Icon

Orgelpredigt

Start → Predigten → Weidner, Johannes: Glaubiger Kinder Gottes Gott=gefällige Music (Augsburg 1721) → Volltext

a Weidner, Johannes: Glaubiger Kinder Gottes Gott=gefällige Music (Augsburg 1721)

Digitalisate

Es stehen derzeit keine Digitalisate zur Verfügung

Schlagworte

Folgende Begriffe sind innerhalb dieses Textes ausgezeichnet:

e Geographica (3)

m Ereignisse (1)

w Musikwerke (1)

y Bibelstellen (30)

  • 1 Korinther 10,31
  • 1 Samuel 16,23
  • 2 Könige 3,15–16
  • Amos 5,23
  • Epheser 5,15
  • Epheser 5,15–21
  • Epheser 5,18
  • Epheser 5,19
  • Epheser 5,6
  • Ezechiel 18,31
  • Jesaja 5,13
  • Kohelet 2,2
  • Kolosser 3,16
  • Kolosser 3,17
  • Psalmen 103,1–2
  • Psalmen 108,1
  • Psalmen 113
  • Psalmen 119
  • Psalmen 150,1.3–5
  • Psalmen 150,1–6
  • Psalmen 150,6
  • Psalmen 22,4
  • Psalmen 29
  • Psalmen 34,2–4
  • Psalmen 57,9
  • Psalmen 63,6
  • Psalmen 72
  • Psalmen 72,18–19
  • Psalmen 92,1–3
  • Psalmen 92,1–4

[S. [1]]

Titel

Glaubiger Kinder Gottes
Gott=gefällige Music,
Als
die fast ganz neu erbaute Ld OrgelAugsburg, St. Ulrichs-Kirche, Johann Christoph Leo-Orgel 1721 Orgel
in der Le Geographicumg Gebäude: Augsburg, St. Ulrich Evangelischen Kirchen zu St. Ulrich in Le Geographicumf Ort: Augsburg Augspurg
Bey ungemein Volck=reicher Versammlung und in Gegenwart der Hoch=
löblichen Herren Stadt= Pflegers und Geheimbden Räthen, auch sämmtlicher
der Augspurgischen Confession zugethanen Herren Ober= Kirchen=
Pflegern und Adjuncten,
Anno 1721. am XX. Sonntag nach Trinitatis offentlich eingeweyhet wurde,
Nachmittag über die gewöhnliche Epistel aus Ly BibelstelleEpheser 5,15–21 Eph. V, 15. sqq. vorgestellet, und auf
Verlangen einiger Freunde in Druck gegeben
von
Lc PredigtautorWeidner, Johannes (1671–1735) Johannes Weidner/
Evangelischen Pfarrer zu St. Ulrich.

[S. [2]]vakat

[S. [3]]

Widmung

Einer gesammten
Christlichen
Pfarr=Gemeinde/
und darinnen besonders
Der Löblichen Zech=Pfleg
der Evangelischen Kirche zu St. Ulrich
dedicire ich
diese Christliche Sermon,
zu erfreulichem Andencken
der sonderbahren
Orgel=Freude/
So eine ungemein=Volckreiche Versammlung bey der=
selben Einweyhung von sich mercken lassen/
Und wünsche hertzlich/
Daß sie alle und jede von Gott mit so vie=
lem Seegen in leiblich= und geistlichen Gütern
überschüttet werden/
Daß Sie so wohl in dem Hause Gottes/ als
auch bey sich selbst und in ihren Häusern
Gott allezeit Lob= und Danck=Lieder
singen und spielen mögen;
Jhrer allerseits treu=verbundener Lehrer und Pfarrer
Johannes Weidner.

[S. [4]]

Geneigter Leser.

Die Ursach/ warum ich diese Sermon in Druck gegeben/ ist zwar zuforderist das gesuchte Andencken/ wann und wie unsere Ld OrgelAugsburg, St. Ulrichs-Kirche, Johann Christoph Leo-Orgel 1721 Neue Orgel zum öffentlichen Gottesdienst gewidmet worden seye/ bey der Nachkommenschafft zu erhalten; anbeynebenst aber auch/ weil bey so ungemein=grosser Versammlung und andern Hindernüssen nicht alle und jede Worte und deren Zusammenhang haben können aufs genaueste behalten und ausgesprochen werden/ auch deßhalben leichtlich einige aus angenommener Tadelsucht übel davon urtheilen möchten/ deren eigentlichen Jnnhalt vorzulegen. Gott lasse dieses und all unser Fürhaben allein zu seines H[eiligen] Nahmens Ehre gereichen/ um Christi willen!

[S. 5]

Jesu juva!

Praeloquium.

Ly BibelstellePsalmen 57,9 Wache auf meine Ehre/ wache auf Psalter und Harffe. Mit solchen Worten ermuntert sich der von Gott erfreute und getroste Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David/ und da er annoch in grossem Unglück und Verfolgung des Königs Lb PersonSaul (fl. 1000 v. Chr.) Sauls lebte/ und im Elend hin und wieder weichen mußte/ so ward zwar jezuweilen seine Seele über seine widerwärtige Schicksaale betrübet; jedoch/ da er als ein Prophet und Freund des Herrn nicht nur Göttlichen Trostes/ sondern auch unausbleibender Hülffe versichert war/ so wecket er sich gleichsam aus dem Schlaff der Schwermuth auf/ und fasset den freudigen Vorsatz/ Gott zu Ehren/ ein Loblied auf seiner Harffe zu spielen/ indem er aus Psal. 57. jauchzet: Ly BibelstellePsalmen 57,9 Wache auf meine Ehre/ wache auf Psalter und Harffe.

Hie lassen wir an seinem Ort/ ob es wahr sey/ was die Jüdischen Rabbinen vorgeben/ (a) daß David habe allezeit seine Harffe bey seinem Nacht=Lager an die Wand gehänget; Worauf geschehen seyn solle/ daß/ wann Morgens frühe der Wind gewehet/ und derselben Saiten gerühret/ so habe die Harffe von sich selb=


(a) Vid. D. Lb PersonMayer, Johann Friedrich (1650–1712) Mayers Lr QuellenMayer, Das schwer angefochtene Kind Gottes (1698) M angefochten K. G. p. m. 506.[1]

[S. 6]

sten allerley schöne Morgen=Lieder gespielet/ worüber David von seinem Schlaff aufgewachet/ und seiner Harffe zugesprochen habe: Ly BibelstellePsalmen 57,9 Wache auf Psalter und Harffe! Diß aber ist gewiß/ daß/ wann der H[eilige] Geist als ein geistlicher Wind die Hertzen der Gläubigen gleichsam anblaset/ und seine gnädige Gegenwart und Krafft offenbahret/ sie aus dem Schlummer der Kaltsinnigkeit und Nachläßigkeit/ zumahl im Göttlichen Lob und Danck/ aufgemuntert/ sich zu einer freudigen und eyfrigen Begierde/ Gott zu preisen/ antreiben lassen.

Jch führe aber diese Worte Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Davids heute nicht ohne besondere Ursach in meinem Hertzen und Munde/ und rede darmit Eine Christliche Volckreiche Versammlung/ mich selbsten/ und unsere neu=aufgerichtete fürtreffliche Orgel an; massen/ gleichwie unser Hertz und Zunge das Werck=Zeug ist/ wormit wir Gott loben/ und die Jhme schuldige Ehre geben sollen/ so ist auch unser Psalter und Harffe in diesem unserm Gotteshaus gemeiniglich das wohl=lautende Orgelwerck/ mit welchem wir nicht nur zu Lob=Gesängen und geistlichen lieblichen Liedern ermuntert werden/ sondern auch unter unsere Buß=Gebet=Danck= und Lob=Lieder spielen vor dem Herrn.

