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Orgelpredigt

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a Spengler, Johann Friedrich: Orgel Weih-Predigt (Ansbach 1709)

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y Bibelstellen (55)

  • 1 Chronik 23,5
  • 1 Chronik 24,5
  • 1 Chronik 25
  • 1 Chronik 26
  • 1 Korinther 14,40
  • 1 Könige 4,32
  • 2 Chronik 5,12
  • 2 Chronik 7,6
  • 2 Chronik 8,14
  • 2 Samuel 22
  • 2 Samuel 6,14
  • Amos 8,10
  • Apostelgeschichte 4,24–30
  • Deuteronomium 31,19
  • Epheser 5,18–19
  • Epheser 5,19
  • Exodus 14
  • Exodus 15,1
  • Exodus 15,1–19
  • Exodus 15,20
  • Exodus 15,20–21
  • Exodus 15,21
  • Genesis 31,27
  • Genesis 4,21
  • Jakobus 5,13
  • Jesaja 7,14
  • Jesus Sirach 32,7–9
  • Judit 16,1–21
  • Kolosser 3,16
  • Lukas 1,15
  • Lukas 1,46–55
  • Lukas 1,48
  • Lukas 1,68–79
  • Lukas 2,13
  • Matthäus 1,21
  • Matthäus 1,25
  • Matthäus 11,19
  • Matthäus 5,26
  • Matthäus 6,9
  • Numeri 10,10
  • Philipper 4,8
  • Psalmen 110,2
  • Psalmen 134
  • Psalmen 139,2
  • Psalmen 150
  • Psalmen 19,15
  • Psalmen 30,5
  • Psalmen 47,7
  • Psalmen 66,2.4
  • Psalmen 81,5
  • Psalmen 87,7
  • Psalmen 91,2
  • Psalmen 96,1–2
  • Richter 5,2
  • Römer 10,5

[S. [1]]

Titel

Orgel Weih-Predigt:
Als die
Dem unerschaffenen Engel
Lb PersonMichael (Erzengel) Michael/
von Tit[ularius]
Herrn
Lb PersonSeld, Michael Theodosius (1632–1702) Michael Theodosio Selden/
Hoch=Fürstl[ich] Brandenb[urgisch] Onolzbach[ischen] lang=
Hochverdienten Pastore Prim[ario] und Dechanten zu Le Geographicumf Ort: Crailsheim Krails=
heim
/ in die Le Geographicumg Gebäude: Crailsheim, Johanneskirche Johannis=Kirche/ zu höchsten Ehren gestiftete
schöne Ld OrgelCrailsheim, Johanneskirche, Johann Georg Allgeyer-Orgel 1709 Orgel/
Beym öffentlichen Gottesdienste/ das erste mal ge=
brauchet worden/ so da geschehen/
Am Feste der Heimsuchung Mariä/
Unserer Kirchen-Ordnung nach/ den 15ten August-Monats/ 1709.
gehalten und ausgehändiget/
von
Lc PredigtautorSpengler, Johann Friedrich (1651–1717) Johann Friederich Spenglern.
Dermaligen Hochfürstl[ichen] Brandenb[urgischen] Pastore Primar[io] und
Dechanten daselbst.
Le Geographicumf Ort: Ansbach Onolzbach/ gedrukt bey Lb PersonLüders, Johann Valentin (vor 1709 – 1737) Joh[ann] Valentin Lüders/ Hof=Buchdrukkern.[1]

[S. [2]]

Widmung

Der
Hoch-Edlen und Hoch=Ehr=und
Tugendreichen Matron/
Frauen
Lb PersonSeld, Anne Dorothee Annen Dorotheen
Seldinn
/
gebohrner Feuerleininn/
Deß Wolseeligen
Lb PersonSeld, Michael Theodosius (1632–1702) Herrn Orgelstifters/
Hinterlassenen Hochbekümmerten Frauen Wittib/

Widmet und übergiebet diese gehaltene Orgel=Predigt/ mit hertzlichem Wunsche/ der Gott des Trostes/ und Vatter aller Barmhertzigkeit/ wolle sie/ als eine allezeit Traurige/ trösten/ stärcken/ kräfftigen/ gründen/ und/ auf ihre reiche Threnen=Saat/ mit einer vollen Freuden-Ernde begnadigen

Der Autor.

[S. [3]]

Die geistliche Klinge= und Singe-Kunst.

Vor-Eingang.

Ly BibelstellePsalmen 150 Hallelujah. Lobet den Herrn in seinem Heiligtuhme. Lobet ihn in der Feste seiner Macht. Lobet ihn in seinen Tahten/ lobet ihn in seiner grossen Herrlichkeit. Lobet ihn mit Posaunen/ lobet ihn mit Psalter und Harpfen. Lobet ihn mit Pauken und Reigen/ lobet ihn mit Saiten und Pfeifen. Lobet ihn mit hellen Cymbeln/ lobet ihn mit wolklingenden Cymbeln. Alles/ was Odem hat/ lobe den Herrn. Hallelujah!

Wir begehen heute feyerlich das Fest der Heimsuchung Lb PersonMaria Mariä/ weil die Lb PersonMaria Maria auf das Gebürge gereiset/ und ihre Baase Lb PersonElisabeth Elisabet heimgesuchet. Unterdessen ist diese Ehre nicht der Mariä/ sondern dem Lb PersonJesus Christus (ca. 0 – ca. 30) Marien-Sohne vermeinet. Denn in dieser ersten Ver= [S. 4] sammlung Neuen Testaments/ (da aus dem Männlichen Geschlechte zusammen kommen Christus und Lb PersonJohannes der Täufer (fl. 28) Johannes/ und aus dem Weiblichen Maria und Elisabet/ zu denen sich/ auf eine unsichtbare/ gnadenreiche Weise/ unzweifelich gesellet die gantze Hochgelobte Drey-Einigkeit) wird Sprache gehalten von der Menschwerdung des Sohnes Gottes/ wovon die seelige Jungfrau Maria/ des Herrn Mutter/ durch Uberschattung des Heiligen Geistes schon schwanger/ mit des Vorläufers des Herrn Mutter/ Elisabet/ durch den Heiligen Geist/ so freudig redet/ daß sie zur gottseeligen Danksagung angezündet/ in ihrem herrlichen Lob-Gesange/ nicht nur rühmet/ was der Herr an ihr gethan/ und daß er sie/ als eine elende Magd/ in allen Gnaden/ angesehen; sondern machet noch darzu eine schöne Ausschweifung/ und preiset insgemein die Barmhertzigkeit/ Gerechtigkeit/ Freygebigkeit/ die Hülfe und Wahrheit Gottes. Dahin zielen und zwekken unsere heutige heilige Fest-Andachten. Und weil uns der liebe Gott auch solcher gestalt/ in allen Gnaden heimgesuchet/ daß die/ von unserem seeligen Herrn Dechant Lb PersonSeld, Michael Theodosius (1632–1702) Selden/ gestiftete schöne neue Orgel/ das erste mal beym Gottesdienste gebrauchet/ und eingeweyhet werden solle; als werden wir unsere Gedanken im Eingange auf das Fest-Evangelium/ so/ zur andern Lection verlesen worden/ und/ in der Handlung/ auf einen sonderbar=darzu erkohrnen Texte richten. Weil aber wir sündige Menschen zu so heiligem/ und hohen Werke uns zu schwach und ungeschikkt befinden/ angesehen der natürliche Mensch nichts vernimmet von dem Geiste; als erkennen wir vorher unsere Schwachheit und Untüchtigkeit/ in geistlichen Sachen/ und bitten den grundgütigen Gott um [S. 5] die Gnadenreiche Erlassung unserer Sünden/ und denn um die kräftige Beywohnung und Mitwürkung Gottes deß wehrten Heiligen Geistes/ zu unserem Vorhaben. Welches wir erbitten/ in einem glaubigen und andächtigem/ Ly BibelstelleMatthäus 6,9 Vatter Unser etc.

Wenn wir vorher/ zu Erwekkung mehrerer Freudigkeit und Andacht/ mit einander werden gesungen und geklungen haben/ das eintzige Gesäzz: Lw MusikwerkNicolai, Philipp: Wie schön leuchtet der Morgenstern Zwingt die Saiten in Cithara[2] etc.

Der zu unserer Orgel-Weyhe erwehlte Text/ ist befindlich/ in der Epistel Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) St. Pauli an die Ephes. am V. Capitel und aus dem Ende deß 18. Verses/ und aus dem 19. dieses lautes:

Ly BibelstelleEpheser 5,18–19 Werdet voll Geistes/ und redet unter einander von Psalmen/ und Lob-Gesängen/ und geistlichen Liedern/ singet und spielet dem Herrn/ in eurem Hertzen.

[S. 6]

Eingang.

Geliebte und Auserwehlete in Christo Jesu/ dem Herrn!

