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Orgelpredigt

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a Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.)

Einführung in die Edition

Einführung

Die Le Geographicumg Gebäude: Calw, Stadtkirche Kirche des Städtchens Le Geographicumf Ort: Calw Calw war im Lm Ereignis1618–1648: Dreißigjähriger Krieg Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt worden. Nach der Wiedereinweihung 1655 wurde sie 1694 erneut Opfer eines Brandes, als französische Truppen im Lm Ereignis1688–1697: Pfälzischer Erbfolgekrieg Pfälzischen Erbfolgekrieg die Stadt verwüsteten.[1] Die Erneuerung der eingestürzten Teile zog sich über viele Jahrzehnte hin.[2] Nach der Anschaffung neuer Glocken (1700) folgte am 24. August 1725 die Einweihung einer Ld OrgelCalw, Johann Friedrich Schmahl-Orgel 1725 Orgel, 1726 der Einbau einer Kanzel. In seiner Abschiedspredigt am Ende seiner Tätigkeit in Calw dachte Lc PredigtautorDrommer, Wilhelm Adam (1672–1740) Wilhelm Adam Drommer an diese Maßnahmen zurück, die in seine Amtszeit gefallen waren: Ich muß offentlich rühmen, was Gott in meiner Anwesenheit auch von aussen Gutes geschaffet. Seine Gemeinde allhier hat er vor neuer Unruhe bewahret. Uns eine neue Orgel, eine neue erbauliche Art zu musiciren, eine neue Cantzel, einen neuen Hospithal, einen erweiterten Gottes=Acker verschaffet, und uns die nöthigen Mittel darzu unter die Hände gegeben.[3]

Der Pfarrer spielt auf eine neue erbauliche Art zu musiciren an, die mit der Installation des neuen Instruments im Gottesdienst eingeführt wurde.[4] Auf diese neue kirchenmusikalische Praxis in Calw gibt es freilich in Drommers Kanzelrede so gut wie keine Hinweise. Eher lässt sich daraus schlussfolgern, dass man an Instrumentalmusik nur mäßiges Interesse hatte, wenn es heißt: Andere Musicalische Jnstrumenten gehören/ leyder! unter die Zahl der Creaturen/ welche sich ängsten und seufftzen um des Mißbrauchs willen/ daß sie der sündlichen Eitelkeit der Menschen dienen müssen:[5] Allerdings schloss Drommer die Orgel von solchen Vorbehalten aus:

diß Orgel=Werck aber ist davon exemt und ausgenommen/ und soll allein erklingen zu den schönen geistlichen Liedern/ Psalmen und Lob=Gesängen: Wir wissen wohl/ daß der äusserliche Schall und Hall/ wie von dem Gesang/ also auch von einer Orgel den Gottesdienst der Christen nicht ausmacht/ [...] aber/ wo eine Orgel zur Erweckung der Jnnbrunst und Andacht/ durch liebliche Chör und Stimmen/ zur Verbesserung des Chorals/ in der heiligen Absicht/ den Nahmen Gottes zu preisen/ in ein geistreich Hertzens=Gesang mit eingeschlagen wird/ wie wird nicht der Geist eines Kindes Gottes in heiliger Freude entzücket/ und empfindet einen süssen Vorschmack der Englischen Music in dem neuen Jerusalem/ das droben ist? Darum schaffen wir die Orgeln nicht in unsern Kirchen ab [...].[6]

In seiner Predigt verzichtete Drommer auf gelehrte Ausführungen musikhistorischer oder exegetischer Art. Im Zentrum steht die allegorische Ausdeutung der Orgel, wobei der Autor am Ende als eine seiner seltenen Referenzen auf beliebte Devisen aus Lb PersonEngelgrave, Heinrich (1610–1670) Heinrich Engelgraves Predigtsammlungen zurückgreift. Auffällig ist im Vergleich zu früheren Deutungen der obrigkeitskritische Zug. Drommer nutzt das Bild der verstimmten Pfeifen, um sich gegen eine korrupte Justiz auszusprechen, und beruft sich auf das harmonische Miteinander und die Gleichberechtigung aller Register, um die Ehrsucht der Obrigkeit anzuprangern.[7] Die Moralpredigt gegen die Welt in ihrem Ehr=Geitz und Praecedenz-Streit[8] wird primär aus der Botschaft der Perikope (Lk 22) entwickelt.

