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Orgelpredigt

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a Die Christliche Harmonie (Jena 1700)

Einführung in die Edition

Historischer Hintergrund

Christoph Cuno, Pfarrer in Le Geographicumf Ort: Leubingen Leubingen, hielt am 18. Juli 1700 eine Predigt zur Einweihung der neuen Ld OrgelLeubingen, St. Petri-Kirche, Johann Georg Krippendorff-Orgel 1699-1700 Orgel in seiner Le Geographicumg Gebäude: Leubingen, St. Petri Pfarrkirche St. Petri und Pauli. Der kleine thüringische Ort gehörte zur Herrschaft der Familie von Werthern, die ihr imposantes Schloss im etwa 12 km entfernten Le Geographicumf Ort: Beichlingen Beichlingen bewohnte. Deutlich spiegelt sich in der Predigt, welch hoher Stellenwert der Patronage durch den lokalen Adel beigemessen wurde. Zum festlichen Einweihungsgottesdienst waren zwei jüngere Vertreter der Grafenfamilie angereist, die Cuno in Eingangsteil seiner Rede begrüßte und denen der Druck zugeeignet wurde. An erster Stelle genannt ist Lb PersonWerthern, Friedemann von (1684–1763) Friedemann von Werthern, der damals 16 Jahre alt war. Da sein Lb PersonWerthern, Friedrich von (1630–1686) Vater verstorben war, war er der einzige männliche Familienvertreter auf den thüringischen Besitzungen. Sein um einiges älterer Stiefbruder Lb PersonWerthern, Georg von (1663–1721) Georg von Werthern, den Cuno samt seiner ganzen Familie im weiteren Textverlauf gleichfalls mit besonderem Respekt als Patron anspricht, wohnte dagegen als Gesandter in Le Geographicumf Ort: Regensburg Regensburg, wo kurz zuvor sein erster Lb PersonWerthern, Georg von (1700–1768) Sohn zur Welt gekommen war. Er war der wesentlich bedeutendere Familienvertreter, der im Dienst des sächsischen Hofes in Le Geographicumf Ort: Dresden Dresden stand und durch seine Tätigkeiten das kleine Beichlingen mit den Metropolen der damaligen Welt verband.

Begleitet wurde Friedemann von seinem gleichaltrigen Onkel Lb PersonEberstein, Georg Friedrich von (1684–1716) Georg Friedrich von Eberstein, der als zweiter Widmungsträger fungiert. Der Rang dieser vermutlich in Leubingen weniger bekannten Person – Cuno nennt den jungen Mann so irrtümlich Johann Georg, obwohl die Familienchronik seinen Vornamen eindeutig mit Georg Friedrich angibt – wird im Widmungstext durch den Hinweis auf seinen Lb PersonEberstein, Christian Ludwig von (1650–1717) Vater gehoben, dessen mannigfaltige Ämter in Le Geographicumh Territorium: Sachsen Sachsen detailliert aufgezählt werden. Der junge Eberstein kam 1697 zu seiner Stief-Grossmutter, der Frau Geh.-Räthin von Werthern geb. von Löser nach Beichlingen, welche ihm nebst ihrem Sohne Friedemann Grafen von Werthern einen Informator hielt.[1] Eine zentrale Rolle für den durch verschiedene Heiraten zusammengeschmiedeten Familienverbund der von Werthern und von Ebersteins spielte offenbar die hier erwähnte Lb PersonLöser, Justine Elisabeth von (1654–1701) Mutter Friedemanns, die zugleich die zweite Ehefrau von Georg Ebersteins Lb PersonWerthern, Friedrich von (1630–1686) Großvater mütterlicherseits war. Sie stammte aus dem alteingesessenen Geschlecht der von Löser, das zahlreiche Staatsbeamte in Sachsen stellte.[2] Als Witwe residierte sie in Beichlingen. Pfarrer Cuno spricht mit großem Respekt von der Fürsorge dieser gnädigen/ gütigen und alles Versorgenden Landes=Mutter[3], die ihn persönlich gefördert hatte.

