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Orgelpredigt

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a Organi Laudes (Plauen 1685)

Einführung in die Edition

Die Orgelpredigt

Lc PredigtautorReichmann, Jacob (ca. 1624 – 1688) Jacob Reichmanns hier edierte La OrgelpredigtOrgani Laudes (Plauen 1685) M Orgelpredigt ist das erste uns bekannte Beispiel einer reinen Modellpredigt, die in dieser Form niemals in einer Kirche gehalten worden ist. Sie erschien daher auch nicht als Einzeldruck, sondern befand sich von Anfang an im Gefüge eines vierbändigen Werks mit Kasualpredigten. Der Autor selbst hat zu seiner Publikation weder ein Vorwort, noch eine Widmung verfasst, aus denen seine Intentionen abzulesen wären. Vorangestellt ist dem 1. Band jedoch ein kurzes Geleitwort, das die theologische Fakultät der Universität Le Geographicumf Ort: Leipzig Leipzig als Kollektiv abgefasst hatte.[1] In diesem Begleittext wird geschildert, wie es zur Entstehung der Musterpredigten kam. Reichmann hatte in seiner Phase als Adjunkt der Philosophischen Fakultät in Le Geographicumf Ort: Wittenberg Wittenberg Übungen zur praktischen Homiletik abgehalten und möglicherweise auch in dieser neuen Form begründet:

Collegia Philosophica, qvae plurima ibidem aperuit, Collegia qvoqve Concionatoria istituit & Dnn. Studiosos Theol. cum fructu singulari in concionibus rectê concipiendis & disponendis informavit.[2]

Den Anstoß lieferte also eine pädagogische Tätigkeit im Rahmen der Theologenausbildung, keine konkrete eigene Predigtpraxis. Reichmann brachte dabei allem Anschein nach besonders seine Erfahrungen als Philologe und Rhetorikexperte ein. In seinen späteren Lebensjahren, die er als Leiter des Gymnasiums in Le Geographicumf Ort: Torgau Torgau verbrachte, begann Reichmann, systematisch angelegte Predigtsammlungen in kurtzen/ jedoch vollständigen/ Lehrreichen und zu guter Anleitung des Predigens dienlichen Dispositionibus zu den Sonntagsevangelien und Episteln, dann auch zu den Glaubensartikeln und zur Passion Christi herauszubringen.[3] An dieses Unterfangen schloss sich der hier relevante Band mit Kasualpredigten an, wie in der Vorrede erläutert wurde:

His omnibus addidit tandem diligentissimes Autor Promptuarium singulare, in qvo de varis casibus, & variis hominum statibus ingeniosas & probas, easqve magno numero iterum exhibet dispositionibus, non minus lectu qvàm auditu jucundas.[4]

Einige Hinweise zu den Leitlinien, an die sich Reichmann gehalten hatte, werden ebenfalls in der Einleitungsschrift gegeben. Unterstrichen wird die übersichtlich geordnete und in handliche Teile untergliederte Anlage der Predigten, die auf diese Weise dem Ziel dient, den Zuhörern den Bibeltext begreiflich zu machen.

Scripturam vel verbum Dei, non confusè & tumultuario modo proponere, sed distinctè & qvasi in suas partes secare & dividere. Tractare autem Verbum Domini, uti Vulgata vertit, est generalius qvid, & nihil aliud notat, qvàm exponere, explicare, & ad usum accomodare. Secare verò Verbum Veritatis est speciale qvid, sc: per partes disponere, illud prudenter distribuere & usibus Auditorum accomodare [...].[5]

Die Bedeutung einer geglückten Disposition mit knappen, treffenden Erörterungen des Inhalts trage dazu bei, dass der Zuhörer die Predigt verstehe, sich einpräge und ihre Botschaften im Leben umsetze:

Verbum Divinum non tantum qvoad genuinum sensum, secundum analogiam fidei recte interpretatur, sed etiam bene disponit, conjungenda conjungit, spearanda separat, & qvidem brevissimis verbis & terminis perspicuis, adeò ut Auditor totum textum recte capere, memoriae imprimere, & ad usum suum applicare possit. Qvi ita docet, optimè docet, & Ecclesiae Christianae multum prodest.[6]

