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Orgelpredigt

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a Organologismos (Dresden 1651)

Einführung in die Edition

Die Orgelpredigt

Die Le Geographicumg Gebäude: Leubnitz, Dorfkirche Kirche des einstigen Dorfes und heutigen Dresdner Stadtteils Le Geographicumf Ort: Leubnitz Leubnitz besaß schon länger eine Orgel. Bereits 1630 hatte man ein bestehendes Instrument renoviert. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges befand man jedoch eine weitere Verbesserung für notwendig:

Weil aber an denen Stimmen und Registern/ so zur Figural=Music dienlich darinne mangel befunden worden/ als ist wiederumb auff gutachten Eines Ehrenvesten und Hochweisen Raths/ sonderlich des Weyland Ehrenvesten/ Hoch=Achtbarn/ Wohlgelahrten und Hochweisen Herrn/ Veit Heymanns sel[igen] Wohlverordneten Bürgermeisters in Dreßden/ und Leubenitzer Ambt=Verwalters (als welcher allezeit eine sondere Affection zu unser Kirchen truge/ sich auch dabey eine hertzliche Freude ausdachte/ deßwegen er auch Gotte zu Ehren/ und seinen Nachkommen zum guten Andencken/ gar eine schöne empor Kirche in dis Gottes=Hauß setzen/ und auff seine eigene Vnkosten bauen ließ/ derer keines er doch aus unerforschlichen Rath und Willen Gottes erlebet hat/ welches wir in Christlicher Gedult dem lieben Gott heimstellen sollen und müssen/) solches schöne Werck numehr renoviret, augiret, und mit dem Rück=Positiv/ von Herrn Tobia Wellern/ Churfürstl[icher] Durchl[aucht] zu Sachsen unsers allerseits Gnädigsten Herrens/ wohlbestalten Orgelmachern/ vollents ergäntzet worden.[1]

Die Orgelpredigt, die Lc PredigtautorGerlach, Georg (1614–1686) Georg Gerlach am 3. Sonntag nach Trinitatis 1651 zur Einweihung hielt, bietet einige Informationen über das von Lb PersonWeller, Tobias (vor 1615 – ca. 1665) Tobias Weller vergrößerte und verbesserte Instrument. So lässt sich dem Text entnehmen, mit welchen Inschriften die Orgel versehen war. Am Oberwerk befand sich folgender Spruch, wobei nicht geklärt wird, ob auch die deutsche Übersetzung angebracht war oder ob diese nur in der Predigt als Erläuterung hinzugefügt wurde. Letzteres erscheint jedoch plausibler:

Haec nova te Dominum laudabunt Organa; Donec
Hûic templo verbum gaudet adesse tuum.
Die neue Orgel Dich Herr Gott im Himmel droben
So lang dein Wort hier schallt/ mit grosser freud wird loben.[2]

Das Rückpositiv wurde durch folgenden Spruch geziert:

Immò tibiqve canent postica haec organa; qvare hîc
Usqve ruit mundus, fac pie Christe, sonét!
Auch das RückPositiv/ wird lahn hörn seinen Thon
Drumb laß es bleiben hier/ biß kömmt dein lieber Sohn.[3]

Von besonderem, nicht nur organologischem Interesse ist die Darstellung der einzelnen Bauteile der neu erbauten Orgel im Exordium. Innerhalb des hier edierten Korpus an Orgelpredigten stellt Gerlachs Text den ersten Versuch einer umfassenden allegorischen Ausdeutung des Instruments dar, wobei auch die vorhandenen Register in den Vergleich einbezogen werden. Gerlach schafft dabei stets einen Bezug zum konkreten Instrument und erklärt seinen Zuhörern, wo die entsprechenden Orgelpfeifen zu finden sind. Wie neu derartige Verfahren waren, belegt eine Äußerung Lb PersonMithob, Hector (vor 1643 – nach 1680) Hector Mithobius’. Er weist seine Zuhörer zu mehr Respekt gegenüber dem materiellen Objekt einer Orgel an und rügt sie wegen ihres Verhaltens während der Einweihung der Otterndorfer Orgel am 19. September 1662:

