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Orgelpredigt

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a Anwander, Georg: Christliche Predigt (Tübingen 1606)

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m Ereignisse (1)

y Bibelstellen (51)

  • 1 Chronik 16
  • 1 Korinther 10,31
  • 1 Korinther 14
  • 1 Korinther 14,15
  • 1 Korinther 14,26
  • 1 Samuel 10,1–10
  • 1 Samuel 10,5–6
  • 1 Samuel 15
  • 1 Samuel 16,14
  • 1 Samuel 16,14–23
  • 1 Samuel 16,23
  • 2 Chronik 29,25–30.–
  • 2 Könige 3,15
  • 2 Könige 3,18–19
  • 2 Samuel 6
  • 2 Samuel 6,12–15
  • 2 Samuel 6,20
  • Amos 5,23
  • Amos 6,5
  • Daniel 3,51–90
  • Epheser 2,10
  • Epheser 5,16
  • Epheser 5,18
  • Epheser 5,19
  • Exodus 15,1–18
  • Exodus 16,1–3
  • Genesis 4,19–21
  • Jakobus 5,13
  • Jesaja 5,12
  • Jesaja 5,13
  • Jesaja 6,3
  • Kohelet 3,1
  • Kolosser 3,16
  • Kolosser 3,17
  • Kolosser 4,5
  • Lukas 10,41–42
  • Lukas 2,14
  • Matthäus 11,16–19
  • Matthäus 21,16
  • Matthäus 26,30
  • Matthäus 26,7–9
  • Psalmen 103,1
  • Psalmen 122,1
  • Psalmen 122,7
  • Psalmen 146,2
  • Psalmen 147,1
  • Psalmen 150,3–5
  • Psalmen 33,15
  • Psalmen 8,3
  • Richter 5
  • Weisheit 7,3

[Bl. 1r]

Titel

Christliche Predigt/
Von der Vocal vnd
Jnstrumentalischen Music (als den 4.
Septemb. Anno 1605. in der newen Euangeli=
schen Le Geographicumg Gebäude: Kaufbeuren, Dreifaltigkeitskirche Kirchen zu Le Geographicumf Ort: Kaufbeuren Kauffbeuren/ ein Ld OrgelKaufbeuren, Dreifaltigkeitskirche, Hayl-Orgel 1605 Orgel auffgerichtet) ge=
halten/ vnd in margine mit dem artificio Rhetorico,
auch am End mit einer Tabula
verfertiget/

Von
Lc PredigtautorAnwander, Georg (ca. 1559 – 1622) Georgio Anwandern/ Pfarrern Euangeli=
scher Gemein daselbsten.

Le Geographicumf Ort: Tübingen Tübingen/ Bey Lb PersonGruppenbach, Georg (nach 1571 – 1606) Georg Gruppenbach/
1606.

[Bl. 1v] [vakat]

[S. 1]

Vorrede.

Den Ehrnuesten/ Weisen/ Hochgelehrten/ Lb PersonLauber, Christoph (1559–1629) Christophoro Laubern/ Statt Ammann/ Lb PersonBonrieder, Johann Georg (1570/1575 – 1629) Johanni Georgio Bonriedern/ der Rechten Doctori/ vnd hiesiger Statt Aduocaten/ vnd Lb PersonSeuter, Erasmus (vor 1598 – nach 1606) Erasmo Suitern/ zu Le Geographicumf Ort: Kempten Kempten wohnhafft/ allen dreyen gegen einander getrewen Schwägern/ meinen sonders günstigen Herrn vnnd Junckern.

Ehrnueste/ Weise/ Hochgelehrte/ denselben seind meine trewe Dienst/ eussersten vermögens/ sampt andächtigem Gebete zu Gott/ für dero zeitliche vnd ewige Wolfahrt/ jeder zeit zuuor/ günstige Herrn vnd Juncker/ Cap. 1. der heilig Apostel Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulus sagt zu seinen Ephesern/ Ly BibelstelleEpheser 2,10 wir seyen Gottes Werck/ erschaffen in Christo Jesu/ zu guten Wercken/ zu welchen vns Gott zuuor bereitet habe/ daß wir darinnen wandlen sollen.[1] Es nennet vns der heilig Apostel anfänglich Gottes Werck: darnach zeigt er vns die end Vrsach an/ warumb wir von Gott erschaffen worden/ nämlich/ daß wir nicht nur von den guten Wercken wissen zusagen/ sondern auch in denselbigen wandlen/ oder gute Werck thun sollen. Gleich aber/ vnnd wie alle ding des Menschen halben/ der Mensch aber von Gottes wegen erschaf= [S. 2] fen ist: also soll sich der Mensch/ insonderheit solcher Werck befleissen/ durch welche der Allerhöchst gelobet werde/ wie vns dann Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Dauid offt zu solchem Lob Gottes ermahnet in seinen Psalmen: Psalm. 147. 146. Ly BibelstellePsalmen 147,1 Lobet den Herrn/ dann es ist ein köstlich ding vnsern Gott zuloben/ Ly BibelstellePsalmen 103,1 Lobe den Herrn meine Sel/ alles was in mir ist/ seinen heiligen Namen.[2] Nun aber loben wir Gott mit Wercken vnd mit dem Mund: das mündtlich Lob würdt verrichtet mit reden vnd singen: das singen durch ein natürliche vnnd künstliche Singstimm: vnd dieses letste/ durch ein mündtliche oder instrumentalische Music, vnter welche auch sollen die Orglen vnnd das Orgelschlagen gezehlet werden. Psalm. 150. Dauid sagt/ Ly BibelstellePsalmen 150,3–5 lobet den Herrn mit Posaunen/ lobet jhn mit Psaltern vnd Harpffen/ lobet jhn mit Pauggen vnd Reigen/ lobet jhn mit Saiten vnnd Pfeiffen/ lobet jhn mit hellen Cymbeln/ lobet jhn mit wolklingenden Cymbeln. In diesen Worten würdt gleichwol keiner Orgel gedacht/ vnd hat auch keiner könden gedacht werden/ seitenmal Lb PersonVergilius, Polydorus (ca. 1470 – 1555) Polydorus Virgilius sagt/ Lib. 1. de inuentor. rerum, cap. 15. daß die Musicalische Instrument/ so Dauid machen lassen/ vngleich seyen denen/ welche in vnsern Kirchen gebraucht werden. Dann Dauids Instrumenten waren von Saiten zugerichtet/ vnd mit einem Joseph. lib. 7. Antiq. cap 12[3] plectro, Griffel/ oder in andere Weg/ geschlagen.[4] Die Orgeln aber/ welche man in [S. 3] der Kirchen braucht/ werden gezogen mit Blasbälgen/ auß welchen/ gleich als durch viel Gäng/ vnnd vngleichen Pfeiffen/ die Stimm vnd Klang herauß fähret: aber nichts desto weniger/ weil die Orgel auch ist ein Musicalisches instrument/ vnd zwar das fürnembste/ so wir heutigs Tags haben/ so sollen wir solche auch zu Gottes Lob gebrauchen/ in vnserer new erbawten Kirchen einführen/ vnd anfahen nach einer Orgel trachten. Dann gleich wie in dem Kirchenbaw Gott für vns gesorget/ also hat es auch mit der Orgel geheissen/ er sorget für vns. Wie viel frommer Hertzen hat Gott erwecket/ die ettwas in die Kirchen gestifftet haben? Euch aber/ Ehrnueste/ Weise/ Hochgelehrte günstige Herrn vnnd Juncker/ ist in ewer Hertz gegeben worden/ daß E. E. E. W. vnd G. Gott zu Lob/ vnd zu vnserer Euangelischen Kirch Aufferbawung/ auff eignen Vnkosten hat ein Orgel in Le Geographicumg Gebäude: Kaufbeuren, Dreifaltigkeitskirche vnsere Kirchen richten lassen/ darfür dann E. E. E. W. vnd G. ein gantze Euangelische Burgerschafft fleissig dancket/ vnd/ wa müglich/ solches zuerwidern gedencket.

Als aber solche Orgel gemacht/ in der Kirchen auffgerichtet/ vnnd man am 4. Septembris Anno 1605. zum ersten mal in der Kirchen drauff schlagen sollen/ hab ich mich in die zeit schicken/ vnd in ei= [S. 4] ner Predigt ein Bericht geben sollen/ was von der Music in gemein/ sonderlich von der Jnstrumentalischen/ vnnd also auch Orgel Music zuhalten sey/ weil wir zuuor kein Orgel zur Verrichtung vnsers Euangelischen Gottesdiensts gebraucht haben. Solche Predigt nun/ hab ich auff vorgemelte Zeit gethon/ vnnd weil sie mit der ersten Lr QuellenAnwander, Von Bawung vnd Weyhung der Kirchen (1606) M Einweyhungs Predigt hat sollen getruckt werden/ so hab ich solche Predigt E. E. E. W. vnnd G. dediciern wöllen. Vnnd zwar wem billicher? fürwahr/ allein denen/ welche solche Orgel verlegt/ auß jhrer gemeinen Erbschafft/ vnd dann priuatim für sich selbs bezahlt/ vnnd in vnsere Kirchen gestifftet vnd verehret haben. Bitt also ich dienst freundtlich/ will auch der tröstlichen Hoffnung sein/ E. E. E. W. vnnd G. werden mirs nicht verargen/ daß ich diese meine Predigt vnd geringfügige Arbeit/ vnter derselben löblichen Namen lasse in Truck außgehen. Der Allmächtige Gott/ welcher jhm Psalm. 8.
Matth. 21.
auß dem Mund der Vnmündigen vnd Säuglingen hat ein Macht vnd Lob zugericht/[5] wölle beedes Orgel vnd Orgelpredigt/ jhr erwünschtes End erreichen lassen/ vnnd sie dahin richten/ daß hierdurch sein heiliger Nam gelobet vnnd geehret/ seiner Kirchen Nutz gefürdert/ E. E. E. W. vnnd G. sampt dero geliebten Frawen vnnd Kindern/ auff dem Weg seines [S. 7 [recte: 5]] heilsamen vnnd seeligmachenden Worts/ auch guter Gesundheit vnd glückseeliger Wolfahrt gnädig erhalten werde: welches ich von Hertzen wünsche/ vnd darneben bitt/ E. E. E. W. vnd G. wölle jhnen mich/ wie biß Dato, also auch noch länger/ in allen Gunsten trewlich lassen befohlen sein. Geben zu Kauffbeyren den 4. October Anno 1605.

