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Orgelpredigt

Start → Register → Orgeln → E020034: Görlitz, St. Peter und Paul, Eugenio Casparini-Orgel 1703

d Görlitz, St. Peter und Paul, Eugenio Casparini-Orgel 1703

Disposition

Disposition laut Kontrakt von 1697

I. Manual Hauptwerk (C–c³):

Prinzipal 16′; Fiffaro 8′ (ab b0); Ottava 8′; Große Flöt oder Lieblich Gedackt oder Viol di Gamb 8′; Super Ottava 4′; Klein gedackter Pommer 4′; Rohr Flöt 3′; Decima Nona 3⅕′; Rauschpfeiffe 2-fach 2′; Vigesima secunda 2′; Tertia oder Zinck 2-fach 2′; Vigesima sexta 1½′; Vigesima Nona 1′; Trombetta 8’ (»wie zu Trient durchs ganze Clavir«)

II. Manual Oberwerk (C–c³):

Quintadena 16′; Principal 8′; Principal eng oder Wald Flöt 8′; Ottava 4′; Spitzflöt 3′ (»meiner Inventur«); Gedackte Floet Dois 2′; Sedecima oder Super Ottava 2′; Glöckleinthon oder Tony Faber 2-fach 2′; Cornetti 3-fach; Super Sedecima 1½′; Cymbel 2-fach 1⅓’; Scharf 2-fach 1′

III. Manual Brustpositiv (C–c³):

Grobgedackt 8′; Prinzipal 4′; Ottava 2′; Plockflöt 2′; Quint-Nasat 1½′; Sedecima 1′; Scharfe Mixtur 3-fach 1½′; Schalmeyen oder Hautbois 8’ (»wie zu Trient«)

Pedal (zum OW) :

Contro Baß oder Quintaden Baß 16′; Tuball Floet 8′; Octaven Baß 4′; Krumbhörner 8′

Pedal (zum HW):

Unter-Contro ò Subbaß 16′; Bordunen Subbaß 16′; Ottaven Baß oder Quintaden 8′; Dulcian 16′

Pedal (zum BW) :

Tromba 8′; Cornetti oder Jungfer Regal 4′; Jubal 4′; Helle Cymbal ½′ (»wie zu St. Paul und zu St. Justinian in Padua«)

Pedal (der »große Baß«) (C–f¹):

Groß Sub-Principall Baß 32′ (ab F im Prospekt); Ottaven- oder Bordunen Baß 16′; Gemshorn Baß 8′; Groß Hell Quinten Baß 6′; Tuball Flöten Baß 4′; Pauren Flöten Baß 1½′ & 1’; Mixtur 4-5 fach 2′; Groß Posaunen Baß 16′; Großmixtur 1-fach (realisiert 12-fach)

Nebenzüge:

2 Tremulanten (OW & BW); Manualkoppel, Pedalkoppeln (mittels doppelter Ventile in den Windladen); »Register zur umlaufenden Sonne, zum Creuz«; Nachtigall; Heerpauken

Tatsächliche erbaute Disposition der Casparini-Orgel von 1703

I. Manual Hauptwerk (C–a³):

Principal 16′ (Prospekt); Prinzipal (Groß-Octava) 8′; Decima nona (Quinta) 3′; Super octava 4′; Ploch Flöt 2′; Rausch Pfeiffe 2-fach 2′; Vigesima nona 1½′; Mixtur 2-fach 1½′ & ½′; Rohr-Flöt Quint 6′; Offene Flöt 4′; Vox humana 8′; Gedackt Pommer 4′; Salicet 4′; Viol di Gamba 8′; Zynck 2-fach 3′ & 2′; Bombart 16′

II. Manual Oberwerk (C–a³):

Principal 8′ (Prospekt); Quintadön 16′; Onda Maris 8′; Octava 4′; Sedecima 2′; Cymbel 2-fach; Super Sedecima 1½-fach; Scharff 1′; Cornetti 3-fach 8′ (ab c´) ; Gedackte Fleut doux 4′; Spitz Fleut 3′; Glöcklein-Thon 2′;