Damit solten es die Spötter und Music=Verächter wol gerne halten/ dergleichen wir/ bey unser neulich alhie gehaltenen Orgel Predigt/ leyder! haben sehen und spüren müssen/ denen es lächerlich fürkommen/ und darüber aus Hohn die Nase gerümpffet haben/ wie man alle Register/ Stimmen und Pfeiffen unserer feinen neuerbauten Orgel ordentlich und umständlich/ ja mit grossem Fleiß erzehlet; als wenn eine solche Orgel=Beschreibung nicht auf die Cantzel gehörete/ und ungereimt were/ dessen in der Predigt zu gedencken.[4]

Mithobius hält den Spöttern, die sich über die Orgelallegorie in Lc PredigtautorMünstermann, Johannes (1598–1666) Johann Münstermanns La OrgelpredigtChristliche Orgel=Predigt (Jena 1665) M Einweihungspredigt echauffiert hatten, entgegen, dass bereits in der Bibel und bei den Kirchenvätern Vorbilder für ein solches Verfahren zu finden seien. Ein Kronzeuge ist des weiteren Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterich,[5] auf dessen Musikpredigten Mithobius in seiner Psalmodia christiana immer wieder rekurriert. Rühmend äußert er sich über Dieterichs allegorische Orgelbeschreibung, die Münstermann weitgehend paraphrasiert hat:

Und hat/ vor mehr denn dreissig Jahren/ der berühmte seel. Hr. Doctor Dieterich, fürtreflicher Superintendens und Prediger im Münster der Reichstadt Ulm/ eine noch ausführlichere Orgel=Predigt gehalten und selbige Orgel nach allen ihren Stücken/ Registern/ Pfeiffen/ und aller Zugehör/ gar ausführlich beschrieben/ wie dieselbige im offentlichen Druck heraus kommen ist. Und wenn es schon lauter höltzerne Pfeiffen weren/ dergleichen man auch in vielen Orgeln hat/ so würden sie doch nichts desto weniger Gott/ zu seinem Lob/ gefallen/ als da die Kinder Jsrael Gott lobeten/ und spieleten mit allerley Seyten=Spiele von Tennen=Holtz.[6]

Obwohl Mithobius’ Schilderung zunächst den Eindruck erweckt, als handele es sich bei der anstößigen Darstellung um eine Allegorese der Register, ist dem nicht der Fall: Weder Dieterich noch Münstermann geben eine Ausdeutung der Einzelregister,[7] wie dies Gerlach tut. Vielmehr geht es Mithobius grundsätzlich um eine Rechtfertigung der detaillierten Beschreibung eines Musikinstruments im gottesdienstlichen Kontext.[8]

In ganz neuartiger Weise rückt demgegenüber bei Gerlach eine primär katechetische Absicht in den Vordergrund. Sein Anliegen ist es nicht, den Wert von Orgeln zu begründen – dies spielt in seinem Dresdner Umfeld offenkundig keine große Rolle. In seiner Predigt erweist sich die Ausdehnung der Orgelallegorie auf die Register als besonders effizientes Mittel, um durch freie Assoziationen ein weites Spektrum allgemeiner theologischer Sachverhalte erläutern zu können. Dass Orgelteile und Register die Funktion einer anschaulichen Untergliederung des Stoffs haben, zeigt sich auch an den Marginalien, die die Lemmata stichpunktartig aufgreifen. In der Zukunft sollte sich eine solche Verwendung der Orgelallegorie in der Homiletik wachsender Beliebtheit erfreuen.[9]

Quellenbeschreibung

Als Vorlage für die Edition von Gerlachs Orgelpredigt dient das Exemplar aus der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Le Geographicumf Ort: Halle (Saale) Halle. Dieses ist auch als Digitalisat zugänglich.

