Icon

Orgelpredigt

Start → Predigten → Gerling, Peter: Predigt am Feste der Heimsuchung Mariae (Rostock 1770) → Volltext

a Gerling, Peter: Predigt am Feste der Heimsuchung Mariae (Rostock 1770)

Digitalisate

Folgende Digitalisate stehen zur Verfügung:

Schlagworte

Folgende Begriffe sind innerhalb dieses Textes ausgezeichnet:

y Bibelstellen (19)

  • 1 Korinther 13,1
  • 1 Timotheus 5,17
  • Genesis 15,1
  • Jeremia 31,14
  • Jesaja 6,3
  • Lukas 1,39–45
  • Lukas 21,2–3
  • Psalmen 100,4
  • Psalmen 104,1–2
  • Psalmen 111,2–3
  • Psalmen 23,6
  • Psalmen 27,4
  • Psalmen 57,10
  • Psalmen 57,11
  • Psalmen 57,12
  • Psalmen 57,8
  • Psalmen 57,8–12
  • Psalmen 57,8–9
  • Psalmen 97,2

[S. 1]

Titel

Predigt
über das Evangelium
am
Feste der Heimsuchung Lb PersonMaria Mariae,
bey
feierlicher Einweyhung
einer
neuen Ld OrgelRostock, Marienkirche, Paul Schmidt-Orgel 1770 Orgel
in
der Le Geographicumg Gebäude: Rostock, St. Marien S[ank]t Marien Kirche
zu Le Geographicumf Ort: Rostock Rostock,
von
M[agister] Lc PredigtautorGerling, Peter (1732–1778) P[eter] Gerling,
Pastore gedachter Kirche.
Rostock,
gedruckt bey Lb PersonMüller, Christian (ca. 1735 – ca. 1816) Christian Müller, E[ines] E[hrbaren] Raths Buchdrucker. 1770.

[S. [2]] [vakat]

[S. 3]

Gebet.

Ly BibelstellePsalmen 104,1–2 Herr mein Gott, Du bist sehr herrlich, Du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist Dein Kleid, das Du anhast, und Wolken und Dunkel sind um Dich her.[1] Du wohnest in der Herrlichkeit des Himmels mit viel tausendmal tausend heiligen Engeln umgeben, die allesamt vor Deinem Throne anbeten, und Dir zur Ehre ihre Loblieder singen. Aber Du wohnest doch auch gerne unter dem Lobe Jsraels, und bemerkest es mit Wohlgefallen, wenn Deine Christen betend und dankend vor Dir niederknien, und mit jenen himmlischen Chören frohlockend einstimmen, so weit es ihre Schwachheit hier auf Erden verstattet. Nun siehe Herr, es hat sich heute eine große Schaar von Christen in Deinem Heiligthum versammlet, Dich den Herrn der Heerscharen, [S. 4] den mächtigen und wunderthätigen Gott demüthig in ihren Herzen zu ehren, und frolockend mit ihren Zungen und Lippen zu preisen. Diese Deine Gemeine, die Du durchs Blut Deines Sohnes erkauft hast, feiert Dir heute einen Tag des Danks und der Freuden. Sie widmet Dir die Erstlinge von einem Guten, das ihr Deine Gnadenhand zugewendet. Sie heiliget Dir jetzo ihre neu erbauete herrlich geschmückte Orgel zum Lobe Deiner Herrlichkeit, und zur Verschönerung Deiner Gottesdienste, und darum ist sie heute eingegangen zu Deinen Thoren mit Danken, und zu Deinen Vorhöfen mit Loben;[2] und darum haben sich so viele andere zu ihr gesellet, die an ihrer Freude Theil nehmen, und in ihre Jubellieder mit einstimmen wollen. O so siehe uns denn jetzt in Gnaden an, da wir vor dem Thron Deiner Herrlichkeit treten, und laß Dir unsere Dank= und Freudenopfer wohlgefallen, die aus einem gerührten Herzen kommen, und zu Deinen Thron hinauf steigen sollen[.] Gib Du uns selbst ein solches Herz, das mit Jnbrunst zu Dir erhaben ist, so daß unsere Feier nicht blos in einem äußerlichen Gepränge bestehe, sondern unsere Seelen auch würklich mit Ehrfurcht und Hochachtung gegen Dich, und mit reger Dankbarkeit und heiliger Freude erfülle. Laß die lieblichen Töne der Orgel, die wir heute zum erstenmal bey unserm Gottesdienste hören, und das holde Saitenspiel das damit verbunden ist, ein heiliges Feuer der Andacht in uns erwecken, damit wir alle seliglich gerühret [S. 5] werden, und einen lebendigen Eindruck von Deiner Größe wunderbar in unserm Gemüte behalten. Heilige insonderheit auch mein Herz, und meine Lippen, daß ich sie mit Freuden aufthun möge, Deinen Ruhm zu verkündigen, und wenn ich heute lobe und danke, oder wünsche und bete, oder ermahne und lehre, so laß es an den Seelen meiner Zuhörer einen bleibenden Segen stiften, und also zur Verherrlichung Deines grossen Namens gereichen. Nun Herr so sende Dein Licht und Deine Wahrheit, daß sie uns heute recht herrlich leiten mögen. Dein soll alle Ehre seyn, aber von Dir muß auch alle Gnade kommen, und darum wollen wir Dich demüthigst hierum anrufen, vorhero aber noch uns zur Andacht beym Gebete zu erwecken suchen, wenn wir mit einander das herrliche Lied singen: Liebster Jesu wir sind hier etc.

Evangelium am Feste der Heimsuchung Mariae.

Ly BibelstelleLukas 1,39–45 Luc. 1, v. 39 bis 45.