Die Leipziger Theologen beschlossen ihre Empfehlung daher mit einem Wort des Lobes:

Hunc verò utilissimum laborem Dnn. Studiosis Theologiae & Ministris Ecclesiae meritò de meliori commendamus. Certi sumus, qvod ex diligenti ruminatione & Lectione harum dispositionum insignem usum sint reportaturi. Deus Ter Opt. Max. Clarissimo Dn. Autori pro hac navata opera, qvam Ecclesiae Christianae hic exhibuit, gratia & omnia bona retribuat, Verbiqve sui Divini depositum apud nos unà cum pace exoptatâ perpetuò conservet.[7]

Gegenüber anderen Orgelpredigten zeichnet sich diese Predigtvorlage durch ihre Kürze aus. Stark im Vordergrund steht die Gliederung der Predigt. Teilweise erscheint der Text lediglich ein Gerüst aus Überschriften und Unterpunkten zu sein. Die Gedanken werden nur skizzenhaft angedeutet und enden oft in einem offenen etc.. Die vollständige Ausführung und Ausschmückung oblag dem jeweiligen Pfarrer. Bibelstellen werden lediglich angezeigt, nicht im Wortlaut zitiert. Auch die Informationen zur Geschichte der Orgel stellen ein kurzes Resümee dar und lehnen sich offenbar im Wesentlichen an Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterichs La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M Orgelpredigt an. Einige Passagen entnahm Reichmann außerdem Lc PredigtautorHartmann, Johann Ludwig (1640–1684) Johann Ludwig Hartmanns La OrgelpredigtDenck- und Danck-Säule (Rothenburg ob der Tauber [1673]) M Orgelpredigt. Er orientierte sich also an zwei der besonders weit verbreiteten Vorlagen, die er jedoch nicht nannte. Deren Erscheinungsjahr (1673 oder im Sammelband 1678) wäre damit auch ein terminus post quem für die Ausarbeitung von Reichmanns Modellpredigt, die in dieser Form vermutlich noch nicht in seiner Wittenberger Phase (1646-1649) entstanden ist.

Wenige Jahre später sollte auch der als streitbarer Vertreter der lutherischen Orthodoxie bekannte Theologieprofessor Lb PersonMayer, Johann Friedrich (1650–1712) Johann Friedrich Mayer im Rahmen seines Lr QuellenMayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690) M Museum Ministri Ecclesiae eine Handleitung für Orgelpredigten zusammenstellen. Er verfolgte einen anderen, wissenschaftlicher ausgerichteten Ansatz. Zeichnete sich Reichmanns Präsentation durch ihre telegrammartige Kürze und ihre leichte Verwendbarkeit in der homiletischen Praxis aus, so kumulierte Mayer Auszüge aus wichtigen Quellentexten, die die historische Tiefe des Gegenstandes erschließen sollten.[8] Gleich zu Beginn benennt Mayer als Modell Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterichs La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M Orgelpredigt[9]. Dann folgen als Material unter anderem der Abdruck des kompletten Kapitels Zu welcher Zeit ohngefehr und von weme die alten Orgeln erfunden worden aus Lb PersonPraetorius, Michael (1571–1621) Michael Praetorius‘ Lr QuellenPraetorius, Syntagma musicum 2 (1619) M Syntagma musicum [10] und ein langer Ausschnitt aus Lb PersonDurel, John (1625–1683) Jean Durels Lr QuellenDurel, Historia rituum Ecclesiae Anglicanae (1672) M Historia rituum ecclesiae anglicanae - eine ausführliche, die Orgel in Schutz nehmende Auseinandersetzung eines reformierten Theologen mit den orgelfeindlichen Argumenten insbesondere des Lb PersonVoetius, Gisbert (1589–1676) Gisbert Voetius .[11]