Der Druck im Quartformat umfasst 38 Blätter und setzt sich aus den Bögen A–B1 und B–K1 zusammen. Das doppelt vorhandene Blatt B1 wurde offenbar in der abschließenden Phase der Druckgestaltung eingeschoben, weil der ursprünglich hierfür vorgesehene Bogen A vom Platz her nicht für Titel, Widmung und alle zugeschickten Ehrengedichte ausreichte. Der Druck blieb unpaginiert. Der Kolumnentitel Orgel=Predigt. umfasst den gesamten Haupttext der Predigt (B1r–K1r). Er wird in der vorliegenden Edition einmalig zu Beginn gesetzt.

Für seine Kommentare setzt der Autor ausschließlich Marginalien ein. Sie enthalten den Nachweis der Bibelstellen sowie Hinweise auf verwendete Literatur. Nur an zwei Stellen werden umfangreiche Zitate durch Anführungszeichen am Rand gekennzeichnet (G3v, G4v–H1r). In der Edition konnten nicht alle erwähnten Quellen vollständig nachgewiesen und überprüft werden. Dies gilt insbesondere für die lexikalisch-philologischen Kommentare zum Bibeltext.

Die Marginalien enthalten neben Quellennachweisen auch gliedernde Stichworte der niedrigeren Ebene. Bezieht man diese in die übergeordnete Gliederung ein, besitzt das Werk folgenden Aufbau:

  • [Titelblatt] A1r
  • [Widmung] A2r–A4r
  • [Ehrengedichte] A4v–B1v
  • [Orgel=Predigt.] B1r–K1r
  • [Introitus] B1r–B3r
  • Textus, B3r–B3v
  • Exordium. B4r–D4r
  • Orgelmacher. Orgel. B4v
  • Pfeiffenwerck. Principal. C1r
  • [1] Subbaß. C1v
  • (2) Gedackte. C2r
  • (3) Qvinta. C3r
  • 4. Schwiegel=Flöte. Gembshorn. Gembs=Flöte und Kitzian=Flöte. C3v
  • 5. Octaven. C4r
  • 6. Cymbel. C4v
  • 7. Mixtur. D1v
  • 8. Posaunen. Trompeten. Regal. D1v
  • 9. Dulcian. D2r
  • Stimmhorn. Blaßbälge. Windröhren und Windladen. D3r
  • Organist. Clavire. Tremuland. Corpus oder Gebeude. D3v
  • Votum! D4r–D4v
  • ΕΡΓΑΣΙΑ. D4v
  • (1.) Inventio ingeniosa. E1r–E3r
  • (2.) Ob propagationem splendidam & amplificationem numerosam E3r–F2r
  • (3.) Ob persecutionem Diaboli infensam. F2r–F4r
  • (4.) Ob despretionem vulgi stultam & asinam. F4v–G2v
  • (5.) Ob operationem efficacem & muram. G2v–G3v
  • 2. Devotionem excitat. G3v–H1r
  • (3.) Daemonem fugat. Sp[iritum] S[anctum] advocat. H1r–H3r
  • (4.) Mirè exhilarat. H3r–H4r
  • Observatio. H4v–J1v
  • Usus ΠΑΡΑΜΥΘΗΤΙΚΟΣ. J1v–J2r
  • Usus ΠΡOTPEΤΙΚΟΣ. J2r–K1r
  • [Kolophon] K1v