Eingang

Vom Lobe des herrlichen Gottes redet vielleicht mancher Lehrer am heutigen Tage, Meine in dem Herrn allesamt herzlich geliebte, und wer wollte auch wohl die schöne Gelegenheit nicht wahrnehmen, die uns unsre verordnete Texte darbieten, die grossen Thaten Gottes öffentlich zu rühmen, und seinem Namen, den er über alles herrlich gemacht hat, mit Freuden die Ehre zu geben? Groß ist der Herr, der allein wahre Gott, den wir Christen kennen und anbeten. Groß ist sein Name und sein Ruhm. Groß sind alle seine löbliche Werke und Wunder, die er [S. 6] auf Erden verrichtet; Und darum soll auch unser aller Mund seines Lobes voll seyn, und alle Gemeinen der Christen sollen vor Jhm knien und anbeten, und in allen Tempeln, die Jhm geheiliget sind, soll fleißig die Stimme des Dankens erschallen. Du aber, meine auserwählte Heerde, sollt heute vorzüglich den Herrn erheben, und dich recht feierlich anschicken zum Lobe seiner herrlichen Gnade. Du sollt heute frölich seyn mit Schalle, weil der Herr dir Gutes thut, und dir diesen Tag zu einem Tage der Freuden gemacht hat, an welchem du Gelegenheit hast, seine wundersame Güte zu sehen. Erwartest du nun von mir, daß ich dir hierinn vorgehen, und dich durch meine eigene Gesinnungen gegen Gott hiezu aufmuntern soll, so will ich Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Davids Worte diesmal zu den meinigen machen, die wir im Ly BibelstellePsalmen 57,8–12 57ten Psalm v. 8. und folgends lesen, und ich will mich bemühen, daß ich sie mit eben der Aufrichtigkeit sagen möge, womit er sie sagte: Ly BibelstellePsalmen 57,8–12 Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe. Wache auf, meine Ehre, wache auf, Psalter und Harfe; frühe will ich aufwachen. Herr, ich will dir danken unter den Völkern; ich will dir lobsingen unter den Leuten. Denn deine Güte ist so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit so weit die Wolken gehen. Erhebe dich, Gott, über den Himmel, und deine Ehre über alle Welt.

O daß doch auch in meiner Seele ein solcher Glaube, und eine solche Ehrfurcht und Andacht wohnen mögte, als in diesem rechtschaffenen Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Knechte des Höchsten! und wenn ich mich dessen nicht rühmen kann noch will, so sollen mir doch seine Gesinnungen ein Bild seyn, wie ich heute meinen Gott ehren, und meine liebe Gemeine mit mir erwecken soll, mit Beten und Danken vor sein Antlitz zu kommen. Vom Herzen macht der Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) fromme König den Anfang, weil er wohl weiß, daß der allwissende Gott darauf vornemlich siehet, und daß ein Loblied des Mundes, wobey das Herz kalt bleibt, nichts mehr vor Gott gilt als ein tönend Erz, und eine klingende Schelle.[3] Ly BibelstellePsalmen 57,8 Mein Herz ist bereit sagt er, oder ist munter und fertig, ist voll Eifer, Feuer und Jnbrunst, dich meinen Gott zu erheben, und von deiner preißwürdigen Güte zu zeugen. Aber er will doch gerne seinen Gott recht groß machen, weil er es werth ist, [S. 7] und darum fordert er nicht allein alle seine Kräfte auf, daß sie zum Lobe Gottes etwas beytragen sollen, sondern nimmt auch Psalter und Harfe zu Hülfe, seine Seele in eine heilige Bewegung zu setzen, damit sein Danklied desto feuriger werde. Ly BibelstellePsalmen 57,10 Herr ich will dir danken, spricht er, unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten: Jch will dich nicht allein in der Stille erheben, und in meinem eigenen Herzen groß machen, sondern auch von dir reden in den Versammlungen der Frommen, unter dem Haufen derer, die mit Frolocken zu deinem Hause wallen, und vor dir anbeten im heiligen Schmuck. Ly BibelstellePsalmen 57,11 Denn deine Güte ist so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit so weit die Wolken gehen. Du bist der gnädige und freundliche Gott, der sich aller seiner Werke erbarmet, welches ich an mir erfahren habe, und mit mir so viele Tausend andere erfahren. Ly BibelstellePsalmen 57,12 Erhebe dich, Gott, über den Himmel, und deine Ehre über alle Welt: Verherrliche deinen grossen Namen noch ferner an mir und allen Gläubigen, damit dich ehre und preise, was im Himmel lebet, und vor dir anbete, was auf dem ganzen Erdboden wohnet.

Nun so will ich auch denken und sagen, insonderheit am heutigen Tage. Und so sollt ihr allesamt mit mir denken und sagen, denn unser Herz und Mund, und alles was in uns ist, soll heute dahin vereiniget seyn, daß wir den Namen des Herrn preisen, und die Wunder seiner Güte erzählen. Jhr wisset es schon, was es für eine Wohlthat Gottes ist, die uns heute jauchzend macht, und was für eine frohe Gelegenheit zu dieser Feier Anlaß gegeben. Jenes herrliche Gebäude der Orgel, das ihr so oft mit Entzücken angesehen, und auf dessen Vollendung ihr so sehnlich gewartet habt, das ist nun durch unsers Gottes Güte so weit zum Stande gebracht, daß es heute dem Herrn soll geheiliget und von nun an zu seinem Dienste gewidmet werden, so wie man bey der ganzen Veranstaltung dieses Werkes nichts als seine Ehre und das Beste seiner Gemeine gesuchet. Kein Lied, das aus unreinem Herzen kommt, soll dasselbe jemals entweihen, wie es wohl zuweilen bey anderem Saitenspiel geschicht, sondern allein zur Ehre des Höchsten soll es seine Töne schallen lassen, sein Lob zu verkündigen, und uns bey unserm Gottesdienste zur Andacht zu erwecken. Er der Herr nehme das nur aus Gnaden [S. 8] von unsern Händen an, was wir ihm heute bringen, und lasse sich unsere Absicht wohlgefallen, die wir nicht auf unlautere Dinge, sondern auf die Verherrlichung seines Namens gerichtet!