E. E. E. W. vnd G.

D. W.

Georgius Anwander.

[S. 6]

In concionem de origine et vtilitate Mvsices vtrivsque.

Mvsica laeta tuas quis laudes mussitet aequas?
Nullus, credo, bonus: si bona ritè canis.
Si facis hoc, facis vt, meritò te laudo lubensque:
Tu modò conantem Magne Iehova Ivra!
Tristia pelluntur: delectat Musica mentem.
Auribus haud solis Musica blanda sonat.
Vt releuent animi facit haec W W KorrekturOriginal: sol aminesolamine alacri:
Musica laeta faue: musica moesta vale.
Te Lepidina vocat, vocat & Libitina lubenter:
Cum sis grata iocis, chara rogisque pijs.
Sed modus est modulis. Bacche & tu Musica mentem
Exhilaras, mage sed cor Sophos exhilarat.
Pectora non Fidibus, Fidei sed pectora inhaerent,
Corpus quae Menti cedere vile volunt.
Hinc Deus, & Natura sagax, Ars Aemula, utrumque
Cantandi genuit maxima facta modum.
Ergò boni finis causâ cantatur vtroque
More modque bono; Voce Manuque bona.
Quis bonus hic finis? Laudes Gratesque Iehouae;
Quas scia mens cantet, nesine mente sonet.
Verùm Hierophantae? tempus didicere boatu
Horrifico terere: & dant sine mente sonum.
Quid vagabunda cohors, patulo quae cantat in orbe?
Huic placet vt mater Musica magna gulae.
Musica non madidas adamet pro more Popinas:
Ite Popinones! Sobria Musa placet.
Et vita Laconis dictum, bone Musice, mordens
Lusciniam: vox es, praeterea nihil es.
Sed tua docta docet pia concio docte Georgi
Anvvandere Bonum, Principiumque premit:
Principium geminum: Sacrum, post hocque Profanum.
Neruosè promit: qui negat, arte neget.
Musica iure tibi cum sit laudata Georgi
Anvvandere, Bonis iure canere viris.
Munus sed reliquum est maius meliusque, precando
Quod petimus: quale est? Isaidis Cithara est.
Hanc tua pulset acri cùm concio publica mente;
Vox fugiens fiat litera pressa precor!

R. D. T.
affinis obseruantiss.
L. M. F.
Magister Lb PersonMemhart, Johann Georg (vor 1602 – nach 1628) Iohannes Georgius Memhartus Augustanus.

[S. 7]

Textus.

Paulus zun Ephesern am funfften Capitel.

Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet vnter einander von Psalmen vnnd Lobgesängen vnnd Geistlichen Liedern/ singet vnd spilet dem Herren in ewerm Hertzen.

Außlegung.
I.

I.
προοίμιον ἄτεχνον. JÜbers.: Einfache Vorrede.
Eius,
1. πρότασις θαυμαστιτικὴ
2. αἴτιον θαυμασμοῦ. JÜbers: Grund für die Bewunderung.
Ich kans Ewer Lieb vnd Andacht nicht für vngut auffnemen/ wann sie sich schon höchlich verwundert/ daß ich derselbigen erst erzehlte Wort verlesen hab. Dann weil wir heut begehen vnd halten ein gemeinen Wochen Sonntag/ so solt/ altem Christlichem Brauch nach/ das sonntägliche Euangelium verlesen vnd erklärt werden/ welches/ weil es nicht geschicht/ so habt jhr Vrsach gnug euch zuuerwundern. 3. ἐξεργασία JÜbers.: Auslegung, Bearbeitung per ἀπόδοσιν JÜbers.: Erklärung triplex. Wann jhr aber werdet in der Kirchen vmbsehen/ vnnd euch erinnern/ daß vergangne Wochen/ 1.
Organi in templo erectio.
in newes Orgelwerck herein gerichtet worden/ so werdet jhrs/ ob Gott will/ auch mir im argen nicht vermercken/ wann ich schon nachkomme der 2.
Admonitio. Ephes. 5. Pauli. Colos. 4. Salomonis. Eccles. c. 3.
W W ErratumOriginal: WarnungVermanung[6] des heiligen Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Apostels/ da er sagt: Ly BibelstelleEpheser 5,16 Richtet euch in die Zeit.[7] Lb PersonSalomo Salomon sagt/ Ly BibelstelleKohelet 3,1 es hab alle ding seine Zeit: deßhalben wie das sonntäglich Euangelium zupredigen sein zeit hat/ also hat es auff diese Stund/ Zeit vnnd Gelegenheit zupredigen von dem/ was man vor augen sihet/ 3. Opinio de organo sinistrè iudicantium. sonderlich dieweil so vngleiche Vrtheil [S. 8] von solchem gefellet vnd gehöret werden. Ihren vielen ist/ wie den Jüngern in der Matth. 26. W W ErratumOriginal: Passion:passion:[8] Ly BibelstelleMatthäus 26,7–9 da ein Weib in dem Hauß Simonis des Aussetzigen/ auff das Haupt des Herrn Christi ein Glaß mit köstlichem Wasser außschüt/ werden sie vnwillig vnd sprechen/ warzu dienet diser vnrath/ dises Wasser het können verkaufft/ vnd den Armen gegeben werden: Also sagen jhr viel vnter euch/ was darff es des grossen Vnkostens/ seind wir hieuor ohn ein Orgel gewesen/ wir könten jetz auch ohn eine sein/ das Gelt/ so an die Orgel gewendt würdt/ köndte wol nutzlicher angelegt werden. Andere sagen/ gleich wie sich die Exod. 16. Israeliter in der Wüsten nach den alten Fleischhäfen in Egyptenland vmb gesehen/[9] also wässeren vns die Zeen nach dem alten Papsthumb/ da man mit singen vnd klingen/ mit Orgeln vnd Posaunen die meiste zeit hat zugebracht/ vnd was sonsten mehr klagens vnd sagens gehört würdt.

II.
Διήγησις, JÜbers.: Erörterung. breuiter percurrens textum, loquentem de Musicae
Dises vnd anders nun abzuleinen/ vnd ettlicher massen die vnzeitige Vrtheil zubegütigen/ so muß/ nach gelegenheit vorstehender zeit/ etwas von der Music vnd dem musiciren gesagt werden. Damit wir aber vrsach vnd anlaß haben von solchen füglich zureden/ so hab ich Ewer Lieben diese jetz verlesne wort für halten wöllen. Sintemal in denselbigen der Heilige Apostel Paulus redet von der Music: er redet aber von solcher durch ein gegensatz: dann er mahnet die Epheser vnd vns alle ab von der Füllerey vnd Trunckenheit/ in dem er sagt: Ly BibelstelleEpheser 5,18 Saufft euch nit vol Wein/ darauß ein vnordenlich Leben volgt: auff diese abmahnung setzt er ein gegensatz/ ermahnungs weiß/ vnd sagt: Wann wir je wöllen voll sein so sollen wir werden nicht voll Weins/ Ly BibelstelleEpheser 5,18 sondern voll Geists/ welches aber alsdann geschehe/ wann wir vns auffmuntern durch die [S. 9] Music. I. Diuisione est Diese Music macht er zweyerley: das ein heißt er Singen/ das ander heißt er Spilen: durch das singen verstehet er die Music/ welche durch Vocalis. menschliche Stimm verrichtet würdt/ es verrichts gleich einer allein/ oder jr viel auff ein gemeine weiß: oder aber nach der Kunst/ welche eine ist auß den sieben freyen Künsten/ vnd Musica genennet würdt: Durch das Spilen verstehet er/ nicht das Spilen mit der Karten oder Würffeln/ sondern Instrumentalis. Musicam Instrumentalem, ein solche Music/ welche vom Menschen durch allerley Instrument, als/ Orglen/ Geigen/ Pfeiffen/ W W ErratumOriginal: Positiffpositiven[10] verrichtet würdt: auff diese zween weg sollen wir musiciren/ dem Herrn/ das ist/ dem Allmächtigen Gott/ nicht auff ein gleisnerische art/ sonder von Hertzen/ II. Modo. daß nicht nur Zung/ der Mund/ oder die Instrumenta gehen/ sondern daß wir von hertzen Singen vnd Spilen dem Herrn. III. Obiecto.
Ἄρσις
 JÜbers.: (Auf-)Hebung.
Was sol man aber singen oder spilen? Vielleicht weltliche zotten vnd possen/ Landsknecht/ Reuter/ Zech vnd Bulliedlein? Nein/ sondern Psalmen/ Lobgeseng vnd geistliche Lieder. Vnd sehet jr also/ daß wir von dem Heiligen Apostel Paulo selbs Θέσις JÜbers.: Behauptung. zur Vocali vnd Instrumentali Musica ermanet werden/ daß wir dem Herrn von hertzen musiciren sollen/ beedes mit gewohnlichem vnd künstlichem Gesang/ vnd dann auch mit allerley Jnstrumenten. Weil vns dann der H. Apostel Paulus so guten III.
κατάστασις.
 JÜbers.: Feststellung.
anlaß gibt zureden von der Music/ so wöllen wir solche gelegenheit nicht versaumen/ sondern auff dißmal von der Music reden auff folgende weiß: Erstlich darthun vnd erweisen/ daß die Music in der Christlichen Kirchen ein feiner Wolstand: zum andern/ daß sie auch ein nutzliche verrichtung sey: Zum dritten/ auff was weiß vnd maß aber sie müssen angestellet werden/ wann sie ein wolstendige vnnd nutzliche verrichtung sein solle.

