines heiligen Aufsehens zweytens auch zum Gebet und Lobe Gottes über sein in der Kirche angefangenes, und wol vollendetes Werk. Der theure Erlöser befiehlt an dem Ende unsers Evangelii seinen Jüngern das Beten, und zwar ein fleißiges und anhaltendes Beten. Dieses Beten sollte in einer gedoppelt guten Absicht geschehen. Einmal, damit sie voll Freuden die grosse und herrliche Dinge ansehen könnten, welche Gott theils an dem Kirchen=Himmel, theils an dem Firmament und auf dem Erdboden, anrichten würde, und worüber sie hernach ihre Häupter aufheben, und in ein volles Lob über die Herrlichkeit Gottes, die alles durchtreiben, [S. 12] und allen Widerstand heben kan, ausbrechen würden: das anderemal, damit sie vor dem einbrechenden grossen Jammer und Unglük des Untergangs der jüdischen Republique, bey der Lm Ereignis586 v. Chr.: Eroberung Jerusalems durch die Neubabylonier Zerstörung Jerusalem und des Lm Ereignis586 v. Chr.: Zerstörung des Salomonischen Tempels in Jerusalem Tempels bewahret werden möchten. Folglich sollte der Jünger und Apostel ihr Gebet nicht nur mit einem Dank= und Lobopfer über die edle und unhintertreibliche Werke des Herrn, in seiner Kirche, um derentwillen sich so viel grosse Bewegungen in der Natur erheben sollen, sondern auch mit einem brünstigen Flehen für ihre geistliche und leibliche, auch ewige Erhaltung bey den so nahen Ausbrüchen der Gerichte Gottes verbunden seyn.

Das gibt uns nun, Geliebteste, einen Fingerzeig, wie auch das Gebet redlichgesinnter Seelen über dem Werk des Herrn bey einer Orgel in der Kirche herauskommen solle. Vordersamst gehören fromme Seufzer, überfließend von Loben und Danken, hieher, gegen die Treue Gottes, welche bey so vielen angeschienenen Hindernissen dannoch das ganze Werk zu Stande gebracht und durchgetrieben.

Gott leget allemal Ehre ein, und Er kan sie von Rechtswegen von den Seinigen fordern, wann Er, was den Menschen unmöglich, oder doch unwarscheinlich vorkommt, möglich und würklich macht. Was für Lob und Dankopfer, was für schöne Psalmen und Lieder wurden nicht nach der völligen Lm Ereignisca. 515 v. Chr.: Bau des zweiten Tempels in Jerusalem Aufrichtung des zweyten Tempels zu Le Geographicumf Ort: Jerusalem Jerusalem, von Lb PersonJesaja Esaja, Lb PersonNehemias (fl. 444 v. Chr.) Nehemia und Lb PersonSerubbabel (6. Jh. v. Chr.) Serubabel in der Gemeinschaft des jüdischen Volks gebracht, da die Juden vorher in den Lm Ereignis597 – 538 v. Chr.: Babylonisches Exil bedrängtesten Umständen zu Le Geographicumf Ort: Babylon Babel waren, und noch über das durch die feindselige und mißgünstige Samariter die Ausfertigung des Kirchen=Baues geraume Jahre verhindert und aufgehalten wurde?

Mich dünkt, auch wir in unserm Theil, was gutgesinnte und nüchterndenkende Seelen sind, werden die Pflichten, des Lobens, des Rühmens und Dankens um so weniger versäumen, als wir wol noch werden zurükdenken können, was für mancher= [S. 13] ley Anstände und Hindernissen sich bey unserm neuen Orgelwerk ergeben, bis es angefangen, bis es fortgesezt, bis es ausgefertigt worden, bis es an seinen Ort und Stelle gekommen, und sich nun in seiner völligen Größe vor unsern Augen zeiget. Man denke nur zurük, was wegen heutigs Tags so theuer gewordenen Materialien zu einem so wichtigen Werk sich billig für Bedenklichkeiten geäussert, eine ziemlich ansehnliche Summe aus denen sogenannten piis und anderen Corporibus herbeyzubringen: und siehe, auch da hat Gott denen Herzen der hiesig Löblichen Obrigkeit nach und nach Einen Sinn zu einer gesegneten Entschliessung gegeben: Man bringe sich ferner in das Gedächtniß, was es auch mit der Ausfertigung der Orgel selbsten hernach für manchen Anstand gehabt; da derjenige Künstler, welcher das Werk anfangs übernommen, in langer Zeit, ob Er gleich fast in ganz Teutschland herum geschrieben, keinen Mitarbeiter bekommen können: und nachdem bereits das Werk bis über die Helfte fertig war, so nahme Gott den Lb PersonHaußdörffer, Johann Carl Sigmund (1714–1767) ersten Meister, einen frommen und gewissenhaften Mann, durch einen schnellen und unvermutheten Tod von hinnen. Nichts destoweniger hat der Herr ein Lb PersonRudigier, Johann (ca. 1725 – 1789) anderes Werkzeug erweckt zu treuer Arbeit, welche nun ihr Ende erreicht. Jst dieses nicht alles Danks und Ruhms werth? Ja nicht uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gebühret die Ehre, Deiner Gnade und Warheit.

Mit dem Lobe Gottes, solle auch, nach unsern obigen Erklärungen und Anmerkungen aus dem Evangelio das ernstliche Gebet für ein so kostbares und schönes Orgelwerk verbunden seyn.

Nichts bleibt vor dem grossen Gott stehen: alles muß fallen und zerstöret werden, was nicht sich vor seiner Majestät demüthiget und um seine Erhaltung fleht: darum heißts so nachdrüklich in der Anrede des Heylands an seine Jünger: Ly BibelstelleLukas 21,36 seyd wacker allezeit und betet, daß ihr würdig werdet zu entfliehen dem Unglük, und zu stehen vor des Menschen Sohn.

Einsmals sagten die Jünger des Heylands bey der Ansicht des ehmaligen Le Geographicumg Gebäude: Jerusalem, Tempel Tempels zu Jerusalem: Ly BibelstelleMarkus 13,1–2 Meister, siehe, welche Stei= [S. 14] ne, und welch ein Bau ist das. Jesus aber antwortete: nicht ein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde. Marc. XIII. 1.2. Was ware die Ursache? Sie pochten und trozten auf ihr grosses Gebäude; dabey aber war kein Gebet und Andacht in dem Tempel und für den Tempel; sondern lauter Heucheley: ja, weilen ihre Abgaben an die weltliche Obrigkeit sehr groß gewesen, so waigerten sie sich zulezt, das jährliche, gebührliche oder ausserordentliche zum Seckel des Heiligthums zu geben, und zu stiften, und darüber kamen sie zulezt um ihren Tempel, um Land und Leute.

Da sehe man also, wie es redlichgesinnten Seelen so wol anstehe, für ein in dem Hause Gottes zu seinem Lob aufgestelltes Werk auch herzlich zu beten, daß es der Herr vom Verderben und Unfall bewahren, und im guten Stande wolle bleiben lassen. Denket, was es jezt betrübtes, und was es für ein Jammer wäre, wann durch ein schwehres Verhängniß, oder durch eine Lm Ereignis1724: Stadtbrand in Balingen Feuersbrunst, dergleichen sich unsere geliebte Le Geographicumf Ort: Balingen Stadt zum theil erinnern kan, ein so theures und kostbares Werk, als unsere Orgel ist, die zum theil von hinten her so nahe an alten baufälligen Gebäuden und Häusern steht, wieder verderbt und zernichtet werden sollte; zumal in dergleichen unglükseligen Fällen, von solcher Gattung Materialien wenig oder nichts zu retten, und alles gleich zusammen schmelzt und zusammen brennet. Der Herr sagt dorten zu seinem undankbaren und heuchlerischen Volk: wehe Jhnen, wann ich von Jhnen gewichen bin! So könnte es Gott, der gerechte Gott, gleich mit uns machen, wann man im Gebet von Jhme ablassen wollte.

Das nehmen nun aufrichtige Seelen zu Herzen; und lassen sich das Seufzen und Beten wol empfohlen seyn. Aber es ist nicht zu bergen, ein solches Beten muß durch andere unlautere Neben=Umstände nicht verdorben und unkräftig gemacht werden. Man muß bey einem zur Verherrlichung Gottes angesehenen Werk, so in lauterer Liebe geschieht, von einer widrigen Seite her nicht murren, wie Lb PersonJudas Iskarioth (1. Jh.) Judas, welcher unter dem Vorwand, man könnte das [S. 15] Geld den Armen geben, sich über die angewandte Summe des alabasternen Glases und köstlichen Nardenwassers, so dem frommen Heyland zukame, sündlicher und anstößiger weise aufgehalten: man muß bey mancherley Ausgaben, die zu einem gottseligen Gebrauch gehören, nicht immer aufs sichtbare, sondern auch aufs unsichtbare sehen, wie Gottes Liebe alles wieder unvermerkt ersezen kan; man muß weder fleischlichen Vorurtheilen, noch dem Unglauben Plaz und Raum verstatten, wie jener Richter zu Le Geographicumf Ort: Samaria Samaria, deme der Lb PersonElisa Prophet verkündiget: Ly Bibelstelle2 Könige 7,2 du wirst das Werk des Herrn sehen, aber nicht geniessen. 2. Reg. VII. 2. Man muß aber auch bey der Haupt=Veränderung eines Werks, welches zufälliger, und nothwendigerweise noch andere Veränderungen nach sich ziehet, nicht unzeitige, und lieblose Urtheile fällen. Der Satan hat es im Brauch, daß, wann etwas wichtiges im Frieden gemeinschaftlich beschlossen worden, und er solches nicht verwehren können, dieser arglistige Feind von einer andern Seite her einzubrechen, und ein Gewirr zu machen sucht, so, daß er auch gewonnene Seelen zu reitern trachtet, wie den Wayzen.