Damit dem heutigen Fest-Evangelio auch einiges Genügen geschehen möge/ so wollen wir hier im Eingange/ nach demselben kürtzlich zeigen Altes und Neues/ aus dem Schazze der heiligen Göttlichen Schrift/ da wir unserer Gewohnheit gemässe I. Das Alte anzeigen/ und fürs II. Das Alte mit dem Neuen vereinbaren wollen. Das Alte so wir erstlich anzuzeigen/ ist befindlich im Ly BibelstelleExodus 15,20–21 2. Buch Lb PersonMoses Mosis am XV, 20. seqq. und ist die klingende und singende Prophetinn Lb PersonMirjam Mirjam. Nach dem vorhergehenden Ly BibelstelleExodus 14 XIV. Capitel hatte Gott der Herr die Kinder Le Geographicumh Territorium: Israel Israel/ Lm Ereignislegendär: Zug der Israeliten durch das Rote Meer mitten durchs rohte Meer/ trokken geführet/ daß ihnen das Wasser für Mauren zur Rechten/ und zur Linken gewesen; Den Pharao und sein Heer hingegen ersäufet. Deßwegen haben nun Lb PersonMoses Moses/ und die Kinder Israel/ dem Herrn ein Lied gesungen/ besage deß Ly BibelstelleExodus 15,1–19 ersten Theils deß XV. Capitels. Im andern Teile tuhn Mirjam und die andere Weiber deßgleichen v. 20. 21. Ly BibelstelleExodus 15,20 Und Mirjam/ die Prophetinn (aus Erleuchtung des Heiligen Geistes) Lb PersonAaron Aarons Schwester/ nahm eine Paucken in ihre Hand/ und alle Weiber folgten ihr nach hinaus mit Pauken und Reigen. Lr QuellenCalov, Bibel 1 (1681) M  Welche Reigen Gotte/ ihrem Erlöser zu Ehren angestellet worden/ von Mirjam/ [S. 7] als einer Prophetinn/ wie auch der König und Prophet Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David/ Lm Ereignislegendär: David tanzt vor dem Zug der Bundeslade vor der Lade des Bundes öffentlich getantzet/ und/ wider die Spötterinn Lb PersonMichal Michal/ solches verteidiget hat/ Ly Bibelstelle2 Samuel 6,14 2. Buch Lb PersonSamuel Samuelis VI, 14. Es haben aber hier Mirjam und die andere Israelitische Weiber nicht ein neues Lied angestimmet/ und gesungen/ sondern was Moses/ mit denen Israelitischen Männern/ ihnen vorgesungen/ gleich als in einem Echo nachgesungen/ wie aus ihrem Responsorio, im Anfange deß Dank-Liedes zu sehen.[3] Und muß eine gewaltige Weise/ und mächtiger Schall und Wider-Schall von diesen Ton-Chören gewesen seyn/ da so viel hundert tausend Männer/ und nicht minder an der Zahl Weiber und Kinder zusammen gesetzet/ und gesungen haben. Wird auch wohl nicht leicht jemals ein solcher starcker Freuden=Gesang erschollen seyn auf Erden/ ohne von den Engeln Gottes/ bey der Geburt Meßiä/ unsers Heylandes/ Ly BibelstelleLukas 2,13 Luc. II, 13.[4] sind des seeligen Herrn Lb PersonCalov, Abraham (1612–1686) D. Calovii Gedanken hierüber. Ly BibelstelleExodus 15,21 Und Mirjam sang ihnen vor: Lasset uns dem Herrn singen/ denn er hat eine herrliche Taht getahn. Mann und Rosse hat er ins Meer gestürtzet. Und so fort an/ bis zu Ende des Mosaischen Gesanges/ welches sie etwa gehöret/ oder/ aus Eingeben deß Heiligen Geistes/ nach/ wo nicht zugleich mitgesungen. Da dieser Prophetinn die Weiber/ wie Lb PersonMoses Mosi/ ihrem Bruder/ dem Manne Gottes/ und Hertzogen des Volkes/ die Männer nachgesungen haben. Und das wäre das Alte/ so wir Euerer Liebe aus dem 2. Buch Mosis am XV, 20. 21. anzeigen wolten/ nämlich die klingende und singende Prophetinn Mirjam. Wir gehen fort/ nun auch fürs II. dieses [S. 8] Alte mit dem Neuen zu vereinbaren/ und zwar Mirjam und Lb PersonMaria Mariam/ in vier Umständen/ in dem Namen/ in dem Stande/ in dem Ansehen/ und in der Gottseeligkeit. I. In dem Namen/ welcher gleich/ und nur auf zweyerley Art ausgesprochen wird. Denn Mirjam ist die Hebräische/ und Lb PersonMirjam Marjam oder Lb PersonMirjam Marja die Griechische Art. Wie denn die siebenzig Dolmetschere deß Alten Testaments in ihrer Griechischen Ubersezzung/ an statt Mirjam Μαριὰμ gesezzet haben/ und in der Hebräischen Ubersezzung deß Neuen Testaments/an statt Maria [hebräisch] stehet. Unser seeliger Vatter Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Luther hat im Alten Testament die Griechische Art behalten/ und Aarons Schwester [hebräisch], und des Herrn Mutter Μαριὰμ nennen wollen. Es mag hernach dieser Name ein bitteres Meer oder bitter Wasser heissen/ und aus den zweyen Wörtern [hebräisch] und [hebräisch] bestehen/ oder von dem [hebräisch] exaltari eine Erhöhete bezeichnen/ worauf sich der Marien Worte schikkten: Ly BibelstelleLukas 1,48 Der Herr hat seine elende Magd angesehen/ siehe von nun an werden mich seelig preisen alle Kindes=Kind; oder/ es mögen andere den Uhrsprung und die Bedeutung dieses Namens in der Syrischen Sprache suchen/ und sagen/ es sey so viel/als eine Herrscherinn oder Gebieterinn. Welches denen Papisten gar anständig/ indem sie dieselbe vor eine Himmels Königinn ehren/ und den gantzen Psalter Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Davids/ nicht ohne Begehung grosser und grober Abgötterey/ auf sie bequemen.[5] Als nur etliche Blumen aus dem Marianischen Psalter anzuführen/ so fänget der III. Psalm an: Lr QuellenChemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576) M Ach Herrscherinn/ wie ist meiner Feinde so viel/[6] v. 3. Lr QuellenChemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576) M Erbarm dich Frau Herrscherinn.[7] Der V. Lr QuellenChemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576) M Frau Herrscherin/ höre mein Wort.[8] Der [S. 9] VI. Lr QuellenChemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576) M Ach Frau Herrscherinn. [9] Der VII. Lr QuellenChemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576) M Auf dich Frau Herrscherinn vertraue ich/[10] und so fort. Die Vereinbarung des Alten mit dem Neuen lässet sich machen 2. in dem Stande/ welcher ebenmäßig gleich/ indem sich beyde Personen in dem jungfräulichen Stande befunden. Von der Mirjam im Alten Testamente/ wird davor gehalten/ daß sie/ in dem jungfräulichen Stande/ bis an ihren Tod/ verharret/ weil in heiliger Schrift nirgend ihres Mannes Erwehnung geschiehet/ sie auch im angezogenen XV. Capitel deß 2. Buches Mose/ nicht von ihrem Manne/ sondern von ihrem ältern Bruder Aaron/ benamet/[11] und Aarons Schwester genennet wird. Von der Maria/ im Fest Evangelio/ sind wir gantz gewiß versichert/ daß sie in steter Jungfrauschaft gelebet. Sie ist zwar einem Manne/ dem Lb PersonJosef von Nazaret Joseph/ vertrauet gewesen; Doch auf die Botschaft/ daß sie die Mutter des Herrn werden sollte/ ist sie/ bis in den Tod/ eine Jungfrau geblieben. Als Joseph benachrichtiget war/ daß seine Vertraute vom Heiligen Geiste schwanger wäre/ und daß sie den Welt-Heiland gebähren würde/ der Ly BibelstelleMatthäus 1,21 sein Volk seelig machen sollte von Sünden/ Ly BibelstelleMatthäus 1,25 erkennete er sie nicht/ biß sie ihren ersten Sohn gebahr Matth. I, 20. 25. das ist/ er erkannte sie nicht. Da das Wort bis ein Ausschliessungs-Wort ist/ wie öfters: Als/ wie es nicht folget: Christus Ly BibelstellePsalmen 110,2 sizzet zur Rechten/ bis seine Feinde liegen zum Schemel seiner Füsse. Psalm. CX, 2. Derowegen wird er hernach weiter nicht sizzen; also folget nicht: Joseph hat sie nicht erkannt/ bis sie gebohren hat. Derowegen hat er sie hernach erkannt. Lb PersonHieronymus, Sophronius Eusebius (347–420) Hieronymus giebet diese Instanz: Lb PersonHelvidius, Haereticus (vor 383 – ) Helvidius hat nicht Busse getahn/ bis nach seinem Tode. Hat er denn nach seinem Tode Busse getahn? Also stehet Matth. V, 26. Ly BibelstelleMatthäus 5,26 Du [S. 10] wirst nicht heraus kommen/ bis du auch den lezzten Heller bezahlest/ das ist/ nimmermehr. Und so hat Joseph die Jungfrau Mariam erkennet nimmermehr/ und bleibet sie wol die allezeit Jungfrau in=vor=und nach der Geburt/ eine schwangere und gebärende Jungfrau. Ly BibelstelleJesaja 7,14 Esa. VII, 14. Die Vereinbarung des Alten mit dem Neuen ist zu machen 3. in dem Ansehen/ welches nicht minder gleich/ und beyderseits groß. Daß Mirjam in nicht geringem Ansehen gewesen/ ist leicht zu ermessen/ weil sie eine Prophetinn genennet wird/ auf welcher der Geist des Herrn geruhet/ und weil sie eine Schwester gewesen der beyden vornämsten Männer in ganz Israel/ nämlich des Hohenpriesters Aarons/ und des Heerführers Mosis. Und so war die Maria bey ihrer Baasen Elisabet in grossem Ansehen. Denn sie betrachtete/ daß sie nicht nur ihre Baase/ sondern die Mutter ihres Herrn/ die gebenedeyete unter den Weibern vor sich hatte/ welche denjenigen in ihrem Leibe trug/ Ly BibelstelleRömer 10,5 der da ist/ Gott über alles/ hochgelobet in Ewigkeit/ Rom. IX, 5. Sie erzehlet ihr auch/ daß auf ihren angehörten Gruß/ das Kind in ihrem Leibe/ mit Freuden gehupfet/ und also an ihrem Kinde zugetroffen/ was ihrem Manne/ dem Lb PersonZacharias Zachariä verkündiget worden/ Johannes sollte Ly BibelstelleLukas 1,15 im Mutterleibe vom Heiligen Geiste erfüllet werden. Luc. I, 15. Und preiset sie endlich seelig/ daß sie geglaubet. Für das 4te und Lezzte ist die Vereinbarung noch zu machen in der Gottseeligkeit/ welche auch beyderseits anzutreffen. Die Mirjam klunge und sunge/ da sie an dem rohten Meere stunde/ sie nahm eine Pauke/ und schlug dar= [S. 11] auf/ nach damaliger Gewonheit des Frauenzimmers/ welches auf allerhand Instrumenten und Saiten-Spielen sich hören lassen. Sie sunge aber auch zugleich ein herrliches Lied darein/ und ermunterte alle Israelitinnen zum Lobe Gottes. Ly BibelstelleExodus 15,21 Lasset uns dem Herrn singen/ denn er hat eine herrliche Taht getahn. Mann und Rosse hat er ins Meer gestürzet etc. Welches ihr nachgehends die Gottseelige Lb PersonDebora Debora/ im Ly BibelstelleRichter 5,2 Buche der Richter. V, 2. und die Heldenmütige Lb PersonJudit Judith/ im Büchlein Ly BibelstelleJudit 16,1–21 Judith. XVI, 1. seqq. nachgetahn/ welche beyde über die Hülfe des Herrn/ und Errettung von ihren Feinden/ gottseelig gesungen und geklungen. In unserem Fest-Evangelio ruht die Gottseelige Maria desgleichen/ besage ihres Lob-Gesanges/ worinnen sie dem Herrn danket/ daß er seine elende Magd angesehen/ und sie dermassen begnadiget/ daß sie von nun an seelig preisen müssen alle Kindes-Kinder. Sie gehet darauf weiter/ und gedenket/ daß Gott insgemein von allen und jeden Menschen zu preisen/ als ein barmherzziger/ gerechter/ freygebiger/ hülfreicher und wahrhaftiger Gott. Welche Göttliche Eigenschaften so wol in ihrem Lob-Gesange/ als auch sonst in heiliger Göttlicher Schrift/ wol begründet sind. Der Mirjam/ im Alten und der Marien im Neuen Testamente/ ist zustimmig der teuere Apostel Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulus/ wenn er zwar haben will/ seine Epheser sollen sich nicht voll Weins saufen/ in dem ein unordenlich Wesen daraus erfolge;[12] aber doch/ damit sie sich nicht zu beschweren hätten/ ob entziehe er ihnen alle Mittel/ die Sorge zu vertreiben/ und das Hertz zu erfreuen/ sie in einen andern Wein-Keller führet/ mit der Ermahnung/ voll Geistes zu werden. Wie nun [S. 12] die Leiblich-Volle/ und vom Weine Erhizzete laut und lustig werden/ auch öfters zu singen anfangen: also will unser Apostel von seinen Ephesern haben/ die geistliche Völlerey solle bey ihnen in eine Göttliche Frölichkeit/ und geistliche Klinge= und Singe-Kunst ausbrechen/ mit diesen Worten: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Und redet unter einander von Psalmen und Lob-Gesängen/ und geistlichen Liedern. Singet und spielet dem Herrn in euerem Herzen. Diesen/ zu unserem heutigen Vorhaben/ sich hoffentlich nicht uneben schikkenden Worten/ wollen wir uns/ ohne fernere Vor Rede nähern/ und Euer Liebe in aller Kürze und Einfalt fürzeigen:

Vortrag:

Die geistliche Klinge= und
Singe-Kunst/

und darbey

Abteilung:

I. Derselben Ergebene/
II. Die Kling= und Sing-Stükklein/
III. Die Kling= und Sing-Weise/ Und
IV. u[nd] l[etztens] Das Kling= und Sing-Ziel.

Seufzen vorher/ um seeligen Verfolg unsers heiligen Vorhabens also: Heiliger Vatter im Himmel/ erfüll uns hierzu/ mit deinem freudigen Geiste/ daß wir von der geistlichen [S. 13] Klinge= und Singe-Kunst/ recht mögen lehren/ und erbaulich hören/ um unsers Freuden Meisters/ Jesu Christi willen/ Amen!

Abhandelung.

Die geistliche Klinge= und Singe-Kunst.

Andächtige Zuhörer/ haben wir Euer Liebe/ aus unsern vorgelesenen Paulinischen Worten/ zu Zeigen uns verbindlich gemachet/ und zwar

I. Derselben Ergebene/

welche/ nach unsern Text-Worten/ dreyerley sind: Untereinander-Redende/ Singende/ und Spielende/ λαλοῦντες ἑαυτοῖς, ἄδοντες καὶ ψάλλοντες, im Griechischen Haubt-Texte. Denn so lauten ja die Worte: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Und redet untereinander/ singet und spielet. Λαλοῦντες ἑαυτοῖς oder untereinander redende sind entweder die Betende/ welche aus einer Geistes-Völle/ auf ihrem Lager/ oder in ihren Kämmerlein/ oder anderswo/ mit ihren Herzen reden/ welches Herzens-Gespräch der Herzen= und Nieren-Prüfer wol verstehet/ besage deß CXXXIX. Psalm. 2. Ly BibelstellePsalmen 139,2 Du verstehest meine Gedanken von ferne. Und des XIX, 15. Ly BibelstellePsalmen 19,15 Laß dir wol gefallen die Rede [S. 14] meines Mundes/ und das Gespräch meines Herzens/ Herr mein Hort und mein Erlöser. Oder/ es sind die untereinander-Redende die jenige/ welche/ bey Gesellschaften/ sich mit andern in geistliche Gespräche einlassen/ mit Salz gewürzete Reden führen/ und das reden/ Ly BibelstellePhilipper 4,8 was wahrhaftig ist/ was erbar/ was gerecht/ was keusch/ was züchtig/ was wol lautet. Phil. IV, 8. Denn ein solches Gespräche frommer Christen klinget in den Ohren Gottes/ als eine liebliche Music. Ἄδοντες oder singende sind/ welche ihre Stimme zum Lobe Gottes erheben/ nicht nur bey öffentlichen Kirchen-Versammlungen/ sondern auch in den Häusern/ wodurch sie nicht nur der versprochenen Gnaden-Gegenwart Christi sich theilhaftig machen; sondern ihr ganzes Haus/ die Kinder und das Gesinde zum Singen fein angewöhnen/ daß sie heut oder morgen auch etwas darauf halten/ und dergleichen Haus-Music mit denen Ihrigen anstellen.