[S. 10] Der Vatter des Liechts/ von welchem alle gute Gaaben herkommen/ wölle vns verleihen die Gnad seines Geists/ daß wir von dieser Gaab ettwas nutzlichs reden vnd handlen/ Amen.

IV.
Κατασκευὴ ἢ ἔπαινος, JÜbers.: Einrichtung oder Lobrede.
I. Honestatis, musicae,
1. Vocalis. ab
Die heilig Göttlich Schrifft sagt vns von zweyerley Music: eine/ welche durch menschliche Stimm: Die ander/ welche durch aller Hand vnnd mancherley Jnstrument verrichtet würdt: von beeden muß probirt werden/ daß sie seyen ein feiner vnd nutzlicher Wolstand in der Christlichen Kirchen.

Was derowegen anlangt die Music von menschlicher Stimm angestellet: I. Antiquitate
id est,
a. Origine.
so ist solche gar ein altes herkommen/ vnd dem Menschen von dem Allmächtigen Gott selbs in der ersten Erschaffung eingepflantzet. Dann weil Gott der Herr dem Menschen ein Stimm gegeben/ mit welcher er Wort machen/ daß andere seine Red vernemen künden: so hat er jhm auch diese Gnad gegeben/ daß er b. Natura vocis humanae. seine Stimm zum Gesang richten/ vnd das/ was er redet/ auch singen vnnd musiciren kan. Dann es erfolgt eins auß dem andern/ vnnd trägt eins das ander auff dem Rucken. Wir sehen das in der Erfahrung. Salomon sagt: Sap. 7[11] Ly BibelstelleWeisheit 7,3 Vnser erste Stimm seye weinen/ vnd eignet also ein Stimm zu den kleinen ohnmündigen Kindern/ so bald sie auß Mutter Leib geboren werden. Exemplo infantum. Wie sie aber nun in Krafft dieser Stimm gleich künden weinen: also bringen sie gleich auß Mutter Leib einen Anhang/ welcher zum singen taugenlich vnd dienstlich ist: vnnd haben gleichsam ein Verstand darauff/ wann sie in der Wiegen ligen/ vnd ander Leut singen/ daß sie entschlaffen/ oder daß sie sich selbs entschläffen durch das murmlen/ das sie mit sich selbs treiben. Waher kompt das? Fürwahr allein daher/ daß sie nicht allein für sich selbs [S. 11] ein natürliche Neigung zum Gesang haben/ sondern auch auß solcher natürlichen Zuneigung mercken/ wann andere Leut singen/ vnnd sich dardurch zum Schlaff bewegen lassen.

c. Pronunciatis Ethnicorum. Daher haben es auch die Heiden war genommen/ daß den Menschen die Music, vnnd das singen von Natur eingepflantzet sey: dann auß dieser Vrsach hat der Sinnreich Lb PersonAristoteles (384 – 322 v. Chr.) Aristoteles gesagt/ daß Menschliche Gemüt sey zusamen gesetzt ex concentu & harmonia. Lb PersonPlato (428/427 – 348/347 v. Chr.) Plato vnd Lb PersonSokrates (469 – 399 v. Chr.) Socrates sollen gesagt haben/ vnsere Seel/ welche in vnsern Leib versenckt sey durch ein tieffen Schlaff/ werde auffgeweckt durch die Music. Es ist auch daher kommen/ daß man zu jeden/ vnd allen zeiten Leut gefunden/ die Lust vnd Liebe zu dieser Music gehabt/ vnnd sie auch geübet haben. II.
Experientia per μερισμὸν JÜbers.: Unterscheidung.
Es haben gesungen Engel/ vnd Menschen. Angelorum. Die Engel/ da sie/ nach dem Christus geboren/ Gott lobten: Ly BibelstelleLukas 2,14 Ehr sey Gott in der Höhe/ Fried auff Erden/ vnd den Menschen ein Wolgefallen: Hominum vnter den Menschen haben gesungen/ Mann vnd Weibs Personen. Virorum. Manns Personen/ Patriarchen/ als Lb PersonMoses Moses: König/ als Dauid: Propheten/ als Lb PersonDaniel Daniel/ die drey Männer im feurigen Ofen/[12] Lb PersonZacharias Zacharias/ Lb PersonSimeon Simeon/ so gar die Apostel des Herrn/ Matth. 26. Ly BibelstelleMatthäus 26,30 da sie den Lobgesang gesprochen haben. Mulierum. Weiber/ als Lb PersonDebora Debora, Lb PersonHanna Hanna, Lb PersonMaria Maria mit jhrem Magnificat, wie ohn allen zweiffel/ das singen in der ersten Kirchen des Newen Testaments/ noch zur Apostel Zeit gebräuchlich gewesen ist: στοχασμὸς JÜbers.: Vermutung. Dann das kan man abnemen auß verlesnem Text/ da Paulus die Epheser ermahnet/ sie sollen Ly BibelstelleEpheser 5,19 vnter einander reden von Psalmen/ Lobgesängen/ vnd Geistlichen Liedern/ welches er auch wiederholet Ly BibelstelleKolosser 3,16 Colos. 3. vnd 1. Cor. 14. Ly Bibelstelle1 Korinther 14,15 Ich will Psalmen singen im Geist/ ich will Psalmen singen mit dem Sinn:

[S. 12] Item bald hernach: Ly Bibelstelle1 Korinther 14,26 Wann jhr zusammen kommet/ so hat ein jeglicher Psalmen. Jacobi am fünfften Capitel: Ly BibelstelleJakobus 5,13 Ist jemands gutes muhts/ der sing Psalmen. Διορισμὸς JÜbers.: Unterschied temporis inchoati musicae vsus in Ecclesia. Orientali Die Kirchen gegen Auffgang der Sonnen/ haben die Music vnnd das Gesang gleich im anfang angenommen/ wie solches Lb PersonPlinius Secundus (ca. 62 – ca. 115) Plinius bezeuget/ in einer Epistel an den Römischen Keyser Lb PersonTraianus, Marcus Ulpius (53–117) Trajanum geschrieben/ da er sagt: Daß die Christen am morgen frühe zusammen kommen/ vnd jhrem Gott zu Ehren Psalmen singen:[13] Ja Lb PersonTertullianus, Quintus Septimius Florens (nach 150 – nach 220) Tertullianus Apol. 39. bezeuget/ daß sie jhren Glauben geübet vnd bekandt/ nicht allein in der Kirchen/ sondern auch zu Hauß vnnd zu Feld/ vnnd wa sie in jhrem Beruff geweßt/[14] vnnd sagt Lb PersonHieronymus, Sophronius Eusebius (347–420) Hieronymus/ daß zu seiner zeit auch der Bawrsmann hinder dem Pflug aliquid Dauidicum ein Psalmen Dauids gesungen hab:[15] Vnnd haben also die Kirchen gegen Auffgang der Sonnen die Music alsbald angenommen. Occidentali Was aber die Kirchen gegen Occident/ gegen dem Nidergang der Sonnen anlangt/ so haben zwar dieselbige/ die Music nicht so geschwind/ aber doch endtlich auch angenommen/ wie Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustinus Lib. 9. Confess. bezeuget zur zeit des alten Kirchenlehrers Lb PersonAmbrosius von Mailand (339–397) Ambrosij. Dann als dieser fromme Lehrer/ sich mit seinen Zuhörern auch bey der Nacht in der Hauptkirchen musten auff halten/ daß sie von den Arianern nicht vberfallen wurden/ haben sie anfangen singen/ welcher Brauch hernach in alle Kirchen/ so in Occident gelegen/ ist eingeführet worden.[16] Vnnd ist also dieses ein herrlicher Wolstand/ daß die Music/ so mit menschlicher Stimme verrichtet/ noch heutiges Tags in der Christlichen Kirchen geübet vnnd erhalten würdt.