Es ist anzunehmen, dass die Familie von Werthern auch finanziell zum Bau der Orgel beigetragen hatte. Dieser Aspekt wird in der Orgelpredigt allerdings nicht angesprochen. Wie die Vorrede der Predigt deutlich macht, stufte man die Anwesenheit der beiden jungen Adligen bei der Einweihung in Leubingen als Zeichen einer besonderen Huld und Gunst der Patronatsfamilie ein. Cuno hatte um diese Beteiligung gebeten und dankte Frau von Werthern dafür überschwänglich. Er nutzte die Präsenz der viel versprechenden jungen Herren in der eigenen Kirche, um ihnen für ihren weiteren Bildungsweg gutes Gelingen zu wünschen.

Für den kleinen Ort Leubingen war der Anlass zweifellos bedeutend genug, um ihm durch die Drucklegung der Predigt größere Dauer zu verleihen. Ein Ehrengedicht hatte auf Wunsch des Autors dessen Freund beigesteuert. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Juristen A. Bohse um den Dichter Lb PersonBohse, August (1661–1742) August Bohse, einen namhaften Vertreter der frühen Phase der galanten Literatur in Deutschland. August Bohse stammte wie Cuno aus Le Geographicumf Ort: Halle (Saale) Halle und hatte – wenn auch früher als dieser – in Le Geographicumf Ort: Leipzig Leipzig studiert. Obwohl er bereits unter dem Pseudonym Talander als Verfasser von Romanen, Opernlibretti und Kasuallyrik Berühmtheit erlangt hatte, immatrikulierte er sich Anfang 1700 neuerlich in Le Geographicumf Ort: Jena Jena mit dem Ziel, eine Promotion in Jura abzuschließen.[4] Dieses Detail passt genau zur Berufsangabe J[uris] U[triusque] Lic[entiatus][5]. Cuno scheint demnach mit dem modernen höfischen Weltmann[6] befreundet gewesen zu sein, dessen galante Betätigungen durchaus mit einem Festhalten an religiösen Überzeugungen einhergingen.

Bemerkenswert ist auch die Beigabe einer Aria, deren Text von einem in Jena immatrikulierten, aus Leubingen gebürtigen Lb PersonRoth, Johann Theodor (1699 – fl. 1700) Theologiestudenten verfasst worden war. In der Gattungsgeschichte der Orgelpredigt ist dies erst der zweite Beleg für die Verwendung einer Aria. Ausführliche Programme des musikalischen Ablaufs von Orgelweihgottesdiensten gab es zuerst 1662 bei der Orgelweihe in Le Geographicumf Ort: Otterndorf Otterndorf, sowie 1664 und 1667 in Halle.[7] Sie schildern die Aufführung mehrerer großbesetzter geistlicher Konzerte oder Motetten. Den Text einer Aria mit elf Strophen findet man erstmals 1687 im Anhang zu Lc PredigtautorSagittarius, Paulus Martinus (1645–1694) Paulus Martinus Sagittarius’ La OrgelpredigtDas dem Allmächtigen abzustattende Lob (Altenburg s.a.) M Predigtdruck. Während dieser der Tradition folgend eine Paraphrase von Psalm 150 anfertigte, beschritt der junge Roth einen neuen Weg. Verglichen mit den metrisch schwerfälligeren, madrigalartigen Versen, die Bohse für sein Ehrengedicht gewählt hatte,[8] lieferte er ein liedhaft angelegtes Gedicht in vierhebigen Trochäen mit vier regelmäßig gereimten Strophen. Es löst sich vollkommen von einer biblischen Vorlage und orientiert sich an dem für die Predigt zentralen Gedanken der Einigkeit, der durch den Parallelismus der ersten beiden Sextette mit den Schlüsselbegriffen Einigkeit und Uneins unterstrichen wird. Ob der Text auch vertont wurde und nach der Predigt zur Aufführung gelangte oder lediglich als für die Lektüre abgedruckt wurde, ist leider nicht bekannt. Klar erkennbar ist indessen die Hinwendung zu einem leichteren, geschmeidigeren Stil mit einer einfachen, liedhaften Struktur, wie er für die zweite Generation der galanten Dichter in Deutschland charakteristisch werden sollte.