Um dessenthalben/ da unsere bißherige Orgel/ welche vor einiger Zeit ein Hoher Gönner und sehr grosser Wohlthäter/[2] wessen Hohe Person und Haus wir Gottes unendlicher Güte zu immerwährendem Seegen demüthig empfehlen/ aus Preißwürdiger Mildigkeit und Lieb= [S. 7] be zu dieser unserer Le Geographicumg Gebäude: Augsburg, St. Ulrich Evangelischen Pfarr=Kirchen verehret hat/ wegen erheblichen Ursachen/ und zumal da sie bey der neulich eingeführten Veränderung der Lieder=Melodien in grosser Versammlung des Volcks begunte zu schwach zu lauten/ abgebrochen/ und mit Beybehaltung unterschiedlichen Pfeiffen=Wercks diese schöne und Ld OrgelAugsburg, St. Ulrichs-Kirche, Johann Christoph Leo-Orgel 1721 neue Orgel von einem weitberühmten Lb PersonLeo, Johann Christoph (1675–1749) Künstler binnen kurtzer Zeit rühmlich erbauet und aufgerichtet wurde/ so mußte unsere Orgel einige Zeitlang gleichsam schlaffen und ruhen/ also/ daß wir unsere Gesänge und Lieder ohne deren Klang vor Gott darbrachten: Da aber nun heute dieselbe wiederum und das erstemal in öffentlicher Versammlung ihren lieblichen Laut und herrlichen Schall/ wie ich hoffe/ zu Einer sämmtlichen Christlichen Versammlung Freude und Wohlgefallen/ hat erfreulich hören lassen/ so wird dardurch auch mein Geist gleichsam lebendig/ daß ich nach dem Fürbild des H[eiligen] Davids aus besonderer Freudigkeit auch dieses unser herrliches Orgelwerck anrede:

Auf/ meine Ehre/ wache auf!
Psalter/ Harffe laßt euch hören;
Jch will Gottes Lob vermehren
Jn meinem gantzen Lebens=Lauff:
Auf/ groß und kleines Pfeiffen=Heer/
Singe mit Posaunen=Schalle/
Daß es Himmel=an erhalle:
Allein Gott in der Höh sey Ehr.[3]

[S. 8]

Exordium.

Glaubige Kinder Gottes sind geistlicher Weise lebendige Orgelwercke. (b) Denn ihr Hertz und Gemüth/ ihre Worte und Reden/ ihre Wercke und Thaten/ ihre innerliche und äusserliche Gliedmassen müssen in Gottgefälliger Ordnung und Übereinstimmung zum Lob und Preiß unsers allmächtigen Schöpfers und reichen Gebers aller Gaben eingerichtet seyn/ und jedes auf seine Weise und Art die grossen Thaten des Herrn verkündigen. Denn aus solcher Meynung und Absicht redet mit sich selbsten der H[eilige] David/ und muntert alle seine Leibs= und Seelen=Kräfften auf/ mit den Worten: Ly BibelstellePsalmen 103,1–2 Lobe den Herrn meine Seele/ und was in mir ist/ lobe seinen heiligen Nahmen: Lobe den Herrn meine Seele/ und vergiß nicht/ was er dir Gutes gethan hat. Ps. 103.

Wer aber ein geistl[iches] Orgelwerck vor Gott werden/ und mit seinem Verstand/ Willen und Kräfften Gott loben will/ der muß in gewisser Maß einem leibl[ichen] Orgelwerck gleich werden. Demnach ist es nicht genug/ daß wir die Augen nur auf unsere neu=aufgerichtete Orgel richten / und mit unsern Ohren deren Klang vernehmen; sondern ihre Structur, ihr Klang und Resonanz können uns eine gewaltige Rednerin und Lehrmeisterin seyn/ wie wir als geistliche Orgelwercke den Augen und Ohren unsers Gottes wohlgefallen mögen.


(b) conf. 1. Petr. 2. 4. 5.

[S. 9]

Hie überlasse ich einem jeden seine Christliche Meditationes und erbauliche Betrachtungen; Meine zufällige Gedancken aber/ so ich zu meiner und anderer Erbauung gefasset/ sind nachfolgende Vorstellungen.

Nemlich/ hie stehet dar ein nach Beschaffenheit des Platzes wohlerbauter Orgel=Kasten/ so von vielem Gold zwar schön schimmert/ aber doch nur geringes Holtz ist: Dieser ist ein Bild unsers menschlichen Leibes/ und desselben Nichtigkeit. Denn/ daß wir etwas seyn vor Gott/ das macht allein der Glaube/ so er in der Creutz=Probe köstlicher erfunden wird als das vergängliche Gold/ das durchs Feuer bewähret wird; Wo aber jemand lebet ohne Glauben an Gott/ ob er auch noch so schön in Schmuck und Kleidern pranget/ so ist er doch nur Erde und Asche/ ein armer Wurm und elender Made/ nichts vor Gott in Zeit und Ewigkeit.

Das Orgelwerck ist ein Bild unserer Seele. Denn/ wie in einer Orgel alles in seiner behörigen Ordnung stehet/ und gleichsam lebet/ wo es in seine Activität gesetzet wird; Also auch unsere Seele und Gemüth ist von Natur und bey seiner Schöffung von Gott ordentlich zu seinem Lob und Preiß lebendig gemachet worden/ und obgleich durch die Erb=Sünde auch fürnemlich die Seele in allen ihren obern und untern Kräfften/ in ihrem Verstand/ Willen/ Neigungen und Sinnlichkeiten verderbet ist/ so ist sie doch durch Christum wiederum zu dem Leben/ das aus Gott ist/ gebracht/ und wird durch [S. 10] die Heiligung dermassen erneuert/ daß/ wo wir nicht muthwillig uns Gott widersetzen/ sie/ obschon nicht vollkömmlich/ jedoch rechtschaffen und aufrichtig/ kan gedencken/ dichten und trachten/ was zu Gottes Ehre dienet.

Unser Orgelwerck hat zwey ungemein grosse Blasbälge/ vermittelst welcher der Wind in dasselbe geführet wird. Hiebey erinnere ich mich des Göttl[ichen] Worts/ und insonderheit dessen zweyen Haupt=Lehren des Gesetzes u[nd] des Evangelii: Diese beyde Stimmen Gottes gehen mit Macht/ und dringen ein in unser Hertz/ daß wir Busse thun/ und glauben sollen an Christum/ und tüchtig gemachet werden zum Dienst unsers Gottes.

Gleichwie aber ohne den Wind keine Orgel lauten kan; Also gedencke ich bey dem Orgelwind an den H[eiligen] Geist/ welcher als ein verborgener doch mächtiger Wind blaset/ und eindringen muß in die Hertzen der Menschen und uns antreiben/ daß wir in Worten und Wercken Gottes Ehre verkündigen/ und seinen H[eiligen] Namen preisen.

Der Wind an einer Orgel gehet durch unterschiedene Canäl in den Wind=Kasten/ Wind=Laden und Pfeiffen. Solche Canäle deuten wir auf unsere Augen und Ohren. Denn/ wenn wir Gottes Wort lesen/ oder hören/ so kömmt der Glaube/ und wir werden kräfftiglich beweget/ daß wir ergreiffen das ewige Leben/ und die Mittel der Gnade und der Seeligkeit.

Der Wind=Kasten/ in welchem sich zuerst der [S. 11] Wind bey einer Orgel sammlet/ erinnert mich unseres Verstandes; massen derselbe vor allen Dingen erleuchtet werden und erkennen muß/ welche da sey die Hoffnung unsers Beruffs/ und welcher sey der Reichthum des herrlichen Erbes Gottes an seinen Heiligen/ und welches da sey die überschwengliche Grösse der Göttlichen Krafft an uns/ die wir glauben/ nach der Würckung seiner mächtigen Stärcke. Je besser nun der erleuchtete Verstand eines Christen erkennet das Reich Gottes/ je eyfriger und fleißiger trachtet er sich in demselben mit heiligem Gehorsam vor Gott zuerzeigen.

Die Wind=Lade bildet mir vor den Willen des Menschlichen Hertzens. Denn/ nachdem unser Verstand erkennet Christum und seine Gnade/ so nimmt selbige unser Wille an/ und wird mit Göttlicher Fülle dermassen erfüllet/ daß er nicht mehr will/ was menschlich/ sondern was göttlich ist/ und wir also Lust haben an Gottes Gesetz/ zu glauben und zu thun/ was für ihm gefällig ist/ nach dem innwendigen Menschen.

Die Ventile/ durch welche der Wind aus der Wind=Lade in die Pfeiffen eindringet/ bedueten mir die Begierde des nach Gott verlangenden Glaubens. Denn/ sobald als Gott unsern Verstand erleuchtet/ und unsern Willen heiliget/ so entstehet in uns eine gläubige Begierde und Sehnsucht nach der Gottseeligkeit/ krafft deren wir begierig seyn zu gedencken/ zu reden und zu thun/ was zu Gottes Ehre gereichet.

[S. 12]

Die eiserne Register=Züge hingegen deuten uns an die Sünde. Denn gleichwie durch die Register=Züge das Orgelwerck gehindert wird/ daß es nicht lauten kan/ so lang/ biß diese aufgezogen/ oder weggerücket werden; Also ist auch die Sünde die einige Hinderniß/ welche uns und unsern Gott von einander scheidet/ daß/ so lang wir nach derselben leben/ wir weder der Gabe der Rechtfertigung noch der Heiligung fähig und theilhafftig werden können: um welcher Ursach halben der H[eilige] Gott uns ermahnet: Ly BibelstelleEzechiel 18,31 Werffet von euch alle eure Ubertretung/ darinnen ihr übertretten habt. Ezech. 18.