Aber wir geben doch unserm Gott nichts anders, als was er uns selber gegeben. Wir bringen ihm das nur wieder, was wir aus seinen Händen empfangen. Wir haben es für eine grosse Wohlthat zu achten, daß wir uns dieses Schmuckes für unsere Kirche freuen können; Und darum soll auch ihm der Dank und alle Ehre bleiben, und zu seinem Ruhm ist diese Feier angestellet, weil er uns so gnädig gewesen, und uns einen Segen nach dem andern gegönnet. Dies ist schon das dritte Jubel=Fest, das unsre Gemeine dem Herrn zur Ehre in einem halben Jahrhunderte feiert, das erstere vor 49 Jahren, nach vollendetem Bau jenes schönen Altars, das andere vor 45 Jahren, nach der Ausbesserung und Ausschmückung des ganzen Le Geographicumg Gebäude: Rostock, St. Marien Gebäudes, und nun thut der Herr das noch hinzu, daß er uns eine schön geschmückte Orgel schenket, und wir sollen also in 50 Jahren alles gleichsam in Herrlichkeit und Vollkommenheit sehen. Ja wie viel vorzügliches Gutes hat der Herr sonst unsrer Kirche nicht erwiesen, daß wir uns am heutigen Tage billig ins Gedächtniß bringen? Unsre Kirche ist vor allen andern Kirchen der Le Geographicumf Ort: Rostock Stadt am schönsten gebauet, und am herrlichsten geschmücket, so, daß sie jedermann mit Bewunderung und Vergnügen betrachtet. Sie ist seit verschiedenen Menschen Altern vor allen schweren Unglücks=Fällen, und insonderheit vor der zerstöhrenden Macht des fürchterlichen Blitzes bewahret. Sie ist durch Gottes Güte in solchen Umständen erhalten, daß die Pracht und Schönheit ihres Gebäudes nicht hat wegfallen dürfen, sondern noch wohl vergrössert worden. O denket daran, und danket Gott davor, ihr, Meine Wehrtesten, die ihr zu diesem Le Geographicumf Ort: Rostock Hause des Herrn hin gehöret; insonderheit ihr Fromme, die ihr in diesem Le Geographicumf Ort: Rostock Tempel so manchmal das Wort des Lebens gehöret, und so manchen Trost und Erquickung für eure Seele gefunden, die ihr an jenem Altar so oft das Mahl der Liebe zu eurer Seligkeit empfangen habet, die ihr hie so oft euer Herz im stillen Gebete vor Gott ausgeschüttet, denket daran, und danket Gott davor, daß er euch so gnädig ist, und wenn ihr in seinen Tempel eintretet, so lasset Dankbarkeit und Freude eure ganze Seele erfüllen.

[S. 9]

Hauptsächlich aber gebühret dem Herren unser demüthigster und feurigster Dank für diese neueste Wohlthat, die er uns erwiesen, und darum sollen unsere Herzen heute bereit seyn, daß wir ihm singen und loben, und Harfe und Psalter sollen uns aufmuntern,[4] daß wir den Preiß seines Namens erhöhen. Seine Güte[5] ist es, daß er Rath geschaffet, daß dies herrliche Gebäude, so wie es nun in seiner Schönheit da steht, nicht allein angefangen worden, sondern auch zur erwünschten Vollendung gekommen. Seine Güte ist es, daß er alles wohlgelingen lassen, so daß die Schwierigkeiten, die sich vorgefunden, immer glücklich überwunden worden. Seine Güte ist es, daß er bey diesen bedrängten Zeiten[6] noch hin und wieder ein Herz erwecket, das zu seiner Ehre etwas hergegeben, und solchen kostbaren Bau zu befördern gesuchet. Seine Güte ist es, daß er die Arbeiter bey so manchen grossen Gefahren in seinen Schutz genommen, so daß kein einziger Mensch sein Leben verlohren, oder auch nur Schaden an seiner Gesundheit gelitten. Seine Güte ist es, daß er uns diesen Tag erleben lassen (denn wie viele unserer Mitbrüder haben zwar den Anfang dieses Baues, aber nicht das Ende gesehen?) Seine Güte ist es also, daß er uns erhalten, daß wir dies alles mit unsern Augen sehen, und eben so frölich seyn können, als vormals unsere Väter gewesen. Nun Herr für alles dies Gute nimm hin den Dank von deinen Knechten und Mägden. Nimm hin den Dank des Herzens und Mundes, der zwar nicht so vollenkommen ist, daß er deiner würdig wäre, aber den doch Andacht und Ehrfurcht begleiten. Herr ich will dich preisen in der grossen Gemeine, ich will meine Gelübde bezahlen vor denen, die dich fürchten.[7] Du bist der Gott der seiner Kirche wohl thut, und aller Orten die Mauren Zions bauet. Du hast auch uns wohl gethan, wie wir frölich rühmen können, und hast uns unsern Tempel erhalten, gesegnet und geschmücket, daß wir mit Freuden hinein gehen können, deine schöne Gottesdienste zu schauen.[8] Womit haben wir das verdienet, daß du uns so gnädig bist? Und was sollen wir sagen, daß du uns aus unverdienter Güte eine Wohlthat nach der andern erweisest? Lª1Chr_16- 34ª Danket doch dem Herrn, denn er ist sehr freundlich, und seine Güte währet ewiglich: So sage heute das Haus Jsrael, so sage das Haus Lb PersonAaron Aaron, so sagen alle, die den Herrn fürchten, seine Güte währet ewiglich!

[S. 10]

Aber was uns unser Gott geschenket hat, und was wir seiner Güte verdanken müssen, das ist doch durch Menschen verordnet und veranstaltet; Und da ich nun meinem Gott das Dank=Opfer dargebracht, so würde ich meiner Pflicht vergessen, wenn ich auch derer nicht gedenken wollte, deren Mühe und Sorgfalt bey Vollführung unsers Orgels=Baues allen öffentlichen Ruhm verdienet. Und da nenne ich zuerst die Hochansehnlichen Herren Bürgermeistere dieser Le Geographicumf Ort: Rostock Stadt, als Patronen unserer Le Geographicumg Gebäude: Rostock, St. Marien Kirche, von denen ich gewiß weiß, daß Sie sich eine wahre Freude daraus machen werden, diesen Namen zu führen, da sogar von den Grossen dieser Erde in Gottes Wort stehet, daß sie Pfleger der Kirche seyn, und das Amt haben sollen, für ihren äusserlichen Wohlstand zu sorgen. Jhre Beschäftigungen sind freylich so wichtig und mannigfaltig, daß sie die Zeit ohnehin schon wegnehmen werden; aber desto Ruhmwürdiger ist es für Sie, daß Sie bey dem ganzen Fortgange dieses Werks keine Sorge gesparet, alles so zu fördern, daß es zur Ehre Gottes und zum wahren Besten der Kirche gereichte. Sie haben gleich im Anfange die Nothwendigkeit dieses wichtigen Baues mit untersuchet, und da sie bald in die Augen fiel, gerne ihre Beystimmung gegeben. Sie haben nachher im Fortgange alle Schwierigkeiten beleuchtet, und zur Abhelfung derselben ihre wohlgewählte Rathschläge ertheilet. Sie haben sich alles gerne vortragen lassen, wobey man ihrer Einwilligung und ihres Obrigkeitlichen Beystandes bedurfte. Sie haben es selbst gewollt, daß dies Werk in möglichster Vollkommenheit da stehen sollte, zur Ehre des Höchsten, und zum Schmuck seiner Kirche. Ja wie unermüdet ist sonst ihr Fleiß, unsre schöne Kirche, dies Kleinod von Rostock, in seiner Herrlichkeit zu erhalten, und zum Aufnehmen desselben allen möglichen Beystand zu leisten! Nun alle diese Mühe und Treue müsse Jhnen von dem Höchsten reichlich vergolten werden. Er selbst der Herr sey jhr Schild, und Jhr sehr grosser Lohn.[9] Er kröne Jhre vornehme Personen mit Ehre und Gnade, und jhre angesehene Häuser mit Segen und Friede. Seine Liebe müsse stets vor Jhnen hergehen, und Gutes und Barmherzigkeit müsse Jhnen Jhr Lebelang folgen.[10] Jhr Name, der zum ruhmwehrten Andenken auf jener Orgel angeschrieben ist, müsse auch bey Gott [S. 11] im gnädigen Andenken bleiben, und in seine Vaterhände gezeichnet seyn. Noch lange ehre man Sie als Häupter dieser Stadt. Noch lange sage man von Jhnen, daß der Herr Sie uns zum Glücke gegeben. Und wenn Sie endlich entschlafen sollen, so müsse der Bürger Jhren Tod beweinen, und Jhre Asche durch sein Andenken ehren.

