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Orgelpredigt

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a Organorum Et Nundinarum Consecratio (Hof 1651)

Einführung in die Edition

Dörffels Weihepredigten als Reflexion der Zerstörung Oelsnitz‘ im Dreißigjährigen Krieg

Die Predigt, die Lc PredigtautorDörffel, Christoph (1596–1661) Christoph Dörffel im Jahre 1650 in Le Geographicumf Ort: Oelsnitz (Vogtland) Oelsnitz zur Einweihung der neuen Ld OrgelOelsnitz, Jacob Schedlich-Orgel 1650 Orgel sowie des örtlichen Jahrmarktes hielt, ist eng verknüpft mit der Oelsnitzer Stadtgeschichte und den traumatischen Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges. Wie viele andere Vogtländische Städte auch fiel Oelsnitz dem Vergeltungsschlag Lb PersonWallenstein, Albrecht von (1583–1634) Albrecht von Wallensteins gegen den Lb PersonJohann Georg I. von Sachsen (1585–1656) Kurfürsten von Sachsen im Sommer 1632 zum Opfer.[1] Am 13. August 1632 drangen die Truppen von Wallensteins General Lb PersonHolk, Heinrich von (1599–1633) Heinrich von Holk in die Stadt ein und brandschatzten sie. Berichte über die Verwüstung der Stadt und die brutale Liquidierung fast der gesamten Bevölkerung füllen in den lokalen Geschichtsdarstellungen viele Seiten.[2]

Auch Dörffel, der als einziger Geistlicher die Zerstörung der Stadt überlebt hatte, veröffentlichte noch im selben Jahr einen Bericht, in dem er die geschehenen Verbrechen detailliert schildert:

Sie giengen durch die Stadt/ vnd schlugen drein/ Sie hatten mördtliche/ schädliche vnd vergiffte Waffen in ihren Händen/ Vnd war da keines schonens noch übersehens/ sondern erwürgten beide Alte vnd Junge/ Männer vnd Weiber alles todt.[3]

Der Wiederaufbau von Stadt und Kirche spielte sich in mehreren Schritten ab: 1636 wurde zunächst die Rathausuhr wieder aufgestellt, gefolgt vom Taufstein (1638), dem Predigtstuhl (1641), den Glocken (1643) und schließlich im Jahr 1650 der Orgel. Zu allen diesen Anlässen hielt Christoph Dörffel eine Einweihungspredigt, die auch im Druck erschien. In ihrer Gesamtheit zeugen die Druckwerke davon, wie sehr der Superintendent in die Wiederherstellung der alten Ordnung involviert war und wie das Erlebte in immer wieder wechselndem Licht reflektiert wird. So klingen etwa in der Dedikation zur Einweihung der Rathausuhr schon hoffnungsvolle Töne an:

Denn nuh hat sich der liebe Gott/ mit seinem Segen vnd Frieden wieder zu vns gewendet/ vnd vns in allen Gnaden angesehen/ also/ daß numehr vnsere arme Stadt/ wieder bewohnet/ vnd die verwüsteten Felder wieder gebawet vnd beseet werden/ es mehren sich auch fast täglich Leute vnd Viehe vnter vns/ vnd wird jmmer eines nach dem andern repariret vnd verbessert/ inmassen denn die liebe Kirche sambt dem Rathhause/ wieder unter das Dach gebracht/ vnd die Superintendentur wieder aus der Aschen [...] erhoben worden.[4]

Deutlich anders wirkt die Predigt zur Einweihung des Taufsteins, zwei Jahre später: Sie dreht sich um Psalm 76,12 Bringet Geschenke dem Schrecklichen und schildert lebhaft den Zorn des Schrecklichen Gottes, wie er sich im Alten Testament gegenüber den Feinden der Israeliten zeigt. Eben diesen Zorn, so Dörffel, haben auch die Oelsnitzer mit ihren Sünden auf sich gezogen:

Jnmassen dann der Allmächtige Gott sich absonderlich vns Oelsnitzern in einen Grausamen verwandelt/ vnd seinen Grimm an vns erzeiget hat/ mit der Stärcke seiner Hand/ Job. 30 Jn dem Er vmb vnsere vielfaltigen vnd Himmel schreyenden Sünden willen gegen uns worden ist wie ein Löw/ vnd hat wie ein Parder auff dem Wege auff vns gelauret.[5]