[S. 13] 2. Instrumentalis ab Gleich aber wie es ein zierlicher Wolstand vmb die Musicam vocalem/ vmb die Music/ welche durch Menschliche Stimm verrichtet würdt: Also auch vmb die/ welche man mit allerhand Jnstrumenten zuwegengebracht. Dann diese Jnstrumentalische Music ist auch ein alte Erfindung. Genesis am vierdten lesen wir/ daß 1. Ortu pertinente per filium Lamech Ly BibelstelleGenesis 4,19–21 Lb PersonLamech Lamech zwey Weiber genommen/ die ein hab geheissen Lb PersonAda Ada/ die ander Lb PersonZilla Zilla: Von der Ada hat er bekommen zween Söhn/ der erst hat geheissen Lb PersonJabal Jabal/ von welchem seind herkommen die in Hütten wohneten vnnd Viehe zogen. Der ander hat geheissen Lb PersonJubal Jubal/ von dem seind herkommen die Geiger vnd Pfeiffer. Jn der lateinischen Bibel heißt es also: Ipse fuit Pater canentium Cythara & Organo, das ist/ Jubal ist ein Vatter derer/ welche auff der Cyther vnd Orgel schlagen: Lib. 1. Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1540) M Antiquit. cap. 4. Lb PersonJosephus, Flavius (37/38 – nach 100) Iosephus glossirt diese wort also: Lr QuellenJosephus, Antiquitates (1540) M Iubal Musicam coluit, & Psalterium Cytharamque laudauit, Jubal hat die Music geehret/ vnnd die Cyther vnnd Psalter gelobt.[17] Vnd läßt sich ansehen/ als wann Gott selbs dieser Jnstrumentalischen Music Vrsprung vnnd erfinder sey. Dann gleich wie er dem Menschlichen Geschlecht all andere Künst gegünnet vnd geschencket hat: Also ist kein zweiffel/ daß Gott auch die Jnstrumentalische Musickunst den Menschen/ vnd zum ersten dem Jubal eingegeben hab. Dann das bringt mit sich der nam Jubal/ welcher (ob er wol eines Gottlosen Menschen Sohn gewesen) heisset ein ding herfürbringen/ als wie ein Wasserbrunnen auß einem finstern Ort. Ad Deum. Ist also Gott der recht Jubal/ der/ welcher den Jubal die Jnstrumentalische Musickunst gelehret hat. Diese Kunst ist aber hernach von dem Jubal auff seine Nachkommen gereicht [S. 14] 2. Frequenti vsu apud vnnd von Menschen zu Menschen erweitert/ vermehret/ vnnd von Tag zu Tag gebessert/ vnd bey den β. Gentes. Heiden in grossen Ehren gehalten worden. Dann neben dem/ daß sie solche Musicae. Jnstrumentalische Music Kunst/ vnd jhr Erfündung jhren Heidnischen Göttern zugeschrieben/ so haben sie auch solche Kunst für ein grossen Wolstand gehalten. Diese Kunst hat bey den Griechen sehr viel Artifices. kunstreicher Meister gehabt/ Lb PersonLinos Linum, Lb PersonOrpheus Orpheum, Lb PersonArion Arionem, vnd andere.[18] Ja grosse Herrn[19] haben sich beflissen Amatores. solche Jnstrumentalische Music zulernen/ Lb PersonKimon (ca. 510 – 449 v. Chr.) Cimon Lb PersonMiltiades (ca. 550 – ca. 489 v. Chr.) Miltiadis Sohn vnnd Lb PersonEpaminondas (ca. 418 – 362 v. Chr.) Epaminundas, seind allen Griechischen Fürsten fürgezogen worden/ weil sie wol in dieser Kunst geübet waren.[20] Lb PersonAchilles Achilles schlägt auff der Cyther/ als er dem Feind einen Raub abgejagt.[21] Welche aber auff solche Jnstrumentalische Music nichts gehalten/ die seind für barbarische grobe Leut gehalten worden. Amplificatio per exemplum contrarium. Dieses ist begegnet dem Scythischen König mit Namen Lb PersonAtheas (ca. 429 – 339 v. Chr.) Ateas, derselbige het einmals hören musiciren Lb PersonIsmenias Ismeniam, ab welches Kunst alle/ so jhn gehört/ höchlich sich verwundert haben/ er aber sagt/ er wolt lieber hören die Roß schreien/ als diesen musiciren.[22] Diese Red ist jhm für ein grossen Vnuerstand gerechnet worden: vnd zwar das nicht vnbillich. γ. Populum Dei. Dann diese Jnstrumentalische Music vnter dem Volck Gottes/ ist in vollem Schwanck gegangen: Dauid.
Ly Bibelstelle2 Samuel 6 2. Sam. 6.
als Dauid die Bundsladen auß dem Hauß Lb PersonAbinadab Abinadab liesse abfordern/ stehet geschriben/ daß er vnd das gantze Hauß Jsrael/ vor dem Herrn mit allerley Seitenspiel/ mit Harpffen vnnd Psaltern/ Paucken/ Schellen vnd Cymbaln gespilet haben: vnd als er in das Regiment gekommen/ hat er die Jnstrumentalische Music erst recht angericht/ auß Anstifftung Ly Bibelstelle1 Chronik 16 1. Paralip. 16. der Propheten Lb PersonNathan Nathan vnnd Lb PersonGad Gad.[23] Dann Lb PersonAsaf Asaph/ Lb PersonHeman He= [S. 15] man/ vnnd Lb PersonEtan Ethan musten die Psalmen schlagen auff Cymbalen. Andere/ welche auch mit namen genennet werden/ musten auff Harpffen mit acht Saiten die Lobgesäng vorspilen: Vnd dann die dritten/ welche auff Psaltern mit zehen Saiten/ die vorige Psalmen nachgeschlagen haben/ vnd seind dieser aller wol gewesen vier tausent. Salomon, etc. So lesen wir auch/ daß Salomon/ Lb PersonHiskija (ca. 750 – 696 v. Chr.) Ezechias/ Lb PersonJoschija (ca. 640 – 609 v. Chr.) Josias ob dieser Music ernstlich gehalten/ daß Lb PersonNehemias (fl. 444 v. Chr.) Nehemias nach der Babylonischen gefängnus jhr wider auff die Füß geholffen/ vnd daß solche biß zu der Macchabeer zeit gewehret habe.

Ἀμφισβήτησις JÜbers.: Zweifel. num haec Musica Apostolorum tempore fuerit vsitata. Was aber die zeit des Herrn Christi vnd seiner Apostel anlangt/ ob man wol nicht so gar eigentlich wissen kan/ ob zu jhrer zeit in der Kirchen Gottes die Jnstrumentalisch Music sey im schwang gegangen/ jedoch so kan man solches ettlicher massen muthmassen/ auß den verlesnen worten/ da Paulus sagt: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Singet vnd spilet/ im Griechischen ἂδοντες καὶ Ψάλλοντες: nach welchem es hiesse: Singet vnd psalliret dem Herrn. Von dem letsten wörtlein ψάλλοντες kommet her das wörtlein Psalm/ Psalm aber/ heist nach Griechischer art/ ein Gesang/ in gewisse Reimen vnd Versus abgesetzt/ daß man auff der Harpffen oder anderm Seitenspil hat schlagen vnd darzu singen könden: Nun diesem aber sey wie jm wölle/ Ἔκθεσις, JÜbers.: Auseinandersetzung quando Musica organica coeperit vsurpari. es sey die Jnstrumentalisch Music in der ersten Kirchen des Newen Testaments gar nicht im schwang gegangen/ oder nicht sehr/ jedoch so weißt man/ daß vmb die zeit/ als man vngefahrlich gezelet hat/ nach Christi Geburt 657. andere/ 661. das Orgelschlagen ist in der Kirchen Gottes geübet worden/ vnter dem Papst Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitaliano: Dann das bezeugt Lb PersonPlatina, Bartolomeo (1421–1481) Platina, ein Papistischer Scribent in Vita Vitaliani/ da er sagt/ pag. 76. [S. 16] Libr. 4. Festorum. Lr QuellenPlatina, De vita pontificum (1529) M Cantum ordinauit adhibitis consonantiam Organis,[24] er hat das Gesang verordnet/ auff die weiß/ daß man die Orgel darein schlage/ wie es auch gleichsfals Lb PersonMantuanus, Baptista (1447–1516) Baptista Mantuanus bezeugt/ sagend:

Lr QuellenBale, Acta romanorum Pontificum (1558) M Signius adiunxit molli conflata metallo
Organa, quae festis resonant ad sacra diebus.
[25]

Der Papst Vitalianus/ welcher ein W W ErratumOriginal: SigniferSigniner[26] auß Campania war/ hat zur W W KorrekturOriginal: vocativocali Musica gethon die Orgeln auß weichem Metall gegossen/ welche an Feyrtagen in der Kirchen bey verrichtung des Gottesdiensts geschlagen worden: vnd von diser zeit an ist die Jnstrumentalisch/ sonderlich aber die Orgelmusic biß auff diese zeit in der Kirchen Gottes erhalten worden. ὑποφορὰ, JÜbers.: Vorwand (Grund) an musica illa sit in rebus medijs habenda. Allhie aber ist die frag/ ob man die Orgeln/ oder auch andere Jnstrumentalische Music in der Kirchen Gottes haben müsse/ ob es ein Sünd sey/ wann mans nicht habe: vnnd laßt sich ansehen/ als wann Gott der Herr in seinem Wort diese Jnstrumentalische Music tadle vnnd verwerffe. Dann Esa. Cap. 5. schreyet der Prophet wehe vber die/ welche Ly BibelstelleJesaja 5,13 haben Harpffen/ Psalter/ Paucken. Vnd Amos Cap. 9, vber die/ welche Ly BibelstelleAmos 6,5 spilen auff Psalter/ vnd erdichten Lieder/ wie Dauid.[27] Hier auff ist aber zuwissen/ daß man in der Kirchen Gottes die Orgeln vnnd andere musicalische Jnstrument nicht haben müsse: Wie mans aber nicht haben muß: also darff vnnd kann mans wol haben vnd gebrauchen ohn Sünd.