Ψάλλοντες oder Spielende sind/ welche die Instrumental-Music verstehen/ und zur Ehre Gottes anwenden/ es sey/ auf einem Clavir/ oder Clavichord, Instrument, Regal/ Positiv, Orgel/ oder auf Saiten/ als Geigen/ Lauten/ Harpfen/ und dergleichen. Und das wären I. die der geistlichen Klinge= und Singe-Kunst Ergebene/ erstlich die untereinander Redende/ darnach die Singende/ und endlich die Spielende. Wir gehen fort/ zu zeigen fürs

II. Die Kling= und Sing-Stükklein/

welche ebenmäßig dreyerley sind: Psalmen/ Lob-Gesänge/ und geistliche Lieder/ ψαλμοὶ, καὶ ὕμνοι καὶ ὠδαὶ πνευματικαὶ nach dem Griechischen. Denn so lauten die Worte: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet un= [S. 15] tereinander von Psalmen und Lob-Gesängen/ und geistlichen Liedern. Sind eben die drey Kling= und Sing-Stükklein/ welche unser Apostel seinen Colossern vorlobet/ in dem III. Capitel v. 16. seiner an sie geschriebenen Epistel/ mit diesen Worten: Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lob-Gesängen/ und geistlichen lieblichen Liedern/ und singet dem Herrn in eurem Herzen. Psalmen werden im Hebräischen [hebräisch] genennet/ und sind die schönen Psalmen Davids und anderer/ welche in dem Tempel/ auf der Harpfe/ und dem Psalter sind gespielet worden. Und sind mancherley Einhalts. Denn auser dem Göttlichen Lobe/ sind auch Klagen/ Erzehlungen/ und Gebete darinnen enthalten. Lob-Gesänge oder ὕμνοι heissen im Hebräischen [hebräisch], halten zwar auch in sich das Lob Gottes/ aber in einer ängern Form/ als die Psalmen/ und sind etwas künstlicher. Dergleichen Lob-Gesänge sind des Mosis/ in seinem Ly BibelstelleExodus 15,1 2. Buch am XV, 1. und Ly BibelstelleDeuteronomium 31,19 5. Buch am XXXI, 19. Der Debora im Ly BibelstelleRichter 5,2 Buch der Richter am V, 2. Des Davids im Ly Bibelstelle2 Samuel 22 2. Buch Samuelis am XXII, 1. Des Lb PersonSalomo Salomons im Ly Bibelstelle1 Könige 4,32 1. Buch von den Königen am IV, 32.[13] Des Lb PersonZacharias Zacharias/ Ly BibelstelleLukas 1,68–79 Luc. I, 68. seqq. Der Maria/ in eben diesem Ly BibelstelleLukas 1,46–55 Capitel v. 46. seqq. und der Christen/ Ly BibelstelleApostelgeschichte 4,24–30 Apostel-Geschicht IV, 24. Lieder/ ὠδαὶ, im Hebräischen [hebräisch] sind solche/ welche/ nach der Zeit und Gelegenheit/ von Gottseeligen Leuten/ zum Lobe Gottes/ sind aufgesezzet worden. Eben eine solche Meinung von Psalmen/ Lob-Gesängen und Liedern hat unser seeliger Vater Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Lutherus, wenn er über unsern vorhabenden Text also [S. 16] schreibet: Lr QuellenLuther, Enarrationes Seu Postillae (1546) M Discrimen trium horum, Psalmorum, hymnorum, cantilenarum, puto, hoc esse, ut Psalmos intelligat propriè illos Davidis, & aliorum/ qui continentur in Psalterio. Hymnos verò alia cantica, quae sparsim in scriptura leguntur a Prophetis composita, ut Lb PersonMoses Mose, Debora, Lb PersonSalomo Salomone, Lb PersonJesaja Esaia, Lb PersonDaniel Daniele, Lb PersonHabakuk (fl. 626 v. Chr.) Habacuc, item Magnificat, Benedictus, quae cantica vocari solent. Cantilenas autem spirituales, eas cantiones, quae ab aliis piis componuntur, quas de Deo & ejus beneficiis novas quotidie pii canunt.[14] Das ist: Ich halte unter den Psalmen/ Lob-Gesängen und Liedern/ diesen Unterscheid/ daß er/ durch die Psalmen/ eigentlich des Davids und anderer verstehet/ welche/ in dem Psalter-Buche enthalten sind. Die Lob-Gesänge aber/ andere Gesänge/ welche hin und her in der Schrift gelesen werden/ von den Propheten aufgesezzet/ als von Mose/ Debora/ Lb PersonSalomo Salomon/ Esaia/ Lb PersonDaniel Daniel/ Habacuc/ ingleichen das Magnificat und Benedictus, welche Lob-Gesänge pflegen genennet zu werden. Geistliche Lieder aber solche Lieder/ welche von andern Gottseeligen verfertiget werden/ welche die Gottseelige von Gotte und seinen Woltahten täglich verneuern und singen.[15] Weil aber bey dem Worte Liedern/ absonderlich das Wort Geistlich stehet/ so erlängert er seine Rede also: Caeterum has ὠδὰς nominatim πνευματικὰς vocat Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Apostolus; Lr QuellenLuther, Enarrationes Seu Postillae (1546) M quod Psalmi & alia scripturae cantica per se spiritualia sint, in cantionibus autem humanitus compositis soleat plurimum carnalis ineptiae, ac etiam obscoenitatis admisceri, (quales odae sunt, de quibus Lb PersonAmos Amos agit, Ly BibelstelleAmos 8,10 cap. IIX, 10.) ut ergo ab hac ineptia nos revocaret Apostolus, hortatur, ut spiritualibus cantionibus nos oblectemus.[16] Das ist: Ubrigens nennet [S. 17] der Apostel diese Lieder insonderheit geistliche/ weil die Psalmen/ und andere Lob-Gesänge der Schrift vorhin geistlich sind/ in dem von Menschen aufgesezzten Liedern aber viel fleischliche Tohrheit und Unreinigkeit vorzulaufen pfleget/ (dergleichen Lieder sind/ von welchen Ly BibelstelleAmos 8,10 Amos im IIX. Capitel v. 10. handelt) von dieser Tohrheit uns nun abzuhalten/ vermahnet der Apostel/ wir sollen an geistlichen Liedern unsere Lust haben. Sie sind aber Geistliche/ wenn sie vom Heiligen Geiste uhrspringen und herfliessen. Manche dichten Lieder/ aber aus fleischlicher Brunst/ Schand Lieder/ Bulen-Lieder/ Pasquillen-Lieder. Die haben den Teufel zum Vatter und Uhrheber. Und wer sie machet und singet/ der ist des Teufels Werkzeug. Sie sind Geistliche/ der Materie nach/ wenn sie von geistlichen Dingen handeln. Mancher bringet seine Lebens-Zeit mit Besingung weltlicher Sachen zu/ die er billich zu Geistlichen widmen und aufopfern sollte. Sie sind Geistliche/ den Worten nach/ wenn sie in geistreiche Worte gefasset sind. Es sind Leute/ die meinen/ man könne nichts schönes aufsezzen/ es sey denn mit Heydnischen Wort-Blumen/ Fabeln und Namen durchspikket; allein geistliche Sachen wollen in geistliche Worte eingekleidet seyn/ und mit geistlichen Worten vorgetragen seyn. Denn was nicht geistreich ist/ kann auch den Geist nicht bewegen/ noch anzünden. Sie sind Geistliche/ wenn sie im Geiste gesungen werden. Mancher singet zwar geistreiche Lieder; allein wenn sein Herz/ durch den Geist Gottes nicht geheiliget ist/ so ist es ein vergebliches Singen. Sie sind endlich Geistliche/ wenn sie zur Erbauung des Geistes gerichtet werden. Mancher singet seine Stimme zu üben/ und preisbar zu machen/ oder andere Menschen zu belustigen/ und zu beehren. Allein/ was Gotte nicht zu Ehren/ und zur Erbauung geschiehet/ das ist fleischlich. Und [S. 18] das wären II. Die Kling= und Sing-Stükklein/ erstlich die Psalmen/ darnach die Lob-Gesänge/ und endlich die geistliche Lieder. Wir gehen noch weiter/ zu beschreiben

III. Die Kling= und Sing-Weise/

welche geschiehet im Herzen. Wir klingen oder singen/ so soll haubtsächlich und zuförderst das Herz darbey seyn. Text: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Singet und spielet/ in eurem Herzen. Dadurch wird nun der öffentliche Kirchen-Gesang und Klang nicht aufgehoben. Denn es stehet fein/ wenn die ganze Versammlung gleichsam mit= und aus einem Munde Gott lobet/ miteinander ihre Sünde beichtet und bekennet/ miteinander im Kreuze sich tröstet/ miteinander sich zum Sterben bereitet. Darzu ist es erbaulich/ daß junge und einfältige Leute zugleich mit angewiesen werden. Zu geschweigen/ daß solcher Gestalt/ die streitende Kirche/ hier auf Erden/ die triumphirende in dem Himmel/ bildet. Auch ist es nicht dahin gemeinet/ daß man ohne Worte/ allein mit dem Herzen singen solle/ wenn anders das Herz Worte machen kan. Denn die Worte halten unsere Gedanken gleichsam zusammen/ daß sie nicht ausschweiffen/ offenbaren unsere Andacht und reizen andere zu einer gleichmäßigen. Sondern das ist die Meinung/ es solle sich nicht nur die äuserliche Stimme hören lassen/ man solle nicht nur äuserlich singen und klingen/ sondern die innerliche Herzens=Andacht solle zuförderst/ und haubtsächlich darbey seyn. Denn Gott will allemal das Herz haben. Daher muß das Herz die Worte bilden/ und die Worte müssen von demselben zeugen. Das wäre auch III. die Kling= und Sing-Weise/ welche im Herzen geschicht. Wir gehen noch einmal fürter/ zu zeigen fürs