III. Manual Brustpositiv (C–a³):

Principal 4′ (Prospekt); Gedackt 8′; Octava 2′; Ploch Flöt 2′; Quint Nassard 1½′; Sedicima 1′; Scharff Mixtur 1- & 1½-fach; Hautbois 8′; Tremulant

Pedal (C–f¹):

Groß-Prinzipalbass 32′; Posaunen (Holz!) 16′; Octav Bass 8′; Gemß-Horn-Bass 8′; Groß Quinten-Bass 6′; Tubal Flöt 4′; Scharffs 2-fach; Bauer Flöt 2-fach; Mixtur 5-fach

Stimmen im kleinen Seitenbass (SB) (äußerster Flügel) (C–d¹?):

Tromba 8′; Jungfer Regal 4′; Jubal 4′; Cymbel 2-fach

Stimmen im Oberbass (OB) (C–d¹?):

Contra-Bass offen 16′; Tubal Flöt offen 8′; Krumb Horn 8′; Super Octav-Bass 4′

Stimmen im Unterbass (UB) (C–d¹?):

Bordun Sub-Bass gedackt 16′; Fagotti 16′; Quinta den. Bass 8′

Nebenzüge:

Große 12-fache Pedalmixtur auf Sonnenscheiben, gekoppelt mit Tromba 8′; umlauffende Sonnen (Glockenkranz) aus 4 Glöckchen [c, e, g, c] oder [c, c, g, e]; Nachtigall; Vogel Gesang; Tamburo 16′; Kuckuck; Tremulant

vermutlich Koppeln II/I; III/I; III/II; III/P; II/P; I/P; Calcanten-Glöcklein

Mathis Sonnen-Orgel von 1997

I. Manual Hauptwerk (C–a³):

Principal 16′; Groß-Octava 8′; Hohl-Flöt 8′; Rohr-Flöt 8′; Fiffaro 8′; Viol di Gamba 8′; Rohr-Flöt-Quint 5⅓′; Octava 4′; Spitz-Flöt 4′; Salicet 4′; Quinta 2⅔′; Super-Octava 2′; Cornet 5-fach; Mixtur 4-fach 2′; Cymbel 3-fach 1⅓′; Bombart 16′; Trompet 8′; Clarin 4′

II. Manual Oberwerk (C–a³):

Quintadena 16′; Principal 8′; Grob-Gedackt 8′; Quintadena 8′; Onda Maris 8′; Octava 4′; Rohr-Flöt 4′; Sedecima 2′; Glöcklein-Thon 2′; Vigesima nona 1⅓′; Zynk 2-fach 2⅔′ Cornetti 3-fach; Scharff Cymbel 3-fach 1′; Trompet 8′; Krumb-Horn 8′; Schamlmey 4′; Tremulant

III. Manual Schwellwerk (C–a³):

Bordun 16′; Viola pomposa 16′; Diapason 8′; Doppel-Flöt 8′; Bordun 8′; Gamba 8′; Salicional 8′; Vox coelestis 8′ (ab c0); Principal 4′; Travers-Flöt 4′; Viola d´amore 4′; Spitz-Flöt 4′; Schweitzer-Pfeiff 2′; Violine 2′; Piccolo 1′; Harmonica aetheria 3-fach 2⅔′; Mixtur 5-fach 2′; Bombarde 16′; Trompette harmonique 8′; Hautbois 8′; Voix humaine 8′; Clarinette 8′; Clairon 4′; Tremulant

IV. Manual Brustwerk (C–a³):

Gedackt 8′; Praestant 4′; Gedackte Fleut-doux 4′; Nasat 2⅔′; Octava 2′; Gemss-Horn 2′; Tertia 1⅗′; Quint-Nasat 1⅓′; Super-Sedecima 1′; Scharff-Mixtur 3-fach 1⅓′; Hobois 8′; Tremulant

Pedal (C–f¹):

Groß-Prinzipal-Bass 32′; Principal-Bass 16′; Contra-Bass 16′; Sub-Bass 16′; Groß-Quinten-Bass 10⅔′; Octav-Bass 8′; Jubal-Flöt 8′; Gemß-Horn-Bass 8′; Super-Octav-Bass 4′; Jubal-Flöt 4′; Bauer-Flöt 2′; Sonnenmixtur 12-fach (mit Tromba 8′); Contra-Posaunen 32′; Posaunen 16′; Fagotti 16′; Trompeten-Bass 8′; Tromba 8′; Clarinen-Bass 4′; Vox Angelica 2′