Die sämmtliche Pfeiffen bilden uns vor unser gantzes Christenthum/ worinnen wir nach allen Kräfften Leibes und der Seelen arbeiten: Und gleichwie die Pfeiffen von unterschiedenem Thon sind; also gehet es auch in unserm Christenthum her/ daß wir bald aus dem tieffen Baß des Creutzes und der Demuth/ bald aus dem Tenor der standhafften Treue/ bald aus dem Alt der Freuden oder Hoffnung/ bald aus dem Discant der Gedult und Gottseeligkeit uns hören lassen. Gleichwie aber alle Pfeiffen müssen gleich gestimmet seyn/ und in richtiger Harmonie lauten/ also/ daß keine der andern widersprechen darff: Also müssen rechtschaffene Christen als lebendige Orgelwercke fleissig seyn zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens; Sie müssen/ so viel möglich und an ihnen [S. 13] ist/ nicht nur einerley Rede führen/ sondern auch gleich gesinnet seyn in Christo/ und in Christlicher Religion: Gleichwie eine Pfeiffe grösser ist/ als die andere; Also müssen wir wohl erwegen/ daß Reiche und Arme müssen unter einander seyn/ denn der Herr hat sie alle gemacht/ daß Reiche an Armen Furcht/ und Arme an Reichen Hoffnung lernen mögen. Gleichwie in einem Orgelwerck die kleinste Pfeiffe offt den grösten und durchdringlichsten Laut gibt; Also ein demüthiger Christ ist der [sic] Werckzeug/ durch welchen Gott grosse Dinge thut. Gleichwie in einem Orgelwerck viel hundert Pfeiffen nicht gesehen werden/ und doch lauten und schallen; Also sind wahre Christen meistentheils die Verborgene im Lande: ihr Leben ist verborgen mit Christo in Gott/ und die Welt kennet sie/ und weder ihre Gottseeligkeit noch Herrlichkeit nicht/ und gleichwohl schallet ihr Gebett und Fürbitte in den Ohren des H[eiligen] Gottes/ daß er um ihretwillen eines gantzen Landes/ einer Stadt und Gemeinde verschonet. Gleichwie keine Pfeiffe die andere anrühret; Also fromme Christen beleidigen niemand vorsätzlich/ und meiden auch alle Ursach und Gelegenheit zu Hadder und Zanck. Gleichwie eine jede Pfeiffe/ so sie rechter Art ist/ alsobald anspricht: Also auch gläubige Christen sind fleißig und [S. 14] wacker allezeit/ sie sind eyfrig und munter zu guten Wercken/ und Krafft ihres Glaubens fragen sie nicht/ ob gute Wercke zu thun seyen/ sondern/ ehe man fraget/ haben sie Gutes gethan/ u[nd] sind immer im Thun. Und demnach sind sie nicht träg/ was sie thun sollen/ sondern sie sind brünstig im Geist. Aber/ gleichwie keine Pfeiffe lautet/ es werde denn deren Clavier entweder geschlagen/ oder getretten; Also/ wo unser Hertz solle ausbrechen in würdiges Lob Gottes/ daß wir gedencken/ reden und thun/ was für Gott gefällig ist/ so muß uns Gott angreiffen/ und durch sein Wort/ oder durch Creutz nöthigen und bewegen. Wobey aber das Wort des Herrn und die Erfahrung bezeuget/ daß jezuweilen uns Gott nur gelindiglich züchtiget/ und/ so zu reden/ das Manual tractiret/ indem er uns mit sanfften Worten/ oder gelindem Creutz und Züchtigung locket; jezuweilen aber uns hart angreifft/ u[nd] gleichsam das Pedal gebrauchet/ oder mit starckem Donnern und Schelten aus seinem Gesetz/ und mit schweren Heimsuchungen uns und unsere Ehre/ unsern Ruhm/ den wir von uns selbsten machen/ und unsere vermeinte Glückseeligkeit gleichsam zu Boden tritt/ biß wir aus der Tieffe zu ihm um Barmhertzigkeit ruffen und schreyen. Gleichwie nun endlich eine Orgel/ wo sie richtig ist/ und recht tractiret wird/ eine anmuthige Music machet/ so die Ohren und Hertzen der Zuhörer beweget; Also auch glaubige Kinder Got= [S. 15] tes halten in ihrem Christenthum vor Gottes Ohren eine angenehme geistliche Music, indem sie alles/ was sie thun in Worten oder in Wercken/ das thun sie in dem Nahmen unsers Herrn Jesu Christi/ und dancken Gott und dem Vatter durch Jhn/ Ly BibelstelleKolosser 3,17 Coloss. 3.[4]

Da nun hievon der H[eilige] Apost[el] Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulus in unserer ordentl[ichen] Sonntags=Epistel auch redet/ und uns und alle Gläubige ermuntert: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet unter einander von Psalmen/ und Lobgesängen/ und geistlichen Liedern/ singet und spielet dem Herrn in euren Hertzen/ so nehmen wir bey heutiger Gelegenheit daraus Anlaß zu betrachten

Musicam Christianorum, Oder Die von Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulo denen Christen angerühmte Music.

Wir seuffzen aber vorhero zu unerm Gott:

Ermunt’re uns/ O Gott/ durch deines Geistes Stärcke; So werden wir im Geist lebhaffte Orgelwercke.[5]

Abhandlung.

Nachdem der H[eilige] Apostel Paulus darinnen begriffen war/ daß Er denen Gläubigen die Christl[iche] SItten=Lehre/ oder Ubung in der Gottseeligkeit/ so nothwen= [S. 16] dig aus dem Glauben fliessen muß/ vortruge/ so verfassete er zu dem Ende unterschiedliche heilsame und erbauliche Lebens=Reguln/ nach welchen sich alle/ so das Werck des Glaubens/ und die Arbeit in der Liebe treiben wollen/ richten müssen. Unter solchen bringt er in unserm Text insonderheit vor die Aufmunterung zur Christlichen Fürsichtigkeit/ indem/ weil so viele und vielerley Feinde seyen/ welche unsere Crone des Glaubens zu rauben trachten/ er sorgfältig ermahnet: Ly BibelstelleEpheser 5,15 Sehet zu/ daß ihr fürsichtiglich wandelt: Worbey er eines theils erinnert/ was wir beobachten/ andern theils/ was wir unterlassen sollen.

Da nun besonders die Völlerey eine sehr starcke und merckliche Hinderniß ist/ daß wir weder in leiblichen noch geistlichen Angelegenheiten können fürsichtig wandeln/ so warnet Er vor derselben/ als einem Gifft der Seelen/ mit denen Worten: Ly BibelstelleEpheser 5,18 Sauffet euch nicht voll Weins/ woraus ein unordentliches Wesen folget; Jm Gegentheil aber ermahnet er zur Fülle des Geistes/ daß wir durch den Heil[igen] Geist uns antreiben/ regieren/ und kräfftig machen lassen sollen zu guten Wercken/ indem er uns ermuntert: Ly BibelstelleEpheser 5,18 Werdet voll Geistes/ voll von geistlichem Trieb/ Krafft/ Würckung und Früchten des Heiligen Geistes.

Auf daß aber ein gläubiger Christ an sich wissen und mercken möge/ daß in seinem Hertzen der Geist Christi [S. 17] wohne/ so ermahnet er nun/ daß/ gleichwie/ wessen das Hertz voll ist/ der Mund übergehet/ also soll auch/ wenn wir voll Geistes seyn/ alles/ was an und in uns ist/ voll Göttlichen Lobes seyn/ indem er aus der Krafft des H[eiligen] Geistes befihlet: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet untereinander von Psalmen/ und Lobgesängen/ und geistlichen Liedern/ singet und spielet dem Herrn in euren Hertzen.