[S. 19]

IV. und Lezzte Das Kling= und Sing-Ziel/

welches ist der Herr/ nämlich besage des Grund-Wortes τῷ κυρίῳ JÜbers.: dem Herrn. der Herr Christus/ dem zu Ehren gesungen und geklungen wird. Text: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Singet und spielet dem Herrn. Denn dieser Herr ist es/ um dessen Willen/ der himmlische Vatter/ sich unser Singen und Klingen gefallen lässet. Dieser ist es auch/ welcher/ durch den Glauben/ in unserm Herzen/ wohnet/ und also wol höret/ wie wir singen und klingen. Daher wir ihn allezeit vor Augen haben/ und unser Singe= und Klinge-Ziel auf ihn richten sollen. Und so hätten wir/ aus unseren erläuterten Paulinischen Worten/ Eurer Liebe in aller Kürze und Einfalt fürgezeiget

Die Geistliche Klinge= und
Singe-Kunst.

und darbey

I. Derselben Ergebene/
II. Die Kling= und Sing-Stükklein/
III. Die Kling= und Sing-Weise/
und
IV. und Lezzte Das Kling= und Sing-Ziel.

[S. 20]

Benuzzung.

Lehr-Nuz.

Wir lernen hieraus/ was von der geistlichen Klinge= und Singe-Kunst/ sonderlich von der Figural= und Instrumental-Music/ und am allersonderlichsten von denen Orgeln zu halten/ ob sie auch in der Kirche Gottes mit Andacht und Nuzzen/ können und sollen gebrauchet werden? Unsere erklärte Textes-Worte bejaen solches/ wie auch die fast gleich lautende/ aus der Epistel an die Col. III, 16. Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lasset das Wort Christi reichlich unter euch wohnen/ in aller Weißheit. Lehret und vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lob-Gesängen/ und geistlichen/ lieblichen Liedern/ und singet dem Herrn in eurem Herzen. Lb PersonJakobus (Bruder des Herrn) (4 v. Chr. – 62 n. Chr.) S[ank]t Jacob erfordert ebenmäßiges/ wenn er/ in seiner Epistel am V, 13. schreibet: Ly BibelstelleJakobus 5,13 Ist jemand gutes Mutes/ der singe Psalmen. Der König David vorhin/ in seinem XCVI. Psalm mit diesen Worten: Ly BibelstellePsalmen 96,1–2 Singet dem Herrn ein neues Lied/ singet dem Herrn alle Welt/ singet dem Herrn/ und lobet seinen Namen. Sonderlich in seinem Ly BibelstellePsalmen 150 allerlezzten Psalm/ darinnen er mit allen Musicalischen Instrumenten zu erscheinen gleichsam auffordert. Und ob wir schon im neuen Testament von den Musicalischen Instru= [S. 21] menten und Orgeln so ausdrükkliche Meldung nicht finden; so bleibet doch das Werk insgemein in seinem Wehrte. Es will der Apostel/ daß/ alles in der Kirche Ly Bibelstelle1 Korinther 14,40 ehrlich und ordenlich hergehe/ und zur Bässerung gerichtet seyn solle/ 1. Cor. XIV, 40. Nu dienet aber die Orgel/ mit andern Instrumenten/ zur Kirchen-Zierde und Ehre. Wie sollte man sie denn nicht brauchen dürfen? Dadurch wird Gott geehret in seinem Heiligtuhme/ und bey dem öffentlichen Gottesdienste gepriesen. Dadurch wird das Gemüt des Menschen zur Andacht erwekket. Es werden dadurch die unordenliche affecten gedämpfet/ und andere Bewegungen eingeschränket. Es wird dadurch die himmlische Music fürgebildet. Lr QuellenMengering, Informatorium (1644) M Zu geschweigen/ daß David von der Kirche neuen Testaments geweissaget im LXXXVII. Psalm. Ly BibelstellePsalmen 87,7 Die Sänger/ wie am Reigen werden alle in dir singen eins ums ander. Worüber Lb PersonMoller, Heinrich (1530–1589) Heinricus Mollerus schreibet: Nec uno tantum modo celebrabuntur beneficia divina, sed voce & cantilenis, & instrumentis Musicis, eritque summus, inter omnes, in praedicandis beneficiis acceptis, consensus, &c. Significatur, qualis cultus N[ovi] T[estamenti] sit futurus.[17] Das ist: Die Göttliche Woltahten werden nicht auf einerley Weise gepriesen werden/ sondern mit der Stimme/ und Liedern/ und Musicalischen Instrumenten/ und wird unter allen/ in dem Preiße der empfangenen Woltahten/ die höchste Ubereinstimmung seyn. Wird behelliget/ was vor ein Dienst neuen Testaments künftig seyn werde.[18] So machen sich auch die Orgeln und Musicalische Instrumente/ wegen des Altertuhmes/ wol empfohlen. Der andere Sohn Lb PersonLamech Lamechs/ [S. 22] nämlich der Lb PersonJubal Jubal/ wird von Mose in seinem I. Buch am IV, 21. ein Ly BibelstelleGenesis 4,21 Erfinder der Geiger und Pfeifer (oder der Orgeln) genennet. Im XXXI, 27. dieses Buches liesse sich der Lb PersonLaban Laban verlauten/ wenn ihm von seinem Tochter-Manne/ dem Lb PersonJakob Jacob/ sein Verreisen angedeutet worden wäre/ so wollte er ihn Ly BibelstelleGenesis 31,27 geleitet haben mit Freuden/ mit Singen/ mit Pauken und Harpfen. Nu stellet man dahin/ was Laban wol möchte getahn haben/ wenn er Zeit und Gelegenheit darzu gehabt hätte/ wie sie bereit verstrichen war/ indem er vorher seinen Eydam/ und zugleich Vettern/ Jacob/ seiner Lb PersonRebekka leiblichen Schwester Sohn/ nicht zum Höflichsten tractiret; Doch erhellet aus seinem heuchlerischen Erbieten/ und Großsprechen so viel/ daß die Instrumental-Music/ mit Pauken und Harpfen/ auch dazumal schon üblich gewesen. Wiewol die Morgenländer nicht so wol/ auf die künstliche Harmonie/ und liebliche Ubereinstimmung/ als auf das grosse Getöse und Geklimper sollen gesehen haben/ wenn es nur fein selzam und hell durcheinander gegangen. Ob nu wol die Welt-Kinder dieselbige Instrumenten dazumal zur Welt-Freude gemisbrauchet haben; so haben jedoch die Kinder Gottes/ nach der Zeit/ dieselbige zum Gottesdienste wieder angewendet. Die Juden haben/ bey ihren Fest-Tagen und Ly BibelstelleNumeri 10,10 Neumonden/ die Posaunen blasen müssen/ im 4. Buch Mose X, 10. Und das nennet Lb PersonAsaf Asaph Ly BibelstellePsalmen 81,5 ein Recht des Gottes Jacob/ und eine Weise in Israel/ Psalm LXXXI, 5. Wie der König David die Musicanten/ mit ihren vielfältigen Instrumenten/ bey dem Gottesdienste/ so löblich und herrlich angerichtet habe/ davon ist zu lesen im Ly Bibelstelle1 Chronik 24,5 XXIV, 5.[19] und Ly Bibelstelle1 Chronik 26 XXVI. Cap. 1. und folg. des I. Buchs der Chron.[20] Also/ daß Lb PersonJosephus, Flavius (37/38 – nach 100) Josephus wol von ihm schrei= [S. 23] ben mag: l. 7. Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1559) M Antiqv. Jud. c. 10. Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1559) M Instrumentis musicis comparatis, docuit Levitas, ad pulsum eorum, laudes Dei decantare, tam Sabbatis diebus, quam in ceteris festivitatibus.[21] Das ist: David hat/ mit zubereiteten Musicalischen Instrumenten/ die Leviten gelehret/ auf/ und nach deren Schlag/ das Lob Gottes zu besingen/ so wol an den Sabbatern/ als anderen Fest-Tagen. Sein Sohn Salomo hat solches eiferig fortgesezzet/ wie im Ly Bibelstelle2 Chronik 5,12 2. Buch der Chron. am V, 12. Ly Bibelstelle2 Chronik 7,6 VII, 6. Ly Bibelstelle2 Chronik 8,14 VIII, 14. zu befinden ist. Ja/ nach Lb PersonPraetorius, Michael (1571–1621) Praetorii Bericht/ Lr QuellenPraetorius, Syntagma musicum 2 (1619) M Syntagm. Music. Tom. 2. de Organogr. C. I. p. 84. halten die Juden davor/ La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M es habe Salomo/ zu seiner Zeit/ eine Ld OrgelJerusalem, Salomos Tempel-Orgel (legendär) Orgel in dem Le Geographicumg Gebäude: Jerusalem, Tempel Tempel zu Le Geographicumf Ort: Jerusalem Jerusalem sezzen lassen/ die er selber erfunden habe/ und seye so künstlich und herrlich gewesen/ daß diese unsere Orgeln/ wie nichts dargegen zu achten seyen/ und/ weil sie solches Kunst-Stükk nicht mehr wissen/ wollen sie auch keine Orgeln nicht mehr in ihren Synagogen/ haben/ noch hören.[22] Wenn man den Sachen nachdenket/ so hat Gott der Herr dem Menschen die Music in die Natur gepflanzet/ daß wir/ in gewisser Maasse/ alle Musici sind/ und unser Elend damit/ als mit einer Arzeney/ erleichtern. Etwa singen/ oder pfeifen die Akkers-Leute/ bey ihrer sauren Arbeit/ ein Liedlein/ die Holzhauer unter der Eichen/ und andern Bäumen/ die Ruder-Knechte/ und dergleichen. Und dünket uns/ als ob uns die grosse saure Arbeit dadurch in etwas erleichtert würde/ weil die spiritus und Lebens-Geisterlein dadurch erfrischet und ermuntert werden/ und man also mehr Stärke/ die Arbeit zuverrichten/ fühlet. Die Pferde selber gehen bässer fort/ wenn der Akker-Mann hinter ihnen pfeifet. Die Maul-Thiere ingleichen/ wenn sie die Schellen klingen hören/ weswegen man sie denn ihnen anmachet. Die Vögelein wettstreiten/ so zu reden/ im Sin= [S. 24] gen. Und wird insonderheit an der Nachtigall wahrgenommen/ daß sie allezeit auf achterley Arten/ ihre Stimme verändern könne. Wie werden nicht die kleine Kindlein eingewunden/ und in die Wiege viel fester eingekerkert/ als ein alter Mensch/ in den Stokk geleget/ und in Eisen geschlossen? Doch geben sie sich zu frieden/ schlaffen ein/ und vertragen solche Einschnürung mit Gedult/ wenn Wiegen-Lieder gesungen werden. Laufet also dahin aus/ weil Gott die Music in die Natur gepflanzet/ und solcher Gestalt den Leuten selber Anleitung darzu gegeben hat/ derselben nachzudenken/ daß sie nicht nur eine alte/ und blosse Menschen-Erfindung seye/ sondern Gottes Gabe/ und deswegen mit Danksagung/ und Gotte zu Ehren/ zugebrauchen. Gestaltsam nicht den Mißbrauch/ sondern den rechten Gebrauch Lb PersonSirach, Jesus (180 – 175 v. Chr.) Syrach meinet/ wenn er im XXXII, 7. seines Buchs spricht: Ly BibelstelleJesus Sirach 32,7–9 Wie ein Rubin in feinem Golde leuchtet/ also zieret ein Gesang das Mahl. Und/ wie ein Schmaragd in feinem Golde/ stehet/ also zieren die Lieder/ beym guten Weine. Wollte man einstreuen/ daß/ in der ersten Apostolischen Kirche/ keine Orgeln/ oder andere Instrumenten gebräuchlich gewesen; so wird darauf geantwortet/ daß die Recht-Glaubige/ wegen der Lm Ereignis41–311: Christenverfolgungen im Römischen Reich Heydnischen Verfolgungen/ an ein solches Freuden-Werk nicht gedenken dürfen/ sondern/ wie die Israeliten/ in der Lm Ereignis597 – 538 v. Chr.: Babylonisches Exil Babylonischen Gefängniß/ ihre Harpfen an die Weyden hiengen/ und hingegen die Zeit/ beym heimlichen Gottesdienste/ mit Weinen und Heulen/ zubringen müssen. Sobald sie aber ein wenig Ruhe bekommen/ haben sie die Musicalischen Instrumenta allmählich in die Kirche eingeführet/ und/ beym öffentlichen Gottesdienste/ gebrauchet/ Daher Lb PersonJustin der Märtyrer (ca. 100 – 165) Justinus Martyr die leichtfertige Instrumenten/ so die Heyden/ bey den Bacchus-Feste/ gebrauchet/ zwar verworfen; aber hinzugesezzet: in Lr QuellenJustinus Martyr, Opera (1555) M quaest. [S. 25] & resp. ad Orthod. q. 107. Lr QuellenJustinus Martyr, Opera (1555) M Verbum Dei est, sive mente cogitetur, sive canatur, sive pulsu edatur.[23] Das ist: Es ist Gottes Wort/ es mag im Sinne gedacht/ oder gesungen/ oder geschlagen werden.