Nebenzüge:

Cymbelstern; Nachtigall; Vogelgesang; Tamburo 16´; Kuckuck

Koppeln: II/I; III/I; III/II; IV/II; IV/III (Schiebekoppeln); Sub III/I; Sub III/II; Sub III; IV/P; III/P; III/P; II/P; I/P; Schweller;

Beschreibung

Baugeschichte der Orgeln von St. Peter und Paul zu Görlitz

Der Grundstein der evangelisch lutherischen Le Geographicumg Gebäude: Görlitz, St. Peter und Paul Pfarrkirche St. Peter und Paul in Le Geographicumf Ort: Görlitz Görlitz wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf einem Felsplateau oberhalb der Le Geographicumi Gewässer: Lausitzer Neiße Neiße, dem heutigen Grenzfluss zu Le Geographicumh Territorium: Polen Polen gelegt. Bereits in den Jahren 1423 bis 1497 erhielt sie die bis heute erhaltene spätgotische Gestalt einer fünfschiffigen Hallenkirche. Mit ihren gewaltigen Dimensionen von 72m Länge, 39m Breite und 24m Höhe, sowie einem Raumvolumen von mehr als 40.000 Kubikmetern gehörte sie zu den bedeutendsten mittelalterlichen Bauwerken der Stadt.

Die Geschichte der Orgelwerke von St. Peter und Paul hat eine lange Tradition. Die erste erbaute Orgel stammte aus dem Jahre 1298 und wurde 1340 durch einen Blitzschlag zerstört. Das gleiche Schicksal ereilte das Nachfolgeinstrument von 1441, welches 1469 abbrannte. Daraufhin errichtete Stephan Aldenberg 1474 ein neues Orgelwerk, das im Zeitraum von 1503 bis 1507 zwei Neubauten von Burckhart Dinstlinger weichen musste. Nach einer Reparatur 1534 durch Blasius aus Le Geographicumf Ort: Bautzen Bautzen wurde 1549 das kleinere der beiden Orgelwerke um die beiden Register Krumbpfeifen (Manual) und Posaune (Pedal) erweitert. Im Jahre 1561 ergänzte Leonhart Franck zwei Positive an der größeren Orgel. Angesichts angefallener Schäden wurde 1577 eine umfangreiche Restauration durch den Orgelbauer Albrecht Rüdener durchgeführt. 1595 erfolgte die Versetzung der Orgelwerke auf die Westempore und die Empore über dem Doppelportal der Kirche. Die letzte Reparatur der beiden Orgeln im Jahre 1607 übernahm der Orgelbauer Elias Schmied. Im Jahre 1681 wurden schließlich beide Orgeln zu einer Ld OrgelGörlitz, St. Peter und Paul, Andreas-Tamitius-Orgel 1688 neuen dreimanualigen Orgel mit 47 Register fusioniert, die der Churfürstlich-Sächsische Hoforgelbauer Lb PersonTamitius, Andreas (1633–1700) Andreas Tamitius aus Le Geographicumf Ort: Dresden Dresden erbaute. Um Kosten zu sparen wurden Teile der alten Orgelwerke in der neuen Tamitius-Orgel wiederverwendet. 1688 wurde das Instrument nach siebenjähriger Bauzeit feierlich eingeweiht.

Bereits drei Jahre später jedoch brannte diese Orgel ab und große Teile der Kirche wurden schwer beschädigt. Es folgte eine umfangreiche Kirchensanierung, bei der auch das gesamte Inventar erneuert wurde. Als krönender Abschluss dieser Maßnahmen wurde eine neue Orgel in Auftrag gegeben. Den Zuschlag bekam der schlesisch-italienische Orgelbauer Lb PersonCasparini, Eugenio (1623–1706) Eugenio Casparini, der im hohen Alter von 80 Jahren zusammen mit seinem Sohn Lb PersonCasparini, Adam Horatio (1676–1745) Adam Horatio Casparini von 1697 bis 1703 eine neue Schleifladenorgel mit 57 Registern schuf. Am 5. Juli 1703 wurde die Orgel vom Orgelbauer Johann Rätzel, sowie vom Zittauer Organisten und Musikdirektor Lb PersonKrieger, Johann (1652–1735) Johann Krieger abgenommen. Die festliche Einweihung erfolgte am 19. August 1703.