Was nun der Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Apostel mit dieser dreyerley Erinnerung von Psalmen/ von Lobgesängen/ und geistlichen Liedern eigentlich wolle/ ist so gewiß und eigentlich nicht ausgedruckt. (c) Der H[eilige] Lb PersonHieronymus, Sophronius Eusebius (347–420) Hieronymus vermeinet/ die Psalmen gehören zur Sitten=Lehre/ und deuten solche Gesänge an/ wormit wir uns zu Christlichen Tugenden aufmuntern; die Lobgesänge seyen solche Lieder/ worinnen Gottes Herrlichkeit und Gnade gerühmet werde; und die geistliche Lieder halten in sich die hohe Betrachtung der Geheimnüssen des Reichs Gottes. (d) Andere stehen in denen Gedancken/ daß mit diesen dreyerley Gesängen der Apostel Einerley/ nemlich ein immerwährendes Lob und Preiß Gottes/ andeute: Lb PersonBasilius (ca. 330 – 379) Basilius M[agnus] aber in Ly BibelstellePsalmen 29 Psalm. 29. hat diese drey Arten also eingetheilet: daß ein Psalm sey/ wenn man ein Text bey Instrumental-Music mit darein singet; ein Lobge=


(c) Vid. Lb PersonHammond, Henry (1605–1660) H. Hammondi Lr QuellenHammond, Novum Testamentum Domini Nostri Jesu Christi (1714) M Nov. Test. cum animadveri. Lb PersonLe Clerc, Jean (1657–1736)  Jo. Clerici ad h[oc] l[ocum][6] D. Lb PersonQuenstedt, Johann Andreas (1617–1688) Quenstedt Lr QuellenQuenstedt, Antiquitates Biblicae et Ecclesiasticae (1699) M Antiquit. Bibl. & Ecclesiastic. p. 480.[7]

(d) Vid. Lb PersonCalov, Abraham (1612–1686) Calovii Lr QuellenCalov, Biblia Novi Testamenti Illustrata 2 (1719) M Biblia Illustrata ad h[oc] l[ocum][8] & Lb PersonBalduin, Friedrich (1575–1627) Balduini Lr QuellenBalduin, Commentarius in omnes epistolas Pauli (1691) M Commentar. ad h[oc] l[ocum].[9]

[S. 18]

sang seye eine blosse Vocal-Music ohne Einstimmung eines Musicalischen Instruments; und ein geistlich Lied seye ein solches Gebet oder Lob Gottes/ so weder gesungen/ noch mit einer Instrumental-Music unterhalten/ sondern allein im Hertzen und Gemüth geheget und überleget werde. Mit welcher Auslegung auch andere Vätter der Christlichen Kirche/ Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustinus, Lb PersonHilarius von Poitiers (ca. 315 – 367) Hilarius und andere/ auch besonders unserer Kirche tapffere Theologus und grosse Ausleger der Schrifft D. Lb PersonBalduin, Friedrich (1575–1627) Balduinus übereinstimmet. (e) Zu Folge dessen irre ich nicht/ wenn ich aus solchen Worten zu unserer Betrachtung stelle

Triplicem Christianorum Musicam.
Die dreyfache Music rechtschaffener Christen.

Demnach bemercken wir aus unserm Text:

I. Musicam Instrumentalem, oder diejenige Music, welche mit dem Schall eines oder mehr Musicalischer Instrumenten pfleget gehalten zu werden/ wenn der Apostel erinnert: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet untereinander von Psalmen.

Allwo ferne sey zu gedencken/ als ob der theure Apostel der üppigen und zur Wollust reitzenden so genannten weltlichen Music das Wort führe. Denn da zwar eitele Welt=Kinder dieselbe sonderlich lieben/ wie der Prophet


(e) vid. Lb PersonSerpilius, Georg (1668–1723) Serpilii Lr QuellenSerpilius, Gloria, Pax Et Alleluia (1697) M Gott=geheiligte Sing= und Früh=Stunden p. m. 32.[10]

[S. 19]

Lb PersonJesaja Esaias von ihnen anzeiget: Ly BibelstelleJesaja 5,13 Sie haben Harffen/ Psalter/ Paucken/ Pfeiffen und Wein in ihrem Wolleben/* aber in dieser weder die Art und Weise/ noch der Jnnhalt/ noch der Endzweck erbaulich und heilig ist/ so hatte er allbereit darfür gewarnet mit den Worten: Ly BibelstelleEpheser 5,6 Lasset euch niemand verführen mit vergeblichen Worten/ denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens; wie dann auch der H[eilige] Prophet Esaias das Wehe über solche Music und Musicanten ruffet/ auch der Prediger Lb PersonSalomo Salomo sie eine Ly BibelstelleKohelet 2,2 tolle Freude nennet**: sondern der Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Lehrer der Heyden redet von einer heiligen/ erbaulichen und geistlichen Music, wenn er derselben Texte/ so musiciert und gesungen werden/ nennet Psalmen: Wormit er aber nicht nur allein verstehet die eigentliche also genannte Psalmen Davids/ so in dem Psalter=Buch enthalten/ und theils von ihm selbst/ theils von andern geistreichen Propheten und Männern Gottes verfasset worden sind: Sondern Er redet insgemein von allen denen Gesängen und Liedern/ deren Jnnhalt denen Psalmen Davids den Worten und der Lehre nach gleichstimmig seyn/ und Biblische Texte in sich fassen. Solchemnach seye es löblich in der Christenheit/ wenn gläubige Kinder Gottes entweder Lehr=Psalmen anstimmen/ wordurch sie in der Erkänntniß der Wahrheit zur Gottseeligkeit unterwie=


* Es. 5. 12.

** Pred. Sal. 2.2.

[S. 20]

sen werden; oder Buß=Psalmen/ worinnen sie ihre Sünden kläglich beweinen/ und Gott abbitten; oder Glaubens=Psalmen/ mit welchen sie ihres Hertzens Verlangen nach Gott/ und ihre freudige Zuversicht auf den Herrn Herrn [sic] ausdrücken; oder Trost=Psalmen/ wordurch sie ihr Hertz und Gemüth aus der Traurigkeit erheben/ und sich Göttlicher Gnade und Seeligkeit trösten. Solche Psalmen mag ein Christ wohl auch für sich selbst singen/ oder in seinem Hertzen erwegen/ doch/ gleichwie die Psalmen Davids in der Jsraelitischen Kirche gemeiniglich musiciert/ und auf dem Psalter/ oder Githith, von acht oder zehen Saiten/ oder anderm uns der Zeit unbekannten Instrument pflegten gespielet zu werden; (f) also hält der Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) H[eilige] Paulus vor schön und löblich/ wenn Christen Mittel und Gelegenheit haben/ ihre Lieder vor Gott unter dem Schall der Music hören zu lassen. Denn/ wenn der H[eilige] Apostel in unserm Text erinnert: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet untereinander von Psalmen/ so will er nicht nur ein solches Reden/ wie irgends Christen ein gutes und geistliches Gespräch führen/ sondern er verstehet ein solches λαλεῖν JÜbers.: reden. und Reden/ krafft dessen einer den andern zu einer geistlichen Freude aufmuntert/ welches so wohl mit Worten/ als auch mit dem lieblichen Schall der Music geschehen kan. Massen Er seinen Sinn und Meynung selb=


(f) Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustin. in Psalm. 4. & Psalm. 67. Lb PersonGregor von Nyssa (ca. 335 – 394) Gregorius Nyssenus tract. 2. in Psalm. cap. 3. conf[er] D. Lb PersonSchmidt, Johann Andreas (1652–1726) Jo. Schmidt Lr QuellenSchmidt, Lexicon Ecclesiasticum Minus (1712) M Lexicon Ecclesiasticum in voce Psalmus.[11]

[S. 21]

sten erkläret Coloss. 3. mit der Aufmunterung. Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lehret und vermahnet euch selbsten/ νουθετοῦντες JÜbers.: ermahnt, erwecket euren Sinn und Gemüth/ ermuntert eure Hertzen/ setzet und stillet euren Geist in eine anmuthige und liebliche Zufriedenheit mit Psalmen und Lobgesängen. Und dieses nicht nur in euch selbsten/ oder in geheim/ sondern auch vor den Ohren anderer/ und je einer gegen den andern.

Doch/ wo es Zeit/ Mittel/ Kräffte und Gelegenheit nicht zulässet/ daß ein Christ irgend mit einem Musicalischen Instrumente unter sein Gesang spielen kan/ so hält es Paulus vor lieblich und wohl/ daß man auch nur bloß mit seiner Stimme dem Herrn lobsinget/ deßhalben er denen Christen anrühmet

II. Musicam Vocalem, die Music der Lippen/ krafft derer ein Christ nur mit seinem Munde allein ein Gesang verrichtet/ wenn er ermahnet: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet untereinander von Lobgesängen/ und geistlichen Liedern. Allwo Hymni (g) oder Lobgesänge solche Lieder heissen mögen/ in welchen Gottes Herrlichkeit/ Schönheit/ Seeligkeit/ Gottes Thaten und Wunder/ Gottes Wohlthaten/ so er an uns Menschen thut/ öffentlich und mit lauter Stimme gerühmet und gepriesen werden. Wie deßhalben der H[eilige] Augustinus über den Ly BibelstellePsalmen 72 Ps. 72. schreibet: Lr QuellenAugustinus, Opera 8 (1569) M Hymni sunt laudes Dei cum cantico. Et si sit laus,


(g) Vid[e] D. Lb PersonDeyling, Salomon (1677–1755) Deyling Lr QuellenDeyling, Observationvm Sacrarvm Pars 3 (1715) M Observ. Sacr. Part. III. p. m. 336. ss. Lr QuellenDeyling, Observationvm Sacrarvm Pars 3 (1715) M de hymnis à Christianis decantandis.[12]

[S. 22]