Widerlegung.

Welches wir denn zu behalten haben zur Widerlegung aller Music-Feinde/ sonderlich der Figural= und Instrumental-Music. Lr QuellenMengering, Informatorium (1644) M Von Lb PersonBodenstein, Andreas Rudolff (1486–1541) Carlstald [sic] melden die Historien/ daß er keinen Figural-Gesang leiden wollen/ und zwar daher/ weil nur ein Gott seye/ so sollte auch nur eine Stimme seyn. Darum sollte man keinen Discant/ Alt noch Baß singen. Das reimet sich aber/ wie eine Faust auf ein Auge/ so müsste man auch nur ein Auge/ ein Ohr/ eine Hand/ einen Fuß haben[24] etc. etc. ist die Beuhrteilung des seeligen Herrn Lb PersonMengering, Arnold (1596–1647) D. Mengerings. Lr QuellenMengering, Informatorium (1644) M Und gedenket Lb PersonAlberus, Erasmus (ca. 1500 – 1553) D. Erasmus Alberus, es habe ihn Lb PersonBodenstein, Andreas Rudolff (1486–1541) Carlstad bey nahe überredet/ daß er alle seine Partes und Gesang-Bücher zerrissen hätte.[25] Lr QuellenMengering, Informatorium (1644) M Lb PersonZwingli, Huldrych (1484–1531) Zwinglius hat von dem Rahte zu Le Geographicumf Ort: Basel Basel begehret/ die Gesänger gar abzuschaffen/ und zu dem Ende/ seine Supplication, vor dem sizzenden Rahte hergesungen/ damit anzuzeigen/ wie ein selzamer Handel es seye/ für dem Menschen sein Anligen singen: also seye es auch vor Gott ungereimet/ daß unser Gebet gesungen werde.[26] Aber/ da hat Ly BibelstelleMatthäus 11,19 sich die Weißheit müssen rechtfertigen lassen/ von ihren Kindern/ Matth. XI, 19. Insonderheit haben wir dieses zu merken wider diejenige/ welche der öffentlichen Instrumental-Musie/ den Orgeln/ Harpfen/ Lauten Feinde sind/ und vorgeben/ solches [S. 26] gehöre nicht in das Neue/ sondern das Alte Testament. Aber wie schlecht und schwach wird von etlichen Calvinisten also geschlossen: Was im Alten Testamente üblich gewesen/ das ist im Neuen unüblich. Die Instrumental-Music ist im Alten Testamente üblich gewesen. Derowegen ist sie im Neuen unüblich. Wenn es so gilt/ ist auch dieses recht gefolgert: Was im Alten Testamente üblich gewesen/ das ist im Neuen unüblich. Das Beten/ das Bussetuhn/ und dergleichen ist im Alten Testamente üblich gewesen. Derowegen ist das Beten/ das Bussetuhn/ und dergleichen im Neuen Testamente unüblich. So aber gehet es an: Was im Alten Testamente als ein Levitisches/ Ceremonial= und Typisches Werk/ so in Christo seine Endschaft erreichet/ wie die Opfer Alten Testaments üblich gewesen/ das ist im Neuen Testamente nicht üblich/ sondern abgeschaffet. Nun ist aber dieses von der Instrumental-Music nicht erweislich. Denn Gott von allen Kräften/ auf einerley Weise und Weege/ und mit allen Saiten-Spielen loben/ gehöret nicht zum Jüdischen Ceremonial-Gesezze/ sondern ist ein ewiges Recht. Wie die Engel/ auf alle Weise/ Gott loben: also sollen die Menschen/ daheim und öffentlich/ auch auf ihre/ ja/ auf alle Weise/ als immer möglich/ ihren Gott loben. Welches auch unsere Text-Worte erfodern/ nebst andern zweyen angeführten Stellen Neuen Testaments/ darinnen von uns gefodert werden Psalmen/ welche gewisse Instrumenta in sich begreifen/ darein sie gesungen worden.

[S. 27]

Vermahnung.