Ein weiteres Beispiel für die Einbeziehung der Orgelpredigtgattung in homiletische Hilfswerke ist schließlich Lb PersonHaas, Nicolaus (1665–1715) Nicolaus Hasius‘ Lr QuellenHaas, Geistlicher Redner (1701) M Allzeit fertiger geistlicher Redner.[12] Hier werden die Orgelpredigten von Lc PredigtautorOlearius, Johannes (1611–1684) Johannes Olearius und Lc PredigtautorWeber, Immanuel (1633–1677) Immanuel Weber als Vorbilder empfohlen.[13] Hasius kombiniert Exzerpte aus beiden Modelltexten und fügt Ratschläge für deren Verwendung und Kombination hinzu, ein Bearbeitungsvorgang, der hier nicht im einzelnen aufgeschlüsselt werden kann. Auch er fügt einen Materialanhang bei, der im Gegensatz zu Mayer jedoch keine kompletten Quellentexte bietet, sondern kleinere thematische Einheiten, wie sie in der Predigtpraxis Verwendung fanden. Im Gegensatz zu Reichmanns Modellpredigt werden die Kompilationen Mayers und Hasius‘ auf diesem Portal nicht ediert.

Druckbeschreibung

Die Orgelpredigt erschien im 2. Band eines insgesamt vierteiligen Werks.[14] Das Sammelwerk erlebte in den Jahren 1698 bis 1704 eine neue, posthume Auflage. Von den vier Bänden sind allerdings nur die drei ersten als Exemplare nachgewiesen, sodass nicht gesichert ist, ob der letzte Band tatsächlich ein zweites Mal erschienen ist.[15] Da Reichmanns Orgelpredigt erst spät in das Predigtkorpus des Projekts aufgenommen worden ist, konnten die vorhandenen Exemplare nur bedingt eingesehen werden. Als Hauptquelle diente für die Erstauflage von 1685 das Exemplar der Biblioteka Narodowa in Warschau, das uns in Form eines Mikrofilms aus dem Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek zur Verfügung stand. Von der Zweitauflage aus dem Jahr 1702 lag uns ein für das Projekt in Auftrag gegebenes Digitalisat des einzigen Exemplars aus dem Besitz der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Le Geographicumf Ort: Dresden Dresden vor. Ein Vergleich dieser beiden Auflagen zeigt, dass es sich bei der zweiten Auflage um einen seitenidentischen Nachdruck der Erstauflage handelt.[16] Die Orgelpredigt befindet sich so an derselben Stelle im 2. Band.[17]

Verbunden wurden die vier Bände durch ein übergeordnetes Titelblatt, das in der Erstauflage die Jahreszahl 1685 trägt. Nachdem Band 1 auf 1684 datiert ist, könnte das gemeinsame Titelblatt erst später entstanden sein, möglicherweise nachdem die drei dazugehörigen Bände im Verlauf des Jahres 1685 gedruckt worden waren.[18] Der erste Band enthält Tauf-, Hochzeits- und Leichenpredigten. Im dritten Teil veröffentlichte Reichmann Predigten zu verschiedenen spezifischen Todesfällen. Der letzte Teil weist eine andersartige Gliederung auf. Er ist nach den fünf genera dicendi aufgeteilt und umfasst Predigten im genere didascalico, elenchtico, pedeutico, epanorthotico und paracletico.

Der zweite Teil, der hier besonders interessiert, hat 4 Blätter und 688 paginierte Seiten. Wie alle vier Teile ist er zu Beginn mit einem Inhaltsverzeichnis, sowie einem Exordien- und einem Textregister ausgestattet. Die letzteren führen zu den zwei verbindlichen Bibelstellen, die den Predigten zu Grunde liegen. Im Falle der Orgelpredigt sind dies Eph 5,19 als Introitus und Psalm 150 als Haupttext. Wie die Inhaltsübersicht zeigt, vereint der Band drei Predigten über Missbildungen, 53 Predigten Ecclesiasticorum, 27 politische Predigten sowie 19 Predigten zu verschiedenen Naturerscheinungen und anderen außerordentlichen Ereignissen.[19] In der Gruppe der Ecclesiasticorum füllen Einweihungspredigten unterschiedlicher Art die Positionen 13 bis 27. Die Gattung der Einweihungspredigt hat hier also eine bemerkenswerte Ausdifferenzierung erfahren, von der Einweihung einer Kirche, über Kanzel-, Altar-, Taufstein- und Glockenpredigten bis hin zur Einweihung eines Friedhofs. Differenziert wird auch zwischen echten Einweihungspredigten und Kirchweihpredigten.