Die lange Bauzeit erklärt sich durch die gewaltigen Dimensionen des Instruments. So besitzt die Orgel 57 Register, drei Manuale mit Pedal, sieben Windladen, 82 Registerzüge und sieben übereinanderliegende Windbälge à 6,9m x 3,5m. Allein für die großen Manual-Windladen benötigten vier Orgelbauer ein ganzes Jahr. Zum Zeitpunkt ihrer Einweihung war die Orgel von St. Peter und Paul zu Görlitz die größte Orgel Le Geographicumh Territorium: Schlesien Schlesiens und erlangte durch ihre außergewöhnliche architektonische Gestalt über die lokalen Grenzen hinaus Bekanntheit. Darüber hinaus verkörperte die Görlitzer Orgel den damaligen aktuellen schlesischen Zeitgeist einer Orgel ohne Rückpositiv. Diese Reduktion war Ende des 17. Jahrhunderts in dieser Region nicht ungewöhnlich, hatte sie doch aufführungspraktische Gründe.

Ein weiterer Dimensionsparameter ist die Gestaltung des Gehäuses und des Prospekts. Das 14,40m hohe und 10,30m breite Gehäuse wurde von dem einheimischen Künstler (Schnitzer) Johann Conrad Büchau konzipiert und erbaut. Ebenso verhält sich es mit dem barocken Prospekt, der mit 13 Pfeifenfeldern bestückt ist. Damit Casparini das große Orgelwerk mit seinen sieben Windladen und Werken auf die Empore der St. Peter und Pauls Kirche Görlitz stellen konnte, musste er sein Bauwerk dem Raum anpassen. Er schuf sieben Windladen, die er durch 17 Wellenbretter mit den Manualen und dem Pedal verband. Um Platz zu sparen, verwendete er Wellen aus Eisen und Wirbel aus Messingdraht. Diese Materialwahl sorgte für eine Platzreduktion um 87,5% gegenüber der Holzvariante. Um die zahlreichen und teilweise sehr langen Holz- und Drahtabstrakte beim Orgelspiel mit den entstehenden Schwingungen stabil zu halten, verwendete Casparini Halterungen oder unterbrach die Abstrakte mit Winkelbalken. Zudem platzierte er am oberen Ende der langen und schweren Abstrakte Messingfedern, die der Schwerkraft entgegen die Abstrakte auf Position hielten oder bei Gebrauch in den Ausgangszustand zurückführten. Diese Maßnahmen bewirkten zudem ein verbessertes Spielgefühl, welches Lb PersonBoxberg, Christian Ludwig (1670–1729) Christian Ludwig Boxberg 1704 in seiner Orgelbeschreibung anführte.

Orgelbeschreibung im Zustand von 1704

Das Hauptwerk (HW) mit dem Principal 16′ im Prospekt befand sich im Zentrum des Gehäuses und nahm mit seinen 16 Stimmen einen großen Teil desselben ein. Nach Boxbergs Orgelbeschreibung intonierte Casparini den Principal 16′ prächtig, aber liebevoll. Insbesondere die Intonation der Viol di Gamba 8′ erzeugte Boxberg zufolge eine beispielhafte Lieblichkeit.

Das Hauptwerk wurde von zwei Pedaltürmen mit insgesamt neun Pedalstimmen flankiert, dessen Principal 32′ den Prospekt zierte. Boxberg merkte jedoch an, dass der Zinn-Principal 32′ nur bis zum großen F (24′) im Prospekt stand, die restlichen Töne C, C#, D, D#, E jedoch aus Holz dahinter angebracht waren. Seitlich der beiden Türme gab es je ein Pfeifenfeld, welches mit dekorativen Ohren den Prospekt abschloss. Erwähnenswert ist das Register Posaunen 16′, das Casparini vollständig aus Holz baute.