Mit der Einweihung des Taufsteins war zudem erst der Grundstein für die Wiedergewinnung einer funktionsfähigen Kirche gelegt worden. Welch weiter Weg des materiellen Aufbaus und der spirituellen Erneuerung von der Gemeinde künftig noch zurückgelegt werden musste, ließ Dörffel nicht unerwähnt. Dafür bedurfte es der Unterstützung jedes Einzelnen:

[...] beschere vns Armen/ durch Schwerd vnd Fewer/ in Grund verderbten Leuten/ mehr dergleichen getrewe Liebhaber vnd kostfreye Wolthäter/ auff daß wir ferner auch zu einer Schule/ zum Gewölbe in der Kirchen/ bestendigen Cantzel/ zu einer Orgel vnd zu Glocken wieder gelangen mögen/ denn vnser Schade ist groß wie ein Meer.[6]

Auch die Orgelpredigt dient als anschauliches Beispiel dafür, wie eng die Wiederherstellung der Kirche mit der Aufarbeitung des Erlebten und dem Wunsch nach einem Neuanfang verbunden war. So wird das Wüten der Holkschen Truppen auch hier zum Instrument des Zornes Gottes, der die sündigen Oelsnitzer bestraft:

Den wir/ wir haben gesündiget/ sampt vnsern Vätern/ wir haben mißhandelt/ vnd sind Gottloß gewesen/ Psalm 106. darumb hat der HERR billich nicht verschonet/ Thren. 3. sondern vnsere Sünde mit Ruthen heimbgesuchet/ vnd vnsere Missethat mit Plagen/ Psal. 89. Jn dem Er/ in seinem gerechten Zorn/ sein Heer ausgeschicket/ welches Anno 1632. den 13. Augusti, viel 100. vnter uns vmbgebracht/ vnd den 14. darauff vnsere gantze Stadt Oelßnitz angezündet hat/ Matth. 22. vnd dadurch hat der gerechte GOTT sein Heiligthumb/ vnsern höchsten Trost/ die Lust vnserer Augen/ vnd vnsers Hertzens Wunsch/ entheiliget/ Ezech. 24.[7]

Ebenso wie das zuletzt zitierte Buch Ezechiel die Zerstörung Jerusalems imaginiert, so beschwört Dörffel hier die Erinnerung an die Zerstörung der Stadt herauf, und wie bei Ezechiel mündet auch diese Vision in eine hoffnungsvolle Aussicht auf Wiederaufbau und Versöhnung:

[…] so wird gewißlich diese vnsere Kirche/ Orgel/ vnd gantze Stadt/ vnser Jahrmarck/ Handel vnd Wandel/ ja/ all vnser thun und fürnehmen/ geweihet/ gebenedeyet/ vnd gesegnet werden/ seyn vnd bleiben/ heut vnd forthin allezeit/ biß an vnser seliges Ende/ vnd biß an den lieben Jüngsten Tage.[8]

Die Frage, mit der sich der Prediger im weiteren Verlauf auseinandersetzt, lautet nun, wie sich die Gemeindemitglieder verhalten sollen, um sich Gottes Segens würdig zu erweisen. Somit ist der Text primär mit christlichen Werten beschäftigt – unter anderem mit der Freigebigkeit der Stifter, die die Anschaffung einer teuren neuen Orgel ermöglicht hatten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Orgelpredigten geht es hier nicht um die Herkunft der Orgel oder die Rolle der Musik im Gottesdienst. Ungewöhnlich ist zudem die Kombination mit der Einweihung des wiedereröffneten Kilian-Marktes. Der feierliche Anlass zielt so in einem gesamtheitlichen Sinn auf die Rückkehr zu einem geordneten, geschäftigen Leben. Dieser Wunsch findet seinen Ausdruck in dem bereits zitierten allumfassenden Segenswunsch, der mit kleineren Abwandlungen immer wieder durch den Text hindurch wiederholt wird.[9]