In Cunos Predigt lässt sich die Wirkung der neuen kulturellen Strömungen ebenfalls wahrnehmen. Die Widmung zur Predigt ist mit dem 22. Juli 1700 datiert. Der vorgetragene Text dürfte also in den vier Tagen, die nach dem Einweihungsgottesdienst verstrichen waren, keiner weiteren Überarbeitung mehr unterzogen worden sein. Es war die erste selbstständige Publikation Cunos, der seine Leser um Nachsicht wegen seiner einfältig[n] Schreibart bat und hoffte, sie würden die unterlaufenen Fehler aus Liebe zudecken.[9] Bei näherer Analyse zeigt Cunos Predigt ein aus wenigen sekundären Quellen geschöpftes Wissen. Seine Kenntnisse der Orgelgeschichte bezog er aus der Überblicksdarstellung zum Thema der Musica sacra, die Lb PersonDieterich, Johann Conrad (1612–1667) Johann Conrad Dieterich in seinen biblischen Erläuterungen zu Samuel 6,5 verfasst hatte.[10] Selbst die Lutherquellen scheint er aus aktuelleren Arbeiten des Lc PredigtautorOlearius, Johannes (1611–1684) Johannes Olearius übernommen zu haben. Die als Vorbereitung für die Predigt in Anspruch genommene Bibliothek bestand also aus einer Handvoll theologischer Literatur aus der Studienzeit des Pfarrers.

Auffällig ist zudem, dass Cuno seine Rede immer wieder mit einfachen lateinischen Redensarten auflockert, die er auch in deutscher Übersetzung verständlich macht. An die Stelle einer historisch-philologischen Gelehrsamkeit tritt damit eine nur als Politur aufgetragene, jedermann zugängliche Erudition, die durchaus auf einer Ebene mit der literarischen Produktion Bohses, dem Engagement für eine galante Schreibkunst, sowie der Präsenz einer musikalischen Aria zu sehen ist. Entscheidend ist dabei die Vermittlung der zentralen Botschaft, die außer in Form der theologischen Abhandlung auch noch durch eingängigere Medien überbracht wird. So wird der eigentlichen Predigt devisenartig eine Summa vorangestellt, die den Inhalt in einem Zweizeiler zusammenfasst: Lernt alle Einigkeit/ wie euch die Orgeln weisen/ So könt in Noth und Todt/ ihr euch glückselig preisen.[11] In seinen nachfolgenden Schriften hat Cuno den hier beschrittenen Weg fortgesetzt und eine noch plastischere, leicht verständliche Sprache entwickelt, mit der er das vor allem in seine Studienzeit zurückreichende Sachwissen einer breiteren Leserschaft zu vermitteln versuchte.[12]

Quellenbeschreibung

Von Cunos Predigt sind zwei Exemplare bekannt. Das in Wien aufbewahrte stand für eine Online-Veröffentlichung nicht zur Verfügung.[13] Als Vorlage für die Edition dient daher das nur noch als Microfiche erhaltene Exemplar aus Weimar, auf dem einige der griechischen Wörter leider so undeutlich erscheinen, dass sie nicht entziffert werden konnten.[14]

Der Druck besteht aus drei Bögen im Quartformat (Signaturformel A–C) mit 22 bedruckten Seiten. Großen Raum beanspruchen die nicht unmittelbar zur Predigt gehörenden Textteile. Inhaltlich bildet die Darlegung des Nutzens der Musik mit einer Unterteilung in mehrere Unterpunkte den Schwerpunkt des Werks. Folgendermaßen lässt sich die Gliederung darstellen:

  • Widmung (S. 3–4)
  • Vorrede (S. 5–6)
  • Votum cum Deo (S. 7–9)
  • [Exordium] (S. 10–11)
  • Abhandlung
    I. Die Uhrsprünglichkeit (S. 11–12)
    II. Die Beschaffenheit (S. 12)
    III. Die Nutzbarkeit (S. 12–19)
  • August Bohse: Ehrengedicht (S. 20)
  • Johann Theodor Roth: Aria (S. 21–22)

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Eberstein, Geschichte der Freiherren von Eberstein 1 (1865), S. 1138f.
  2. Vgl. Redaktion, Löser, von in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 65 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1084006871.html#ndbcontent
  3. Die Christliche Harmonie (Jena 1700), S. 5.
  4. So heißt es in seiner Biographie: Anfang 1700 war Bohse wieder in Jena und erwarb sich hier unter Professor Wildvogel den juristischen Doktorgrad, schon 38 Jahre alt. (Schubert, August Bohse (1911), S. 16)
  5. Die Christliche Harmonie (Jena 1700), S. 20.
  6. Schubert, August Bohse (1911), S. 19.
  7. Vgl. die Orgelpredigten von La OrgelpredigtChristliche Orgel=Predigt (Jena 1665) M Johannes Münstermann, La OrgelpredigtEncoenia HierOrganica (Halle 1664) M Gottfried und La OrgelpredigtDas fröliche Hallelujah (Halle 1667) M Johannes Olearius.
  8. Literaturgeschichtlich bedeutend ist vor allem Bohses Rolle als Schöpfer des galanten Romans (Schubert, August Bohse (1911), S. 24), während seine Poesie kritischer bewertet wird: Von Bohses Lyrik ist nicht viel Gutes zu sagen. […] Seine Verse machen aber keinen geschickten Eindruck, nur in Bellamira zeigen sie eine gewandtere Form. Er hat auch seine Lyrik nicht gesammelt, abgesehen von den Begräbnisgedichten, sondern man findet sie nur in den Romanen verstreut […]. (Schubert, August Bohse (1911), S. 70)
  9. Die Christliche Harmonie (Jena 1700), S. 6.
  10. Lb PersonGerber, Ernst Ludwig (1746–1819) Ludwig Gerber, der sich mit Orgelpredigten nur flüchtig beschäftigt hat, kommt zu einer gegenteiligen Bewertung: In dem 3 Seiten langen Eingange giebt der Verf. mehrere Beweise von guten historischen Kentnissen in Ansehung der Orgeln, so wie überhaupt vom Musikwesen durch die ganze Predigt. (Gerber, Tonkünstlerlexikon 1 (1812), Sp. 832)
  11. Die Christliche Harmonie (Jena 1700), S. 11.
  12. Vgl. seine Bücher über das LVD18 11461039 Pabsttum und die LVD18 1267205X Pest.
  13. Wir danken Bibliothekarin Frau Ilse Kosz für den Nachweis der Signatur. Das Exemplar stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von Ludwig Gerber, der das Werk nicht nur erfasste (vgl. Gerber, Verzeichniß musikalischer Schriften (1804), S. 26), sondern auch schrieb: Ich besitze selbige noch aus Walthers Büchersammlung. (Gerber, Tonkünstlerlexikon 1 (1812), Sp. 832.) Gerber verkaufte seine Bibliothek bekanntlich an das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
  14. Für die Übersendung eines Ausdrucks und die Publikationsgenehmigung danken wir der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sehr herzlich.

Exemplare

  • Wien, Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Archiv (A-Wgm): 524/20
  • Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek (D-WRz): S 4 :32 [a] [Verlust 2004, erhalten als Mikrofiche M 603]

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 12. September 2022.

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