Jch komme weiter mit meinen Segens=Wünschen auf die würdigen Herren Vorsteher dieser Kirche, und mache mir diese Gelegenheit recht zu nutze, ihre Verdienste zu rühmen, und ihnen davor von dem höchsten Gott ein reiches Maaß des Segens zu erbitten. Unsere Kirche hat durch Gottes Güte von jeher das Glück gehabt, daß sie solche Vorsteher gefunden, die mit treuem Herzen ihr Bestes besorget, und die theuren Männer, die verstorben sind, oder sonst abgegangen, ehre und achte ich noch, daß sie mit der grösten Redlichkeit hausgehalten, und mit Freuden alle Mühe und Last übernommen. Le Geographicumg Gebäude: Rostock, St. Marien Marien Kirche besitzet sonst keine Reichthümer, wie mancher vielleicht denken mag, aber durch Gottes Segen und durch die vernünftige und kluge Haushaltung ihrer Vorsteher ist sie in solchen Umständen erhalten, daß sie nicht arm geworden, welches auch Gott aus Gnaden verhüten wolle, da die Unterhaltung des grossen Gebäudes jährlich so viele Kosten erfodert. Unsere jetzigen Herren Vorsteher sind nun völlig in die Fußstapfen ihrer ruhmwürdigen Vorfahren eingetreten, und darum mag ich das Wort der Schrift auch gewissermassen auf sie deuten: Ly Bibelstelle1 Timotheus 5,17 Die Aeltesten, die wohl vorstehen, halte man zwiefacher Ehren werth. Ein jeder weiß es, daß sie bey der Verwaltung ihres Amtes gar keine zeitliche Vortheile haben, und doch suchen sie das Beste der Kirche mit der grösten Mühe und Redlichkeit, und haben dies insonderheit bey dem Orgelbau so deutlich bewiesen, daß ihnen gewiß kein Billigdenkender die Achtung versaget. Jch selber bin ein Zeuge davon, was ihnen dieses Werk für unsägliche Mühe gekostet, wie manche Stunde sie darauf verwendet, alles aufs sorgfältigste einzurichten, wie manchen Weg sie darum gegangen, daß nichts mögte versehen werden, und wie redlich sie alles angewandt, was von milden Gaben in ihre Hände gekommen. Ja ich weiß es, daß sie selbst zum Theil etwas von dem Jhrigen zum Bau und Schmuck dieses Werkes hergegeben, oder doch ohne Vor= [S. 12] theil vorgeschossen, worüber sie vielleicht, bey den jetzigen Umständen der Kirche, noch so bald keine Befriedigung erhalten. Haben sie das nun alles zur Ehre Gottes und zum Besten der Gemeine gethan, so sollen sie auch unsern Dank haben, und der Herr wird seinen reichen Segen auf sie legen. Sie haben das Haus des Herrn gebauet und geschmücket, davor baue der Herr ihnen und ihren Kindern wiederum Häuser. Werden sie für ihre Mühe in Zeitlichem nicht belohnet, sondern müssen sie aus Liebe zu Gott und seiner Kirche übernehmen, so sey der Herr selbst ihr Vergelter, und lasse ihnen reiche Gnade und Barmherzigkeit an Leib und Seel wiederfahren. Alles was sie etwa aus Liebe für die Kirche verlieren oder einbüssen mögten, das lasse der Herr sie auf andere Art mit tausendfältigem Segen wieder gewinnen. Jhr Ein= und Ausgang werde vom Herrn beglücket. Jhre Tage seyn mit vielem Guten gekrönet. Jhr Gebet steige hinauf zu dem Thron des gütigen Gottes. Jhr besonderes Anliegen werde gnädig vom Herrn erhöret. Jhr Name und Gedächtniß bleibe immerdar unter uns im Segen. Und endlich sey ihr Theil der Lohn der frommen und getreuen Knechte, die zu ihres Herrn Freude eingehen.

Doch ich würde Unrecht thun, wenn ich nun endlich auch des geschickten Lb PersonSchmidt, Paul (ca. 1715 – 1798) Künstlers nicht gedenken wollte, der dies schöne Ld OrgelRostock, Marienkirche, Paul Schmidt-Orgel 1770 Orgelwerk vorgeschlagen, und nun mit Ruhm und Ehre zum Stande gebracht, auch nach dem Urtheil der Kenner für sich keine grosse Vortheile gewonnen. Gott segne auch ihn und sein Haus, schenke ihm Gesundheit, Brod und Nahrung, erhalte ihn den Seinigen zum Troste, gönne ihm Freude an seinen Kindern, und lasse es ihm in allem seinem Vornehmen gelingen, damit er frölich rühmen könne, daß der Herr ihm gnädig gewesen.

Jndessen wenn wir es recht erwägen, so bleibt doch für alles dies, was ich genannt habe, zuletzt dem Herrn allein die Ehre. Er war es, der seinen Knechten ein solches Herz gab, daß sie das Beste seiner Kirche suchen konnten. Er war es, der sie regierte, daß sie es mit willigem Herzen und mit Redlichkeit thaten. Er war es, der sie erhielte, daß sie dies Werk glücklich anfangen und vollenden [S. 13] konnten. Jhm sey also allein die Ehre, und für alles sey sein allerheiligster Name gelobet.

Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut So tret't denn vor sein Angesicht
Mit Jauchzenvollem Springen,
Bezahlet die gelobte Pflicht
Und laßt uns frölich singen:
Gott hat es alles wohl bedacht,
Und alles, alles wohl gemacht.
Gebt unserm Gott die Ehre!
[11]

Nun muß ich mich aber auch erinnern, daß ich nicht blos zum Loben und Danken, und Wünschen und Beten, sondern auch zum Lehren und Ermahnen aufgetreten bin, und dazu will ich mich nun jetzo anschicken, so weit es Zeit und Umstände vergönnen. Davids Exempel, das wir uns vorher zum Muster vorgestellet, hat mich auf eine Betrachtung geführet, die ich an diesem Tage für zweckfüglich halte. Denn dieser fromme Mann sagt von sich, daß sein Herz bereit sey, Gott zu loben und zu singen, und doch nimmt er Psalter und Harfe, sein Herz noch mehr zur Andacht anzufeuern; und das hat mich nun auf den Gedanken geleitet, ob und in wie ferne gute Rührungen in unserm Gemüthe entstehen können, wenn wir viel Rührendes bey unserm äusserlichen Gottesdienste haben. Gönnet mir also eure Aufmerksamkeit noch eine kleine Zeit, und betrachtet mit mir unter dem Beystande der göttlichen Gnade

Die heiligen Rührungen des Gemüths, erwecket durch das Rührende des äusserlichen Gottesdienstes.

[S. 14]

Jch will zuerst zeigen, daß das Rührende des äusserlichen Gottesdienstes geschickt sey, gute Rührungen in uns hervorzubringen,

Und denn will ich diese Rührungen selbst beurtheilen, und zeigen, wie sie beschaffen seyn müssen, damit sie Gott zur Ehre und uns selber zum wahren Segen gereichen.

Abhandlung.

Da wir allesamt aus unsrer inneren Erfahrung wissen werden, was Rührungen des Gemüths sind, und wie sie in uns zu entstehen pflegen, Meine in dem Herrn allesamt herzlich geliebte, so müssen wir nur bey solchen Rührungen einen sorgfältigen Unterscheid machen zwischen dem was natürlich und göttlich ist, und bey diesem letztern wiederum zwischen dem was ausserordentlich und gewöhnlich ist, weil wir sonst gewiß in Gefahr seyn würden, auf allerley schädliche Abwege zu kommen. Unser heutiges Evangelium handelt von lauter solchen Rührungen, die ausserordentlich und ungewöhnlich waren, und wenn wir die grosse und feierliche Gelegenheit bedenken, bey welcher sie vorgefallen, so werden wir dies von selbst schon erkennen, aber auch eben daraus zugleich einsehen, daß es nicht vergönnet sey, von diesen sonderbaren Exempeln schlechthin auf alle andre zu scließen. Jch könnte und müßte mich billig näher hierüber erklären, wenn es gegenwärtig Zeit und Gelegenheit litte; aber man wird es mir gerne vergönnen, daß ich wegen der Feier des heutigen Tages nur blos diese entfernte Veranlassung aus unserm Texte hernehme, und also nun, nach meinem Versprechen, von denen Rührungen des Gemüths rede, die durch das Rührende des äußerlichen Gottesdienstes entstehen. Jch hoffe, daß uns diese Betrachtung unter göttlicher Gnade dazu dienen soll, daß unsre Feier, die dem Herrn geheiliget ist, ihm auch würklich [S. 15] zur Ehre gereiche, und uns selber einen wahren Vortheil verschaffe.

Jch rede also von dem Rührenden des äusserlichen Gottesdienstes, und dadurch verstehe ich, nicht das Wort Gottes selbst, das im Hause des Herrn geprediget wird, nicht die geistlichen Lieder selbst, die von uns gesungen werden, nicht das Gebet selbst, das wir mit vereinigter Andacht vor Gottes Thron bringen, nicht die Gnaden=Mittel selbst, die uns ausgetheilet werden, sondern nur das Schöne, das Prächtige und Feierliche, das dabey vorfällt, und einen Eindruck auf die äusserlichen Sinne macht. Z[um] E[xempel]. Wenn die Lieder gesungen werden nach einer vortreflichen Melodey, oder wenn die angenehmen Töne der Orgel sich bey dem Gesange mit hören lassen, oder wenn der rauschende Schall der Trompeten die Luft erfüllet, oder wenn der Tempel schön geschmücket und gezieret, und zur Abendzeit prächtig erleuchtet ist; Das alles nenne ich das Rührende bey dem äusserlichen Gottesdienste, und unterscheide es also von dem Gottesdienste selbst, der auch ohne Pracht zum Wohlgefallen Gottes kann verrichtet werden, und der nur blos durch solche feierliche Anstalten eine gewisse Art von Schönheit empfänget. Und da behaupte ich nun, daß dies Rührende des äusserlichen Gottesdienstes allerdings geschickt sey, gute Rührungen in uns hervorzubringen; Und wenn ich dies beweisen soll, so darf ich mich nur auf unsere eigene Erfahrung berufen. Jch weiß es zwar wohl, daß es hin und wieder Menschen giebt, die das Gegentheil glauben, Menschen, die sich dünken lassen, daß sie über alles Sinnliche so weit erhaben sind, daß sie keine Erweckungen mehr nöthig haben, ja die wol gar behaupten, daß eine solche Art des Gottesdienstes dem grossen Gott misfällig sey und daß man sein Gemüth von allem Sinnlichen abziehen, und sich gewöhnen müsse, ohne äusserlicher Anleitung den Geist zu Gott zu erheben. Aber ich glaube gewiß, daß solche Menschen sich selbst nicht kennen, wenn sie dies im Ernste behaupten, oder daß sie nur eine Art einer eingebildeten Grösse darinn suchen, wenn sie sich von allem Sinnlichen loß machen wollen. Wenigstens können wir andere Menschen das nicht von uns sagen, daß wir ganz und gar nicht an das Sinnliche hängen sollten. [S. 16] Wir wissen es freylich auch wohl, daß die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit geschehen muß, und daß die Beschäfftigung mit himmlischen Dingen vornemlich das Gemüth erfodert. Wir hüten uns auch sehr, daß wir das Wesen des Gottesdienstes nicht in sinnliche Dinge setzen, da der Herr das Herz und dessen Rechtschaffenheit verlanget. Aber wir müssen es doch gestehen, daß uns das Sinnliche sehr zu Statten komme, und daß wir gewiß bey unserm Gottesdienste viel kälter seyn würden, wenn wir diese Erweckungen nicht hätten. Ja mich dünkt, daß es sich aus der Natur des Menschen beweisen lasse, daß das Rührende bey dem Gottesdienste seinen grossen Nutzen habe. Denn der Mensch ist von Jugend auf an das Sinnliche gewöhnt, und alle seine Erkenntnis nimmt nicht nur von den Sinnen ihren Anfang, sondern je mehr eine Sache in die äusserlichen Sinne fällt, oder je sinnlicher sie ihm vorgestellet wird, desto eher leuchtet sie ihm in die Augen, desto leichter faßt er sie im Gedächtniß, und desto lebhafter ist der Eindruck, den sein Gemüth davon empfänget. Laßt uns nur auf uns selber Acht haben, so werden wir dies alle Augenblick an uns gewahr werden, und wie es uns in diesem Stücke bey irrdischen Dingen geht, so geht es uns auch bey geistlichen Dingen, und man hat gar nicht Ursache, bey diesen letzteren eine Ausnahme zu machen, da es bekannt ist, daß die Gnade die Natur nicht aufhebt, sondern nur bessern und heiligen will.