Lr QuellenAugustinus, Opera 8 (1569) M & non cantetur, non est hymnus. Oportet ergò, ut, si sit hymnus, habeat haec tria: Et laudem, & Dei, & Canticum:[13] Das ist: Lobgesänge sind solche Lieder/ so dem grossen Gott zu Ehren gesungen werden/ dermassen/ daß/ obgleich Gott gelobet/ und solch Lob nicht gesungen/ daß/ obgleich Gott gelobet/ und solch Lob nicht gesungen wird/ so ist es kein Lobgesang. Denn ein Lob=Lied muß nothwendig diese drey Stück/ nemlich ein Lob/ sodann ein Lob Gottes/ und endlich ein Gesang oder Lied des Göttlichen Lobs in sich begreiffen. Geistliche Lieder aber werden gehalten vor solche Gesänge/ welche ein gläubiges Kind Gottes selbsten dichtet/ oder absinget/ mit welchen es die Geheimnüsse des geistlichen Reichs Gottes/ und die Mittel und Kennzeichen der Göttlichen Gnade rühmet und preiset; Welche Lieder geistliche Lieder heissen/ nicht nur/ weil sie von geistlichen Gütern und Gaben Gottes handeln/ nicht nur/ weil sie/ soviel möglich/ aus solchen Redens=Arten und Worten/ dergleichen sich der H[eilige] Geist in der H[eiligen] Schrifft gebrauchet/ bestehen/ sondern auch/ welche aus Erleuchtung und Antrieb des H[eiligen] Geistes so wohl verfasset/ als gesungen werden. (h)

Auf daß aber so wohl die Instrumental- als Vocal-Music dem Höchsten wohlgefalle/ so fordert der H[eilige] Paulus/ daß dabei das Hertz/ und dessen H[eilige] Andacht und Absicht gleichsam den Tact führe/ indem Er nun

III. Musicam Cordialem, die Hertzens=Music de=


(h) v[ide] Calovii Lr QuellenCalov, Biblia Novi Testamenti Illustrata 2 (1719) M Bibl. Illustr. ad h[oc] l[ocum].[14]

[S. 23]

nen Gläubigen Christen anrühmet/ mit den Worten: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Singet und spielet dem Herrn in euren Hertzen.

Hie ist unter uns nicht noth auszuführen/ was es heisse: dem Herrn singen und spielen; denn wir wissen alle/ daß damit der Apostel andeute/ daß alle unsere Music, all unser Gesang/ all unser Dichten und Trachten soll dem Herrn unserm Gott zu H[eiligen] Ehren gerichtet seyn/ wie er 1. Cor. 10. erinnert: Ly Bibelstelle1 Korinther 10,31 Was ihr thut/ das thut alles zu Gottes Ehre. Jm Hertzen aber sollen Christen singen und spielen/ daß sie mit hertzlicher Andacht und Aufmercksamkeit/ mit rechtschaffenem Ernst und Eyfer ihre geistliche Music halten/ dermassen/ daß sie im Geist und in der Wahrheit vor die Augen des Allwissenden und Allsehenden Gottes tretten/ und mit dem H[eiligen] David sagen können: Ly BibelstellePsalmen 108,1 Gott/ es ist mein rechter Ernst/ daß ich singe und lobe. Ps. 108. Wie dann deßhalben das Lm Ereignis411: Konzil von Karthago IV. Concilium zu Carthago (i) Canon. 10. diesen Schluß gefasset hat: Lr QuellenDecretum Gratiani (1604) M Videas, quod ore cantas, corde credas, & quod corde credis, operibus comprobes:[15] das ist: Siehe wohl zu/ daß/ was du mit deinem Munde singest/ du auch von Hertzen glaubest/ und/ was du in deinem Hertzen glaubest/ in der That und Werck beweisest.[16] Denn ohne solche Andacht ist vor Gott alle Music, auch in der Kirchen und öffentlichen Versammlung/ ein Greuel. Wie der eyfrige Gott deßhalben diß=


(i) Citante Lb PersonSerpilius, Georg (1668–1723) Serpilio Lr QuellenSerpilius, Gloria, Pax Et Alleluia (1697) M l[oco] c[itato] p. 39.

[S. 24]

falls gegen die Jsraelitische Kirche bezeuget/ und durch den Propheten Lb PersonAmos Amos geredet hat: Ly BibelstelleAmos 5,23 Thue nur weg von mir das Geplerr deiner Lieder/ ich mag deines Psalterspiels nicht hören. Amos V. 23. Jm Hertzen sollen gläubige Kinder Gottes singen und spielen dem Herrn/ daß sie/ wo sie keine Gelegenheit noch Vermögen haben/ weder mit einer Instrumental- noch Vocal-Music sich vor den Ohren Gottes hören zu lassen/ doch frölich seyn in dem Geist ihres Gemüths über Gottes Gnade und Güte/ und so wohl in bösen als guten Tagen/ so wohl in Unglück als in Glück/ inniglich in ihrer Seele jauchzen über alles/ was der Herr an ihnen gethan hat/ u[nd] also in der Stille Gott loben. Und endlich im Hertzen sollen gläubige Christen dem Herrn singen und spielen/ daß sie allezeit ein hertzl[ich] Verlangen haben/ und begierig seyen/ dem Herrn zu allem Gefallen ein Lob= und Danck=Lied nach dem andern singen zu können; nach dem Exempel und Fürbild Davids/ welcher Ps. 63. seine H[eilige] Sehnsucht zu solcher Gottgefälligen Music dem grossen Gott selbsten entdecket/ mit dem eyfrigen Vorsatz: Ly BibelstellePsalmen 63,6 Diß wäre meines Hertzens Freude und Wonne/ wenn ich dich mit frölichem Munde loben solte!

Usus I. Wir fassen aus diesem Vortrag diese Lehre/ daß/ gleichwie es vor Gott heilig und gut ist/ so man seinen Nahmen mit Hertz und Mund erhöhet und preiset: Denn Gott wohnet unter dem Lob Jsrael/[17] [S. 25] Ly BibelstellePsalmen 22,4 Ps. 22. Also ist es auch dem H[eiligen] Gott nicht mißfällig/ und so wohl zur Erweckung/ als auch zur Unterhaltung und Vermehrung des Göttl[ichen] Lobes und Preises nützlich/ diensam und förderlich/ so man mit allerley Musicalischen Instrumenten/ worunter ein Orgelwerck in allem billich den Vorzug hat/ dem Herrn singet und spielet. (k)

Denn wir haben hierinnen nicht nur vor uns die lobwürdige Exempel der heiligen Propheten und Könige des Volcks Jsrael/ welche mit Paucken und Psalter den grossen Gott lieblich und löblich verehret haben: Wir haben vor uns nicht nur den ausdrücklichen Befehl des H[eiligen] Geistes/ welcher durch den H[eiligen] David befihlet Ps. 150. Ly BibelstellePsalmen 150,1–6 Lobet den Herrn in seinem Heiligthum/ lobet ihn in der Veste seiner Macht/ lobet ihn in seinen Thaten/ lobet ihn in seiner grossen Herrlichkeit. Lobet ihn mit Posaunen/ lobet ihn mit Psalter und Harffen/ lobet ihn mit Paucken und Reigen/ lobet ihn mit Saiten und Pfeiffen. Lobet ihn mit hellen Cymbeln/ lobet ihn mit wohlklingenden Cymbeln/ alles/ was Odem hat/ lobe den Herrn/ Halleluja! Worbey keine vernünfftige und gültige Ursach kan angezeiget werden/ daß dergleichen Aufmunterung nicht auch alle Christen und Christliche Versammlungen angehen solle: Sondern wir haben


(k) Conf[er] D. Lb PersonMayer, Johann Friedrich (1650–1712) Majers Lr QuellenMayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690) M Museum Part. II. *fol. 22 ss. Allwo die Instrumental-Music aus der Schrifft und dem Alterthum weitläuffig bewiesen wird.[18]