Ἀνθυποφορὰ JÜbers.: Gegen-Vorwand (Grund) per quam dicta Esaiae & Amos contra ἀδιαφορίαν JÜbers.: Gleichgültigkeit. illam in specie pugnantia, soluuntur per Διάκρισιν JÜbers.: Unterscheidung. vsus & abusus. Was aber anlangt die Wort Lb PersonJesaja Esaiae vnd Lb PersonAmos Amos/ so reden dieselbige nicht vom rechten Gebrauch/ sondern nur von dem Mißbrauch. Der Prophet Esaias redet von dem/ wann man Harpffen/ Psalter/ vnd Paucken gebraucht zum vollsauffen. Dann das bezeugen vorgehende/ vnnd nachfolgende wort. Die vorgehende wort [S. 17] seind diese/ Ly BibelstelleJesaja 5,12 wehe denen die des Morgens früh auff seind/ des Sauffens sich fleissigen/ sitzen biß in die Nacht/ daß sie der Wein erhitzigt. Nachfolgende wort seind dise: Ly BibelstelleJesaja 5,13 vnd haben Wein in jrem Wolleben/ vnd sehen nicht auff das Werck des Herrn/ vnd schawen nicht auff das geschäfft seiner Händ. Amos aber redet von dem/ wann man sie braucht nit nur zur Füllerey/ sondern auch sonst zu allerhand Wollüsten/ welche da seind Augenlust/ Fleischeslust/ vnd hoffertiges Leben/[28] vnd wöllen vnter des darfür angesehen sein/ als wann sie es dem Königlichen Propheten Dauid nachthäten/ welcher doch seine Harpffen/ Cymbalen vnd Psalter nicht zu vngebürlichem Wollust/ sondern zu Gottes lob/ vnd zu Erbawung der Kirchen angerichtet hat. Weil dann nun disem also/ so folgt/ daß auch dieses ein löblicher Wolstand sey/ wann auch die Orgel vnd andere Musicalische Jnstrument in der Kirchen Gottes gebraucht werden.

II.

II. Vtilitatis vtriusque ab effectibus. Weil aber die beederley vor erzehlte Musicken/ so ein löblicher Wolstand in der Christlichen Kirchen seind/ so kan es nicht fehlen/ diser Wolstand muß auch nutzlich sein/ Musica nach der Lehr des Lb PersonCicero, Marcus Tullius (106 – 43 v. Chr.) Ciceronis l.2 offic. welcher sagt: Ln LiteraturCicero, Vom rechten Handeln (2001) M Quicquid honestum, idem etiam vtile: 1. Excitat was ein Wolstand ist/ das ist auch nutzlich.[29] Deßhalben so ist jetzund die frag/ ob dann die mündtliche vnd Jnstrumentalische Music auch einen nutzen hab: Allhier könt wol geantwortet werden: Deus & Natura nihil faciunt frustra: Gott vnnd die Natur schaffen nichts ohn vrsach/ sondern zu einem gewissen End.[30] Weil dann nur die Music von Gott herkompt/ vnd darzu dem Menschen von Natur gleichsam eingepflantzet ist/ so würdt sie Gott vnd die Natur auch zu einem gewissen Nutzen [S. 18] geordnet haben. Aber an dieser Antwort ist man nicht vergnüget/ sondern man fraget von stund an/ warzu sie dann nutze. Allhie nun soll Ewer Lieb vnd Andacht wissen/ daß die Music nicht nur die Ohren fülle/ sondern א Mentem. sie beweget auch das menschliche Hertz/ nimbt dasselbig ein/ vnd hat gleichsam ein heimliche Krafft/ es zuziehen/ zulencken/ vnd zuführen/ wohin sie will.

Magnes. Dann ein rechte liebliche Music/ ist gleich einem Magneten: gleich wie derselbige das Eysen an sich zeucht: Also die Vocal vnnd Jnstrumental Music/ die bewegt manches menschliches Hertz also/ daß es gleichsamb in sich selber verzuckt an Leib vnd Seel/ Gemüt vnd Blüt verrucket ist. Musica obscoena. Vnd so die Music/ auch wann sie mißbrauchet würdt/ der menschen Hertz anzündet zum Bösen: Wie viel mehr beweget der rechte gebrauch ב Deuotam laetitiam. der Music die Leut zum guten: Sie erwecket in dem Menschen ein hertzliche freud/ wie Lb PersonJakobus ( – 44 (Sterbejahr)) Jacobus sagt: Iacob. c. 5. Ly BibelstelleJakobus 5,13 Jst jemand guts muths/ so sing er Psalmen. 2. Sam. 6. Das Exempel sehet jhr am Dauid/ als er die Lade des Herrn herauffbringen lassen auß dem Hauß Lb PersonObed-Edom Obededom in die Le Geographicumf Ort: Jerusalem Statt Dauid/ da musicirt man. Was bringet solche Dauid. Music bey dem Dauid zuwegen: Sie bewegt jhm Leib vnd Seel/ daß er frölich würdt in dem Herrn/ daß er sich gürtet mit einem leinen Rock/ daß er dantzet mit aller macht vor dem Herrn her/ daß sie die Laden herauff führen mit jauchtzen.[31]

ג Spiritum Propheticum. Die Music hat im Alten Testament in den Propheten den Prophetischen Geist erwecket.[32] 1. Sam. 10. Da Lb PersonSamuel Samuel den Lb PersonSaul (fl. 1000 v. Chr.) Saul zum König vber des Herrn Erbtheil gesalbet hat/ heißt er jhn heimziehen/ sagt/ er werde zum Saul. ersten kommen zum Grab Lb PersonRachel Rachel/ darnach zu der Aichen Le Geographicumj Gebirge: Tabor (Berg) Thabor/ vnd darnach auff den Hügel Gottes/ [S. 19] da der Philister Laeger ist: noch weiter sagt er/ vnnd wann du daselbs in die Statt kommest/ Ly Bibelstelle1 Samuel 10,5–6 würdt dir begegnen ein hauffen Propheten von der Höhe herab kommend/ vnd vor jhnen her ein Psalter vnd Paucken vnd Pfeiffen vnd Harpffen/ vnd sie weissagend/ vnnd der Geist des Herrn würdt vber dich gerahten/ daß du mit jhnen weissagest/ da würst du ein anderer Mann werden. Vnd da Saul an diesen Hügel Gottes kam/ da kam jhm ein Propheten hauffen entgegen/ vnd der Geist Gottes gerhiet vber jhn. Was seind das für Propheten gewesen: Es waren vor zeiten im Alten Testament mancherley Propheten: ettlich weissagten von zukünfftigen dingen: ettliche legten die Schrifft auß: ettliche haben den Herrn mit Psalmen/ Lobgesängen/ vnd Geistlichen Liedern gelobt vnnd gepriesen/ auch jhre Zuhörer gelehret/ vnterrichtet/ vnd getröstet/ von welchen Paulus redet Ly Bibelstelle1 Korinther 14 1. Corinth. 14. Vnnd solche Propheten seind die auch gewesen/ welche dem Saul auff dem Hügel Gottes begegnet gewesen seind: Weil aber darbey stehet/ daß sie auch geweissagt haben/ so haben sie sich selbs auffgemuntert/ daß der Propheten Geist noch stärcker auff sie gefallen/ vnd daß auch Saul hat angefangen zuweissagen. Was geschicht dem Elisaeus. Lb PersonElisa Elisaeo? Lb PersonJoschafat (ca. 870 – 849 v. Chr.) Josaphat will von jhm wissen/ ob er/ vnnd Lb PersonJoram Joram der König in Jsrael/ vnd der König der Edomiter/ sollen wider den König der Moabiter ziehen? Da sagt er: Ly Bibelstelle2 Könige 3,15 Bringt mit her ein Spilmann/ vnd da der Spilmann auff der Saiten spilet/ kam die Hand des Herrn auff jhn/ vnd fangt an weissagen/ sie sollen 2. Reg. 3. nur fortziehen wider die Moabiter/ dann der Herr werde sie in jhre Hand geben/ Ly Bibelstelle2 Könige 3,18–19 daß sie schlagen werden alle veste vnd ausserwehlte Stett/ sie werden fellen alle [S. 20] gute Bäum/ verstopffen alle Wasserbrunnen/ vnd alle gute Ecker mit Stämmen verderben/ welches auch geschehen.

2. Docet. Die Music lehret vns/ wie Paulus Coloss. 3. schreibt: Coloss. 3. Ly BibelstelleKolosser 3,16 Lehret vnd ermahnet euch mit Psalmen: Musicirt man Psalmen/ Lobgesäng vnd geistliche Lieder/ so vnterrichten sie vns im Glauben vnd im Leben/ sintemal der Heilige Geist kräfftig ist durch das Wort/ man sags oder sings. 3. Consolatur. Es lehret vns die Music nicht allein/ sondern sie tröstet vns auch/ bistu kleinmütig/ sing ein Psalmen/ musicir jhm durch mündtliche oder jnstrumentalische Music/ er würdt dich trösten. Dessen lesen wir ein feine Historien.[33] Exemplo matronae parturientis. Zu Le Geographicumf Ort: Torgau Torgaw fünff meil von Le Geographicumf Ort: Wittenberg Wittenberg/ hat auff ein zeit ein ehrliche Fraw hefftig zum Kind gerungen/ es auch zimblich lang getriben/ vnd hat die sach so vbel außgesehen/ daß man vermeint/ es werde Mutter vnnd Kind bey einander bleiben: Als man aber mitten in der grösten not stecket/ kamen ettlich Schulerbüblein für dasselbige Hauß/ fangen an vmb ein Allmusen zusingen/ den 130. Psalmen: Lw MusikwerkLuther, Martin: Aus tiefer Not schrei ich zu dir Auß tieffer Not schrey ich zu dir. Die zur Geburt ringende Fraw merckt fleissig auff/ vnd da die Schulerbuben singen diß gesetzlin: Vnd ob es werth biß in die Nacht/ vnd wider an den Morgen/ so soll mein Hertz an Gottes Macht/ verzweiffeln nicht noch sorgen/ er ist allein der getrewe Hirt/ der Jsrael erlösen würdt/ von seinen Sünden allen: Da/ sag ich/ die Fraw dise wort höret singen/ nur wolan/ sagt sie/ so will ich jm auch also thun/ ob es schon wehret biß in die Nacht/ vnd wider an den Morgen/ so sol mein Hertz auch an Gottes Macht/ verzweiffeln nicht noch sorgen/ Herr du bist der getrewe Hirt/ vnd ich bin ein Jsraelitin/ das ist/ ein Christin/ darumb so wirstu mich auch auß dieser Not erlösen.