Zwar gebe ich gerne zu, daß man das Aeusserliche bey dem Gottesdienste auch wohl zu weit treiben könne, und ich werde die Misbräuche des Pabstthums nicht entschuldigen, da man den ganzen Gottesdienst in rührenden und prächtigen Anstalten setzet. Es muß allerdings sehr traurig anzusehen seyn, wenn ein Haufe unwissender Menschen vor einer aufgehabenen Hostie niederkniet, und sich mit der grösten Gewalt an die Brust schlägt, und sich denn einbildet, daß dies Andacht gewesen. Ja es ist überhaupt traurig, daß man dem Volke nur dadurch die Religion ehrwürdig machen will, daß man bey dem Gottesidenste ein herrliches Saitenspiel anbringt, oder in prächtig geschmückten Kleidern die heiligen Verrichtungen vor= [S. 17] nimmt, oder in der Kirche viele tausend Lichter und Lampen anzündet. Nein Christen, die Religion muß sich vornemlich durch Wahrheit und Gottseligkeit empfehlen. Jn diesem Schmucke muß sie allein schon gefallen, auch ohne äusserliche Pracht. Und darum kann in der schlechtesten Dorfkirche eben so viel Gutes gestiftet werden, als in dem prächtigsten Tempel der Stadt, und wer sich einbildet, daß er ohne äusserlichem Gepränge keine Erbauung haben könne, der würde nur eine grosse Schwachheit verrathen. Aber um des Misbrauchs willen werden wir doch nicht schlechthin alles verwerfen? Und wenn hie oder da eine Ausschweifung begangen wird, so bleibt die Sache selbst doch immer in ihrem Werth, wie wir ja von so vielen tausend andern Dingen wissen, bey denen die Misbräuche nicht zu verhüten sind, und die doch an sich betrachtet allezeit unverwerflich bleiben. Laß es denn seyn, wie wir es selbst zugeben, daß man bey dem Aeusserlichen des Gottesdienstes zuweilen zu weit gehe, und ihm einen grössern Werth beylege, als es billig ist: Deswegen wird man doch dies Aeusserliche nicht ganz verwerfen, oder der Erfahrung widersprechen, daß es uns nicht zu vielem Guten sollte anleiten können.

Wir haben überdem auch das noch vor uns, daß selbst der allerheiligste Gott seine Offenbarungen durch die feierlichsten Anstalten recht rührend gemacht. Denn als er dort sein Gesetz auf dem Le Geographicumj Gebirge: Sinai (Berg) Berge Sinai gab, so erhub sich ein Donnern und Blitzen, und eine dicke Wolke bedeckte den Berg, und der Ton einer starken Posaune ließ sich hören, welches ja keinen andern Zweck haben konnte, als den Gemüthern der Menschen einen tiefen Eindruck von seiner Hoheit zu geben. Eben so war bey dem jüdischen Gottesdienste viel Rührendes verordnet, das in die Sinne fiel. Z[um] E[xempel] Die Kleidung des Hohenpriesters war so prächtig, daß wir uns nichts Schöneres vorstellen können, sein Eingang in das Allerheiligste war mit dem feierlichsten Gepränge verbunden, und an den Festtagen musten die Priester die Halljahres=Posaunen nehmen, und mit Trommeten blasen, um das Volk, das mit grossem Haufen herzu eilte, zur Andacht zu erwecken. Ja eine solche Feier, als wir heute anstellen, [S. 18] ist dem Herrn zur Ehre schon in den ältesten Zeiten angestellet. Denn als Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David Lm Ereignislegendär: Einholung der Bundeslade die Bundes=Lade wieder hohlte, so spielete er und das ganze Haus Jsrael dem Herrn mit allerely Saitenspiel, mit Harfen und Psaltern, mit Schellen und Cymbeln. Als Lb PersonSalomo Salomo den Le Geographicumg Gebäude: Jerusalem, Tempel Tempel zu Le Geographicumf Ort: Jerusalem Jerusalem Lm Ereignislegendär: Einweihung des Salomonischen Tempels einweihete, so stunden da die verschiedenen Chöre der Leviten, die sungen und mit Trommeten bliesen. Und eben so geschah es nachher bey der Lm Ereignisca. 515 v. Chr.: Bau des zweiten Tempels in Jerusalem Grundlegung des andern Tempels zu Lb PersonEsra (fl. 458 v. Chr.) Esdrä Zeiten, da sich die Priester mit dem Volke vereinigten, und um einander sungen, zu loben und danken dem Herrn. Dies gehörte auch nicht blos zu den Levitischen Satzungen, wie man vielleicht denken mögte, sondern es war gröstentheils etwas Freiwilliges, das man dem Herrn brachte, und darum kann es uns im neuen Testamente zum nachahmungswürdigen Beyspiele dienen. Man tadle das also nicht, was der grosse Gott selbst gebilliget, und gewisser massen selbst geheiliget hat. Man hänge zwar nicht allein an das Sinnliche, aber man verwerfe es deswegen nicht ganz. Und das wird ein solches Gemüth auch gewiß nciht thun, das Gefühl von der Religion hat, sondern es wird bey dem Rührenden des Gottesdienstes allezeit etwas Gutes empfinden.

