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Orgelpredigt

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a Kostbare Bosische Orgel (Zwickau 1647)

Einführung in die Edition

Historischer Hintergrund

Kurz vor dem Ende des Lm Ereignis1618–1648: Dreißigjähriger Krieg Dreißigjährigen Krieges wurde in der Le Geographicumg Gebäude: Netzschkau, Schlosskirche Schlosskirche zu Le Geographicumf Ort: Netzschkau Netzschkau eine neue Orgel eingeweiht. Die Kirche selbst war bereits 1629 erbaut worden, wenige Jahre, nachdem Lb PersonBose, Carol (1596–1657) Carol von Bose 1626 die Herrschaft Netzschkau übernommen hatte. Dieser hatte von 1614 bis 1618 als Obrist in französischen, von 1620 bis 1625 in kaiserlichen Kriegsdiensten gestanden, trat dann aber aus patriotischen Gründen in die sächsische Armee ein. Dem erfahrenen, in den Generalsstand erhobenen Militär unterstanden am Ende mehrere Regimenter. 1638 zog er sich zurück und wirkte weiter als Diplomat. Bose zählt zu den Persönlichkeiten, die ihren ererbten Besitz während des Krieges um einiges vergrößern konnten. Als einer der reichsten Männer Sachsens baute er sich eine Residenz in Netzschkau aus, erweiterte das dort stehende Schloss und fügte eine große Schlosskirche in den Komplex ein, die direkt mit dem Hauptsaal des Schlosses verbunden war. Bereits die Einweihung des Kirchengebäudes mit zwei Predigten zum Hauptgottesdienst und zur Vesper fand am 33. Geburtstag des Schlossherrn statt. Auch für die Orgel wählte man den 10. August als Einweihungstermin. Man konnte nun den 51. Geburtstag Boses begehen. Dieser Umstand wird in Hedlers Predigt so stark in den Vordergrund gerückt, dass sogar der Haupttitel des Drucks keinen christlichen Bezug aufweist, sondern den Eigennamen Boses verwendet.

Leider lassen sich aus publizierten Quellen bislang weder zu dem historischen Instrument noch zur Geschichte seines Baus Informationen finden. Nur grob lässt sich die kirchenmusikalische Praxis in Netzschkau andeuten. Die 1629 zur Einweihung der Schlosskirche gehaltene Predigt nennt vier Ingredientien einer lutherischen Kircheneinweihung, die im lutherischen Protestantismus an die Stelle des Salböls getreten sind: Gottes Wort, das Sakrament des Abendmahls, Gebet und Musik: Der vierdte Chresam ist eine geistliche und liebliche Musica, die ist nichts anders, als ein geziertes Gebet, beweget stärcket und macht das Hertz andächtig und vertreibet den bösen Geist, wie in Sauls Historia zu lesen, 1. Sam. 16. v. 13.[1] Die an vierter Stelle stehende herrliche Musica [...] mit allerley Seitenspiel und Jnstrumenten[2] verwandelt sich dann bei den aufgezählten drei Chrysamen, die im Vollzug der Einweihung tatsächlich zur Anwendung kommen, in ein mit Gottes Wort, Gebet und lieblichen Gesängen.[3] – ein deutlicher Hinweis darauf, dass für das instrumentale Musizieren noch die Voraussetzungen fehlten. Wie so oft, erfolgte der Bau einer Orgel mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung gegenüber dem des Kirchengebäudes.

Die Orgelpredigt selbst verschweigt konkrete Details zu Bau und Größe des Instruments. Auch in der Festschrift, die zum hundertjährigen Jubiläum der Kircheinweihung 1729 veröffentlicht wurde, finden sich zwar etliche Angaben und Quellen zur Geschichte der Kirche. Als Dokument der Orgelweihe ist jedoch lediglich im Anhang ein Nachdruck von Hedlers Orgelpredigt eingefügt worden. Diesem Anhang lässt sich außerdem entnehmen, dass als Organisten in Netzschkau in der Regel die Lehrer der lokalen Schule fungierten. Nur zu Beginn hatte man offenbar einen professionellen Lb PersonKölbel, Martin (fl. 1647) Musiker dafür angestellt:

Nachdem die Orgel alhier erbauet, soll Martin Kölbel ein damahliger Hof=Sänger das Organisten=Amt verwaltet haben. Sonst aber sind die Schul= und Organisten=Dienste immer beysammen gewesen.[4]

Daraus lässt sich schließen, dass der Schlossherr, Carol von Bose, sich zunächst eine eigene Hofmusik leistete, die auch bei den Gottesdiensten zum Einsatz kam. Auf eine besondere Vorliebe für die Musikkunst deutet Hedlers Bezeichnung Boses als eines sehr eifferigen Liebhabern und Großmächtigen Beförderer/ der Edlen Choral=Figural und Jnstrumental Music[5] hin.

Hedler ist heute kaum bekannt, scheint aber in der Kultur seiner Zeit bedeutender gewesen zu sein, als man auf den ersten Blick vermutet.[6] Auch durch sein Wirken am Hof Carol von Boses, der Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft war,[7] besaß Hedler Zugang zu weltläufigen Kreisen, die sich intensiv um die Pflege einer höfischen Kultur von internationalem Niveau bemühten. Dies erklärt wohl auch den Umstand, dass sich in seiner Predigt etliche Informationen musikalischer Art finden, die nicht – wie so oft – aus Enzyklopädien und Handbüchern abgeschrieben wurden. Hedler nennt im Gegensatz zu den anderen Orgelpredigtautoren ungewöhnlich viele Komponistennamen, die sich bisher nicht alle identifizieren lassen. Außerdem lagen ihm zu den Orgeln in Ld OrgelBayreuth, Stadtkirche, Gottfried Frietzsch-Orgel 1619 Bayreuth und Ld OrgelFreiberg, Dom, Burkhard Dinstlinger-Orgel 1502 Freiberg Angaben vor, die nach unserem Wissensstand nicht allgemein verfügbar waren. Das kulturelle Zentrum, das es auf Schloss Netzschkau offenbar gegeben hat, verdient also mitsamt seinen Vernetzungen durchaus noch mehr Beachtung. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges konnte sich diese barocke Hof- und Festkultur ungestört entfalten. Die Stiftung von Kirchen und den dazugehörigen Ausstattungsteilen gehörte ebenso dazu wie eine das ganze Leben durchziehende Frömmigkeit.[8] Gerade im sächsisch-thüringischen Raum finden sich bis weit in das 18. Jahrhundert hinein Orgelpredigten, die in einem solchen höfischen Kontext anzusiedeln sind.[9]

Dass Hedlers Orgelpredigt Teil dieser Kultur war, zeigt die enge Verbindung der Orgelweihe mit der Geburtstagsfeier des Stifters. Zur Charakterisierung der Gattung wird so der doppelte Begriff musicalischer Sermon und Natal=Predigt verwendet. Hedler steuerte zu dem Anlass außerdem ein Geburtstagsgedicht sowie einen Glückwunsch in Versform bei, die den Anhang der Predigt bilden. In dem panegyrischen Gedicht vergleicht er Boses Geburtstagsfeier mit denjenigen berühmter historischer Persönlichkeiten. Das tertium comparationis ist dabei der Umstand, dass die Geburtstage mit bedeutenden Handlungen begangen wurden: Lb PersonMoritz von Sachsen (1521–1553) Moritz von Sachsen wurde die Kurfürstenwürde von Lb PersonKarl V. von Habsburg (1500–1558) Karl V. an des letzteren Geburtstag erteilt, der römische Kaiser Lb PersonHadrian (Römischer Kaiser) (76–138) Hadrian veranstaltete monumentale Circus-Spiele. Nachdem mit dem dritten Exemplum, der Gründung der Le Geographicumg Gebäude: Heilsbronn, Fürstenschule Fürstenschule Heilsbronn, die soziale Ebene der Kaiser verlassen wird, rückt nun auch die Einweihung der neuen Orgel in Netzschkau in diese überaus illustre, wenn auch sehr heterogene und ein wenig überraschend zusammengestellte Reihe auf.

Quellenbeschreibung

Von dem 1647 erschienen Erstdruck des Werks ist nur ein Exemplar erhalten, das auch digitalisiert vorliegt. Es handelt sich um einen Druck im Oktavformat mit der Signaturformel A-E. Das Werk besitzt keine Paginierung.