Das Pedalwerk wurde von einem kleinen Seitenbass ergänzt. Auf dieser vom Pedalwerk separaten Windlade standen vier Register, die vom Pedalwerk anspielbar waren. Auffallend ist das Register Tromba 8′, von dem nur neun Pfeifen auf der Windlade standen. Die restlichen Pfeifen waren auf 17 Engelsfiguren auf dem Prospekt verteilt, deren Trompeten durch das meisterhafte Zusammenspiel von Orgelbau- und Architektur tatsächlich erklangen. Für diesen Effekt verfügte das Register über eine eigene Traktur, die am Spieltisch als Sperrventil eingerichtet worden war. Im Gegensatz zu diesen Engelstrompeten besaß die als Krönung unter dem Giebel des Orgelprospekts angebrachte Schnecke einen rein dekorativen Zweck: sie bestand aus stummen Zungenpfeifen.

Neben dem kleinen Seitenbass baute Casparini zwei weitere separate Windladen ein, die vom Pedal anspielbar waren. Diese sind der Oberbass mit vier Stimmen zwischen dem Haupt- und Oberwerk und der Unterbass mit drei Stimmen zwischen dem Haupt- und Brustpositiv. Durch diese vier Windladen verfügte das Pedal zusammen über die beachtliche Größe von 21 Registern und bildete so ein angemessenes Gegengewicht zu den drei Manualwerken. Diese große Pedalbatterie sowie die vorhandene Werkteilung in der Art eines Hamburger Prospekts erinnert sehr an die norddeutsche Orgelbautradition. Ferner schreibt Boxberg, dass Casparini die Vox humana 8′ des Hauptwerks gleich wie die Orgeln der norddeutschen Orgellandschaft stimmte. Trotz dieser Parallelen schuf Casparini neben dem fehlenden Rückpositiv auch Eigenständiges: Er krönte das Pedal mit einer einzigartigen 12-fachen großen Pedalmixtur, die mit den Engelstrompeten 8′ zusammengekoppelt waren. Die dazugehörigen gleich langen Pfeifen verteilte Casparini auf dem gesamten Prospekt auf siebzehn Sonnen(-scheiben), die jede einen Ton der Pedalmixtur bildete. Die Pfeifen ordnete er dabei um die goldenen Sonnengesichter herum strahlenförmig an. Für die unterschiedlichen Tonhöhen schnitt Casparini die einzelnen Pfeifen auf der Pfeifenrückseite verschieden tief ein. Dieses bautechnische Spezifikum verlieh dem Instrument den bis heute bekannten Namen Sonnenorgel.

Oberhalb des Hauptwerks befand sich das Oberwerk des zweiten Manuals. Es enthält 12 Register, die nach Boxbergs Aussage im Vergleich zum Hauptwerk sehr scharff intoniert waren. Der Principal 8′ zierte den Prospekt. Um einerseits Platz einzusparen und anderseits die hinteren Register klanglich für den Kirchenraum besser zu exponieren, baute Casparini das Oberwerk treppenförmig. Durch diese Maßnahme ist jedes Register vom Prospekt ausgehend in die Tiefe ein wenig höher als das vor ihm stehende Register. Eine weitere Besonderheit des Oberwerkes ist die weitmensurierte, fast flötenhafte Onda maris 8′ aus Zypressenholz. Dieses überschwebende Register imitiert das bewegte Meerwasser im Wind.

Das dritte Manual bildete das Brustpositiv mit acht Stimmen, welches unterhalb des Hauptwerkes auf Höhe des Organisten lag. Das Principal 4′ zierte den Prospekt mit drei Pfeifenfeldern und wurde von seitlich angebrachten Ohren flankiert. Eines der Pfeifenfelder war nach der Manier des barocken Orgelbaus ein Feld mit Stummpfeifen, welches nur als ergänzendes Schmuckelement erbaut wurde. Alle Register des Brustpositivs wurden von Casparini unter den Parametern spitzig und delicat intoniert. Es ist folglich anzunehmen, dass die Pfeifen des Brustpositivs im Vergleich zum Oberwerk eher weit mensuriert wurden. Oberhalb des Brustpositivs befanden sich auf einem mittigen Prospektsims zwei Engelskinder mit Posaunen. Wie bereits bei den übrigen Engelstrompetern ließ Casparini auch diese beiden Posaunen erklingen. Dafür nutzte er separate Zungen der Hautbois 8′. Die übrigen bis zum f ausgebauten Zungenpfeifen stellte er auf die Windlade des Brustpositivs. Direkt hinter den beiden Engelskindern im Orgelwerk baute Casparini einen Tremulanten ein, der zum Brustpositiv zugehörig war.