[S. 21] Sehet wie trefflich ist diese Christliche Fraw getröstet worden/ durch der Schulerbuben Music/ da sie den 130. Psalmen gesungen haben: Ja sie ist durch dises Gesang nicht nur kräfftiglich getröstet/ sondern auch alsbald auß jhrer Not erlöset worden.

4. Expellit
1. Tristitiam in Saule.
Dargegen gleich wie die Music in des Menschen Hertzen erwecket freud/ Andacht/ Prophetischen Geist/ lehret vnd tröstet/ also benimpt sie auch den Menschen traurigkeit/ wie wir sehen ein Exempel an dem Saul/ 1. Sam. 16. derselbig verschonete wider Gottes Gebot Lb PersonAgag Agags des Königs des Amalekiters.[34] W W ErratumOriginal: Gott verwirfft jhn/Gott verwirfft jhn/ so bald er von Gott verworffen/[35] Ly Bibelstelle1 Samuel 16,14 weicht der Geist des Herrn vom Saul/ vnd ein böser Geist vom Herrn macht jhn sehr vnrüwig/ traurig/ Melancholisch/ in allen seinen Wercken verstürtzt/ daß er jm selbs weder zurahten noch zuhelffen weißt: vnd ohn allen zweiffel/ haben seine Hoffartzet allerley mittel versucht/ ob sie jm könten solche traurigkeit vnd melancholische weiß vertreiben: aber alles vmbsonst vnd vergebens. Dann diß war kein natürliche Kranckheit/ wie etwan sonst einer zur Melancholy vnd Traurigkeit geneigt ist/ sondern der böß Geist rit vnd trib jn. Als nun die Artzet an aller jhrer Kunst verzagten/ thun sie jhm ein solchen fürschlag/ er solle in seinem Königreich ein Menschen suchen lassen/ der auff der Harpffen wol spielen künde/ durch welches Harpffen schlagen es besser mit jm werde/ wann der böse Geist Gottes vber jn komme. Saul laßt jm diesen fürschlag gefallen: einer zu Hoff gibt den Dauid an/ er könde wol auff dem Saitenspil/ vnd Gott sey mit jm. Saul laßt jn von stundan von seinem Vatter Lb PersonIsai Jsai abfordern/ vnd bitten/ daß er jhn bey jhm zu Hoff bleiben lassen wölle: vnd ist also Dauid Sauls Harpffenist. Was geschicht? Die Schrifft sagt: Ly Bibelstelle1 Samuel 16,23 Wann der [S. 22] Geist Gottes vber Saul kam/ so nam Dauid die Harpfen/ vnd spilet mit seiner Hand/ so erquicket sich Saul/ vnd war besser mit jhm. Da höret jhr/ was Dauid mit seiner Jnstrumental Music bey dem Saul außgericht/ nemlich/ Forcht/ Traurigkeit/ vnd Melancholy hat er vertrieben/ mit welcher er sonst vom bösen Geist vbel geplaget ward.

2. Iram. Die Music vertreibet auch den Zorn/ vnd beweget den Menschen zur kaltsinnigkeit vnd sanfftmuth/ daß er jhm selbs abbricht/ seine zornige affect im zaum helt/ daß sie auß dem Hertzen nicht ins Werck außbrechen. Das haben auch die Heyden verstanden. Dann wir lesen von einem Lr QuellenZwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586] M Pythagorischen Philosopho/ mit namen Clinias. Lb PersonKleinias von Tarent Clinias/ daß wann er etwan zum Zorn beweget worden/ er aber den Zorn nicht wolt gern lassen außbrechen/ sondern sich selbs vberwinden/ daß er alsbald die Cyther gestimmet/ vnd auff derselbigen geschlagen habe. Vnd als er gefraget war/ warumb er auff der Cyther schlüg/ wann er am allerzornigsten were/ hat er geantwortet/ durch diese Music verendere er sein Zorn in Sanffmütigkeit.[36] Lb PersonPlutarch (ca. 45 – ca. 125) Plutarchus schreibt/ Lr QuellenZwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586] M daß Lb PersonTimotheus (Musiker) Timotheus Pythonista Alexander. Lb PersonAlexander der Große (356 – 323 v. Chr.) Alexandrum den grossen Griechischen Keyser mit seiner lieblichen Music so gewaltig bewegt hab/ daß er vom Tisch auffgestanden/ den Spieß in die Hand genommen/ gleich als wann er den Feind angreiffen müst: Widerumb hab er sein Music auff ein andere weiß könden also richten/ daß er den Spieß wider von sich geworffen/ vnd sich gar freundlich vnd gütig erzeigt habe.[37] Lib. 1. c. 27. Lb PersonKrantz, Albert (1448–1517) Albertus Crantius schreibt/ Lr QuellenZwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586] M da der Römische Keyser Ludouicus Pius Imperator. Lb PersonLudwig der Fromme (778–840) Ludouicus Pius einem Bischoff mit namen Lb PersonTheodulf von Orléans (ca. 750 – 821) Theodolphus gefangen gehalten hab/ darumb daß er der Bischoff dem Keyser nach dem leben getrachtet/ nun hat aber der Bischoff in sei= [S. 23] ner Gefängnus offt gesungen diese wort: Lw MusikwerkAnonym: Gloria, laus et honor M Gloria, laus, & honor tibi sit Rex Christe Redemptor: das ist: Christe du König vnd Heyland der Welt/ dir sey lob/ ehr vnd preiß. Diese wort hat der Keyser den Bischoff hören singen/ wann er vor der Gefängnus fürüber gangen: vnd durch dieses Gesang hat er des Keysers Hertz also beweget/ daß er jhn wider auff freyen Fuß gestellet hat.[38] Elisaei. Was sag ich aber von diesen Exempeln/ haben wir doch eins vnnd zwar gar ein herrliches in Heiliger Göttlicher Schrifft/ 2. Reg. 3. als Joram der König in Jsrael/ vnd Josaphat der König in Juda mit dem König von Edom wider den König der Moabiter wolten in Krieg ziehen/ fraget Josaphat den Joram/ ob er keinen Propheten in seinem Land habe/ daß sie den Herrn könten raht fragen/ ob sie wider Moab sollen außziehen oder nicht. Hierauff würdt Elisaeus angezeiget/ ziehen derwegen alle drey König zu jhm. Als aber Elisaeus des Königs in Jsrael ansichtig/ würdt er etwas mit Zorn bewegt/ daß er sagt: Was hastu König in Jsrael mit mir zuschaffen/ gehe hin zu dem Propheten deiner Väter vnd deiner Mütter/ so wahr der Herr Zebaoth lebt/ vor dem ich stehe/ wann ich nicht Josaphat den König in Juda ansehe/ ich wolt dich nicht ansehen noch achten. Auß diesen worten sehet jhr/ daß Elisaeus etwas gegen dem König Jsrael entrüstet war/ wie will er aber solchen Zorn vertreiben? Ly Bibelstelle2 Könige 3,15 Er sagt/ bringt mir her einen Spilmann/ vnnd da der Spilmann auff der Saiten spilet/ kam die Hand des Herrn auff jhn.

3. Diabolum. Ja/ was soll ich sagen? Gott der Herr hat die Music so hoch geehret/ daß er durch dieselbige auch hat den Teuffel vertreiben oder stillen wöllen/ 1. Sam. 16. wie man dessen ein augenscheinlich Exempel hat am Saul/ von [S. 24] welchem der böse Geist des Herren gewichen/ so offt Dauid vor dem Saul auff der Harpffen geschlagen hat.

III.

III.
Qualitatis. Musicae,
1. Materia.
Wann man aber von Nutzbarkeit der Music also redet/ so muß solches auch recht angenommen vnd verstanden werden. Dann diese Nutzbarkeiten kommen vom Gsang vnd Klang/ vom Hall vnd Schall nicht fürnämlich her/ sondern die Music muß gebürlicher weiß angestellet werden/ soll sie diese Nutzbarkeiten mit sich bringen: vnnd da muß man fürnämlich auff dreyerley ding achtung geben. Erstlich/ was man sing. Zum andern/ wie man sing. Zum dritten/ zu was end man sing. Was das erste anlangt/ wann man will/ daß die Mündtliche vnd Jnstrumentalische Ἄρσις JÜbers.: (Auf-)Hebung. Non
1. Cantiones prophanae.
Music solche Nutzbarkeit hab/ so muß man singen vnd schlagen/ nicht Landsknechts/ Bul vnnd Zechliedlein/ dann die erwecken keine Andacht/ sondern nur Leichtfertigkeit/ Augenlust/ Fleisches lust vnnd hoffertiges Leben. 2. Psalmi Lb PersonTertullianus, Quintus Septimius Florens (nach 150 – nach 220) Tertullianus sagt von dem Psalmen Valentini. Lb PersonValentinus (2. Jh.) Valentini des Ketzers: Diese soll man nicht singen.[39] Samosateni. Lb PersonPaulus von Samosata (ca. 3. Jh.) Paulus Samosatenus ein greulicher Ketzer/ hat die Psalmen abgethon/ welche man dazumal dem Herren Christo Euseb. lib. 7. hist. Eccles. cap. 25. zu ehren gesungen hat/ vnd fürgeben/ sie seyen new vnnd erst erdacht. Jhme selbs zu ehren aber hat er Psalmen gemacht/ welche die Weiber auff das Osterfest/ in der Kirchen singen mußten. Vnnd weil er lehrete/ der Sohn Gottes wer nicht vom Himmel herab gekommen/ sondern er hett seinen Anfang genommen in dem Jung= [S. 25] fräwlichen leib Mariae/ so musten die Psalmen/ welche auff jhn gerichtet waren/ sagen/ er Samosatenus wer ein Engel von Himmel herab kommen. Diß lehret er die Weiber singen/ er stund darbei/ vnd verbots jhnen nicht allein nicht/ sondern er hat auch grosse freud vnnd lust darab.[40] Solche Psalmen hat vor zeiten gemacht/ Lb PersonBonaventura (da Bagnoregio) (ca. 1221 – 1274) Bonauentura Bischoff zu Alban/ vnd der Römischen Kirchen Cardinal. Dann wie Paulus Samosatenus die Psalmen/ so auff Christum gerichtet/ abgethon/ vnnd die/ so auff jhn selbs auffgerichtet/ in der Kirchen eingeführet: Bonauentura. Also hat Bonauentura das gantze Psalmenbuch Dauids verkehret/ vnnd was Dauid Gott dem Allmächtigen zuschreibet/ das schreibet Bonauentura der Maria zu: 3. Als da im ein vnd dreissigsten Psalm stehet: Ly BibelstellePsalmen 33,15 Jn dich hab ich gehoffet Herr: machts Bonauentura also: O Fraw/ in dich hab ich gehoffet/ erlöse mich Fraw von meinen Feinden.[41] Diese Psalmen soll man nicht singen/ wie auch nicht die 3. Pontificia Litania & Salue Regina. Päpstliche Letaney vnnd das Salue Regina. Dann weil sie wider Gott vnnd sein Wort gerichtet seind/ so erwecken sie in dem Menschen kein Andacht/ zum guten/ sondern sie stecken den Menschen an mit allerhand Abgötterey vnnd Aposteißlerey/ vnnd machen/ daß die Leut auff die letst leiden Schiffbruch am Glauben vnd gutem Gewissen.