Die Orgelpredigt trägt die Nummer 25 und findet sich auf den Seiten 191-199. Wie bei allen anderen Predigten in dem Band gibt es weder Marginalien noch Fußnoten. Literaturangaben und Bibelstellen sind in den fortlaufenden Text integriert. Auch die Einteilung in Hauptpunkte (I.-III.) und verschiedene Unterprunkte wird graphisch nicht hervorgehoben. Weggelassen wird in unserer Edition der Kolumnentitel. Er lautet Die 25. Predigt/ für die geraden Seiten und Von der Orgel Einweihung. für die ungeraden Seiten.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Der Beginn lautet: Decanus Senior et Reliqvi Doctores & Professores Facultatis Theologicae in Academia Lipsiensi. Lectori Benevolo Salutem! (Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(1r.)
  2. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(3r.
  3. Die Publikation unter dem Reihentitel Collegium concionatorum, aus deren Titel das Zitat stammt, setzte 1675 ein und wurde fortlaufend erweitert. Ein bibliographischer Überblick über das Anwachsen der Bände und die erschienenen Neuauflagen kann an dieser Stelle nicht geliefert werden. Siehe einige Digitalisate: https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/suche?queryString=PPN778288838
  4. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(3v.
  5. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(2r.
  6. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(2v-)(3r.
  7. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(3v.
  8. Der Band besitzt eine eigenwillige Paginierung. Mitten in der Taufpredigt setzt nach Seitenzahl 720 eine neue Zählung bei 1 ein. Das Kapitel zur Orgelpredigt befindet sich in diesem neupaginierten Teil, vgl. Mayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690), S. 22-40. Eine gute Orientierung über den Buchaufbau bietet das Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: urn:nbn:de:gbv:3:1-354279
  9. Vgl. Mayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690), S. 22.
  10. Mayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690), S. 25-31.
  11. Vgl. Mayer, Museum Ministri Ecclesiae (1690), S. 32-40.
  12. Vgl. Haas, Geistlicher Redner (1701), S. 1082-1097.
  13. Vgl. Haas, Geistlicher Redner (1701), S. 1082. Es handelt sich um folgende Orgelpredigten: Das Gott=Lob=Schallende Hosianna (Leipzig 1671) ; Das fröliche Hallelujah (Halle 1667).
  14. Die vier Bände sind in VD17 unter dem Gesamteintrag LVD17 39:134974M M. Jacobi Reichmanns Geistliche Vorraths-Kammer zu Predigten/ In allerhand Fällen und Begebenheiten (Plauen: Meise, 1684-1685) erfasst.
  15. Vgl. den Nachweis der Bände 1-3 in VD17 unter dem Gesamttitel LVD17 14:687158A M. Jacobi Reichmanns Geistliche Vorraths-Kammer zu Predigten/ In allerhand Fällen und Begebenheiten (Eisenberg/Gera: Meise, 1698-1704).
  16. Vgl. auch die Einführung zur Zweitauflage, Organi Laudes (Eisenberg 1702).
  17. Vgl. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 2 (1685), S. 191-199, und Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 2 (1702), S. 191-199.
  18. Auch das Geleitwort der theologischen Fakultät der Universität Leipzig, das sich auf dem vorgeschalteten unpaginierten Druckbogen befindet, ist auf den 6. Juli 1685 datiert, vgl. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 1 (1684), )(3v.
  19. Vgl. Reichmann, Geistliche Vorraths=Kammer 2 (1685), ):(2r-):(3r.

Exemplare

  • Bielefeld, Synodalbibliothek des Kirchenkreises (D-BIla): 760
  • Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Forschungsbibliothek Gotha (D-GOI): Theol 4° 00839/01
  • Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Forschungsbibliothek Gotha (D-GOI): Theol 4° 00839/01
  • Warszawa, Biblioteka Narodowa (PL-Wn): SD XVII.3.8144 adl.
  • Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (D-W): Th 2161 (2)
  • Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek (D-W): Th 199 (2)

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 7. November 2022.

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