Druckbeschreibung

Vom Erstdruck der Calwer Orgelpredigt hat sich nur ein Exemplar erhalten, das als Vorlage für die digitale Edition dient.[9] Der Druck ist nicht datiert, scheint aber im Frühjahr 1726 angefertigt worden zu sein. Mall berichtet nach einer ihm zugänglichen, jedoch nicht genau dokumentierten Quelle: Schon am 4. 4. 1726 hat Drommer diese auch von ihm selbst geschätzte Predigt drucken lassen und dem Calwer Magistrat dediziert, wofür ihm aus der Salzkasse 1 Louis d’or zugestellt wurde.[10] Den entsprechenen Beschluss und die Zahlungsanweisung wegen dedicirter gedruckter Orgel Predigt konnte Lena Wörsdörfer im Stadtgerichtsprotokoll Calw dankenswerter Weise auf Nachfrage hin nachweisen.[11]

Der Druck im Oktavformat besteht aus vier Bögen mit der Bogensignatur A-D. Die Seitenzählung beginnt auf dem Titelblatt. Die erste paginierte Seite ist die Seite 3, auf der die Predigt beginnt. Diesen Beginn markiert eine Vignette. Sie zeigt im Zentrum ein Dreieck mit drei Flammen, umschlossen von einem sonnenartigen Kreis und gerahmt von verschiedenen Blüten. Um Platz zu sparen, ist der letzte Absatz der Rede (Seite 31f.) in kleinerer Schrifttype gedruckt. Das Ehrengedicht, mit dem der Druck endet, wurde lediglich mit einer Zierleiste von der Predigt abgegrenzt. Auf einen Titel und die Nennung des Autors wurde bei dem Gedicht verzichtet.

Der Text kommt ohne Anmerkungen aus. Als einzige Ausnahme gibt es auf Seite 6 eine mit Asterisk gekennzeichnete Fußnote, die in der Edition ebenfalls am unteren Seitenrand dargestellt wird. Drommer hat Bibelzitate nicht systematisch kenntlich gemacht. Die meisten Bibelstellen werden in Marginalien am Rand verzeichnet, wobei auf eine Angabe der genauen Versnummer verzichtet wird. Die Marginalien erscheinen in der digitalen Edition am rechten Seitenrand. Die uneinheitliche Setzung eines Kommas bzw. eines Punktes nach der Kapitelzahl wurde beibehalten. Manchmal erscheint die Bibelstelle in der Vorlage versehentlich im Haupttext (Seite 9, 28). Dies wurde für die Edition übernommen. Teilweise sind die Bibelworte durch größere Schrifttypen hervorgehoben, teilweise entfällt diese Markierung aber auch. Die Edition weist nach Möglichkeit alle unmittelbaren Bibelbezüge durch Kursivierung (wörtliche Zitate) oder Kommentare (Paraphrasen) nach.