Θέσις. JÜbers.: Behauptung. Sed Was soll man aber dann musiciren? Das saget vns Paulus in den verlesenen worten. Dann er macht dreyerley: Psalmi. Hymni. Cantiones spirituales. Erstlich/ Psalmen. Zum Andern/ Lobgesäng/ welche zu Gottes Lob gerichtet seind. Zum Dritten/ Geistliche Lieder/ das ist/ solche Gesang/ welche gleichwol nicht von wort zu wort in der Heiligen Schrifft stehen/ aber doch [S. 26] der heiligen Schrifft gemäß seind/ vnd auß derselbigen könden probirt vnnd erwiesen werden. Der Psalmen stehen viel in Dauids Psalmenbuch. Der Lobgesäng habt jhr auch viel. Ly BibelstelleExodus 15,1–18 Exodi am 15. Singt Moses dem Herrn ein Logesang/ daß er sein Volck auß der Dienstbarkeit Egypti erlöset hat. Debora singt dem Herrn ein Lobgesang/ da Lb PersonJael Joel den Lb PersonSisera Sissera vmbgebracht hatte: Ly BibelstelleRichter 5 Judic. Cap. 5. Ein solch Geistlich Dancklied singt Hanna Samuels Mutter: Maria in jhrem Magnificat. Solche gesang seind Hymni Ambrosij, Augustini: Ettliche Hymni Lb PersonGregor I. (ca. 540 – 604) Gregorij, Episcopus Aurelianensis Bischof zu Orlians in Franckreich.[42] Lb PersonTheodulf von Orléans (ca. 750 – 821) Theodulphi, Episcopi Aurelianensis am Palmtag/ etc. Solche geistliche Lieder seind heutigs Tags: Lw MusikwerkLuther, Martin: Nun freut euch, lieben Christen gmein M Nun frewet euch liebe Christen gemein: Lw MusikwerkSperatus, Paulus: Es ist das Heil uns kommen her M Es ist das Heil vns kommen her: Lw MusikwerkAnonym: Durch Adams Fall ist ganz verderbt M Durch Adams fall ist gantz verderbt/ vnnd andere mehr.

2. Forma. Vber das/ wann man will/ daß das mündtliche vnd Jnstrumentalisch musiciren/ vorerzehlten Nutz haben soll/ so muß man auch in acht nemen/ wie man sing/ nemlich man muß nicht nur die Stimm erheben im Mund/ Non Concentus solùm, vnd die Orgel mit Händ vnd Füssen schlagen vnd tretten/ vnnd lieblichen zusammen gestimbten hall vnd schall richten: Dann das allein/ vnnd wann sonst nichts weiters darzukompt/ ist nicht nutzlich zu erweckung vorerzehlter Nutzbarkeiten/ es hat auch Gott kein gefallen daran/ es heißt/ wie Gott sagt: Amos 5. Ly BibelstelleAmos 5,23 Thue weg von mir/ das geplärr deiner Lieder/ dann ich mag dein Psalterspil nicht hören: Sed Diligens verborum ponderis consideratio. sondern es muß bey der eusserlichen Stimm auch gefunden werden ein andächtiges auffmercken auff die Psalmen/ Lobgesäng vnnd geistliche Lieder/ die man singt vnd schlecht: Man soll auff den Thon/ Stimm/ Hall nicht mehr achtung geben/ [S. 27] als auff die wort/ welche gesungen werden. Dann die wort seind nicht von der Music wegen geordnet/ sondern die Music von der wort wegen. Augustinus bekennt selbs/ daß er auff ein zeit/ im musiciren mehr auff die lieblich Stimm vnd Harmony achtung geben hab/ als auff die wort: es hat jhn aber gerewet/ vnd darzu gesetzt/ der sündige poenaliter/ also daß er einer Straff wol werth sey/ welcher mehr auff die Stimm vnd Klang achtung gebe/ als auff die wort/[43] wie dann dieser meinung auch seind Hieronymus, Gregorius, welcher wort angezogen werden Distinct. 92. Cap. Cantantes. & cap. In Sancta Romana Ecclesia. Vnd Distinct. 23. Cap. Psalmistae, stehet geschrieben: Lr QuellenDecretum Gratiani (1604) M Vide, vt quod ore cantas, W W KorrekturOriginal: orecorde credas, & quod credideris corde, operibus compleas, das ist/ vorzeiten hat man den Psalmensingern in der ersten Kirchen eingebunden/ vnd gesagt: kehre fleiß an/ daß du das/ das du mit dem Mund singest/ auch mit dem Hertzen glaubest/ vnd was du mit dem Hertzen glaubest/ auch mit der That volbringest/ wie dann auch deßhalben zween Versus gemacht worden:

Lr QuellenDecretum Gratiani (1604) M Non vox sed votum, non chordula musica sed cor,
Non clamans, sed amans, cantet in aure Dei.
[44]

Darumb so ist es noch nicht recht/ wann man in der Kirchen Psalmen singt/ musicirt/ auff der Orgel schlegt/ vnnd die Leut eintweder gar nicht mitsingen/ oder singen/ vnd darneben in alle winckel vmbgaffen/ sondern es soll Mund vnd Hertz mit einander singen/ vnnd ein andächtiges glaubiges auffmercken darbey sein/ wie vns dann vnser verlesner Text vermahnet/ da er sagt/ Ly BibelstelleEpheser 5,19 singet vnd spilet dem Herrn im Hertzen.

3. Finis.
1. Gloria Dei.
Zum letsten/ muß solche Music angestelt werden zu Gottes lob. Dann darzu vermahnet vns der heilige [S. 28] Apostel Paulus 1. Corinth. am 10. da er sagt/ Ly Bibelstelle1 Korinther 10,31 was jhr thut/ das thut alles zu Gottes Ehr. Soll man nun alles zu Gottes Ehr thun/ so soll man auch Gott zu Lob vnd Ehr musiciren/ mündtlich vnd Jnstrumentalisch: Sonderlich weil der heilige Apostel von diesem noch deutlicher redet/ zun Colossern am dritten Capitel. Dann daselbsten sagt er zum ersten/ Ly BibelstelleKolosser 3,16 wir sollen Psalmen/ Lobgesäng vnnd geistliche Lieder singen. Wem? dem Herrn/ das ist/ Gott dem Herrn zu Lob/ darnach setzet er gleich darauff/ Ly BibelstelleKolosser 3,17 alles war jhr thut/ es sey mit Worten oder mit Wercken/ das thut alles in dem Namen des Herrn Jesu/ vnserm Herrn Jesu zu Ehren/ vnnd Gott zu schuldiger Danckbarkeit. 2. Aedificatio Ecclesiae. Endtlich zur aufferbawung der Kirchen Gottes/ daß dieselbige auch durch die Music an jhrer Andacht erhalten vnd gestercket werde: Jn massen dann der heilige Apostel Paulus darzu ermahnet/ in der ersten an die Corinthier am vierzehenden Capitel: Man soll dahin trachten/ daß durch die geistliche Gaben die Gemein Gottes gebessert werde: Ly Bibelstelle1 Korinther 14,26 Hat einer/ sagt er/ ein Psalmen/ ein Lehr/ ein Zungen/ ein Offenbarung/ ein Außlegung/ lasset es alles geschehen zur besserung. ἐπιφορὰ JÜbers.: Das Hinzubringen. So ist nun die Music in der Christlichen Kirchen auch heutiges tags nicht nur ein feiner Christlicher Wolstand/ sondern auch ein nutzliche vbung/ wann sie verrichtet würdt auff die weiß vnd maß/ wie ich jetz gesaget hab.