Da hat man Ursache, sein Gebet zu prüfen, ob es lauterlich seye: diß ist das lauterlichste Gebet, welches aus dem Glauben geht, welches Liebe und gute Werk zu Gefährten hat. Unter die Liebeswerke gehören auch reichliche und schöne Stiftungen, wann es das Vermögen zuläßt. Und da darf man sicherlich glauben, daß es der Herr sich eben sowohl, oder in manchen Fällen besser gefallen lasse, wann man auch etwas ergiebiges zur Kirche und zu seiner Ehre stiftet, als zu einem armen Kasten, der sich nach und nach selbsten bereichert und Haus=Arme genug versorgen kan, wann man nur will. Beym rechten Beten erlangt man die Salbung und Weißheit zu diesem allem und ein freudiges Gewissen, vor Gott, ohne darauf zu sehen, ob man öffentlich den Namen eines Gutthäters und Stifters nennt. Bey dem Herrn ist der beste Denkzettel geschrieben im Buch von den Redlichen.

[S. 16] c) Das dritte, was bey dem heiligen und ernstlichen Aufsehen rechtschaffener Christen über das Geschäfte und Werk Gottes bey einer neu aufgestellten Orgel beobachtet wird, ist eine friedsame Erwartung des Reichs Gottes. Die Jünger des Herrn warteten auf die Ankunft desselben mit einer besonderen Begierde und Aufmerksamkeit, und der Heyland bezeugte Jhnen auch selbsten im Evangelio, daß das Reich Gottes nahe seye. Das Reich Gottes besagt, nach dem eigentlichen Sinn Jesu, den mächtigen Ausbruch von Gottes und Jesu seines Sohnes Kraft und Herrlichkeit, womit Er durch Wort und Geist die Herzen empfindlich rühren, denen Hindernissen zum Antritt der überschwenglichen evangelischen Gnade steuren und wehren, und die gewonnene Seelen von der Welt und ihrem Getümmel ab, und dem Himmel zuziehen würde. Das ist eine reelle Beschreibung des Reichs Gottes, und Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulus heißts deßwegen Ly BibelstelleRömer 14,17 Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Röm. XIV. 17. Ob dieses Reich Gottes schon nicht mit äusserlichen Gebärden kame; so kam es doch durch äusserliche Mittel, und durch einen angenehmen Schall in die Herzen der Glaubigen.

Und, so dörfen wir wol sagen, daß auch, aus Gelegenheit und bey Anhörung eines woleingerichteten Orgelwerks das Reich Gottes von Uns erwartet werden könne. Jch will mich hierüber deutlicher erklären. Dorten wird von der gnädigen Gegenwart Gottes über Lb PersonElija (9. Jh. v. Chr.) Elia, dem Propheten gemeldet 1 Reg. XIX. 11. 12. 13. Ly Bibelstelle1 Könige 19,11–12 Siehe der Herr gieng vorüber; und ein grosser Wind, der die Berge zerriß, und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her. Der Herr aber war nicht im Winde; nach dem Winde aber kam ein Erdbeben, aber der Herr war nicht im Erdbeben, und nach dem Erdbeben war ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer: und nach dem Feuer kam ein still=sanftes Sausen. Da war der Herr ohnfehlbar gegenwärtig, und Eliä Seele wurde in und vor der Thür einer Höle erquiklich durch des Herrn Ansprache aufgerichtet und belebet. Nun hat es die Meynung nicht, als ob [S. 17] wir sagen wollten, es komme von Gott, und sein Reich durch den Schall und den Thon der Jnstrumenten, oder einer Orgel: nein! so wenig als der Herr im Wind und stillen Sausen gekommen; sondern Wind und Sausen nur zu afficirenden Vorbotten seiner lieblichen Stimme und Gnade gemacht: und so erklären wir auch diese wichtige Sache. Gott läßt zuvorderst ein spielendes Jnstrument, bald mit diesem, bald mit W W KorrekturOriginal: jedemjenem eindringlichen Thon erklingen; damit erregt Er durch die Phantasie allerhand nüzliche und heilsame Affecten; bald den Affect der Freude in Gott: bald den Affect einer göttlichen Traurigkeit: bald den Affect der Sehnsucht, und des Verlangens nach dem Ewigen. Und bey einer solchen Gemüths=Bewegung wird einem gottseeligen Christen bald das Reich Gottes nahe. Dann da will sich Gott gleich darauf hören und empfinden lassen. Seufzt eine Seele bey dieser oder jener innern Rührung nach Gott, und seinem Heyl; so läßt sie sich in dem Wort und Evangelio mit Begierde erzehlen, was Gott bereitet hat, denen die nach seiner Ankunft seufzen und sehnen. Und da wird dann in eine Seele Trost, Leben, Friede, Kraft, Erquickung, überschwengliche Freude eingeflößt, und ihro zum Genuß und Gefühl und Geschmak alle Schäze des Gnaden=Reichs Jesu eröfnet und mitgetheilet. Und diß ist also, was sich drittens bey einer neuen Orgel an rechtschaffenen Christen äussert.

Es solte einem dahero sehr befremdlich vorkommen, daß es manchmal in der Welt so trokene und unempfindliche Leute gibt, die gar nichts von Musicalien halten; die nicht einmal einen gesunden und guten Thon gerne hören, will geschweigen in die Ohren auffassen mögen. Gemeiniglich sind dergleichen Personen von einer sehr harten Gemüthsart, und ist solchen auch mit den Gnadenmitteln zu ihrer Erweichung und Besserung übel beyzukommen. Das Brüllen und Blöcken der Schaafe, Ochsen und Stiere, und das Klingen des Gelds in ihrem Beutel ist ihnen lieber, als ein sanfter Thon in einer offentlichen Gemeinde durch Jnstrumen= [S. 18] ten und Evangelium. Das macht die Liebe zum Jrrdischen, wie sie ehmals bey den Juden war.

Man wird einwenden und sagen: wer thut dann aber denen so aus Mangel an Gelegenheit, oder des Vermögens sich in eine Kirche nichts dergleichen erkaufen oder anschaffen können: soll dann das Reich Gottes ihnen nicht auch nahe kommen können? liebste Seele: in einem solchen Fall ist die Kraft und Gnade Gottes guten Seelen doch nicht verschlossen. Jn den Tagen der Apostel und in den Lm Ereignis41–311: Christenverfolgungen im Römischen Reich Verfolgungs=Zeiten, wo man wegen der Feinde des Evangelii, und aus Ermangelung der Kirchen=Gebäude den Gottesdienst in der Stille halten müssen, gieng das Werk Gottes und die Anflammung des Geistes dannoch fort, so, daß dorten Act. IV. 31. gemeldet wird, Ly BibelstelleApostelgeschichte 4,31 und da sie gebeten hatten, bewegte sich die Stätte, da sie versammlet waren, und wurden alle des heiligen Geistes voll, und redeten das Wort Gottes mit Freudigkeit.

So kan Gott auch bey andern Gemeinden, die entweder unter dem Druck des Evangelii sind, oder keine öffentliche Gottes=Häuser haben dörfen oder sonst ihrer Ringfügigkeit halber kein musicalisch spielendes Werk zu Stande bringen können, dennoch die Seelen derer, die ihm nicht widerstehen, durch sein Wort zu sich ziehen. Wo aber die Zeiten ruhig, und Gottes Vorsehung ein solch Werk mehr, als an andern Orten, durch äussere Umstände erleichtert hat, da will er auch sein gnädiges Wohlgefallen an solchen Anstalten erzeigen und sich in seiner Stärke, Liebe und Gnade zu den Seelen nahen. Und darinnen ist nun eine Handlung Gottes so groß, so herrlich, und wunderbar, als die andere. Dann all sein geistliches Schaffen und Würken, sein kommen und wohnen in uns ist immer ein Wunder vor unsern Augen.