[S. 26]

vor uns die gnädige Verheissung des H[eiligen] Gottes/ daß er zumahl auch an der Instrumental-Music, und folglich an dem Orgelspiel ein gnädiges und gütiges Wohlgefallen habe/ indem der H[eilige] David durch den Geist Gottes redet: Ly BibelstellePsalmen 92,1–4 Das ist ein köstlich Ding/ dem Herrn dancken/ und lobsingen deinem Nahmen/ du Höchster/ des Morgens deine Gnade/ und des Nachts deine Wahrheit verkündigen. Auf den zehen Saiten und Psalter mit Spielen auf der Harffen/ Ps. 92. Welches Göttliche Wohlgefallen an der Instrumental-Music, zumahl wo diese erbauliche und geistliche Texte im Munde führet/ wir daran ersehen/ daß er derselben eine besondere Krafft/ die Gemüther der Menschen anzugreiffen und zu bewegen/ gegeben hat. Denn also lesen wir von dem König Lb PersonSaul (fl. 1000 v. Chr.) Saul/ daß/ da der Geist des Herrn von ihme gewichen/ und ein böser Geist vom Herrn ihn sehr unruhig gemachet/ Ly Bibelstelle1 Samuel 16,23 so nahm David die Harffe/ und spielete mit seiner Hand/ und erquickte den König Saul/ und es ward besser mit ihm/ und der böse Geist weich von ihm/ 1. Sam. 16. Allwo zwar die Music und Schall der Harffe Davids einen natürlichen Eindruck in das zornige und traurige Gemüth des Königes gegeben/ und seine Lebens=Geister ermuntert/ aber zuforderist die darzwischen gesungene Lieder/ welche aus Antrib und Erleuchtung [S. 27] des H[eiligen] Geistes David darzwischen gesungen hat/ dem bösen Geist dermassen entgegen gewesen/ daß er von Saul weichen müssen. (l) Wie dann solches der Jüdische Historicus Lb PersonJosephus, Flavius (37/38 – nach 100) Josephus (m) meldet/ nemlich/ David habe dem bösen Geist/ der in Saul war/ Widerstand gethan/ indem er Psalmen und Loblieder gesungen/ und auf seiner Harffen gespielet. Nicht weniger/ als dorten der H[eilige] Prophet Lb PersonElisa Elisa solte und wolte dem Könige Lb PersonJoram Joram vorher verkündigen/ ob der von ihme vorgenommene Feldzug wider die Moabiter würde glücklich oder unglücklich ablauffen/ und er damahlen theils voll Unwillen über des Königs Lb PersonJoram Jorams gottloses Wesen/ theils voll Betrübniß über die erfolgende Trübsalen/ so das Hauß Jsrael ihrer Sünden halben betreffen solten sich befande/ da forderte er einen Spielmann/ und siehe/ da dieser auf der Saiten spielete/ kam die Hand des Herrn über ihn/ daß er weissagen konte/[19] Ly Bibelstelle2 Könige 3,15–16 2. B. der König III. Allwo wir abermahlen anzumercken haben/ daß nicht die leibliche Music den Geist der Weissagung in dem Propheten excitiret/ als wie natürlicher Weise ein Mensch durch die Music zur Freude erwecket werden kan/ denn die Gabe der Weissagung war in den Propheten eine ausserordentliche Krafft Gottes; sondern die Music, und vermuthlich des Spielmanns/ der ein Levit und geübet war in geistlichen Psalmen und Liedern/ haben abgesungenes Lied stil=


(l) Conf[er] D. Lb PersonPfeiffer, August (1640–1698) Pfeiffers Lr QuellenPfeiffer, Dubia vexata (1679) M Dub. Vex. p. m. 373.[20]

(m) Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1559) M Antiqv. lib. 6. c. 9.[21]

[S. 28]

lete und besänfftigte des Propheten unruhiges Gemüth/ und bereitete ihn/ daß sein Hertz um so viel eher und füglicher fähig und theilhafftig ward der besonderen Einsprache des H[eiligen] Geistes. (n) Auch lesen wir von dem H[eiligen] Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustino, daß/ da schon zu seiner Zeit die Musicalische Instrumenten in Christlicher Kirche und Versammlung bey Singung der Lieder im Gebrauch gewesen/ ihn dieselbe dermassen afficirt und beweget haben/ daß er darüber heisse Thränen vergossen.[22] (o) und gewiß/ die Erfahrung ist unter uns allen Zeuge/ daß auch natürlicher Weise die Music vermöge/ Traurige frölich/ Schwermüthige munter/ Träge eyferig/ Unruhige still/ Hochfahrende niedrig/ Sichere betrübt/ Zornige sanfft zu machen: (p) um welcher Ursach Lb PersonTheophrast (ca. 369 – ca. 288 v. Chr.) Theophrastus, jener berühmte Medicus, die Music zu einer heilsamen Artzney wider die Gemüths=Kranckheiten angerühmet und nützlich gebraucht haben soll. (q)

So aber nun die Music dieses vermag/ wieviel mehr kan sie ausrichten/ wann unter dieselbe geistliche liebliche Lieder und erbauliche Texte und Arien abgesungen werden! Fürwahr/ wo eine Instrumental-Music recht verrichtet/ und besonders ein Orgelwerck mit behöriger Gravität unter die geistliche Lobgesänge und andere Gesänge gespielet wird/ so muntert sie das Hertz eines andächti=


(n) Conf[er] Lb PersonStephanus, Heiliger (1–40) Herm. Witsii Lr QuellenWitsius, Miscellaneorum Sacrorum 1 (1712) M Miscellan. Libr. I. c. 10. p. m. 78.[23] & D. Lb PersonSchmidt, Johann Andreas (1652–1726) Jo. Andr. Schmidt Dissert. Lr QuellenSchmidt, Elisaeus (1715) M Elisaeus ad Musices sonum Propheta.[24]

(o) Augustin. libr. 9. Lr QuellenAugustinus, Opera 8 (1616) M  Confess. c. 6. & libr. 10. Confess. cap. 33.[25]

(p) v[ide] D. Lb PersonPfeiffer, Johann Philipp (1645–1695) Jo. Phil. Pfeifferi Lr QuellenPfeiffer, Libri IV Antiquitatum graecarum (1689) M Antiquit. Graecas lib. II. c. 64. p. 421.[26]

(q) v[ide] Dissertat. Lb PersonSchmidt, Johann Andreas (1652–1726) Schmidii Lr QuellenSchmidt, Elisaeus (1715) M de Elisaeo p. m. 25.[27]

[S. 29]

gen Christen auf/ daß er mit desto frölicherm Munde Gott zu Ehren jauchtzet/ und mit einem süssen Vorschmack der zukünfftigen himmlischen Freude/ in welcher wir einsten Englische Music hören werden/ überschüttet wird.

Usus II. Demnach so lasset uns reden von Psalmen/ und Lobgesängen und geistlichen Liedern/ und da Himmel und Erden und alle Geschöpffe die Ehre Gottes nach ihrer Art verkündigen; da die Chöre der H[eiligen] Engel im Himmel und auf Erden den allerhöchsten Gott loben; da Alle auserwählte Heilige in der streitenden und triumphirenden Kirche den Nahmen des Herrn mit Gesang und allerley Weise erhöhen; da der allerheiligste Jesus/ Gottes Sohn/ unser Heyland selbsten/ den Lobgesang/ und das grosse Halleluja aus Ly BibelstellePsalmen 113 Ps. CXIII. biß Ly BibelstellePsalmen 119 CXIX. vor seinem Hingang an den Oelberg seinem himmlischen Vatter zu Ehren mit seinen Jüngern gesungen; so lasset auch uns Gott preisen mit Hertz und Gedancken des Gemüths/ mit unserm Munde und Lippen/ und auch mit allerley Musicalischen Instrumenten. Denn Ly BibelstellePsalmen 150,6 alles/ was Odem/ alles/ was ein Leben/ ja alles/ was einen Hauch/ was eine Regung und Bewegung hat/ lobe den Herrn.

O daß nun ein jeder unter uns mit dem H[eiligen] David diese heilige und Gottgefällige Erklärung und Vorsatz fassen möchte: Ly BibelstellePsalmen 34,2–4 Jch will den Herrn loben allezeit/ sein Lob soll immerdar in meinem Munde seyn: [S. 30] Meine Seele soll sich rühmen des Herrn/ daß die Elenden hören/ und sich freuen: Preiset mit mir den Herrn/ und lasset uns miteinander seinen Nahmen erhöhen/ Ps. 34.

Usus III. Da nun zu solchem Ende und Absicht diese unsere fürtreffliche und künstliche Ld OrgelAugsburg, St. Ulrichs-Kirche, Johann Christoph Leo-Orgel 1721 Orgel in dieses unser Gottes=Hauß aufs neue gebauet und aufgerichtet ist; als erkennen wir es billich vor eine sonderbare Gabe und Geschenck des grossen Gottes/ ohne wessen Beystand/ Hülffe und Krafft wir es nicht zu seinen H[eiligen] Ehren in Stand bringen können: Und weil nach unserm Text wir sollen Gott Danck sagen umb alles; so dancken wir dem allmächtigen und lebendigen Gott/ dem Schöpffer aller Dinge/ daß Er theils wider so viele und vielerley Hindernüsse/ so vor und in Zeit währenden Baues vorkommen sind/ zu diesem Werck und Arbeit/ ja zu wohlgesinneter Hertzen unter uns guter Absicht/ Krafft/ Fortgang und Seegen ertheilet/ daß eines weitberühmten Lb PersonLeo, Johann Christoph (1675–1749) Künstlers Hand/ Verstand und Fleiß es dermassen ins Werck stellen können/ so/ wie es von uns mit sonderbarer Lust und Freude nun gesehen und gehöret worden ist; theils vieler Frommen Hertzen beweget hat/ daß sie zu solchem Orgel=Bau Rath und That mitgetheilet haben. Weßhalben billich unsere Seele vor Gott frohlocket: Ly BibelstellePsalmen 72,18–19 Gelobet sey der Herr/ der Gott Jsrael/ der allein Wunder thut/ und gelobet sey sein herrlicher [S. 31] Nahme ewiglich/ und alle Lande/ und auch dieses Gotteshaus müsse seiner Ehre voll werden/ Amen/ Amen/ aus Ps. 72.