Sollen vielmehr vermahnet seyn/ so wol die Vocal= als Instrumental-Music als eine edle Gottes Gabe/ und Gottegefällige Kirchen-Zierde/ zu lieben/ zu üben/ und zu befödern. Preisen doch die Nachtigallen/ Lerchen/ Zeislein/ Stiglizzen/ Finken und andere Sang-Vögel/ ihren Schöpfer/ mit ihren Zünglein und Stimmlein. Warum sollen denn die Menschen/ vernünftige Creaturen/ ja die Heilige/ ihrem Schöpfer/ Erlöser und Heiligmacher/ ihrem Vatter/ Bruder und bässtem Freunde nicht lobsingen/ nach vielfältiger Erfoderung des Königes Davids: Ly BibelstellePsalmen 30,5 Ihr Heiligen/ lobsinget dem Herrn/ Psalm XXX, 5. Ly BibelstellePsalmen 47,7 Lobsinget/ Lobsinget Gotte/ lobsinget/ Lobsinget unserm Könige/ Psalm XLVII, 7. Ly BibelstellePsalmen 66,2.4 Lobsinget zu Ehren seinem Namen/ alle Lande lobsingen dir/ lobsinge deinem Namen. Sela/ Psalm LXVI, 2. 4. Ly BibelstellePsalmen 91,2 Denn es ist ein köstlich Ding/ lobsingen deinem Namen/ du Allerhöchster. Psalm XCII, 1.[27] Sonderlich weil wir nu/ durch die Gnade Gottes/ so reich sind/ daß wir/ in dieser Le Geographicumg Gebäude: Crailsheim, Johanneskirche unserer Johannis-Kirche zwey Orgeln/ und in unserer Le Geographicumg Gebäude: Crailsheim, Liebfrauenkapelle Capelle und Le Geographicumg Gebäude: Crailsheim, Spitalkapelle zum Heiligen Geist Hospital-Kirche/ auch zwey Werklein vermögen/ und/ nach dem löblichen Exempel und Vorgange der Le Geographicumg Gebäude: Ansbach, Sankt Gumbertus Mutter Kirche/ in Onolzbach/ unter beyde Litaneyen/ mit schlagen lassen können. Dieses neue/ schöne/ und hoffentlich wolgerahtene Werk haben wir/ [S. 28] bekannter massen/ zu danken der milden Stiftung/ des Weiland Hoch-Ehrwürdigen und Hochgelehrten Herrn Lb PersonSeld, Michael Theodosius (1632–1702) Michael Theodosii Seldens/ Hoch=Fürstl[ichen] Brandenburg[isch] Onolzbachischen Hochverdienten Stadt=Pfarrers und Dechants allhier/ welcher/ Gotte zu Ehren/ auf Ratification unsers Gnädigsten Lb PersonWilhelm Friedrich (Brandenburg-Ansbach) (1686–1723) Landes=Fürsten und Herrns (welche auch erfolget) diese Verordnung getahn/ und/ auch nach seinem Tode/ seine liebe Pfarr-Kinder und Seelen-Schäflein hiedurch zum Lobe/ und zum Preise Gottes anspören wollen.

Beschreibung des Werkes.[28]

Die Höhe des Werkes ist/ 25. Werkschuhe/ die Breite 22. Teilet sich in ein Haubt-Werk/ und in ein Rukk-Werk. Wie es denn auch mit einem doppelten Elfenbeinernem Clavir versehen. Der Register sind 23. und können beyde Werke zusammen gezogen werden. Das Haubt-Werk hat 960. Pfeifen/ das Rükk-Werk 432. In allem laufet die Pfeifen-Zahl auf 1392. Pfeifen. Das ist der kurze Entwurf. Die Register liessen sich weitläufiger/ und eigentlich/ nach der Bedingung/ beschreiben. Sind auch solche darunter/ welche in alten/ sehr grossen und kostbaren Werken/ nicht anzutreffen. Der Meister und Künstler davon ist Herr Lb PersonAllgeyer, Johann Georg (ca. 1670 – nach 1724) Georg Allgeyer/ zu Le Geographicumf Ort: Hofen (Aalen) Hofen/ Le Geographicumf Ort: Ellwangen (Jagst) Ellwangischen Gebietes. Wie es laute und klinge/ hat Euer Liebe vernommen. Weil es ein Gottegefälliges Werk/ so haben sich viele Hindernisse darzwischen geschoben/ die aber/ nach vielen gewechselten Schriften/ [S. 29] Gängen und Verfügungen/ nu glükklich überwunden sind. Wir haben Ursach/ Gotte zu danken/ für seine Gnade/ die wir darunter verspüret/ Gnädigster Herrschaft/ die es in Gnaden/ in ihrer Kirche/ verstattet/ und des Wolseeligen Herrn Dechant Seldens/ in allen Ehren/ zu gedenken/ wegen seiner Vätterlichen Vorsorge und Stiftung/ des herrlichen Werkes recht zu gebrauchen/ und nicht zu mißbrauchen.

Vermahnung an die Organisten.

La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M Wie denn die Organisten und alle Clavir-Verständige/ welche dieses Werk tractiren/ ermahnet werden/ ihr Amt dißfalls/ mit gebührender devotion und Andacht/ und/ in aller gravität zu verrichten/ und ja nicht etwa leichtfertige Lieder/ oder andere ungeziemende Melodeyen darauf zu schlagen.[29]

An die Christliche Gemeine.

Die gesammte Christliche Gemeine wird/ im Singen der Choral-Lieder/ nach diesem Fundamente/ und dem Chore sich fleißig richten/ damit eine feine Harmonie sich hervor tuhn/ und der Choral weder zu geschwind/ noch zu langsam gehen möge. Gehet es zu geschwind/ so ist keine Andacht darbey. Gehet es zu langsam/ so gehet der Liebligkeit und Anmut ab. Was meinet Euer Liebe/ daß manche Leute geben würden/ wenn sie unsere Kirche/ unsern Gottesdienst/ unsere Orgeln/ unser Geläute/ und anders haben sollten? Wie würden sie Gotte danken/ und im Herrn sich darüber erfreuen? Nu sind seelig die Augen/ die da sehen/ das ihr sehet/ und die Ohren/ die [S. 30] da hören/ das ihr höret. Darum so erkennet es/ und seyd dankbar. Sehet darneben zu/ und seyd daran/ daß ihr euch La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M selbsten zu lebendigen und vernünftigen Orgeln machet. Euer Leib soll das Corpus solcher Orgel seyn. Euer Mund soll Pfeifen-Stelle vertretten. Euere Zunge soll in den Pfeifen das Zünglein/ der Wind/ so darein geblasen/ soll euer Gemüt seyn. Die Bälge/ dadurch solcher Wind getrieben wird/ sollen Gottes Wort seyn. Das Clavir und Pedal soll unser Herz seyn. Die Register unsers Herzens und Gemütes Begierden. Der Organist soll der Heilige Geist seyn/ der mit seinen Fingern das Clavir unsers Herzens schlagen/ und/ durch den Wind seines Wortes/ Bewegung machen soll/ damit dadurch unser Leib/ unsere Füsse/ Hände/ Sinn/ Gedanken und Begierden eine recht geistliche liebliche Harmonie/ vor den Ohren Gottes von sich geben mögen.[30] Ja/ Ly BibelstelleEpheser 5,19 werdet voll Geistes/ und redet untereinander von Psalmen und Lob-Gesängen/ und geistlichen Liedern/ singet und spielet dem Herrn/ in euerem Herzen. Ly BibelstellePsalmen 150 Lobet den Herrn in seinem Heiligtuhme/ Lobet ihn in der Veste seiner Macht. Lobet ihn in seinen Tahten/ lobet ihn in seiner grossen Herrligkeit. Lobet ihn mit Posaunen/ lobet ihn mit Pfalter und Harpfen. Lobet ihn mit Pauken und Reigen/ lobet ihn mit Saiten und Pfeifen. Lobet ihn mit hellen Cymbeln/ lobet ihn mit wolklingenden Cymbeln. Alles/ was Odem hat/ lobe den Herrn. Hallelujah!

[S. [31]]

Einweyhungs-Lied.

So bey erstem heiligem Gebrauche dieses
gestifteten schönen Orgel-Werkes/ am Fest der
Heimsuchung Mariä in der Stadt-Kirche allda/ figu-
raliter abgesungen worden.

Intrada
Der Ly BibelstellePsalmen 134 CXXXIV. Psalm.
I.

Höchster Gott! laß Dir gefallen
Diesen neu beseelten Chor:
Höre mit geneigtem Ohr
Unser Freuden-volles Lallen!
Laß dieses Ruhm-Getöhn
Durch alle Wolken gehn!
Laß unserer Orgel/ und Pfeifen/ und Geigen
Erhabenen Ruhmes-Schall Himmel-an steigen!

II.

Liebster Jesu! Dir zu Ehren
Unerschaffner Michael!
Teuerster Immanuel!
Lässt sich dieses Stimm-Werk hören.
[S. [32]] Laß unser Lob-Gesang/
Laß diesen Jubel-Klang/
Und unserer Orgel/ und Pfeifen/ und Geigen
Erhabenen Ehren Schall Himmel-an steigen.

III.