d) Ein heiliges und ernstliches Aufsehen rechtschaffener Seelen auf Gott und sein Werk erzeiget sich auch viertens in einer richtigen Uebereinstimmung des Lebens mit dem Werk Gottes. Der Heyland redet in unserm Evangelio in seinem unvergänglichen Worte, welches bleiben wird, wann auch [S. 19] Himmel und Erde vergeht. Dieses Wort enthält den vollkommenen Willen Gottes zur Seeligkeit: und mit diesem will Er haben, solle das Leben eines Nachfolgers mit Jhme übereinstimmen. Dieser Wille Gottes ist neben dem Glauben, auch die Heiligung, wobey alles vermieden werden muß, was ein frommes und heiliges Leben stören und aufhalten kan. Das muß nur eine solche Harmonie seyn, wie sie sich bey einer Orgel findet, wo alle grosse und kleine Pfeiffen, ob sie gleich auf mancherley Art der äussern Aussicht nach unterschieden, dannoch auf eins zusammenstimmen. Von einer solchen Uebereinstimmung nehmen rechtschaffene Seelen ein Bild und Muster, ihres Thuns und Lassens, auf einen Zweck, wozu sie berufen sind. Es mögen also Christen von noch so zerschiedenem Alter, Stand, Grösse und Gaben seyn, so befleissen sie sich einmüthig nach dem Wort des Herrn, nach der Regul des Glaubens und Lebens einher zu gehen; Gott und dem Herrn Jesu zu Ehren, und Jhnen selbst zum ewigen Seegen. Aber diese so liebliche Harmonie muß ein ganz besonderes Triebwerk haben. Alle Pfeiffen in einer Orgel werden durch einen Wind belebt, daß sie in ihren Thönen zusammenstimmen: und bey einem geistlichen Orgelwerk, ich will sagen, bey frommen Christen, thut der sanfte Wind, das Ein= und Anblasen des heiligen Geistes in die Gemüther alles; der treibet zu einer einigen seeligen Bestimmung, züchtig, gerecht und gottseelig zu leben in dieser Welt. Wann sich alle von diesem Geiste, in einer sehnlichen Erwartung desselben regieren lassen, so macht das bald im Hause Gottes etwas vollkommenes aus: ach! aber, wie nöthig ist es hiebey, daß man sorgfältig vermeyde, was der Erlöser seinen Jüngern in dem vorhabenden Evangelio so nachdrüklich befohlen: Ly BibelstelleLukas 21,34 hütet Euch, daß Eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Saufen, und mit Sorgen der Nahrung. Das kommt vom Welt=Geist, von der Liebe zum Mammon, und von der fleischlichen Wollust her, wann man dieselbe in sich herrschen läßt! o, was macht das für eine widrige und [S. 20] betrübte Dissonanz und Verstimmung in einer Gemeinde, und in den Ohren Gottes. Wer ein Liebhaber der Unmäßigkeit ist, oder dem Geiz und Zeitlichen so sehr ergeben, der hat den bösen Geist zu seinem Triebe=Rad der Gedanken und Bewegungen, wie dorten der Schlemmer, und Judas der Verräter. Wie stimmet aber Christus und Lb PersonBelial Belial zusamen?

Wer demnach in einem heiligen Aufsehen auf Gottes und des Geistes Geschäfte und Würkung ist, der fliehet die heydnische Untugenden und jaget nach der Heiligung, ja Er erbauet sich mit anderen Gleidern [sic] auf seinen allerheiligsten Glauben: und läßt sich die Erinnerung des Apostels empfohlen seyn: Ly BibelstelleKolosser 3,16–17 lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen in aller Weisheit, lehret und ermahnet Euch selbsten mit Psalmen und Lobgesängen, mit geistlichen und himmlischen Liedern, singet und spielet dem Herrn in euren Herzen: und alles, was Jhr thut mit Worten und Werken das thut alles im Namen des Herrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch Jhn. Colos. III. 16.

II.

Es gibt aber nach unserer zweyten Betrachtung allerhand ermunternde Beweggründe zu einem heiligen und frölichen Aufsehen auf Gott und sein Werk bey einer aufgestellten neuen Orgel.

a) Vordersamst hat es Gott der grosse Schöpfer, selbst in die Natur nicht nur der Thiere und der Vögel, sondern auch der Menschen vernehmlich gelegt, daß auf sonderbare, sowol ordentliche, als ausserordentliche Phänomena und Aeusserungen an den Elementen, an den himmlischen und irrdischen Cörpern, die man siehet und höret, man nicht ungerührt und unempfindlich bleiben kan. Lasset ein Ungewitter am Himmel entstehen, lasset W W KorrekturOriginal: hetfigeheftige Blitzen leuchten, und Donner knallen, und gebet acht, wie man es aus der Erfahrung hat, ob nicht das Vieh erschrikt, die Vögel in ihre Hölen fliehen, und auch selbst unter den Sterblichen die Starke heimlich oder öffentlich zittern. [S. 21] Betrachtet nur, was der Heyland in dem heutigen Evangelio und dem Anfang desselben sagt; was in Zukunft geschehen werde: wann an der Sonne, Mond und Sternen werden Zeichen geschehen: da werde auf Erden den Leuten bange seyn; und zagen, und das Meer und die Wasserwogen werden brausen; und die Menschen werden verschmachten für Forcht und für warten der Dinge, die da kommen sollen, dann auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. Hingegen weißt man auch, daß auf allerhand wolerklingende Thöne, auf den Schall der Posaunen und Trompeten, auf den Klang und Thon der so mancherley Jnstrumenten und Saitenspiele auf eine ganz ungezwungene Weise von selbsten in dem Gemüth eine sanfte Stille, Beruhigung, Befriedigung, Lust oder Frölichkeit, mit einem Wort, etwas wonnesames entsteht. Wie und auf was Art es zugehe, daß Forcht oder Freude, Schreken oder Belustigung auf diese oder jene Modification in den Werken der Natur und Kunst entstehe, das läßt sich von niemand erklären: immitelst weiset uns die Weisheit und Macht des Schöpfers darauf, wie wir in diesem Puncten uns über die unvernünftige Geschöpfe mit unsern Gedanken erheben, und mit Ernst darüber nachdenken sollen, was Gott durch die diese Würkungen im Reich der Natur für Absichten ins Reich der Gnade hinein habe. Gleichwie nemlich über jenen Schrecken=vollen Begegnissen und Vorbotten des jüngsten Tages, über Jerusalem und die Welt, darüber die Menschen vor Angst und Bangigkeit zagen und verschmachten werden, des Herrn Wille ist, daß die zitternde Sterbliche in ihrem Gewissen aufwachen, erschüttert werden, und ihres vorherigen bösen Lebens halber sich unter die gewaltige Hand Gottes demüthigen sollen: also ist es auch seine heilige Jntention, daß man bey der Empfindung eines heitern und erquiklichen Thons zu einer solchen Erhebung seines Geistes schreiten, die zu einem ernstlichen und frölichen Aufsehen auf das Werk Gottes gehört. Thut man es nun auch bey Anhörung eines Orgelwerks nicht, das durch seine [S. 22] Thöne belustigen kan, und zwar nach denen oben beschriebenen Kennzeichen, und denkt man nicht weiter, als an das gegenwärtige, so in den Ohren klingen, so zeuget das von einem sehr unüberlegten Gemüth, und einer grossen geistlichen Trägheit, und man kommt damit nicht weit im Reich Gottes. Es lassen sich dahero nachdenkliche und gottselige Seelen zu einem Antrieb dienen, ihre Gesinnungen dahin zu richten, daß der Zweck des Herrn an ihnen erreicht werde, und alles zum loben und beten, zu Liebe und Einigkeit ausschlage, und alles zusammen ein geheiligtes Orgelwerk seye.

b) Der zweyte Beweggrund eines heiligen und frölichen Aufsehens rechtschaffener Christen, so, wie wir davon eine Erklärung in dem ersten Haupttheile gemacht, ist dieser: weil man bey einem schön aufgestellten Orgelwerk und damit verbundenen Gesang in allerley angenehmen Thönen manche Vorspiele der himmlischen Freude siehet und höret. Auch das lernen und fassen wir aus dem Evangelio: und es beruht auf diesen Worten: Wann ihr diß alles sehet angehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist. Ewer Liebe mag es noch wol erinnerlich seyn, wie ich über diese Worte in zerschiedenen Jahrgängen von dem Reich der Herrlichkeit Gottes im neuen Himmel und in der neuen Erde geredet, und die darinnen befindliche prächtige Wohnung, die höchsterfreute Jnnwohner daselbst, und die ganze Verfassung jener himmlischen Republique und des Gottesdiensts darinnen angepriesen, besonders aber gezeigt, wie die himmlische Music in dem Hoflager Gottes, und um den Thron des Lammes so unvergleichlich schön und lieblich seye, wie man das neue Lied Lb PersonMoses Mosis und des Lammes, und die Stimme der Harpfenisten, die auf ihren Harpfen spielen, und die Chor=Lieder der heiligen Engel und Auserwählten werde zu vernehmen haben. Dieser Auslegung von dem künftigen Reich Gottes zufolge sagt und verheißt dann nun der Erlöser; alle diese Herrlichkeit und Freude im himmlischen Jerusalem werden seine Jünger erleben, hören, sehen und fühlen, so bald sie [S. 23] der von Jhme angeführten Vorbotten und Vorspiele würden ansichtig werden, oder etwas davon mit ihren Ohren vernehmen. Wann ihr diß alles sehet angehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist.