Aber was sind es denn nun eigentlich für Empfindungen, die durch das Rührende des äusserlichen Gottesdienstes in uns erwekket werden? und wie müssen sie beschaffen seyn, damit sie Gott zur Ehre gereichen, und wir selber Nutzen davon haben? Frommme Empfindungen sind es freylich, wenn wir überhaupt davon reden. Denn sie haben nichts Böses zum Ursprung, sie gehen auf nichts Böses hinaus, sondern werden durch solche Dinge veranlasset, die geschickt sind, die Ehre Gottes zu befördern. Aber wenn wir sie etwas genauer untersuchen, so werden wir finden, daß die erste Rührung, die in uns entsteht, eine bloße Aufwallung und sinnliche Bewegung sey, woran Verstand und Herz, in dem Augenblick, da sie hervor kommt, noch nicht vielen Antheil haben. Dies können wir ebenfals am besten bey uns selbst wahrnehmen, wenn wir nur genau aufmerken wollen. Denn wer unter uns allen solte wol eine solche träge und unempfindliche Seele haben, daß, wenn er [S. 19] ein Lied singen höret nach einer vortreflichen Melodey, oder wenn der Orgel=Ton und der Trompeten=Schall ihm in die Ohren fällt, er nicht etwas in sich empfinden solte, das ihn mit einmal rege macht, und ihn schnell in Bewegung setzet? Aber in dem Augenblick, da wir das empfinden, ist es doch nur eine sinnliche Bewegung. Denn woher kommt es, daß wir zu einer Zeit schneller und stärker gerühret werden, als zur andern Zeit, ohne daß wir vorher etwas im Gemüthe gehabt? Woher kommt es, daß die ersten Rührungen oftmals gleich vorüber sind, und durch die nächsten Vorstellungen alsobald verdrenget werden? Woher kommt es, daß wir oftmals bey den herrlichsten Liedern ganz kalt bleiben, blos darum, weil sie nach einer schlechten und kriechenden Melodey gesungen werden? Jch meine, dies könne uns zum deutlichen Beweise dienen, daß die erste Rührung noch keine eigentlich Rührung des Gemüths sey, sondern größten Theils in einer sinnlichen Bewegung bestehe.

Hieraus ziehe ich nun die wichtige Erinnerung, die wir bey unserm ganzen Gottesdienste wohl zu merken haben: Soll unser Gemüth würklich gerühret werden, so muß bey den guten Bewegungen, die in uns entstehen, unser Verstand auch geschäftig seyn, wir müssen sogleich anfangen, über heilige und göttliche Dinge nachzudenken, wir müssen unserm Herzen allerley Betrachtungen vorhalten, entweder zu seiner Erweckung, oder Beschämung, oder Beruhigung, so wie es nun jedesmal unser Zustand erfodert. Singen wir z[um] E[exempel] ein geistliches Lied, so muß uns nicht blos die schöne Melodey vergnügen, denn das würde uns nicht helfen können, sondern wir müssen über das nachdenken, was wir singen, und so wird in unserm Herzen eine wahre Rührung entstehen. Oder hören wir das angenehme Saiten=Spiel, den Trompeten=Schall, und den Ton der Posaunen, so muß uns das nicht genug seyn, daß wir etwas in uns empfinden, das wir selbst nicht ausdrücken können, sondern nun müssen wir allerley gute Betrachtungen anstellen, z[um] E[xempel] wie groß Gott in seiner Herlichkeit ist, wie wohlthätig er sich gegen die Menschen erweiset, wie selig es sey, in seiner Gnade zu stehen, wie schön die Freuden des Himmels seyn müssen, [S. 20] da sich hie schon auf Erden so viel Schönes findet; und wenn wir dergleichen Betrachtungen anstellen, so werden wir in unserm Gemüthe eine wahre Rührung empfinden.

Es ist wahr, daß auch dergleichen Rührungen zu einer Zeit stärker sind, als zur andern, und zu einer Zeit schneller vorüber gehen, als zur andern. Aber das liegt blos an dem Willen des Menschen, und verdienet also keine Entschuldigung. Denn das Sinnliche ist eigentlich nicht in des Menschen Gewalt, sondern er wird gleichsam dadurch hingerissen. Hingegen wenn er nun keine Betrachtungen anstellen, oder sie gleich wieder unterdrücken will, so ist das eine strafwürdige Trägheit, die ihm vor Gott zur Verantwortung gereichet. Genug das Sinnliche rühret den Menschen, und weckt ihn gleichsam auf aus seinem natürlichen Schlummer, und wenn der Mensch denn nur will, und läßt es nicht bey den blossen Bewegungen bewenden, sondern nimt alles wohl zu Herzen, so wird er führwahr in seinem Gemüthe einen gesegneten Eindruck bekommen.

Anwendung.

Nun sehet Christen, so muß euer ganzer Gottesdienst ein vernünftiger Gottesdienst seyn, der nicht in einer blinden Andacht, auch nicht in einer bloßen sinnlichen Bewegung, sondern in einer wahren Rührung des Gemüths und der darauf folgenden Besserung des Hertzens bestehet. Und zu eben diesem heilsamen Zweck sollt ihr denn auch die Feier des heutigen Tages gebrauchen. Denn dazu ist sie nicht angestellet, daß euch das Saiten=Spiel blos in die Ohren schallen und euch vergnügen soll, sondern ihr sollt dadurch zur Ehre des höchsten Gottes erwecket werden; und wenn ihr also das Saiten=Spiel höret, oder die Danklieder singet, so müsset ihr zu Herzen nehmen, wie heilig unser Gott ist, der Herr Zebaoth;[12] wie herrlich und löblich seine Werke sind;[13] was für grosse Wohlthaten Er seinem Volke erweiset; wie gnädig Er für seine Kirche sorget, und seinem Zion Friede schaffet; und wie Er segnet sein Erbe, das Er erwehlet hat, daß es unter seinem Schutze frolocken könne. Und mit einem [S. 21] solchen gerührten Herzen preiset heute den Herrn, nicht allein hie in seinem Tempel, sondern auch für euch selbst in euren Häusern. Freuet euch heute in dem Herrn, und seyd frölich in eurem Gott, und wenn euch eure kleinen Kinder fragen sollten: Warum thut ihr das? Warum sey ihr heute so frölich? Warum gehet ihr mit so grossen Haufen zur Kirche? so antwortet ihr: Darum thun wir es, weil unser Gott uns gnädig ist, und hat uns unsre Kirche erhalten, und hat sie schön geschmücket, und gönnet uns die Freude, daß wir dies erleben können; sehet so wird sich das Andenken dieses Tages auch bey den jungen Kindern und Säuglingen erhalten. Habt ihr aber ein gerührtes Herz, das Lust am Hause des Herrn findet, und seine schönen Gottesdienste liebet, so vergesset auch nun nicht, eure Gaben dem Herrn darzubringen, und etwas von eurem Vermögen herzugeben, das zum Besten der Kirche und zur Bezahlung ihrer Schulden kann angewandt werden. Es sind auf günstige Bewilligung der Obrigkeit auch in dieser Morgenstunde die Becken zu Besten der Kirche ausgesetzet, und ich denke nicht, daß ich nöthig haben sollte, meine liebe Gemeine an diesem Tage mit vielen Worten zur Mildthätigkeit zu ermahnen. Sie hat gewiß von selbst schon daran gedacht, ihr freywilliges Opfer dem Herrn zu bringen, und ich hoffe, daß ich es mit Freuden werde sehen, und dem Herrn danken können, daß sein Volk willig und reichlich gegeben. Ein einziges Wort sage ich noch zu euch, die ihr in dieser Gemeine gebohren und getaufet seyd. Eure fromme Väter haben zu jenem Bau des Altars und zur Auszierung der Kirche reichliche Geschenke verehret, und zum Theil ihre gottselige Gesinnungen schriftlich dabey zu Tage geleget, die zu ihrem Ruhm noch bey der Kirche verwahret werden, und worüber ihr euch nicht geschadet, daß eure Väter reichlich gegeben, und Gottes Segen hat sich deswegen nicht von euch gewendet, so wird es denn auch euren Kindern nicht schaden, wenn ihr eben so thut, denn was zur Ehre Gottes gegeben wird, das wird dem Herrn geliehen, der wird es reichlich wieder vergelten. Diejenigen aber, die aus andern Gemeinen zu uns gekommen sind, und an unsre Freude Theil nehmen, werden auch nun nicht weggehen, ohne ihre Gaben zu ge= [S. 22] ben. Sie werden sich erinnern, daß unsre Gemeine, wenn ihre Kirchen ein Unglücksfall, oder ein schwerer Bau betroffen, nicht kärglich sondern reichlich gegeben, und was an ihnen geschehen, das werden sie uns aus Liebe wieder erweisen. Gott der das Herz ansiehet, und also auch das Scherflein der Witwe mit Wohlgefallen bemerket,[14] der wird allen milden Herzen ein segensreicher Vergelter seyn, und das was sie mit Aufrichtigkeit zu seiner Ehre anlegen, wird mit tausendfachen Gewinnst wieder zu ihnen kommen, und der Herr wird sie davor in ihren Nöthen gnädig ansehen und in allem Anliegen ihres Herzens erfreuen.