Habe Dank! Daß mit Erspriessen/
Nach dem schweren Drachen-Krieg/
Wir nunmehro deinen Sieg
In geheil'gter Ruh geniessen.
Laß über solchen Fried
Diß unser Freuden-Lied
Und unserer Orgel/ und Pfeifen/ und Geigen
Erhabenen Ehren-Schall Himmel-an steigen.

IV.

Gib noch ferner dein Gedeyhen/
Daß sich Kirch/ und Stadt/ und Land/
Unter deiner starken Hand
Mög in deinem Lob erfreuen.
Leg unserm Ruhm-Geschrey
Ein gnädig Amen bey!
Laß immer der Orgel/ und Pfeifen/ und Geigen
Erhabenen Ehren-Schall Himmel-an steigen.
Hallelujah.

Einzelanmerkungen

  1. Spengler verwendet in seinem Text systematisch die Schreibweisen kk für ck und zz für tz. Siehe dazu auch die Einführung in diese Edition.
  2. Gesungen werden sollte die 6. Strophe aus Lb PersonNicolai, Philipp (1556–1608) Philipp Nicolais Lied Lw MusikwerkNicolai, Philipp: Wie schön leuchtet der Morgenstern M Wie schön leuchtet der Morgenstern.
  3. Das Lied der Frauen in Ex 15,21 greift die Anfangszeile von Moses‘ Lied in Ex 15,1 auf.
  4. Exaktes Zitat aus Calov, Bibel 1 (1681), Sp. 483. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rezeption Lb PersonBach, Johann Sebastian (1685–1750) Johann Sebastian Bachs, der dieselbe Stelle in seinem Exemplar der Calov-Bibel mit folgendem Kommentar versah: Erstes Vorspiel, auf 2 Chören zur Ehre Gottes zu musiciren. (zitiert nach: Bach-Dokumente 3 (1972), S. 636). Auch Bach interessierte sich demnach wie Spengler für den Aspekt der antiphonalen Aufführung durch den Teilchor der Männer und den Teilchor der Frauen. Siehe ausführlicher zu den nicht nur musikalisch relevanten Randglossen Bachs, Steiger, Bach und die Bibel (1987).
  5. Spengler spielt auf den Lb PersonBonaventura (da Bagnoregio) (ca. 1221 – 1274) Bonaventura zugeschriebenen Lr QuellenBonaventura, Psalterium (1604) M Marienpsalter an. Er zitiert nicht direkt aus diesem Werk, sondern verwendet die Übersetzung, die der lutherische Theologe Lb PersonChemnitz, Martin (1522–1586) Martin Chemnitz in polemischer Absicht angefertigt hatte. Vgl. zum Hintergrund den Personenartikel Lb PersonBonaventura (da Bagnoregio) (ca. 1221 – 1274) Bonaventura.
  6. Vgl. Chemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576), Bl. 129r.
  7. Vgl. Chemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576), Bl. 129r.
  8. Vgl. Chemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576), Bl. 129r. Hier lautet die Formulierung: Frauw Herrscherin hör meine wort [...].
  9. Vgl. Chemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576), Bl. 129r.
  10. Vgl. Chemnitz, Examen Deß Trientischen Concilii 3 (1576), Bl. 129v.
  11. Vgl. Ex 15,20.
  12. Vgl. Eph 5,18.
  13. Diese Stellenangabe scheint falsch zu sein.
  14. Spengler zitiert eine lateinische Übersetzung der Lutherschen Hauspostille, die ihm als Primärquelle diente, vgl. Luther, Enarrationes Seu Postillae (1546), Bl. 196r.
  15. Die hier gebotene Übersetzung weicht erheblich von Luthers ursprünglicher deutscher Textform ab, vgl. Luther, WA 17,2 (1927), S. 121. Vermutlich hat Spengler die zitierte lateinische Vorlage dieser Passage selbst ins Deutsche zurückübersetzt.
  16. Der Beginn des lateinischen Zitats steht so nicht in der gefundenen Quelle, sondern scheint in der vorliegenden Form samt den griechischen Termini von Spengler hinzugefügt worden zu sein. Der Rest des Zitats findet sich als Fortsetzung des vorigen in Luther, Enarrationes Seu Postillae (1546), Bl. 196r. Erneut stammt die deutsche Fassung nicht von Luther. Spengler übersetzt hier auch den von ihm ergänzten Anfang des ersten Satzes.
  17. Die ganze Formulierung ist so übernommen aus Mengering, Informatorium (1644), S. 630. Mengering gibt seine Zitatquelle nicht mit konkreter Quelle und Seitenzahl an.
  18. Die Übersetzung des lateinischen Zitats scheint Spengler selbst ergänzt zu haben.
  19. Spengler bezieht sich auf die Kapitelzählung der Vulgata. In der Lutherbibel handelt es sich um Ly Bibelstelle1 Chronik 23,5 1 Chr 23,5.
  20. Spengler bezieht sich auf die Kapitelzählung der Vulgata. In der Lutherbibel handelt es sich um Ly Bibelstelle1 Chronik 25 1 Chr 25.
  21. Nach den von uns konsultierten historischen Ausgaben befindet sich das Zitat im 12. Kapitel des 7. Buchs der Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1559) M Antiquitates Judaicarum. Siehe den vollen Wortlaut der Quelle im Personenartikel Lb PersonJosephus, Flavius (37/38 – nach 100) Flavius Josephus.
  22. Mit geringfügigen Änderungen zitiert nach Vlmische Orgel Predigt (Ulm 1624), S. 10. Aus Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterichs Predigt stammt auch der Hinweis auf die Darstellung in Praetorius, Syntagma musicum 2 (1619), S. 84.
  23. Siehe den vollen Wortlaut dieser Passage im Personenartikel Lb PersonJustin der Märtyrer (ca. 100 – 165) Justinus Martyr, allerdings in einer etwas abweichenden Fassung. Spengler übernimmt sowohl die Fassung des Zitats als auch die Informationen zu Justinus Martyr aus Vlmische Orgel Predigt (Ulm 1624), S. 19, kürzt und modernisiert jedoch seine Vorlage. Auch die deutsche Übersetzung weicht von derjenigen Dieterichs etwas ab.
  24. Zitat aus Mengering, Informatorium (1644), S. 630.
  25. Fortsetzung des Zitats aus Mengering, Informatorium (1644), S. 630. Dieselbe Stelle zitiert ohne Unterbrechung auch Theodor Schneider, vgl. Das Lieblich=klingende Orgeln und Saiten=Spiel (Coburg 1676), B3v. Die ursprüngliche Quelle für dieses Exemplum findet sich in Alberus, Wider die verfluchte Lere der Carlstader (1565), S6v.
  26. Hier offenbar ein Zitat aus Mengering, Informatorium (1644), S. 628. Es handelt sich um eine Episode aus Zwinglis Leben, die häufiger in musiktheologischen Publikationen erwähnt wird, u. a. auch in Lc PredigtautorGerlach, Georg (1614–1686) Georg Gerlachs La OrgelpredigtOrganologismos (Dresden 1651) M Orgelpredigt. Als Quelle wird in anderen Texten ein Werk des Lb PersonHellbach, Albrecht von (vor 1584 – 1614) Albrecht von Hellbach angeführt, das in modernen Bibliothekskatalogen jedoch bislang nicht zu identifizieren war. Lc PredigtautorFrick, Christoph (1577–1640) Christopher Frick bezeichnet es als Filo Aegidis, vgl. Musica Christiana (Leipzig 1615), S. 39, während Lb PersonMithob, Hector (vor 1643 – nach 1680) Hector Mithobius von Filio Aegidis spricht, vgl. Mithob, Psalmodia Christiana (1665), S. 243, vermutlich in Anlehnung an Dieterich in seiner Gesangspredigt, Dieterich, Sonderbarer Predigten Erster Theil (1632), S. 221. Alle drei Autoren stimmen in der Seitenangabe (Teil 1, S. 85) überein. In der moderneren Zwingli-Biographik, die die hier genannten Überlieferungswege nicht berücksichtigt, gilt diese Episode als Legende, für die es keine belastbaren Quellenbelege gibt, vgl. Jenny, Zwinglis Stellung zur Musik im Gottesdienst (1966), S. 13–15. Die Genese der Legende und ihre argumentative Funktion scheint aber bislang nicht wirklich aufgearbeitet worden zu sein.
  27. Es handelt sich genau um den 2. Vers von Psalm 92.
  28. Vgl. ausführlicher den Ld OrgelCrailsheim, Johanneskirche, Johann Georg Allgeyer-Orgel 1709 Orgelartikel auf diesem Portal.
  29. Wenn auch verkürzt, lehnt sich diese Stelle klar an Conrad Dieterichs Formulierung an, vgl. Vlmische Orgel Predigt (Ulm 1624), S. 42.
  30. Zitat aus Vlmische Orgel Predigt (Ulm 1624), S. 40. Der letzte Satz ist gekürzt und leicht verändert.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 24. August 2020.

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