Anbeynebenst dancken wir Jhro Gnaden und Hoch=Edelgebohrnen/ denen Herren Stadt=Pflegern und Geheimbden Räthen dieser Stadt A[ugustanae] C[onfessionis] und gesammten Hoch=Löbl[ichen] Herren Ober=Kirchen=Pflegern und derselben Herren Adjunctis, so wohl/ daß Sie theils die gnädige und großgünstige Erlaubniß/ diesen Orgel=Bau fürzunehmen/ ertheilet/ theils auch mit Dero Hochansehnlichen Gegenwart diese unsere sogenannte Orgel=Weyhe solenn und um so viel erfreulicher gemachet: der Herr unser Gott kröne Sie mit Gnade und Güte/ und erfreue Sie in seinem und Jhrem Hause jederzeit mit Freuden seines Angesichts.

Wir dancken denen Hohen/ Fürnehmen und Liebwerthen Wohltätern und Wohlthäterinnen an diesem unserm Le Geographicumg Gebäude: Augsburg, St. Ulrich Tempel/ und darinnen neu=aufgerichtetem Ld OrgelAugsburg, St. Ulrichs-Kirche, Johann Christoph Leo-Orgel 1721 Orgelwerck/ welche theils eine merckliche Summa zu Bestreitung der behörigen Kosten ohne Zinß vorgeschossen; theils allbereit mit milder Hand Gottgefällige Verehrung gethan; theils noch ferner ihre Gutthätigkeit auch zu diesem Bau mercklich sehen zu lassen/ deren Hochgeneigten und günstigen Verspruch gethan/ oder den Vorsatz gefasset haben.

Worbey ich insonderheit mit öffentlichem Lob nicht [S. 32] verschweigen kan/ die sonderbare Wohlthat/ so eine gewisse Liebhaberinn[28] unsers Tempels und öffentlichen Gottesdienstes ruhmwürdig bewiesen/ indem sie alle das an der Orgel befindliche Gold allein verehret hat. Unser Gott ziere Sie mit allerley Seegen/ so vor ihm ist/ und überschütte Sie mit reicher Gnade und Güte/ dermassen/ daß in Zeit und Ewigkeit vor Gottes und aller Heiligen Augen ihr Glaube köstlicher erfunden werde/ als das vergängliche Gold/ das durchs Feuer bewähret wird.

Gleichwie nun gläubige Christen wissen/ daß/ was irgend einige unter uns/ die ein neidisches/ geitziges und tadelsüchtiges Hertz haben/ bey Auszierung der Kirchen vor einen Unrath und Uberfluß achten/ vor Gottes Augen dennoch theuer/ köstlich/ werth und angenehm/ und mithin eine rühmliche Sache seye/ wo ein Mensch mit seinem Geld etwas darlegen und anschaffen kan/ wordurch der Nächste im Christenthum/ und zumal in göttlichem Lob erbauet und ermuntert werden kan; Also waltet bey mir kein Zweiffel/ es werde eine liebwerthe Pfarr=Gemeinde/ und welche zu diesen unsern Kirch=Thüren aus= und eingehen/ meine freundliche Bitte nicht verachten/ und nach ihrem Vermögen und eigener Willkühr mit frölichem Hertzen und milder Hand eine erfreuliche Beysteuer unserer Kirche ob diesem Orgel=Bau rühmlich angedeyen lassen. Wobey ich die Versicherung thue/ daß so wohl insgemein/ als auch deren insonderheit/ so mir von gutthätigen Hertzen bekandt [S. 33] werden/ ich mit Bitte/ Gebet und Flehen vor Gott gedencken/ und derselben willige Opffer vor Gottes H[eilige] Augen zu reicher Gnaden=Vergeltung darbringen werde.

Und hiemit nun widme/ heilige und weihe ich diese unsere liebe Orgel im Nahmen des Drey=Einigen Gottes allein zu Gottgefälligem Gebrauch bey unserm öffentlichen Gottesdienst/ und denen dabey erschallenden Buß=Gebet=Glaubens=Lebens= und Lob=Liedern/ und sage vor Gott und seiner Gemeinde/ daß auf derselben nichts anders/ als was erbar/ was gerecht/ was keusch/ was lieblich/ was wohl lautet/ erklingen solle. Wir alle aber bitten einmüthiglich Gott unsern himmlischen Vatter in dem Nahmen Jesu/ und in Krafft des H[eiligen] Geistes/ daß er bey dem Schall unserer Orgel nicht nur in unsern Hertzen einen süssen Vorschmack der himmlischen Wonne und Freude ins Herzte geben/ sondern auch dardurch uns jederzeit aufmuntern wolle/ daß wir mit freudigem Hertzen und frölichem Munde dem Herrn zu allem Gefallen klingen/ singen/ loben/ preisen und dancken. Der Herr höre unsere Psalmen/ der Herr habe Lust an unsern Lobgesängen/ der Herr mercke auf auf unsere geistlichen Lieder/ und erhöre uns. Zu dem Ende übergeben wir diese Orgel in die Hände unsers Gottes/ daß Er sie schütze und erhalte/ und seuffzen:

Grosser Gott/ laß dir gefallen
Dieses Orgeln/ dieses Schallen/

[S. 34]

Höre alles gnädig an;
Kröne uns mit deiner Güte/
Daß mit frölichem Gemüthe
Kirch und Orgel jauchzen kan;[29]
Halleluja.

Cantaten

So vor= und nach der Predigt sind musiciret worden.
Vor der Predigt.

Ly BibelstellePsalmen 150,1.3–5 Lobet den Herrn in seinem Heiligthum. Lobet ihn mit Posaunen/ lobet ihn mit Psalter und Harffen/ lobet ihn mit Paucken und Reigen/ lobet ihn mit Saiten und Pfeiffen/ lobet ihn mit hellen Cymbaln/ lobet ihn mit wohlklingenden Cymbaln. Ps. 150.

Aria.

Erthöne/ erschalle/ und lieblich erklinge/
Du Hertzen=bewegendes Orgel=Gebäud.
Mit fröhlichen Stimmen dem Schöpffer Lob singe/
Und mache ein Vorspiel der himmlischen Freud:
Bewege die Hertzen/ entzücke die Sinnen/
Ermuntre zum Gottesdienst unser Beginnen.

[S. 35]

Jch will den Herrn loben allezeit/ sein Lob soll immerdar in meinem Munde seyn. Preiset mit mir den Herrn/ und laßt uns miteinander seinen Nahmen erhöhen. Ps. 34.

Halleluja!

Nach der Predigt.

Ly BibelstellePsalmen 92,1–3 Das ist ein köstlich Ding/ dem Herrn dancken/ und Lob singen deinem Nahmen/ du Höchster: des Morgens deine Gnade/ und des Nachts deine Wahrheit verkündigen/ auf den zehen Saiten und Psalter/ mit Spielen auf der Harffen. Ps. 92.

Recitativ.

Wer Gott zu loben ist beflissen/
Der wird der Welt und ihrer Lust entrissen;
Er nahet sich zu Gott
Jn aller Noth;
Und Gott naht auch zu ihm mit seines Geistes Krafft/
Daß aus der Lieder Schall
Des Trostes Widerhall
Jn seinem Hertzen hafft.
Jn Jesu Reich
Jst/ wer Gott lobt/ den Engeln Gottes gleich.
Ja ja/
Wer frölich singt/ Alleluja:
Der kan sich aus dem Bass der tieffen Traurigkeit erheben/
Und mit Leib/ Seel und Geist im Alt der Freuden schweben.
Darum auf! die ihr diese Orgel höret klingen/
Laßt allezeit euer Hertz und Geist mit=Singen:

Choral.

Lw MusikwerkN.N.: Herr Gott, dich loben wir Herr Gott dich loben wir.
Herr Gott wir dancken dir!
[S. 36] Dich Gott Vatter in Ewigkeit
Ehret die Welt weit und breit/
Alle Engel und Himmels=Heer
Und was dienet deiner Ehr:
Auch Cherubim und Seraphim
Singen immer mit hoher Stimm:
Heilig ist unser Gott/
Heilig ist unser Gott/
Heilig ist unser Gott/
Der Herr Zebaoth.
[30]

Recitativ.

Doch/ wie ein Orgelwerck nicht von sich selbst anspricht/
Wo nicht des Künstlers Hand dem Wind gibt das Gewicht;
So kan niemand
Gott würdiges Lob geben;
Nur Gottes Hand
Muß unsern Geist ermuntertn und beleben.
Deßhalben ruffen wir
O Gott zu dir:

Aria.