Und so wende ich mich zum Schluß zu Dir mein Gott mit lobenden Munde und mit dankendem Herzen. Du bist mein Gott, ich will Dir danken. Du bist meines Vaters Gott, ich will Dich erheben. Der, der mich gezeuget hat, jauchzete Dir vor 45 Jahren bey Ausschmückung dieses Tempels, und nun jauchzet er Dir unter jenen himmlischen Chören; ich aber soll an seiner Statt Dir heute das Dankopfer bringen, daß Du uns von neuen Gotes gethan, und abermal gnädig gewesen. Nun mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe, und wenn gleich mein Vermögen schwach ist, so wird Dir doch mein Wunsch und die Begierde meines Herzens gefallen. Habe ich aber auch an diesem Tage Freyheit zu beten, wie mir Deine Verheissungen sagen, so soll das mein Gebet seyn: Herr laß Deine Augen offen stehen [S. 23] über dies Haus Tag und Nacht. Nim doch meine schöne Kirche in Deinen allmächtigen Gnaden=Schutz, und wenn Du nicht zürnen woltest, so wollte ich noch deutlicher reden: Laß sie stehen bis ans Ende der Welt, nicht allein daß sie in ihrer Schönheit fortdaure, sondern daß auch Dein reines lauteres Wort und die Evangelische Wahrheit darin geprediget werde, zum Wachsthum Deines Gnaden=Reiches. Schmücke alle ihre Lehrer, die jetzt daran stehen, oder uns künftig folgen werden, mit Deinem Heil, und erfülle an ihnen Deine Verheissung: Ly BibelstelleJeremia 31,14 Jch will der Priester Herz voll Freude machen. Siehe auf alle in Gnaden, die zu dieser Gemeine hingehören, und die Du mir gegeben hast, daß ich sie Dir künftig wieder darstellen sollte. Hebe alle Alte und Schwache, die mit Ehren graue Haare tragen. Erhalte die Väter und Mütter, daß sie den Jhrigen zum Troste leben. Erquicke die Witwen und Waisen, die im Finstern sitzen und das Brod des Trübsals essen. Regiere die Jünglinge und Jungfrauen, daß sie auf dem Wege der Tugend wandeln. Segne die Kinder und Säuglinge, daß sie an Alter und Gnade wachsen mögen. Und sammle dir endlich alle Seelen in deine Arme, daß keine einige davon verloren gehe. Siehe [S. 24] so will ich dich oft in der Stille loben, auch wenn wir deinen Festtag feiern, und Du o Gott sollt mein Ruhm seyn, so lange sich meine Zunge beweget.

Erheb ihn ewig, o mein Geist,
Erhebe seinen Namen,
Gott unser Vater sey gepreist,
Und alle Welt sag Amen!
Und alle Welt fürcht diesen Herrn,
Und hoff auf ihn, und dien ihm gern,
Wer wollte Gott nicht dienen?
[15] Amen.

Einzelanmerkungen

  1. Paraphrase von Ly BibelstellePsalmen 97,2 Ps 97,2.
  2. Paraphrase von Ly BibelstellePsalmen 100,4 Ps 100,4.
  3. Anspielung auf Ly Bibelstelle1 Korinther 13,1 1 Kor 13,1.
  4. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 57,8–9 Ps 57,8-9.
  5. Hier und im folgenden Verlauf Anspielung auf das Schlüsselwort Güte in Ly BibelstellePsalmen 57,11 Ps 57,11.
  6. Anspielung auf die Folgen des Lm Ereignis1756–1763: Siebenjähriger Krieg Siebenjährigen Krieges.
  7. Paraphrase von LªPs-22-26ª Ps 22,26.
  8. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 27,4 Ps 27,4.
  9. Anspielung auf Ly BibelstelleGenesis 15,1 Gen_15-1.
  10. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 23,6 Ps 23,6.
  11. Neunte Strophe des Liedes Lw MusikwerkCrüger, Johann: Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut M Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut.
  12. Anspielung auf Ly BibelstelleJesaja 6,3 Jes 6,3.
  13. Anspielung auf Ly BibelstellePsalmen 111,2–3 Ps 111,2-3.
  14. Anspielung auf Ly BibelstelleLukas 21,2–3 Lk 21, 2-3.
  15. Sechste Strophe des Liedes Lw MusikwerkAnonym: Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht M Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 15. Februar 2023.

Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist, so bitten wir um eine kurze Nachricht an