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Das Gott=Lob=Schallende Hosianna (Leipzig 1671), B3v-B3r.
  2. Das Gott=Lob=Schallende Hosianna (Leipzig 1671), G3r.
  3. Das Gott=Lob=Schallende Hosianna (Leipzig 1671), G3r.
  4. Mithob, Psalmodia Christiana (1665), S. 292.
  5. Die Rechtfertigung gerade der allegorischen Orgelausdeutung durch einen Hinweis auf Dieterichs und Lc PredigtautorWeber, Immanuel (1633–1677) Immanuel Webers Vorbild spielt auch bei Lc PredigtautorGrafunder, David (ca. 1634 – 1680) David Grafunder eine Rolle, vgl. die Einführung zu seiner La OrgelpredigtDas fröliche Halleluja (Wittenberg 1675) M Orgelpredigt auf dem Orgelpredigt-Portal.
  6. Mithob, Psalmodia Christiana (1665), S. 292f.
  7. Vgl. Vlmische Orgel Predigt (Ulm 1624), S. 40; Christliche Orgel=Predigt (Jena 1665), S. 392.
  8. Vgl. Mithob, Psalmodia Christiana (1665), S. 293. Dieterich war der erste Autor, der eine Beschreibung der Orgel samt Disposition in seine Predigt integrierte. Vgl. zur Frage der Aufwertung der Organologie, die sich in den 1610–20er Jahren in Deutschland beobachten lässt, Braun, Syntagma musicum (2019).
  9. Vgl. auch die Einführung zu Lc PredigtautorMöller, Johann (1631–1703) Johann Möllers La OrgelpredigtGeistliches Orgelwerk (Erfurt 1672) M Orgelpredigt auf dem Orgelpredigt-Portal.

Exemplare

Halle (Saale), Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (D-HAu): Pon Yc 8377, QK

urn:nbn:de:gbv:3:1-64198

Das Exemplar der Orgelpredigt, das sich in der Saxonica-Sammlung Lb PersonPonickau, Johann August von (1718–1802) Johann August von Ponickaus erhalten hat, liegt digitalisiert vor und dient als Quelle für die Edition des Werks.[1] Es handelt sich wie immer in dieser Sammlung um ein Einzelwerk im typischen grünen Pappeinband.

Die Provenienz des Drucks ist nicht bekannt. Eine sporadisch an sechs Stellen auftauchende, aber kontinuierlich durchgezählte handschriftliche Paginierung lässt darauf schließen, dass das Werk zuvor in einen umfangreichen Band, vermutlich mit Kasualschriften, eingebunden war. Die Schreibweise der Ziffern weist auf das 17. Jahrhundert zurück. Die erste dieser Seitenzahlen begegnet auf Blatt B4r (561), die letzte (606) auf Blatt H2v.

Leserspuren finden sich auf dem Titelblatt und als Korrektur des falsch angegebenen byzantinischen Kaisers auf Blatt E1v: Constantis ii. Nur erahnbar sind zarte blassviolette vertikale Bleistiftstriche am Rand, die den gesamten Text durchziehen und die auf eine intensive Lektüre zurück zu gehen scheinen. Sie kehren in gleichartiger Form in zwei weiteren Predigten wieder.[2] Es ist nicht auszuschließen, dass sie von einem gemeinsamen (späteren?) Nutzer stammen.

Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl): Hist. Sax. H. 451

Das Exemplar liegt einzeln vor. Es ist am oberen Rand stark beschnitten und weist eine sehr enge Bindung auf. Aus diesem Grund ist es wohl bisher nicht digitalisiert worden. Eine Paginierung wurde mit Bleistift ergänzt. Die Zählung beginnt auf dem Titelblatt mit 1 jeweils in den oberen Außenecken und setzt dann auf Blatt B1r am Beginn der eigentlichen Predigt nochmals neu in den unteren Außenecken der Seiten mit 1 an. Ab Seite 49 wurde nur noch die ungerade Seitenzahl gesetzt. Nach Seite 65 hört die Paginierung auf. Mehrfache Leserspuren finden sich ab folio G1r in Form von je zwei schrägen Tintenstrichen am Rand.

D-RÖ : D 1087/25

Zu diesem Exemplar wurden keine Informationen eingeholt.

Lucinde Braun

Einzelanmerkungen

  1. Vgl. zur Bedeutung dieser Sammlung für den Erhalt sächsischer Orgelpredigtdrucke, Braun, Orgelpredigtdrucke in Regensburger Bibliotheken (2019), S. 241f.
  2. Vgl. Organum Mysticum (Dresden 1686); Das Gott=Lob=Schallende Hosianna (Leipzig 1671).

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Letzte Änderung dieses Dokuments am 10. Juni 2023.

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