Für die vorliegende Edition wurde der Erstdruck der Predigt mit der La OrgelpredigtDie verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen 1740) M zweiten Auflage des Werks, die von Drommers Lb PersonDrommer, Eberhard Friedrich (ca. 1701 – nach 1740) Sohn posthum herausgegeben worden ist, verglichen. Hingewiesen wird im Kommentar der digitalen Edition auf einige kleinere, überwiegend orthographische Fehlerkorrekturen, so dass der Leser Zugriff auf die zwei verfügbaren Lesarten hat. Unberücksichtigt bleiben Veränderungen im Bereich der Interpunktion sowie die systematische Ersetzung des Wortes wider (im Sinne von erneut) durch wieder. Von besonderem Interesse für die Textgestalt sind zwei handschriftliche Korrekturen mit brauner Tinte im Druckexemplar der Erstauflage von 1725: Auf Seite 20 ist das Wort Pfeiffen doppelt durchgestrichen und am linken Rand durch das Wort grifen korrigiert worden. Auf Seite 28 wurden die Buchstaben ieb im Wort getrieben durchgestrichen. Sie sind zu ersetzen durch die am linken Rand angegeben Buchstaben ett. Es ergibt sich damit das korrigierte Wort getretten. Beide Begriffskorrekturen werden in der La OrgelpredigtDie verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen 1740) M zweiten Auflage des Werks ebenfalls umgesetzt.[12] Man kann daher vermuten, dass sie von Drommer persönlich in die von ihm verschenkten Exemplare des Erstdrucks eingetragen worden sind.

Lucinde Braun

Drommer 1740 Einführung

Fünfzehn Jahre nach dem La OrgelpredigtDie verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.) M Erstdruck der Orgelpredigt zur Einweihung der Ld OrgelCalw, Johann Friedrich Schmahl-Orgel 1725 Schmahl-Orgel in Le Geographicumf Ort: Calw Calw erschien das Werk ein zweites Mal im Rahmen einer Ausgabe der Lr QuellenDrommer, Casual-Predigten (1740) M Casualpredigten Lc PredigtautorDrommer, Wilhelm Adam (1672–1740) Wilhelm Adam Drommers. Herausgegeben wurde der Band nach dem Tod des Autors durch seinen Lb PersonDrommer, Eberhard Friedrich (ca. 1701 – nach 1740) Sohn. Er widmete die voluminöse Sammlung der verwitweten Herzogin Lb PersonJohanna Elisabeth von Württemberg (1680–1757) Johann Elisabeth von Württemberg und verwies darauf, dass etliche der in dem Band enthaltenen Predigten sich auf Angehörige ihrer Familie bezogen. Die Orgelpredigt steht in dem Band an zweiter Stelle hinter der Predigt zur Einweihung der Kanzel in der Pfarrkirche zu Calw.

Die Neuauflage der Orgelpredigt übernimmt den Wortlaut des Werks unverändert bis hin zu den Formulierungen des Titelblatts, bei dem leglich die Angaben zum Verleger gestrichen wurden. Der Text wurde dann aber neu gesetzt und orthographisch leicht modernisiert. Dazu gehört neben einer Großschreibung nominalisierter Adjektive die systematische Korrektur des Wortes wider (in der Bedeutung von erneut) zu wieder. Ein weiteres Modernisierungsmerkmal ist das Ersetzen der teilweise noch verwendeten Virgeln durch Kommata. Aufgrund der geringen Differenzen in der Textgestalt der beiden Auflagen wird auf dem Portal nur die Erstauflage als Urfassung ediert. Abweichende Lesarten und Korrekturen von Druckfehlern, die in der Zweitauflage begegnen, werden in den Herausgeberanmerkungen kommentiert.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. Beschreibung des Oberamts Calw (1860), S. 131f.; Schwarzwaldkreis (1897), S. 38.
  2. Siehe Näheres zur Baugeschichte und den ersten provisorischen Orgeln im Artikel über die Ld OrgelCalw, Johann Friedrich Schmahl-Orgel 1725 Schmahl-Orgel.
  3. Drommer, Casual-Predigten (1740), S. 177.
  4. Zu den Kantaten, die Drommer 1725/26 in den Gottesdienst einführte, ist bisher kaum etwas bekannt, vgl. Dietrich, Kirchenmusik und Kirchenstil (1930), bes. S. 205-208; Mall, Aus der Geschichte der Calwer Orgeln (1938), S. 26.
  5. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.), S. 6.
  6. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.), S. 6f.
  7. Vgl. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.), S. 17f. und S. 24f.
  8. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen s.a.), S. 23.
  9. Ein weiteres Exemplar war noch in den 1930er Jahren in Calw einsehbar, vgl. Mall, Aus der Geschichte der Calwer Orgeln (1938), S. 26f., mit Auszügen aus dem Werk. Dieses Exemplar konnte bisher nicht ermittelt werden.
  10. Vgl. Mall, Aus der Geschichte der Calwer Orgeln (1938), S. 26.
  11. Stadtarchiv Calw, Calw. Gerichts-Protocolla Von ao. 1725. Biß 1730. 42, Eintrag 4. April 1726.
  12. Vgl. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen 1740), S. 35 und 41.