Solle man aus schreckenvollen Zeichen und Vorspielen die so nahe Himmelsfreude wahrnehmen dörfen? warum solte man aus gottesdienstlichen Musical und Orgelwerken nicht auch noch gewisser schließen dörfen, daß es noch weit vortreflicher im ewigen Leben aussehen und erschallen werde. Diß Leben, wann es wol und gewissenhaft geführt, und vollbracht wird, ist eine Antichambre oder Vorzimmer der Seligkeit! Und es ist nichts gewissers, als daß eine ganz genaue Aehnlichkeit, zwischen feyerlichen Verrichtungen dieser Zeit und der Ewigkeit im geistlichen und gottesdienstlichen seyn werde; obwolen es im Himmel mit W W KorrekturOriginal: himmiischenhimmlischen Sinnen und Empfindungen weit subtiler als auf der Erde hergehen wird. Jn der Heiligen Schrift werden wir wenigstens versichert, daß alle diejenigen Jnstrumenten und Saytenspiele sammt denen hieher gehörigen Thönen und dem hochwürdigsten Jnnhalt ihrer Lieder auf dem Le Geographicumg Gebäude: Zion Berge Zion und in der Le Geographicumf Ort: Jerusalem Stadt des lebendigen Gottes wieder werden gebraucht und gehöret werden, die auf dieser Welt in der Kirche gewöhnlich gewesen, obgleich die Materie und Verfassung dem Zustand jener Welt allein gemäß seyn wird. Diejenige Seelen würden, wann wir sie sprechen könnten, am besten davon rühmen können, welche noch vor Aufstellung unsers hiesigen Orgelwerks im Glauben, in Liebe und vollem Frieden aus unserm Mittel von hinnen gegangen. Es ist aber auch nichts gewissers, als daß wir sowol für unsere Person, als auch nach dem allgemeinen Zustand dieser vergänglichen Welt demjenigen Zeit=Punct immer näher kommen, und noch weitere Vorbotten und Vorspiele haben, da die vollkommene Offenbahrung des Reichs der Herrlichkeit Gottes geschehen, und die musicalische Freude im Himmel angehen wird. Hat der Heyland schon zu seiner Zeit recht gehabt, zu seinen Jüngern zu sagen: Ly BibelstelleLukas 21,29–31 Sehet an den [S. 24] Feigenbaum, und alle Bäume, wann sie jezt ausschlagen, so sehet ihrs an ihnen, und vermerket, daß jezt der Sommer nahe ist. Also auch ihr, wann ihr diß alles seht angehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist: hat, sage ich, Jesus in seinen Tagen recht gehabt, also zu zeugen; so kommt die Erfüllung dieser Warheit in unsern Tagen immer näher.

Wann man nun dieses alles andächtig überlegt, muß wol ein rechtschaffener Christ nicht innigst bewegt und ermuntert werden, daß er denkt: geht es so vergnüglich, so erquicklich, und so lieblich in der Seligkeit und vor dem Thron Gottes zu; so will ich mich noch in dieser Welt bey jeder guten Gelegenheit, und bey dem Schall der zur göttlichen Andacht und Lob gewidmeten Werke und Jnstrumenten bestreben, jener himmlischen Jubelfreude immer näher zu kommen und theilhaftig zu werden. Und dieses zwar kraft des zweyten Beweggrunds zu einem heiligen und ernstlichen Aufsehen über das Werk Gottes in seiner Kirche.

c) Der dritte Beweggrund ist: weilen der Herr bis auf alle Geschlechter hinaus, die Er leben läßt, es genau beobachtet, ob sie über einem Werk und Geschäfte in seiner Kirche seinem Willen und Absichten gemäß handlen [sic]. Mit grossem Nachdenken sagt der Heyland zu seinen Jüngern in dem heutigen Evangelio: Ly BibelstelleLukas 21,32 Warlich ich sage euch: diß Geschlecht wird nicht vergehen bis diß alles geschehe. Jesus hatte damals das Judenvolk vor seinen Augen und in seinen Gedanken. Er wußte in dem Licht seiner Allwissenheit, und vermöge seiner Erhaltungskraft, daß Kinder und Kindes Kinder der Juden nicht nur bis zum Sturz der jüdischen Republique, sondern auch bis ans Ende der Tage leben würden. Er merkte aber auch darauf, und schriebe es auf einen Denkzeddul[3] nach dem Eintritt in seine Herrlichkeit, wie ihre gottesdienstliche Verrichtungen in den Haupt= und Neben=Umständen seyn, und wie sie auch ihre Kinder dazu angewöhnen und anordnen würden: und nach der Art, wie sie solches alles verrichten, und die Jhrige es annehmen würden, gab Er da= [S. 25] mit die Versicherung, daß es ein jeder würde alsdann zu genießen haben: entweder würde es ihnen zu einer lebendigen Freude, oder zu einem schröcklichen Warten des Gerichts ausschlagen. Also mit einem Wort: der Herr notirts, und schreibts auf, was man in einem Haus und in einer Familie bis weit hinein von einem durch Gottes Güte und Vorsorge veranstalteten Werk denket, redet und urtheilet. Es wird das Böse, wie das Gute aufgeschrieben. Darüber sollte man unter uns billig nachdenklich werden; gleichwie in vielen Dingen, also besonders bey unserm neuen Orgelwerk. Es ist eben nicht nöthig, daß man das Böse und Widrige, so mit eingeschlichen, ins Angedenken bringe: Diß aber wird löblich seyn, wann man seinen Kindern sagt: Zu unsern und eurer Vätter Zeiten ist in unserm Gotteshaus diß Werk veranstaltet worden; und auch wir haben, Gott zur Ehre, unser Scherflein beygesteuert, geniessets ihr nun auch im Segen, wann wir nimmer leben, lobet Gott über seine Wolthat, und lernet an unserm Beyspiel, daß, wann Gott auch euch im Zeitlichen segnet, ihr auch zur Kirche etwas stiftet; dann, was man Gott giebt, das ist am besten und gewissesten angelegt. So etwas schreibt Gott von Geschlecht zu Geschlechte auf; und verheißt einen Abrahamitischen Segen. Lasset alsdann für Unfalle und Heimsuchungen kommen, was da für wollen, und wann es auch heißt: Diß Geschlecht wird nicht vergehen, bis diß alles geschehe; so werdet ihr in der Sicherheit seyn, und viele Freudigkeiten haben. Diß überlegen ohnfehlbar rechtschaffene Seelen, und machens abermal zu einem Ermunterungs=Grund ihrer ernstlichen Aufsicht auf das Werk und Geschäft der Hände Gottes.

d) Vierdtens aber bewegt sie der eben so wichtige Umstand: Daß der Tag auf einen jeden warte, woran man dem zukünftigen Richter Red und Antwort geben muß, wie man sich die Werke, Geschäfte und Wolthaten Gottes in seiner Kirche zunutz gemacht. Jesus befiehlt in unserm heutigen Evangelio denen Seinigen, und die um Jhn her waren, daß sie der Zeit, [S. 26] worinnen Gott die Zeichen am Firmament und auf dem Erdencreyß würde aufstellen und erscheinen lassen, zur Vermeidung alles Bösen und ungöttlichen Lebens, und Ausübung eines rechtschaffenen und göttlichen Wesens, sorgfältig wahrnehmen sollten, damit der grosse Tag des Herrn sie nicht schnell und unvorbereitet überfalle, indeme Er wie ein Fallstrick komen werde über alle, die auf Erden wohnen, und damit sie sodann wacker und mit Freudigkeit diesem Tag entgegen sehen, dem alsdann ausbrechenden entsetzlichen Jammer entfliehen, und würdig werden mögen zu stehen vor des Menschen Sohn. Diesem grossen und hochbeträchtlichen Tage werden auch wir mit unserm zu= und abnehmenden Alter, und mit der letzten Zeit immer weiter entgegengerückt. Und, gleich wie man alsdann muß Rechenschaft geben von allen seinen Handlungen, die man in diesem Leben begangen; also wird insonderheit auch nach den gottesdienstlichen Uebungen und Andachten Nachfrage gehalten werden, wie man sich da verhalten habe? und ob man auch darauf geachtet, wann Gott an einem Bußtag oder Sonntag nicht nur durch das Zeichen der Glocken zum Tempel des Herrn, sondern auch durch den Schall der Jnstrumenten und Orgel zum singen und hören der erbaulichsten Leider und des Worts herbey gelockt und eingeladen: oder, ob man davon entfernt geblieben, den Ruf des Herrn an sich vergeblich seyn lassen, und noch dazu solche heilsame Stunden und Tage sündlich, ärgerlich und mit Werken der Finsternis zugebracht? oder sonst der Eitelkeit, der Wollust und Nahrungssorgen nachgehängt; im letztern Fall würde für einen Verächter Gottes das Gericht sehr schwer ausfallen: Wir pflegen es selbst in einem bekannten Lied zu bekennen: Lw MusikwerkLuther, Martin: Es ist gewisslich an der Zeit Darnach wird man ablesen alsbald ein Buch, darinn geschrieben, was alle Menschen jung und alt auf Erden han getrieben; da dann gewiß ein jedermann wird hören, was er hat gethan in seinem ganzen Leben. O weh demselben, welcher hat des Herren Wort verachtet, und nur auf Erden früh und spath nach grossem Gut getrachtet? der wird [S. 27] fürwahr gar kahl besteh’n und mit dem Satan müssen gehn von Christo in die Hölle.[4]