Der Kolumnentitel Musicalischer=Sermon. setzt auf A3v ein und wird bis zum Ende des Predigttextes auf E7r beibehalten. Er wird in dieser Edition nicht wiedergegeben. Hedler verwendet Marginalien, in denen er Bibelstellen und Titel verwendeter Werke, oft mit genauer Seitenangabe, verzeichnet. Die Bibelstellen tauchen fast ausnahmslos auch im laufenden Text auf, so dass es immer doppelte Hinweise auf jede einzelne Stelle gibt. Da in den Marginalien in der Regel auch die konkreten Verse genannt sind, wurden in der Edition vorzugsweise die Marginalien ausgezeichnet. Außerdem finden sich im Marginalienbereich gliedernde Stichworte für die ansonsten fast ohne Absätze auskommende Predigt. Vorangestellt ist der Predigt ein Ehrengedicht auf die Predigt selbst, das von einem ehemaligen Schüler Hedlers angefertigt wurde. Leider konnten die Initialen nicht aufgelöst werden, wie auch generell die Biographie Hedlers kaum bekannt ist.

Die enge Bindung des Werks erschwert insbesondere auf den letzten Seiten die Lektüre. Hier konnte als Hilfe die La OrgelpredigtKostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732) M zweite Edition der Predigt zum Vergleich herangezogen werden. Als später, nicht mehr vom Autor redigierter Nachdruck spielt diese Auflage ansonsten für die Edition auf diesem Portal keine weitere Rolle.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), Anhang, S. 59.
  2. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), Anhang, S. 60.
  3. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), Anhang, S. 60.
  4. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), Anhang, S. 24.
  5. Kostbare Bosische Orgel (Zwickau 1647), A2r. Später scheint die Kirchenmusik in Netzschkau einfacher geworden zu sein. Die Darstellung des 100-jährigen Kirchweihjubiläums 1729 verzeichnet lediglich Kirchenlieder, die bei dem Festgottesdienst gesungen werden, vgl. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), Anhang, S. 27.
  6. Vgl. zu Biographie und Schriften des Orgelpredigtautors den Personenartikel Lc PredigtautorHedler, Matthäus (1607–1674) Matthäus Hedler.
  7. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mitglieder_der_Fruchtbringenden_Gesellschaft
  8. Vgl. die Ausführungen zu Carol von Boses religiösen Intentionen beim Bau der Kirche, Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), S. 819-821. Am Kirchweihtag fand auch hundert Jahre später noch regelmäßig auf dem Schlosshof eine Speisung der Armen statt, vgl. Kostbare Bosische Orgel (Dresden / Leipzig 1732), S. 854.
  9. Ein besonders frühes Beispiel stellt Lc PredigtautorWinter, Erasmus (1548–1611) Erasmus Winters La OrgelpredigtElogium Organi Musici (Altenburg 1610) M Orgelpredigt in Le Geographicumf Ort: Meuselwitz Meuselwitz dar. Während die lokale Unternehmerdynastie der Cramer von Clausbruch, die sich hier ein feudales Anwesen ausgebaut hatte, im Dreißigjährigen Krieg unterging, prosperierte die Familie Bose noch lange, wovon die große Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Kirchenweihe zeugt.

Exemplare

Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (D-HAu): Pon Yd 2812, QK

urn:nbn:de:gbv:3:1-61661

Das einzige Exemplar der Orgelpredigt, das sich in der Saxonica-Sammlung Lb PersonPonickau, Johann August von (1718–1802) Johann August von Ponickaus erhalten hat, liegt digitalisiert vor und dient als Quelle für die Edition des Werks.[1] Es handelt sich wie immer in dieser Sammlung um ein einzeln eingebundenes Werk. Die Provenienz des Drucks ist nicht bekannt. Benutzerspuren sind nicht erkennbar.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. zur Geschichte dieser Sammlung Henning, Johann August von Ponickau (2002), sowie zur Bedeutung der Unika für den Erhalt seltener sächsischer Orgelpredigtdrucke, Braun, Orgelpredigtdrucke in Regensburger Bibliotheken (2019), S. 241f.

Portaldaten

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 30. Mai 2022.

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