Insgesamt ist sehr auffällig, dass Casparini den Großteil des Pfeifenmaterials aus englischem Zinn und Blei sowie aus anderem Metall plante. Selbst den Principal 32′ baute er bis zum großen F aus Metall, was einen enormen Kostenfaktor darstellte. Dies hatte außerdem zur Folge, dass allein die großen Pfeifen ein Individualgewicht von bis zu 38 Zentner (950 kg) besaßen, was nicht zuletzt zu statischen Problemen führen konnte. Für den Guss der Pfeifen nutzte Casparini ein von ihm entwickeltes Leinwand-Verfahren. Die Vorteile dieser speziellen Leinwand aus hitzebeständigen Materialien waren einerseits der problemlose Guss von sehr langen Pfeifen von bis zu 8m, andererseits die makellose Produktion der Metallblätter. Diese hatten nach Auskunft von Boxberg weder Narben, Löcher oder Unebenheiten, noch Sandstaubrückstände, die Intonations- oder Stimmungsprobleme verursachen konnten. Für die Holzpfeifen nutzte Casparini streckenweise Edelhölzer, wie beispielsweise Zypressenholz bei den Registern Quintadön 8′ und Onda Maris 8′ oder Ebenholz und Buchsbaum für die drei Klaviaturen.

Die Wahl von Zypressenholz war sicherlich nicht unbeabsichtigt gewesen. Casparini verbrachte viel Lebenszeit in Italien, wo diese Holzsorte vorzugsweise wächst. Als er nach Schlesien zurückkehrte, brachte er vermutlich das Holz und die damit verbundenen Erfahrungen im Orgelbau mit. Es verwundert ferner nicht, dass Casparini diese Holzsorte neben einzelnen Registern auch bei den Windkanälen einsetzte. So ist das Zypressenholz sehr dicht, feinfaserig und hart. Trotz seiner Härte lässt es sich jedoch gut bearbeiten und die Trocknung erfordert weniger Zeit, als es bei deutschen Hölzern der Fall ist. Außerdem ist das Zypressenholz resistent gegen Pilz- und Insektenbefall, daneben auch sehr langlebig. Insbesondere die letztgenannten Aspekte sind für den Orgelbau von zentraler Bedeutung und lassen seine Wahl gut nachvollziehen.

Um die Holzpfeifen, Windladen, Windkanäle und Windbälge winddicht und möglichst schädlingsabwehrend zu bauen, entwickelte Casparini eigens eine Invetriatur, die zusammen mit dünnen Pergamentblättern aufgetragen wurde. Diese zähe Flüssigkeit bestand unter anderem aus Polo Armenio und Camphora, die in Brandwein aufgelöst zu einem Holzleim verarbeitet wurden. Neben den Eigenschaften einer extrem guten Dichtung war dieser Leim sehr haltbar und hielt nach der Trocknung die Holzbretter fest zusammen. Aus diesem Grund nutzte Casparini die Inventriatur auch für die Abstrakte und Registerzüge.

Der große Anteil von Metallpfeifen, die große Anzahl von Registern und der große Gebrauch von Edelhölzern lassen den Schluss zu, dass Casparini enorme finanzielle Ressourcen zur Verfügung standen. Er konnte frei sein Potential und sein Können entfalten. Dies wird auch im Orgelklang deutlich. Boxberg spricht in seiner Orgelbeschreibung von einem Orgelspiel ohne Wind- oder physikalische Stimmungsprobleme. Auch bei einer großen Anzahl von gezogenen Registern hatten diese stets genug Wind und es entstand kein Heulen oder eine Schweratmung. Für diese Windstabilität sorgten überproportional viele Windkanäle und parallel aufgehende Tonventile, die mit zwei Stiften geführt werden. Es ist ferner anzunehmen, dass jede Tonkanzelle mehrere Tonventile hatte, um die große benötigte Windmenge ausreichend zuzuführen.