Ja, das solte man doch wol und ernstlich bedenken! und einen jeden Tag, sonderlich die Tage der gnädigen Heimsuchung Gottes in seiner Kirche für kostbar und theuer halten, weil man nicht weiß, ob man morgen noch einen erleben wird. Die alten und ersten Christen haben um die heilige Adventszeit, worinnen wir würklich leben, im Brauch gehabt, einander mit einem Hammer an die Hausthüren des Nachts zu klopfen und zuzurufen: Dominus venit, der Herr kommt! der Herr ist nahe! So dünkt mich, wann wir entweder an einem Tage dem Herrn, oder sonst zu einer angenehmen Zeit eines wochenentlichen Gottesdiensts den Schall unserer neuen Orgel hören, soll es bey uns heissen: der Herr ist nahe: Halleluja, macht euch bereit, ihr müsst Jhm entgegen gehn! Es ist dieses um so nöthiger, da man nicht wissen kan, wie plötzlich einer von dem Tode, und dem letzten Tag seines Lebens und wenigstens Particular=Gerichts überfallen werden kan. Jch erinnere mich noch wol eines bedenklichen Unfalls allhier, da ein Mann aus dieser Gemeinde mitten unter der Predigt an einem monatlichen Buß= und Bett=Tage von dem Heubahrn herunter, und zu todte gefallen, nachdeme er sich mit unnöthigem Stroh hinaufziehen beschäfftiget. Wäre er um solche Zeit nicht wol verwahrter in dem Hause Gottes gewesen? oder, wann ihn auch da der Tod berückt hätte, wäre er nicht eher in einem bessern Beruf gestorben? wiewol man auch in der Kirche selbsten sich wol vorzusehen hat, daß man nicht mit eiteln, fremden, fleischlichen und irdischen Gedanken und Begierden umgehe, weil man auch da Exempel vor sich hat, derer, die durch einen Schlag, oder schnellen Tod, oder Einsturz der Emporkirchen, plötzlich aus dem Lande der Lebenden hinweggerissen worden. Das lassen sich dann rechtschaffene Seelen zu einem Antrieb werden, keinen Tag ihres Lebens unachtsam und leichtsinnig zu seyn, und insonderheit den heutigen Tag, da sie der Herr durchs neue Orgelwerk zur Auf= [S. 28] merksamkeit feyerlich einladet, in ihr Gedächtnis zu drücken, und jede Stunde am Sabbat und Festen für feyerlich und wichtig zu halten, wo sie mit lautem Schall zur Andacht aufgefordert werden, weil sie nicht wissen, wann die Zeit des Aufbruchs von hinnen ist, damit sie als eine geschmückte Braut dem Bräutigam entgegen gehen, und vor ihme bestehen, auch der Verheissung gewürdiget werden. Apoc. III. 12. Ly BibelstelleOffenbarung 3,21 Wer überwindet, wer standhaft in meinem Dienst am Hause Gottes verbleibt, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und soll nicht mehr hinaus gehen, und will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalems.

III.

Und damit werden wir auf unsern dritten Betrachtungspuncten eingeleitet, darinnen wir von dem Nutzen, und von den schönen Vortheilen zu reden haben, die aus einem heiligen und frölichen Aufsehen auf Gott und sein Werk entstehen bey einer aufgestellten neuen Orgel.

Diese Vortheile fangen sich hier in der Zeit und im Reich der Gnaden an, und gehen bis in die frohe Ewigkeit.

a) Der erste Vortheil und Nutzen ist die nahe Ankunft des Reichs Gottes im Herzen bey einem auf des Herrn Werk wol aufsehenden Christen. Der Heyland redet unter anderm vom nahen Reich Gottes mit seinen Jüngern und Nachfolgern. Ly BibelstelleLukas 21,31 Wann ihr dieses alles sehet angehen, lautet der Text, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist. Es faßt der grosse Prophet das Reich der Gnaden und Herrlichkeit allerdings in Eins zusammen: und doch hat man Ursache zu denken, er habe zu der damaligen Zeit, und nach der Verfassung des damaligen Zustandes in der Kirche die Sache vordersamst nach dem ersten Sinn genommen. Diesem zufolge ist die Herannahung des Reichs Gottes nichts anders, als die Empfindung des Ausflusses der Gnade und Liebe Gottes nach ihrer Länge, Breite, Tieffe und Höhe in ganzen Gemeinden [S. 29] und bey einzelen [sic] Seelen durch die Predigt des Evangelii. Der Lauf dieser grossen und heiligen Botschaft, und des daraus fliessenden Friedens an denen Gewissen ware auch nach dem Eingang Jesu in seine Herrlichkeit eine Zeitlang noch ziemlich eingeschränket; nachdeme aber sich am Pfingstfest der Himmel eröfnete, und der Geist mit Feuer herunter kam, auch sonsten grosse Zeichen und Wunder geschahen, nicht weniger durch den Schreckenvollen Untergang des unglaubigen Jsraels, und der Verfolger des Glaubens, auch durch die Zerstörung des Tempels zu Jerusalem der Hauptwiderstand gehoben wurde, so breitete sich der göttliche Friede so wol im Jüdischen Lande, als auch in andern Gegenden und Gemeinden aus, wie ein Wasserstrom, und Jesu Gerechtigkeit wie Meereswellen. Die Apostel, viele andere Rechtglaubige und Bekehrte seufzten und sehnten sich lange nach einer solchen Offenbarung der herrlichen Freyheit der Kinder Gottes, und der überschwenglichen Kraft des Reichs Jesu Christi.

Ueber diesem heiligen Sehnen und Aufsehen auf das künftige grosse Werk Gottes, so er in der neutestamentlichen Kirche anrichten würde, tröstete dann der Heiland seine Jünger, und es kame auch hernach wie schon gemeldt, zu einer gesegneten Erfüllung. Und eben so will der Herr auch mit der Zukunft des Reichs seiner Ganden sich unter uns verherrlichen, wann wir uns in einer Sehnsuchts=vollen Aufmerksamkeit auf sein Geschäft erfinden lassen. Wann wir von dem heutigen Tage an, da uns Gott aus Gelegenheit des aufgestellten neuen Orgelwerks, daran erinnert, und in Zukunft so wohl an uns selbst, als an unsern Mitchristen eine solche heitere Gemüthsverfassung erfahren und wahrnehmen werden, so dörfen auch wir glauben, daß uns das Reich Gottes nahe sey. Wir werden die wahrhafteste und kräftigste Empfindungen der Gnade bekommen, wir werden voll werden des heiligen Geistes, und seiner erquicklichen Zusprüche: wir werden im Meer der Liebe Gottes schwimmen, wir werden überschwenglich in Freuden seyn, der Herr wird uns die Kräfte der zukünftigen Welt, und die Vor= [S. 30] trefflichkeit der Güter jenes seel. Reiches im Vorgeschmack geniessen lassen; wir werden als ein königliches Priesterthum Blicke thun dörfen ins Heiligthum Gottes, und unser ganzes Herz wird voller Beruhigung und göttlichen Friedens in dem Friedensfürsten und Könige Jesu seyn der unsere Gerechtigkeit ist. Siehe da, den ersten Vortheil von dem frölichen Aufsehen auf das Werk Gottes in einer Gemeinde.

b) der zweyte Vortheil und Nutzen ist eine ruhsame Erlösung nach wohl vollendetem geistlichem Geschäfte in dieser Welt und in der Gemeinde Gottes. Jesus tröstet in unserm Evangelio seine Jünger und Liebhaber mit einer zukünftigen und unvergleichlichen Erlösung. Er wußte wol, daß ohnerachtet durch die bevorstehende Hinwegräumung der feindseligen Juden, die dem Reich Gottes einen so langen Halt gemacht, und durch die gänzliche Aufräumung des Jüdischen Gottesdienstes und Tempels zu Jerusalem dem Evangelio viel Luft und Raum gemacht werden würde, dannoch die gute Apostel und ihre Anhänger, die bekehrte Christen unter dem nachmaligen Druck der Welt und der heydnischen Verfolgungen, ja selbst unter falschen Brüdern und Aposteln vieles würden auszustehen haben, und selbst auch der innere Kampf mit dem Fleische und Satan ihnen manches würde zu schaffen machen, und oft unsägliche Hindernissen in den Weg legen, daß sie nicht allemal, wie sie wollten, würden ins Herz und Reich Gottes eindringen können; jedoch merkte dabey auch bald unser Erlöser, wie sie alle mit Treue und Ernst das ihnen von Gott auferlegte Geschäffte im Hause Gottes, und in seiner Kirche ausrichten würden; daß nach einer treuen Arbeit eine Zeit der Erquickung vor dem Angesichte Jesu erscheinen, und eine Erlösung von allem Übel für sie erfolgen werde, worüber sie ihr Haupt mit Freuden und Jauchzen empor heben würden: und dieses würde geschehen, wann sie von allerhand grossen und heftigen Bewegungen an allen Enden und Orten, auf dem Erdboden, von Krieg und Kriegsgeschrey hören würden; Jhnen aber hernachmals nach der Erlösung von dem sterblichen [S. 31] Leibe der Eingang in die ewige Ruhe der Heiligen würde verstattet werden. Darum lautet es so schön im Evangelio: Ly BibelstelleLukas 21,28 wann dieses anfähet zu geschehen, so sehet auf, und hebet eure Häupter auf, darum, daß sich eure Erlösung nahet.

Diese prophetische Worte Jesu nun gehen auch alle aufrichtige und gottseelige Seelen an: je näher es zu dem Ende aller Dinge kommt. Auch ihnen hat die belohnende Gnade, und alles reichlich vergeltende Liebe Gottes eine herrliche Erlösung vorbehalten, wann sie bey einem heiligen Aufsehen auf das Werk der Berufung Gottes recht geschafft, gekämpfet, gearbeitet, und in den gottesdienstlichen Pflichten ihre Treue erwiesen haben. So kostbar diese Erlösung seyn wird, und so viel einem Christen daran gelegen seyn muß, daß er einmal derselben gewürdiget und theilhaftig werde, so viel gehört Wachsamkeit, Ernst, Aufsicht, Ringen und Kämpfen dazu. Ach! wie oft und viel hat man nicht mit sich selbsten und seinem verderbten Fleisch zu schaffen, daß man sich in der Kirche und in dem Dienst Gottes der Trägheit, der Schläfrigkeit und Unlust zum Betten und Singen und Anhörung des Worts erwehre: daß man in einer anhaltenden Andacht ohne viele Zerstreuung bleibe; daß man sich durch keine fremde Gedanken und eitle Phantasien oder unlautere Paßionen irre machen lasse? Wie manche Versuchung hat man zur Versäumniß eines Gottesdiensts, oder allzulauen und kaltsinniger Verrichtung desselben von verführischen Weltmenschen? Wie viele Geschäfte und Ueberwindung braucht es heutiges Tags bey so vielen Religionsspöttern und Verächtern Gottes? Durch wie viel Gattungen des Spotts und des Hohns, der Verachtung, des Drucks, der lieblosesten Urtheile und Widerwärtigkeiten muß man sich nicht bey einem Gott ergebenen Sinn durchschlagen? Wann man aber im Gegentheil sich durch die Gnade vest gesetzt, wann man bis an sein Ende sich unermüdet erfinden lassen, wann man seiner bösen Natur in der Verläugnung recht Gewalt angethan, wann man der Verführung und Spötterey Trotz gebotten, wann man einen guten Kampf gekämpft, [S. 32] und Glauben gehalten; da geht es endlich einer höchst erwünschten Erlösung nach diesem Leben zu. Da wird einem die grosse Warheit zu fühlen gegeben: Ly BibelstelleOffenbarung 14,13 Seelig sind die Todten, die in dem Herrn sterben, von nun an; ja der Geist spricht; daß sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach; Apoc. XIV. 13.