Grosser Gott/ laß dir gefallen
Dieses Orgeln/ dieses Schallen/
Höre alles gnädig an;
Kröne uns mit deiner Güte/
Daß mit fröhlichem Gemüthe
Kirch und Orgel jauchzen kan:
Halleluja.

Einzelanmerkungen

  1. Paraphrasiert wird folgende Passage: Die Rabbinen mögen es verantworten/ so in dem tractat Berachoth lehren/ es habe der könig David seine harffe und psalter allezeit an seinem bette hangen gehabt; wenn nun früh morgens der nordwind gewehet und in die harffe gestrichen/ habe sie die schönsten morgen=lieder von sich selbst gespielet. (Mayer, Das schwer angefochtene Kind Gottes (1698), S. 506)
  2. Um wen es sich hier handelt, konnte nicht ermittelt werden.
  3. Eine Quelle für dieses Lied oder Gedicht konnte bislang nicht gefunden werden. Möglicherweise stammt es vom Autor der Predigt.
  4. Paraphrase von Ly BibelstelleKolosser 3,17 Kol 3,17.
  5. Auch hier scheint es sich um Verse Weidners zu handeln.
  6. Vgl. die Erläuterung der tria genera canticorum, Hammond, Novum Testamentum Domini Nostri Jesu Christi (1714), S. 297.
  7. Die genannte Stelle behandelt ebenfalls die Gattung der Psalmgesänge; als Kontext dienen hier die Psalmen, die von Jesus und seinen Jüngern gesungen wurden, vgl. Quenstedt, Antiquitates Biblicae et Ecclesiasticae (1699), S. 480.
  8. Vgl. Calov, Biblia Novi Testamenti Illustrata 2 (1719), S. 721.
  9. Diese Quelle konnte nicht konsultiert werden.
  10. Der herangezogene Text behandelt die Definition der Psalmen als Gesänge mit instrumentaler Begleitung lediglich anhand von sekundären Quellen. Siehe eine primäre Quelle im Personenartikel Lb PersonBasilius (ca. 330 – 379) Basilius.
  11. Weidner schöpft seine Informationen aus Schmidt, Lexicon Ecclesiasticum Minus (1712), S. 263-267.
  12. Weidner gibt hier den Titel des Kapitels an, vgl. Deyling, Observationvm Sacrarvm Pars 3 (1715), S. 336.
  13. Verkürztes Zitat. In der historischen Gesamtausgabe lautet die komplette Erklärung: Hymni laudes sunt Dei cum cantico. Hymni cantus sunt continentes laudes Dei. Si sit laus, & non sit Dei, non est hymnus. Si sit & laus, & Dei laus, & non canteretur, non est hymnus. Oportet ergo ut si sit hymnus, habeat haec tria, & laudem, & Dei, & canticum. (Augustinus, Opera 8 (1569), Sp. 788)
  14. Weidner bezieht sich auf folgende Erörterung über die Art und Weise, wie geistliche Lieder vom Heiligen Geist inspiriert sind: In eo autem Coccejus non meretur assensum, quod odas spirituales eas dici velit, quae a Spiritu Sancto inspiratae sunt; qui tamen carmina a fidelibus facta in privatis aedibus locum habere posse ait. Cur vero non etiam in publicis coetibus? Rectius odas spirituales exposuit Crocius: A profanorum hominum, inquit, psalmis, hymnis & odis discernit ac ostendit, deberent respondere Spiritui, quo impleantur, id est, tum ratione materiae esse spirituales, tum ratione finis, ut animas iis aedificetur. (Calov, Biblia Novi Testamenti Illustrata 2 (1719), S. 721)
  15. Zitat aus Decretum Gratiani (1604), Sp. 132; übernommen nach Serpilius, Gloria, Pax Et Alleluia (1697), S. 39, wie in Anmerkung (i) angegeben.
  16. Die Übersetzung scheint Weidner selbst angefertigt zu haben. Lb PersonSerpilius, Georg (1668–1723) Serpilius bietet eine andere deutsche Fassung, vgl. Serpilius, Gloria, Pax Et Alleluia (1697), S. 39.
  17. Paraphrase von Ly BibelstellePsalmen 22,4 Ps 22,4.
  18. Hingewiesen wird auf den Beginn des Kapitels Orgel=Predigten, vgl. Mayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690), 2. Teil, S. 22-40.
  19. Paraphrase der genannten Ly Bibelstelle2 Könige 3,15–16 Stelle.
  20. In der hier konsultierten Ausgabe des Werks stimmt diese Seitenangabe nicht. Vgl. das Kapitel De Spiritu malo, Davidis cithara pulso, Pfeiffer, Dubia vexata (1679), S. 426-428. Pfeiffer formuliert seine Erklärung des Heilungsvorgangs folgendermaßen, ohne die (sicher mitverstandene) Einwirkung des Heiligen Geistes hier explizit zu erwähnen: Verisimile est, Davidem non modò tetigisse fides, sed & psalmos devotos recitâsse seu cecinisse, & sic tùm melancholiam Saulis, tùm daemonem ipsi adsistentem fugâsse. (Pfeiffer, Dubia vexata (1679), S. 427f.)
  21. Vgl. Josephus, Antiquitates (1559), S. 147.
  22. Angespielt wird auf den Bericht des Augustinus über seine Taufe in Le Geographicumf Ort: Mailand Mailand. Die Verwendung von Instrumenten wird allerdings nicht erwähnt, lediglich die Wirkung des Hymnengesangs. Siehe den Wortlaut der Quelle im Personenartikel Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustinus.
  23. An der genannten Stelle in einem Kapitel über das Prophetentum heißt es: Necque abnuendum arbitror, quin sacra illa Musica praeparatus quodammodo animus fuerit, & elevatus ad Divinae gratiae influxum recipiendum. Sive existimemus vehementi illa emotione affectuum, quos concitarunt suavesonantia instrumenta, animum veluti fede sua motum, facilius a Deo impulsum esse prophetico spiritu ad extraordinarios etiam corporis motus, in quibus praesentis numinis indicia se pandebant; quod iis accidisse videtur quorum historia exstat 1. Sam. X. v. 10. & XIX. v. 20. 21. Sive malimus credere, dulci aliqua musica sedatum fuisse animum, eosque affectus compositos, qui lenem illum Divini Spiritus influxum impediunt. Eo enim fine videtur Elisaeus psalten proposcisse, qui coram ipso modularetur, ut animum propter impietatem regis, sancte quidem, ac fortasse justo vehementius, turbatum, pacaret. 2. Reg. III. v. 15. Nimirum sanctum aliquod carmen coram se cani voluit, admixtis una precibus & laudibus Dei, quibus tum animi piorum permulcebantur & attollebantur, atque aptiores fiebant ad accipiendam propheticam illustrationem, tum Deus movebatur ad revelandum quid facto opus esset. (Witsius, Miscellaneorum Sacrorum 1 (1712), S. 78)
  24. Diese theologische Dissertation reiht sich in frühaufklärerische Debatten um die Deutung des Prophetentums ein, vgl. zum Kontext Muslow, From Antiquarianism to Bible Criticism? (2011). Der Autor polemisiert unter anderem gegen Lb PersonSpinoza, Benedictus de (1632–1677) Baruch de Spinozas skeptische Bewertung der prophetischen Kunst.
  25. Die Kapitelzählungen weichen in den Editionen voneinander ab, vgl. die gemeinte Stelle in Augustinus, Opera 8 (1616), S. 269f., oder in moderner Ausgabe in Augustinus, Bekenntnisse (2004), 9. Buch, Kapitel 6, S. 386, 388.
  26. In der für die Edition konsultierten Ausgabe beginnt das angezeigte Kapitel auf S. 423. Es enthält eine umfassende Darstellung der antiken Musiktheorie und -geschichte. Weidner bezieht sich vermutlich auf die ausführliche Beschreibung der Affektwirkung von Musik, vgl. Pfeiffer, Libri IV Antiquitatum graecarum (1689), S. 431-439. Am nächsten zu Weidners obiger Aussage stehen Belege auf S. 433f.
  27. Die Dissertation nennt ebenfalls keine weiteren Einzelheiten zu diesem Thema, vgl. Schmidt, Elisaeus (1715), S. 25.
  28. Um wen es sich bei dieser Stifterin handelt, ist bislang nicht bekannt.
  29. Die Quelle dieses Liedtextes konnte nicht gefunden werden. Vielleicht handelt es sich um eine eigene Dichtung.
  30. Erste Strophe des Liedes Lw MusikwerkN.N.: Herr Gott, dich loben wir M Herr Gott, dich loben wir.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 18. März 2022.

Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist, so bitten wir um eine kurze Nachricht an