Als musikferner Text wird die Predigt auf diesem Portal nicht ediert (vgl. Editionsrichtlinien 2.3). Gleichwohl stellt sie ein aussagekräftiges Zeugnis für die Bemühungen dar, die in den Jahren nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges angestellt wurden, um in versehrten Gemeinden wie Oelsnitz kommunale Heilungsprozesse anzustoßen. Dass die Schrecken des Krieges noch lange nicht vergessen waren, bezeugt ein weiteres von Dörffels Schriftwerken: Sein Klagegedicht Threnodia Oelsniciana verdeutlicht mit lebhaften Bildern die Verwüstung der Stadt Anno 1632. Noch Jahn erwähnt 1841 dieses Lied als das bekannte, im alten Oelsnitzer Gesangbuche sich befindende Lied.[10] Wie auch die Orgelpredigt spricht das Gedicht von den erlebten Schrecken und endet nichtsdestotrotz mit einem hoffnungsvollen Ausblick auf die Zukunft:

Wir danken dir, Herr Christo,
daß du uns hast behüt,
für der Feind Mord unt Liste,
durch deine große Güt,
wollst ferner uns beispringen,
dein Hand uns halte fest,
das wir auch endlich singen,
das Consummatum est.[11]

Die Oelsnitzer Orgel

Dörffels Predigt enthält so gut wie keine Angaben zum Orgelbau oder der Disposition des neuen Instruments. Das einzige Detail, das der Autor im Zuge seiner Mahnung zur Großzügigkeit beibringt, ist die Information, dass die Orgel im ganzen 350 Thaler gekostet habe. 100 Thaler dieser Summe seien von Lb PersonMilckau, Georg Wilhelm von (fl. 1650) Georg Wilhelm von Milckau, Obrist-Lieutenant im 1. Kurfürstlich-Sächsischen Leibregiment zu Pferde, gespendet worden.

Leider ist die Orgel, deren Einweihung den Anlass zu Dörffels Predigt gab, nur noch bedingt historisch greifbar. Johann Gottlieb Jahn vermerkt in seiner 1841 erschienenen Chronik der Stadt Oelsnitz, dass die erste Oelsnitzer Orgel 1569 im Auftrag des Rates der Stadt von Lb PersonRodensteen, Herrman Raphael (ca. 1525 – 1583) Herrman Raphael Rodensteen gebaut worden war und bis zu ihrer Zerstörung 1632 genutzt wurde.[12] Als Meister der 1650 eingeweihten Orgel nennt er Lb PersonSchedlich, Jacob (ca. 1587 – 1669) Jacob Schedlich und beschreibt, dass diese über 18 Register und 2 Claviere[13] verfügt habe. Er bestätigt überdies Dörffels Preisangabe von 350 Thalern, spricht jedoch Milckau, der bei ihm Milken heißt, nur eine Spende von 52 Thalern zu.

Auch Rudolf Quoika erwähnt eine Oelsnitzer Orgel von Jacob Schedlich in seinem 1961 erschienenen Artikel Der Orgelmacher Jacob Schedlich. Er bezieht sich auf eine von Schedlich selbst verfasste Liste an Orgeln aus seiner Werkstatt, in der Oelsnitz im Vogtland[14] aufgeführt wird. Er gibt jedoch an, dass Schedlich bereits 1627 vom Rat der Stadt den Auftrag für eine Orgel erhalten habe und diese erst 1652 als fertiggestellt belegt sei. Des Weiteren identifiziert er den Standort der Orgel als die Dreifaltigkeitskirche. Im Ganzen geht Quoikas Bericht nicht recht mit den anderen Quellen zu Schedlichs Oelsnitzer Anstellung zusammen.