Man glaube nicht, daß diese Ruhe etwas sinn= und fühllos, wie bey einem Schlafenden seyn werde: nein! es wird eine friedsame, wonnesame Erquickung des erlößten und unsterblichen Geistes seyn, welcher nichts mehr von den Banden und Fesseln des ihm so beschwerlich gefallenen Leibes spühren, sondern munter und frölich in Gottes und Jesu unmittelbarer Liebe und deren Genuß seyn wird, unter unaufhörlichen Tröstungen des göttlichen Geistes, von einem noch weit grössern Antritt der Herrlichkeit an jenem Tage, in der Gemeinschafft anderer erlößten und vollendeten Gerechten, welche samt ihme aller Gefahr der Verführung entrunnen; in den paradisischen und sionitischen Lust=Revieren, ohne Beängstigungen, ohne Kummer, ohne alle Hinderniß dem Lamm Gottes dienen, und in einer sanften Stille auf die grosse Erscheinung Jesu warten, der sie mit Leib und Seele alsdann einführen wird in den neuen Himmel, und in die neue Erde, und ins himmlische Jerusalem, das von dem Himmel herab fahren wird, wie eine geschmückte Braut dem Manne. O seeliger Gewinn eines so heiligen Aufsehens auf Gott. Aber der Vortheil soll noch weit prächtiger heraus kommen.

c) Er besteht drittens in einer höchst vergnüglichen und für fromme Seelen höchstnutzbaren Ankunft des Menschen=Sohns, des Richters der Lebendigen und der Todten. Es hat sehr vieles zu bedeuten, was der Heyland in unserm Evangelio sagt: Ly BibelstelleLukas 21,27 sie werden sehen des Menschen Sohn kommen in den Wolken mit grosser Kraft und Herrlichkeit. Man kan wol nicht läugnen, oder in Abrede seyn, daß, wann der Heyland durch diese Zukunft die erstaunliche Heimsuchung und das schröckliche Gericht im Leiblichen über Jerusalem verstanden, dieselbe voller Kraft und Herrlichkeit ge= [S. 33] wesen; daß, nach denen vorliegenden Beschreibungen die förchterlichsten Zeichen in den Wolken, und in der Luft, oder am Firmament sich gezeiget, daß der Sohn Gottes seine Feinde und Mörder, welche über sich und ihre Kinder die Blutschuld verwünscht und kommen heissen, mit Heeres=Kraft durch die Römer vertilget, und die Herrlichkeit seiner Meßianischen Ehre dadurch kund werden lassen. Alles dieses ware damals denen Gottlosen zum Schrecken bis zum Zagen und Verschmachten: denen Frommen und Glaubigen aber gereichte es zu einer lebendigen Freude, weil sie eine gar vorzügliche Beschirmung und Erlösung bey einem so grossen Jammer genossen. Ohnerachtet aber dieses alles mit gutem Grund gesagt werden kan, so sind dannoch die vorläufige Umstände, welche er von seiner Zukunft meldet, die ganz ausserordentliche Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, an dem Meer und auf dem trockenen Erdboden, und an allen Kräften des Himmels so beschaffen, daß man hiebey vornämlich an nichts anders, als an seine letzte Erscheinung zum Gericht denken kan. Diese wolte der treue Heyland seinen Aposteln und Nachfolgern recht lieblich machen, wie Er dann, nach dem Zeugniß Matthäi am Ly BibelstelleMatthäus 24 XXIV. und Ly BibelstelleMatthäus 25 XXV. Capitel; allen Jüngern, dem lieben Paulo in dem ersten Brief an die Thessalonicher am Ly Bibelstelle1 Thessalonicher 4 IV. Cap. Petro in seinem zweyten Schreiben im Ly Bibelstelle2 Petrus 3 III. Cap. und Johanni in den letzten Capiteln der Ly BibelstelleOffenbarung Offenbahrung hievon einen Ausschluß nach dem andern, und immer herrlicher gemacht. Wann man diese Schriftstellen zusammen nimmt, so ergibt sich daraus, was für eine W W KorrekturOriginal: nun ausdenklicheunausdenkliche[5] Herrlichkeit auf die Knechte Gottes Gottes und alle diejenige warte, die ihr ernstliches und heiliges Aufsehen dahin gehabt, in dem Dienste Gottes getreu zu seyn bis an das Ende, und auf die Werke des Herrn zu achten.

Vordersamst wird der Aufzug des Richters Jesu in seinen Vorbereitungen zum Gericht für die Glaubige ungemein erquicklich und tröstlich seyn. Was wird man da nicht für prächtige Jnstrumenten und Thöne erklingen hören? Die alles erweckende Posaune Gottes und das Feldgeschrey und Music der heiligen Engel, [S. 34] worauf die Geister der Verstorbenen mit ihren Leibern wieder vereinet, und die Seelige vollkomen belebet werden, wird den Anfang machen. Dann werden sie zuerst auf ihren Goel[6] schauen, deme sie in diesem Leben gedienet, und ihme in den Lüften mit verklärtem Leibe entgegen gerücket werden, und ihre über alles irdische erhöhte Sinnen werden von dem Jubelschall der heiligen Engel, welche sie bis zum Triumphwagen und vor den Thron Jesu zu seiner Rechten stellen sollen, mit einer entzückenden Freude durchdrungen werden, wann im Gegentheil alle Geschlechte der Gottlosen zur linken Seite des Richters heulen, zittern und beben müssen. Sollen wir von dem Gerichtsproceß an jenem Tage selber sagen: wie vieles lasse sich hier bemerken! genug, wann wir melden, daß denen glückseelig=verewigten Menschen der Ausspruch und die Stimme des Sohnes Gottes über alles Jubelgeschrey W W KorrekturOriginal: ihrenihrer[7] Englischen Begleiter seyn werde, wann es heissen wird! hier sind meine Knechte und Mägde, die mir in meinem Heiligthum mit Bitt= und Dankopfern in ihrer mühseligen Wallfahrt treulich gedienet; diese sind die Gesegnete meines Vaters; und sie sollen das Reich ererben, das ihnen bereitet ist von Anbeginn der Welt; diese sollen und werden nun eingehen in ihres Herrn Freude. Das ist ein Lobspruch, der über alle Panegyros und Lobgedichte hinaus geht, die man den Grossen dieser Welt in gebundener und ungebundener Rede singen oder vortragen kan: dann es ist was gründliches und warhaftes vom getreuesten Zeugen, und daurt [sic] bis in die Ewigkeit. Und was wird nicht erst nach dem Beschluß des Gerichts an denen Heiligen geschehen. Mit was für einem Lustgethöne werden sie nicht den Einzug in den neuen Himmel und in die Stadt des lebendigen Gottes nehmen dörfen: und was wird es seyn, wann sie gar in diesem Tempel wohnen dörfen, wo alles beschäftiget seyn wird, mit erhabenen Stimmen, mit neuen Zungen, mit englischen Harpfen und Cymbeln sich hören zu lassen, und sich so dann in Gott zu freuen, der alles in allem seyn wird. Das lasse mir eine unaussprechliche Herrlichkeit seyn, die [S. 35] Gott bereitet, denen, die ihm treulich anhangen, und auf seine Werke und Wohlthaten sehen in seiner Gemeinde.