Exemplare

Rostock, Universitätsbibliothek (D-ROu) : Fl-1396

Das einzige erhaltene Exemplar des Werks liegt digitalisiert vor und dient als Vorlage für die Edition auf diesem Portal. Es ist als Einzelwerk in marmoriertes Buntpapier eingebunden. Im vorderen Spiegel ist als Exlibris das Wappen der Lb PersonLouise Friederike von Mecklenburg-Schwerin (1722–1791) Herzogin Luise Friederike von Württemberg eingeklebt. Vermutlich hat die Prinzessin, die zum Zeitpunkt des Drucks noch ein Kleinkind war, Lc PredigtautorDrommer, Wilhelm Adam (1672–1740) Wilhelm Adam Drommers Predigtdruck aus den Bücherbeständen ihrer württembergischen Familie erhalten. Das von Drommer herausgegebene Lr QuellenGeistl[iche] Seelen-Harpffe (1738) M Gesangbuch hat sie als Kind nachweislich verwendet. Dies bezeugt ihr noch kindlich ungelenkes Autograph, wie es auch in anderen Büchern ihrer Jugendzeit belegt ist.[1] Wie Ulrike Wendt-Sellin hervorhebt, bezogen sich ihre frühen Leseinteressen auf Bibel, Gesangbuch und Katechismus.[2] Manche dieser Bände weisen ihre Hinterlassenschaften auf, z.B. Papageienfedern als Lesezeichen.[3] Auch im Gesangbuch sind Lesezeichen eingelegt, auf denen sich die kleine Prinzessin bestimmte Lieder notiert hat. So bezeugt dieses Exemplar, dass Drommers Lr QuellenGeistl[iche] Seelen-Harpffe (1738) M Seelen-Harpffe am Württembergischen Hof unmittelbar rezipiert und genutzt worden ist. Inwieweit dies auch für die Orgelpredigt gilt, lässt sich leider nicht belegen.

Von Interesse auch für die vorliegende Edition sind zwei handschriftliche Korrekturen mit brauner Tinte: Auf Seite 20 ist das Wort Pfeiffen doppelt durchgestrichen und am linken Rand durch das Wort grifen korrigiert worden. Auf Seite 28 wurden die Buchstaben ieb im Wort getrieben durchgestrichen. Sie sind zu ersetzen durch die am linken Rand angegeben Buchstaben ett. Es ergibt sich damit das korrigierte Wort getretten. Beide Korrekturen werden in der La OrgelpredigtDie verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen 1740) M zweiten Auflage des Werks ebenfalls umgesetzt.[4] Man kann daher vermuten, dass sie von Drommer persönlich in die von ihm verschenkten Exemplare des Erstdrucks eingetragen worden sind.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. die Abbildung in: Wendt-Sellin, Lesewelten – Lebenswelten (2016), S. 264.
  2. Vgl. Wendt-Sellin, Lesewelten – Lebenswelten (2016), S. 263.
  3. Vgl. Wendt-Sellin, Lesewelten – Lebenswelten (2016), S. 269.
  4. Vgl. Die verstimmte Zwölff Grösseste Pfeiffen (Tübingen 1740), S. 35 und 41.

Portaldaten

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 26. Oktober 2021.

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