Die neuere Untersuchung von Albin Buchholz verortet Schedlich als den Meister der Orgel in St. Jakobi und geht von 1650 als dem Jahr der Fertigstellung aus.[15] Darüber hinaus stellt er die Vermutung an, dass es sich bei dieser Orgel – in deren Beschreibung er sich auf Jahn stützt – um ein bereits fertiggestelltes und von Le Geographicumf Ort: Sankt Joachimsthal St. Joachimsthal transferiertes Instrument gehandelt habe:

Vermutlich eine bereits fertige Orgel aus der Joachimsthaler Werkstatt, die von Oberwiesenthal am 27. Mai abgeholt und vom 27. Juni bis 17. Juli 1650 aufgestellt wurde. Kontrakt erst am 10. Juli 1650 über den Kauf eines Liebl. Und wohlklingenden Orgelwercks […] nebenst eines gedackten SubBaßes.[16]

Buchholz‘ präzise Datierung der Orgelaufstellung stimmt überein mit Dörffels Predigt, die laut Titel am 5. Sonntag nach Trinitatis, also am 17. Juli 1650, gehalten wurde.

Die genauesten Angaben über die Aufstellung des Schedelschen Orgelwerks macht Ulrich Dähnert in seinem Orgelinventar Historische Orgeln in Sachsen. Er gibt u. a. an, dass eine vorgeschlagene Disposition für eine zweimanualige Orgel mit 17 kleinen Stimmen […] (im Hauptwerk vor allem Principalchor mit Principal 4‘ von Zin im Prospekt, im 2. Clavier färbende Stimmen wie Mittelflet 4‘ und Spitzflöt 2‘)[17] aufgrund zu hoher Kosten abgelehnt wurde. Stattdessen einigten sich der Rat und Schedlich, wie auch bei Buchholz bemerkt, erst am 10. Juli 1650 – also schon während der Aufstellung der Orgel, was Buchholz‘ These von einem präexistenten Instrument zu stützen scheint – auf einen Preis von 350 Talern für das Orgelwerk, zu zahlen in Raten bis 1653. Ein zusätzlicher SubBaß sollte noch vor dem Winter ergänzt werden. Tatsächlich wurde der SubBaß im November desselben Jahres abgeholt und das alte Positiv von Schedlich für 26 Taler abgenommen.[18] Die Aufstellung erfolgte vom 18. bis 23. Mai 1651. 1665, so informiert uns Dähnert, konnte Schedlich die Abzahlung der letzten Rate bestätigen.[19]

Janosch Umbreit

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. Wilson, Europe's Tragedy (2009), S. 504.
  2. Vgl. z. B. Jahn, Johann Rist (2015), S. 266-273.
  3. Dörffel, Klage und Plage (1633), A2v.
  4. Dörffel, Horologium Spirituale (1636), A3v.
  5. Dörffel, Publicirte Einweihung (1638), B1r.
  6. Dörffel, Publicirte Einweihung (1638), A2v.
  7. Organorum Et Nundinarum Consecratio (Hof 1651), A4r.
  8. Organorum Et Nundinarum Consecratio (Hof 1651), E4r.
  9. [...] so wird gewißlich vnsere Kirche/ Orgel vnd Stadt/ vnser Jahrmarck/ Handel vnd Wandel/ ja/ all vnser Thun vnd Fürnehmen/ geweihet/ gebenedeyet vnd gesegnet werden/ seyn vnd bleiben. (Organorum Et Nundinarum Consecratio (Hof 1651), A2v) Siehe auch E4r und passim.
  10. Vgl. Jahn, Chronik der Stadt Oelsnitz (1841), S. 297.
  11. Zitiert nach Jahn, Chronik der Stadt Oelsnitz (1841), S. 300.
  12. Vgl. Jahn, Chronik der Stadt Oelsnitz (1841), S. 474; Buchholz, Orgeln im sächsischen Vogtland (2005), S. 136.
  13. Jahn, Chronik der Stadt Oelsnitz (1841), S. 475.
  14. Quoika, Jakob Schedlich (1961), S. 148.
  15. Vgl. Buchholz, Orgeln im sächsischen Vogtland (2005), S. 136.
  16. Buchholz, Orgeln im sächsischen Vogtland (2005), S. 136.
  17. Dähnert, Historische Orgeln in Sachsen (1980), S. 217.
  18. Vgl. Dähnert, Historische Orgeln in Sachsen (1980), S. 217.
  19. Vgl. Dähnert, Historische Orgeln in Sachsen (1980), S. 217.

Exemplare

  • Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (D-HAu): Pon Yd 3168, QK

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 2. Dezember 2020.

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