d) Der letzte und gesegnete Vortheil, und Nutzen, den man von einem heiligen und frölichen Aufsehen auf die Werke und Geschäfte Gottes in seiner Kirche hat, ist der unvergängliche Genuß des Worts Gottes in der frohen Ewigkeit. Der Heyland läßt sich in unserm Evangelio vernehmen: Ly BibelstelleMatthäus 24,35 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.[8] Es redet hier der Erlöser mit einer standhaften Gewissheit von der Vergänglichkeit und dem zukünftigen Untergang aller sichtbaren Welt und Himmelscörper, woran man sich manchmal in dieser Welt auch auf eine ordentliche und unschuldige Weise belustigen, ja zum Theil von denen darinn befindlichen Geschöpfen Leben, Nahrung, Kraft, Speise, und auch sonsten noch vieles geniessen und haben kan, was denen sinnlichen Empfindungen, was Augen, Ohren, Geschmack und Gefühl angenehm und reitzend seyn kan. Alle diese Gegenstände, bezeugt der warhaftige Heyland, werden sich verlieren, sie werden uns ihrem Gebrauch nach, völlig entzogen werden. Hingegen seye etwas, dessen Kraft, Frucht und Genuß unverändert und ewig bleiben werde. Diß ist das Wort des lebendigen Gottes und des heiligen Evangelii. Das wird auf Erden und in dem Himmel unbeweglich seyn, und diejenige werden es ewig zu genießen haben, welche in einem heiligen Aufsehen gegen Gottes Geschäfte und Werke gestanden. Haben sie in dieser Gnadenzeit das Wort des Herrn ihren besten Schatz und köstlichste Speise seyn lassen, und daran die vornehmste Freude, Lust und Geschmack gehabt, haben sie nach dem Jnnhalt desselben gehandelt, haben sie mit betten, mit singen, mit Jubelthönen, auch unter dem Schall der lieblichsten Jnstrumenten ihre Seelen damit gewaydet, und sind mit einer solch zufriedenen und frölichen Gemüths=Verfassung aus der Zeit in die Ewigkeit übergegangen, so werden sie das Wort, das in ihnen gewurzelt, nach dem vollkommensten Genuß antreffen, sie werden da von Angesicht schauen, [S. 36] was sie geglaubet, und daselbsten unaufhörlich davon gesättiget werden. Von diesem Wort des Herrn wird man im Himmel leben, und recht himmlisch leben. Die Freude der Seligen würde keine warhafte und reelle Freude seyn, wann diß Wort Gottes nicht wäre. Hat man in dieser Welt von dem Worte Gottes so manche Süßigkeit geschmeckt, was werden nicht jene Worte des ewigen Lebens zur Erquickung in die vollendete Seelen der frohen Himmelsbürger einflössen. Hörte dorten Paulus, da er bis in den dritten Himmel entzückt wurde, unaussprechliche Worte, welche kein Mensch sagen kan, was werden nicht auch andere Auserwählten hören, sehen und schmecken dörfen: wie wird sich über jeden göttlichen Ausspruch Leib und Seele freuen in dem lebendigen Gott? wie wird alles über den himmlischen Stimmen zusammen jauchzen; und einmal über das andere harmonisch mit vereinigten Kräften singen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaot! Gott der allmächtige! Lob sey dem Lamme, das uns bis hieher gebracht. Preis und Ehre und Dank sey dem, der da lebet und liebet von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Auf dann! mein Volk! geliebtes Balingen! liebe und lobe deinen Gott, und Heyland, der dir heute hat sagen lassen, was sein Wille an dich ist. Vergiß nicht was Er dir gutes in seiner Gemeinde gethan hat, und erzehle seine Wunder! behalte den unvergänglichen Saamen des Worts in deinem Herzen, und thue darnach. Denke nach, ob du den Seufzer mit Warheits=Grund und freudigem Gewissen nachsprechen könnest, womit wir unsere Betrachtung schliessen.

Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme Zion hört den Wächter singen;
Das Herz thut ihr vor Freuden springen;
Sie wachet und steht eilend auf:
Jhr Freund kommt vom Himmel prächtig,
Von Gnaden stark, von Warheit mächtig,
Jhr Licht wird hell ihr Stern geht auf,
Nun komm du werthe Kron.
[S. 37] Herr Jesu! Gottes Sohn, Halleluja!
Wir folgen all
Zum Freuden=Saal,
Und halten mit das Abendmal.
Amen![9]

Gebet nach der Predigt

Grosser, liebreicher und warhaftiger Gott! der du alles Gute in uns anfahest, und herrlich vollendest. Wir beugen, an dem Beschluß dieser Betrachtung die Knie des Herzens vor Dir, und danken Dir aus allen Kräften Leibes und der Seele, daß du in diesem deinem Hause und Heiligthum so treulich für Uns gesorget, und uns die etwa bisher von manchen so W W ErratumOriginal: erkannteunerkannte[10] Wolthat eines tüchtigen, und durchdringenden Orgelwerks verliehen hast. Gib, o himmlischer Vater, daß wir nun insgesammt, Grosse und Kleine uns diese deine Liebe und Vorsorge fleissig und ernstlich nach deinem Zwek, und nach deinen heiligen Absichten zu nuz machen, und auf keinerley Weise dagegen unerkanntlich seyn, und deine weiße Veranstaltungen und Fügungen jemals mit einem Schalksauge ansehen. Laß uns vielmehr in einem ernstlichen und frölichen Aufsehen auf dein Werk allezeit erfunden werden. Wecke uns auf, sooft wir den Schall der Orgel hören, und erhebe unsern Geist in Andacht zu Dir; in deiner heiligen Gegenwart eifrig und brünstig zu betten und zu singen, und deine Wunder zu verkündigen in der grossen Gemeinde. Lasse, o Herr, unter unserm Loben und Danken, unter unserm Flehen und Gesängen dein Reich und Kraft zu uns kommen: entzünde in uns Glauben und Liebe, und eine lebendige Hofnung auf deine Bewahrung. Verbinde alles unter uns von oben an bis unten aus zur wahren Einigkeit und Frieden, und zu aufrichtigen Gesinnungen gegen deine Ehre in dem Tempel. Lasse alles, was man zu deiner Kirche opfert und stiftet, und auch in Zukunft unter deiner Gnaden= und Liebesvollen Lenkung geben und stiften wird, in einer lauterlichen Absicht, ohne Heuchelschein und eigene Liebe oder Ehrfurcht [S. 38] geschehen: und lasse dir solch Opfer in Gnaden gefallen. Segne vordersamst unsere Landes=Obrigkeit, durch deren gnädigste Bewilligung unsere neue Orgel befördert worden, und drücke die geheiligste Werkzeuge deiner Gnade auf dein Herz zu zeitlich= und ewigem Wolergehen. So dann schliesse auch die Ober= und Vorgesezte dieser Statt, und die sammtliche Magistrats= und andere Personen, die zur Aufstellung dieses Werks sich so bereitwillig als geschäftig und würksam in Vorschlägen, Rath und That erfinden lassen, in deine Väterliche Liebe ein, und gedenke ihrer und der Jhrigen am besten. Besonders seye ein Seegenreicher Vergelter der hiesigen übrigen Jnnwohnerschaft, und derjenigen, sie mögen seyn, weß Standes sie wollen, welche theils durch sehr schöne, und theils durch ergiebige Beyträge, nach ihrem Vermögen den eigentlichen ersten und gutem Grund zu einer Gottgefälligen Entschliessung dieses unsers neuen Werks geleget hatte: erfülle sie allenthalben mit Heyl und Freude und Friede im Glauben. Erquicke auch diejenige vor deinem Angesicht, welche zu hiesigem Hospital seit 3 Jahren und erst seit kurzer Zeit in ihrem letzten Willen eine schöne Handreichung gethan; und hernach im Vertrauen auf Jesum von hinnen geschieden: lasse sie unter denen Thönen der heiligen Engel und Auserwählten wohnen, und dich unter stetigem Halleluja für ihre Erlösung loben und danken. Kehre dich zu Uns, du heiliger in Jsrael, du Liebhaber deiner Kinder, mache unser Herze voll deines Geistes, und weyhe es zu deinem Tempel. Komme herein, du Gesalbter, du Gesegneter des Herrn, an dem heutigen Tage, warum stehest du draussen. Oefne uns allen Mund und Herze, dich unter dem Schall der Jnstrumenten, und doch bey deinem stillen Sausen auf= und anzunehmen: laß, nur niemalen ohne innige Bewegung in dein Haus, und aus deinem Hause gehen; zeige uns im Geist in den gottesdienstlichen Musicalien die schöne Vorspiele der himmlischen Freude; bringe das Lob deines Namens und deiner Ehre auch auf unser ganzes Geschlecht, auf unsere Kinder und Kindes=Kinder, damit sie sich auch [S. 39] ermuntern lassen, ihre Stimmen zu erheben; da du dir vornehmlich aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge eine Macht zurichtest um deiner Feinde willen. Lasse sie und Uns denken an die grosse Rechenschaft, welche man dir zu geben hat, wann man die Tage deiner gnädigen Heimsuchung, und deiner Wolthaten in der Kirche und Gemeinde vergißt; damit wir nicht, wann dein Tag, dein lezter Tag kommt, zu Schanden werden, sondern stehen mögen vor des Menschen Sohn. Mache uns in dem Vorsaz veste, in allen unsern geistlichen Verrichtungen nur allein von deiner Gnade, und deines Geistes Eingebung im Worte abzuhangen; stärke Uns mit der lebendigen Hofnung, daß wir als deine Reichs=Unterthanen bey dir in stets gnädigem Angedenken, und du mit deinem Reich niemals von uns weichen wolltest: lasse keines unter uns im weitern Lauf des Lebens matt und müde in deinem Dienst und Lobe werden, sondern an unsere anhoffende seelige Erlösung und Ruhe denken, die wir in jenem Erbtheil der Heiligen geniessen dörfen: schenke uns eine grosse Freudigkeit auf jene herrliche Erscheinung des Richters, der da kommen wird mit grosser Kraft und Herlichkeit, daß wir mit erhabenem Haupte bey dem Schall der letzten Posaune aus unsern Ruhestätten hervorgehen, und unter dem Jubelthon der himmlischen Herschaaren bis zu deinem Thron gelangen, und eingehen in dein ewiges und unvergängliches Reich, wo eine unbeschreiblich herrliche Wonne und Seeligkeit ist. Mein Herr und mein Gott! das trauen wir deiner Liebe zu, daß du es alles vollenden werdest, wann wir nur das unsrige thun, so du uns anvertraut und anbefohlen hast. Dein Wort ist wahr! das wirst du halten. Himmel und Erde vergehen, aber deine Worte vergehen nicht! erhalte uns nur dieses dein Wort, daß wirs bewahren, und lassens unsers Herzens Freude und Wonne seyn, daß es uns köstlich zu statten komme, bis es vom Glauben zum Schauen, zum Schmecken, und unmittelbaren Hören kommt. Amen! das thue um deines Namens willen. Amen.