Trotz dieser meisterhaften Ausführung einer barocken Orgel führten die große Registeranzahl und die beidseitig der Manuale angebrachten 82 Registerzüge zu einem erschwerten Orgelspiel. Die Organisten hatten stets Probleme, mit den vielen Registerzügen umzugehen. Es war schlicht nicht möglich, schnell große Registeränderungen vorzunehmen. Man benötigte neben Kalkanten auch erfahrene Registranten, die während dem Spiel die Register betätigten. Darüber hinaus fügte Casparini blinde Registerzüge ein, um die symmetrische Optik zu wahren, was zu Verwirrung führen kann. Um in diesem augenscheinlichen Chaos den Überblick zu behalten, färbte Casparini diejenigen Registerknöpfe gleichfarbig ein, die zu einem Manual oder Pedal gehörten.

Im Falle der Koppeln von 1703 fehlen heute detaillierte Angaben. Aus dem Kontrakt von 1697 lassen sich Manual- und Pedalkoppeln erschließen. Jedoch sprach Boxberg in seiner Beschreibung nur von Koppeln im Allgemeinen. Diese waren jeweils mit zwei Schrauben versehen, um im gezogenen Zustand an ihrem Platz zu bleiben. Dies wäre spätestens dann notwendig gewesen, wenn das zweite und das dritte Manual auf das erste Manual koppelbar gewesen wären, da die Koppeln dabei unter großer Anspannung litten. In diesem Falle muss diese Klaviatur bei Tutti-Spiel sehr schwergängig gewesen sein.

Weitere geschichtliche Entwicklung

Durch die großen Dimensionen der Orgel erfolgte bereits 1717 eine umfangreiche Reparatur an den Bälgen, am Regierwerk, Schnarrwerk, an Abstrakten, Windladen, Engeln und Oberklavieren durch David Decker aus Görlitz. 10 Jahre später arbeitete er wieder am Orgelwerk. In den Jahren 1735 und 1767 wurden Gutachten über die Sonnenorgel von Johann Ernst Hähnel und Johann Gottfried Hildebrandt erstellt. Es folgten Reparaturen durch Johann Gottlog und Christian Wilhelm Trampeli 1796, 1812/1813 durch Gottfried Müller und eine Generalsanierung 1827 durch Joseph Schinke und Carl Friedrich Ferdinand Buckow. In diesem Zuge wurden die Bälge repariert, die Sperrventile verbessert, die drei Manualklaviaturen neu gebaut, die Registermechanik und die Windladen überholt, die Mechanik der umlaufenden Sonnen erneuert und ein Salicional 8´ eingebaut.

Bedingt durch neue Mängel und Schäden erstellten 1843 Moritz Robert Müller und 1844 Johann Nikolaus Friedrich Jahn je ein Gutachten. Bereits 1845 begannen umfangreiche Umbau- und Instandsetzungsarbeiten durch Jahn. Diese beinhalteten die Aufstellung der bis dahin liegenden Bälge, die Erneuerung der Hauptbass- und Brustwerksladen, die Verbesserung des Regierwerkes, den Einbau neuer Manualklaviaturen, die Neustimmung des Stimmtons und die Erweiterung um neun neue Register, darunter eine Physharmonika.

Die Zerstörung des Casparini-Orgelwerks erfolgte 1894 durch die Firma Schlag & Söhne aus Le Geographicumf Ort: Schweidnitz Schweidnitz, die ein neues Instrument in das historische Gehäuse einbaute. Von 1926 bis 1928 ersetzte W. Sauer, Le Geographicumf Ort: Frankfurt (Oder) Frankfurt a.d.O. das Schlag & Söhne-Instrument mit einer elektropneumatischen Orgel (Taschenladen, einem freistehendem Spieltisch, 89 Registern auf vier Manualen und Pedal). In diesem Zuge übernahm Sauer, Casparinis Unda maris 8' und die 12-fache Sonnen-Pedalmixtur. Durch die große Anzahl von Registern erklomm die Sauer-Orgel wieder die Spitze der größten Orgelwerke Schlesiens. Leider hielt die Freude nur kurz an, da bereits nach einem halben Jahrhundert die Orgel nur noch bedingt spielbar war.