[S. 40]

Beschreibung des in der Stadtkirche zu Bahlingen neu erbauten Orgelwerks.

Da das in gedachter Stadt=Kirche bisher gestandene Orgelwerk zimlich klein, und dabey so mangelhaft gewesen, daß es weder zur Kirchen=Music anständig, noch weniger zu Führung und Aufrechterhaltung des Chorals bey einer aus 2400 Personen bestehenden Gemeinde hinlänglich ware, so haben die samtliche Herrn Obervorsteher und Löblicher Magistrat in gedachter Stadt endlich, und zwar schon vor 3 Jahren, den Bedacht dahin genommen, daß sie zur Aufnahme und Zierde des öffentlichen Gottesdienstes, ein ganz neues, und theils zu Führung der Kirchen=Music, theils zu Regierung des Chorals tüchtiges und proportioniertes Orgelwerk aufstellen lassen wollten. Zu dem Ende haben sie dem nunmehrigen S. T. Herrn Stadtpfarrer Magistrum Lb PersonNästlin (fl. 1767) Nästlin zu Le Geographicumf Ort: Ebingen Ebingen, einem sehr erfahrnen und capablen Mann den Auftrag gemacht, über solch neu zuerbauendes [sic] Orgelwerk ein Project und Bau=Ueberschlag zu begreiffen. Dieses wurde dann folgendergestalten verfasset, daß das ganze Werk in 2 Claviern abgetheilt, solche mit angenehm= und doch scharff=klingenden Stimmen besetzt, und ein mit durchdringenden Baß=Stimmen versehenes Pedal beygefügt worden.

Was nun die äusserliche Einrichtung und Darstellung des Werks im Prospect betrifft, so stehet im Hauptwerk vornen [sic] im Gesicht in 5. theils runden, theils ebenen Feldern das Principal à 8 Fußthon, samt fast der ganzen Octav à 4. Fußthon, alles von fein englischem Zinn, also und dergestalten, daß die grösten Pfeiffen auf beyden Flügeln stehen, und zwischen sich das oberstehende Brust=Positiv, dessen Principal 4. Fußthon, und gleichfalls von fein englischem Zinn ist, in 3. gleichfalls runden und geschweiften Feldern einschliesset. Das Pedal stehet hinter dem Manual=Werk auf einer besondern Windlade, also daß zwischen dem Hauptwerk und Pedal ein Gang gelassen wor= [S. 41] den, damit man bey einem etwa entstehenden Fehler bequem nachsehen und Hülfe schaffen kan.

Die 2. Claviere, deren jedes aus 49. Clavibus bestehet, und das in alten Orgelwerken fast gar nicht, in neuern aber nur wenig befindliche tiefe Cis begreifet, können durch einen besondern Zug, ohne daß sie geruckt oder nachgeschoben werden dörfen, miteinander copulirt, und folglich beyde zumal, auch wieder ein jedes besonders gespielt werden. So gehet auch aus dem Hauptwerk in das aus 2. completen Octaven oder 25. Clavibus bestehende Pedal, eine Kupplung, die man nach Belieben= ab= oder anziehen, und folglich letztern falls alle in dem Hauptwerk aufgezogene Stimmen, ohne Beunruhigung des Manuals, in dem Pedal selbsten zur Vermehrung der Stärke mitgehen lassen kann.

Den Wind empfangt das ganze Werk durch 3 Canäle von 4 grossen Blaßbälgen oder sogenannten Froschmäulern.

Die innern Einrichtung des Werks ist folgende, und begreift nachstehende 22. klingende Stimmen oder sogenannte Register, in sich, als

I. Jm Hauptwerk.
von fein Englischem Zinn.
1. Principal,– – – – –8. Fuß=Thon
von Metall.
1. Viola di Gamba.– – – – –8. F. Th.
1. Solicional.– – – – – –8. F. Th.
1. Octav.– – – – – – –4. F. Th.
1. Quint.– – – – – – –3. F. Th.
1. Super octav.– – – – – –2. F. Th.
1. Mixtur. c′ g′ c′′ g′′ c′′′– – – –2. F. Th.
von Holz.
1. Flauto douce.– – – – –4. F. Th.

[S. 42]

1. Grob gedekt.– – – – – –8. F. Thon.
1. Portun.– – – – – –16. F. Thon.
II. Jm Brust-Positiv.
von Englischem Zinn.
1. Principal.– – – – – –4. Fuß=Th.
von Metall.
1. Octav.– – – – – – –2. F. Th.
1. Cymbal. c′ c′′– – – – – –2. F. Th.
1. Cornet. c′′ g′′ c′′′– – – – –2. F. Th.
1. Gemshorn.– – – – –4. F. Th.
1. Quintadena.– – – – –8. F. Th.
von Holz.
1. Flauto traverse.– – – –8. F. Th.
1. Lieblich gedeckt.– – – –8. F. Th.
III. Jm Pedal.
von Holz.
1. Principal-Bass.– – – –16. F. Th.
1. Violon-Bass.– – – –16. F. Th.
1. Sub Bass.– – – – –16. F. Th.
1. Octav-Bass.– – – –8. F. Th.

Der zu Trauer=Music und Choral accompagnirende Tremulant schlägt Achtel von mittlerer Mensur, und gehet recht affectuoso.

Die 22 klingende Stimmen bestehen aus 980. zinnernen, und 345. hölzernen, mithin in allem 1325 Pfeiffen, und sprechen bey einem completen Griff allezeit auf einmal über 200 Pfeiffen an. Die in Gesicht stehende Pfeiffen von englischem Zinn halten im Gewicht – – – – 246. Pf.
[S. 34 [recte 43]] und die übrige aus Metall oder vermischtem Zinn bestehende Pfeiffen halten im Gewicht, – – – 715. Pf.
─────────────
Summa 961 Pf.

 

Die erste Ausfertigung des Orgelwerks ist von dem kunstberühmten, so geschickten und erfahrnen als gewissenhafften und redlichen Herrn Lb PersonHaußdörffer, Johann Carl Sigmund (1714–1767) Johann Sigmund Haußdörffern, Orgelmachern zu Tübingen, übernommen und angefangen worden. Nachdeme aber derselbe im verwichenen Frühjahr, da das Werk bereits über die Hälfte fertig gewesen, durch einen schnellen Tod hinweggerafft worden, so ist auf Ansuchen der verwittibten Frau Hausdörfferin in die Arbeit und Fußstapfen des sel. Herrn Hausdörffers eingetreten, dessen viele Jahre gewesener getreuer Mitarbeiter Herr Lb PersonRudigier, Johann (ca. 1725 – 1789) Johann Rudigier, nunmehr Burger und Orgelmacher in der Kaiserlichen Reichsstadt Le Geographicumf Ort: Esslingen (Neckar) Eßlingen, der dann auch bey Aufstellung und Stimmung des Werks selbsten eine gute, dauerhafte und bey Kennern richtig erfundene Arbeit geliefert, und sich einen Applausum und Credit auf das zukünftige erworben hat.

Das ganze Werk ist übrigens, wie Verständige aus obiger Beschreibung von selbsten einsehen werden, also eingerichtet, daß man mit denen beyden Clavieren mancherley angenehme Variationen, sowohl bey der Music, als auch bey dem Choral und sonsten im präludiren machen kan. Spielt man es aber ganz zusammen, so zeiget sich dabey nicht, wie bey vielen Orgelwerken, ein schreyendes und mit vielen Dissonantien, die Ohren anfüllendes und betäubendes Getümmel, sondern vielmehr eine angenehme, und doch mit einer lieblichen Schärfe durchdringende Harmonie, wordurch [sic], wie es sich in der Erfahrung ergiebt, der Coral am besten wider das Abfallen unterhalten und regiert werden kan.

Einzelanmerkungen

  1. Schmidlin verwendet in seinem Text mehrfach die Partizipform zerschieden(e) des Verbums zerscheiden, wie sie vor allem in Schwaben seit dem 17. Jahrhundert im Gebrauch war, vgl. http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=zerscheiden
  2. Im Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen wurde bei Gambr. das r handschriftlich gestrichen.
  3. Vom französischen Wort cédule beeinflusste Schreibweise für Denkzettel, vgl. http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=zettel
  4. Schmidlin zitiert die dritte und vierte Strophe aus dem Kirchenlied Lw MusikwerkLuther, Martin: Es ist gewisslich an der Zeit M Es ist gewisslich an der Zeit.
  5. So die handschriftliche Korrektur im Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen.
  6. Hebräisch für Erlöser, Ausgleicher, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Goel
  7. So die handschriftliche Korrektur im Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen.
  8. Dieser Satz taucht außerdem im Ly BibelstelleMarkus 13,31 Markus- und im Ly BibelstelleLukas 21,33 Lukasevangelium auf.
  9. Schmidlin zitiert die zweite Strophe von Philip Nicolais Kirchenlied Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme M Wachet auf, ruft uns die Stimme.
  10. Diese für das Verständnis des Satzes notwendige Korrektur findet sich als handschriftlicher Eintrag auch im Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 6. Dezember 2022.

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