1978 erfuhr die St. Peter und Pauls Kirche eine weitere Zäsur in ihrer Orgeltradition. Die Sauer-Orgel wurde vor Beginn der Außenrestaurierung der im Zweiten Weltkrieg in Mitleidenschaft gezogenen Peter- und Paulskirche bis auf das historische Gehäuse mit den Sonnenmixturen, den Prospektpfeifen und dem Onda maris 8´ Register abgebrochen. Eine Restaurierung des Orgelgehäuses wurde während der von 1980 bis 1992 stattfindenden Innenrestaurierung des Gotteshauses vorgenommen. Gleichzeitig begannen die Planungen für einen Orgelneubau. Die Aufgabe gestaltete sich als schwierig, da man einerseits nahe an der originalen Disposition der Sonnenorgel von Casparini von 1703 gestalten, andererseits aber auch den Weg für romantische und moderne Stilideale frei machen wollte. 1993 präsentierte eine Expertenkommission eine Kompromisslösung. Der Plan sah eine Orgel mit 64 Registern, verteilt auf Brustwerk, Hauptwerk, Oberwerk und Pedal vor, die sich an der originalen Sonnenorgel-Disposition orientieren und damit der Musik von Lb PersonBach, Johann Sebastian (1685–1750) Johann Sebastian Bach bis hin zu Lb PersonMendelssohn Bartholdy, Felix (1809–1847) Felix Mendelssohn-Bartholdy gerecht werden sollte. Gleichfalls sollte es durch ein hinter dem historischen Gehäuse gelegenes Schwellwerk mit 23 Registern nun auch möglich sein, Musik von Lb PersonReger, Max (1873–1916) Max Reger bis hin zur Moderne zu spielen.

Den Zuschlag für den Orgelneubau erhielt die Schweizer Orgelbaufirma Mathis aus Le Geographicumf Ort: Näfels Näfels. Nach zweijähriger Bauzeit fand die Weihe der neuen Sonnenorgel mit 64 Registern auf drei Manualen und Pedal am 12. Oktober 1997 zur Fünfhundertjahrfeier von St. Peter und Paul, sowie auf den Tag genau dreihundert Jahre nach der Vertragsunterzeichnung mit Casparini statt. An ihn erinnert bis heute sein Register Onda maris 8' im Oberwerk und die 12-fache Sonnenmixtur, die im Pedal erklingt. Darüber hinaus wurden auch aus der Sauer-Orgel von 1928 verschiedene Register im Seitenbass wiederverwendet.

Raphael Baader

Literatur und Quellen

  • Neumann, C. G.: Geschichte von Görlitz, Görlitz: Heyn, 1850, S. 648
  • Burgemeister, Ludwig / Busch, Hermann J. (Bearb.) / Großmann, Dieter (Bearb.) / Walter, Rudolf (Bearb.): Der Orgelbau in Schlesien (= Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens ; Reihe C ; Schlesien 5), Frankfurt am Main: Weidlich, 2 Aufl., 1973, S. 32f., 117, 134-137
  • Dähnert, Ulrich: Historische Orgeln in Sachsen. Ein Orgelinventar, Frankfurt am Main / Leipzig: Verlag das Musikinstrument / VEB Deutscher Verlag für Musik, 1 Aufl., 1980, S. 132-134
  • Lade, Günter: Die Orgelgeschichte der Pfarrkirche St. Peter und Paul, in: Lade, Günter (Hrsg.): Die Sonnenorgel der evangelischen Pfarrkirche St. Peter und Paul zu Görlitz. Festschrift zur Orgelweihe am 12. Oktober 1997, Görlitz: Gemeindekirchenrat der Evang. Pfarrkirche St. Peter und Paul in Görlitz, 1997, S. 16–57

Portaldaten

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Empfohlene Zitierweise
DFG-Projekt »Orgelpredigt«. Digitale Edition, https://orgelpredigt.ur.de/E020034 (Version 1.00 vom 31. Januar 2020). DOI: 10.5283/orgelpr.portal
Letzte Änderung dieses Dokuments am 19. Januar 2021.

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