Vsus Warzu aber soll vns diß alles dienen? Zur Widerlegung. Dann weil der Teuffel ein Melancholischer trawrgeist ist/ so ist er dem Psalmen singen vnnd dem musiciren von hertzen feind/ vnnd darumb hat er zu diesen vnsern letsten Zeiten auch Leut erwecket/ welche [S. 29] sich/ sonderlich wider die Musicam Instrumentalem in der Kirchen hefftig gesetzet haben. 1. Ψεκτικὸς JÜbers.: Geschmäht. defectus Cingliani. Wer seind diese Leut gewesen? Die Zwinglianer vnd Caluinisten. Dieselbige/ ob sie wol zu dieser vnserer zeit die Orgeln nicht mehr so hefftig anfechten/ sondern es Anno 1586. im Lm Ereignis1586: Kolloquium zu Montbéliard Colloquio zu Mümpelgard für ein Mittel ding passiren lassen/ welches man in der Kirchen Gottes haben könd oder nicht/ jedoch so haben sie vor solcher zeit so hefftig wider die Jnstrumentalische Music gedobet/ daß sie auch/ sonderlich in Franckreich vnnd Niderland/ viel Orgeln zerrissen vnnd zerschleiffet haben. Dieses ist nicht recht/ sondern sie solten sich einer Christlichen billigkeit vnnd gleichmässigkeit gebrauchet haben.

Excessus. Pontificij. Gleich aber wie die Caluinisten gejrret vnd vnrecht gethon haben in defectu/ daß sie das Kind mit dem Bad haben wöllen außschütten: Also im gegensatz hat man im Papsthumb zu viel gethon in excessu, da sie auß dem musiciren/ orglen/ auß Gesang vnnd Klang/ einen Gottesdienst vnnd verdienstlich Werck gemacht/ vnd in diesem fall der Lb PersonMartha Martha gleich worden/ Lucae am zehenden Capitel.[45] Dieselbig laßt jr Schwester Lb PersonMaria von Bethanien Mariam des Herrn Christi predig zuhören/ vnd sie ist vnter des geschäfftig/ vnd sorget/ wie sie den Herrn Christum stattlich tractiren wölle/ ja sie ist auff jhr Schwester Mariam zornig/ begert auch/ daß jhr der Herr Christus soll ein guten Leuiten lesen: Aber was saget Christus? Ly BibelstelleLukas 10,41–42 Martha/ Martha/ du hast viel Sorg vnnd Mühe/ eines aber ist not/ Maria hat das gute Theil erwöhlet/ das soll nicht von jhr genommen werden: Also sag ich/ hat man im Papsthumb auch gethan/ das minus necessarium, das/ so weniger [S. 30] notwendig gewesen ist/ nemlich die Music/ das Orglen hat man mit aller macht getrieben/ gleich als wann vns vnser Seelen Heyl vnd Seligkeit daran gelegen war: das Vnum necessarium aber/ oder das/ das am aller notwendigsten/ nemlich das Predigampt/ hat man eintweder gar vnterlassen/ oder aber doch also geführet vnd getrieben/ als wann es nur ein zugab oder zubuß were/ vnd das hat nicht erst vor fünffzig oder sechzig Jaren im Papsthumb angefangen/ sondern Papst Gregorius der Erst dieses Namens/ sonst der Grosse genannt/ welcher Anno Christi 591. auff dem Päpstischen Stul ist erhöhet worden/ sagt/ daß zu seiner zeit schon ein böse gewonheit sey eingerissen/ daß die Geistlichen mehr auffs Singen als auff das Predigen geneigt/ gleich als wann Christus nicht gesagt hett/ gehet hin/ vnnd lehret das Euangelium/ sondern gehet hin vnd haltet Meß/ heulet vnd schreyet/ singet/ klinget/ orgelt/ wie dann des Greogrij wort in jrem Geistlichen Recht angezogen werden/ also: Lr QuellenDecretum Gratiani (1604) M In Sancta Romana Ecclesia dudum consuetudo est valde reprehensibilis orta/ in der heiligen Römischen Kirchen ist vor langest ein sehr sträffliche gewonheit entstanden/ vt ij modulationi vocis inseruiant, quos ad Praedicationis officium vacare congruebat, daß die sich zum Singen vnd Musiciren brauchen lassen/ welche dem Predigampt abwarten solten.[46] Weil sie es dann im Papsthumb auff der einen Seiten in excessu zu grob gemacht/ so gedencken sie nun/ das gehe sie auch an/ was Gott Amos am fünfften sagt: Ly BibelstelleAmos 5,23 Thue nun weg von mir das geplärr deiner Lieder/ dann ich mag dein Psalterspil nicht hören/ darumb so soll es auch hie heissen/ wie jener Heydnische Poet saget:

[S. 31] Ln LiteraturHoraz, Satiren (1977) M Sit modus in rebus, sint certi denique fines,
Quos vltrà citroque nequit consistere rectum.
[47]

Zu wenig vnnd zu viel verderbt alle Spiel/ die mittel Straß die beste was: Man soll mündtliches vnd Jnstrumentalisches musiciren in der Kirchen Gottes also gebrauchen/ daß dardurch das notwendigere/ als predigen Gottes Wort/ Sacramenta verwalten nach der Einsatzung des Herren/ Psalmen singen/ beten/ vnd anders nicht versaumbt werde.

2. Ἐγκωμιαστικὸς μεσοτητὸς JÜbers.: Lob auf den goldenen Mittelweg. Euangelicae. Auff ein solche weiß vbet man die mündtliche vnd Jnstrumentalische Music in den reformirten Euangelischen Kirchen/ vnd auff diese weiß soll bey vns das orglen/ das Mündtliche musiciren auch geübet werden. 3. Ἐπανορθωτικὸς JVerteidigung obiectionum in exordio positarum. Vnd deßwegen seind die vnter vnsern Leuten nicht recht daran/ welche vermeinen/ wir wöllen durch das orgeln ein newes Papsthumb einführen. Nein gar nicht: Wir begeren auff das orglen in vnser Kirchen nicht vnser Christenthumb zusetzen: Prima per Distinctionem ἐργου καὶ παρέργου. JÜbers.: Haupt- und Nebensache. so würdt orglen in vnser Kirchen auch nicht das fürnembst sein sondern ein Particul der Kirchenzierd/ welche in der Kirchen wol kan geduldet werden/ nach Exempel vieler Euangelischen Kirchen in Teutschland/ in welchen/ neben dem eigentlichen vnd notwendigen Gottesdienst/ auch Orglen vnd Organisten gebraucht werden. Secunda καταφρόνησιν. JÜbers.: Verachtung. Was dann den Vnkosten anlangt der/ vieler meinung nach/ zu groß/ vnnd wol hette könden ersparet werden: so sag ich/ Sutor ne vltra cripiam, Es soll niemand vrtheilen von dem/ das er nicht verstehet/[48] sondern jhr solt denen darumb trawen/ die sich der Sach bißhero haben angenommen/ welche nichts umb sonst vnd vergebens begeren außzugeben/ sondern/ wo müglich/ die Sach dahin zurichten/ daß der Vnkosten/ nicht auß der Kirchen Einkommen/ son= [S. 32] dern von andern/ von Gott darzu erwehlten ehrlichen Leuten möchte bezalt werden.

Tertia
Ὀνειδισμὸς συγκριτικὸν.
 JÜbers.: Vergleich von Vorwürfen.
Das aber ettliche sagen/ man seye in der Le Geographicumg Gebäude: Kaufbeuren, St. Martin vorigen Kirchen ohn ein Orgel gewesen/ man könne in dieser auch ohn eine sein/ das ist wahr: Aber diese Leut mahnen mich an die Juden/ von welchen der Herr Christus sagt/ Matth. 11. Ly BibelstelleMatthäus 11,16–19 Wem soll ich diß Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindern gleich/ die an dem Marckt sitzen/ vnd ruffen gegen jhren Gesellen/ vnd sprechen/ wir haben euch gepfiffen/ vnd jhr wolt nicht dantzen/ wir haben euch geklaget/ vnd jhr wolt nicht weinen: Johannes ist kommen/ aß vnd tranck nicht/ so sagt jhr/ er hab gehabt den Teuffel: Des Menschen Sohn ist kommen jsset vnnd trincket/ so sagen sie/ sihe/ wie ist der Mensch ein fresser vnd Weinsäuffer/ der Zölner vnnd Sünder Gesel/ vnd die Weißheit muß sich rechtfertigen lassen von jren Kindern: An diese Leut/ sag ich/ mahnen mich etliche vnserer Leut auch. Dann gleich wie es der Herr Christus vnd Johannes diesen Leuten nicht haben können recht machen/ sie haben gefast oder gessen vnd getruncken: Also können wirs etlichen vnter vnsern Leuten auch nicht recht machen. Weil wir in der Le Geographicumg Gebäude: Kaufbeuren, St. Martin Kirchen bey S. Martin gewesen/ hat man diese klagen gehört: Ach wie seind wir beschwert/ wir könden vnserm Gottesdienst nicht recht abwarten/ man muß alles ereilen/ wir können mit lieb nicht ein Psalmen nach der Predigt singen/ wie wer es so ein fein ding/ wann ein jedweder Theil sein sach allein haben köndte: Jetzo so wir ein Le Geographicumg Gebäude: Kaufbeuren, Dreifaltigkeitskirche eigne Kirchen haben/ vnd vnser Religion/ Gott sey es gedanckt in Ewigkeit/ ohn einige hindernus vben vnd treiben könden/ in die Kirchen gehen/ wann wir wöllen/ darauß gehen wann wir wöllen/ Psalmen mit dem Mund singen/ vnd auff der Orgel schlagen lassen/ [S. 33] so lang wir wöllen/ so ist es auch nicht recht/ sondern jhr viel thun/ was das orglen anlangt/ 2. Sam. 6. wie Lb PersonMichal Michol Sauls Tochter Dauids Weib.[49] Dann als Dauid vor der Bundsladen her mit dem gantzen Hauß Jsrael mit allerley Saitenspil/ mit Harpffen/ Psaltern/ vnd Cymbalen gespilet hat/ vnd er darnach heim kam/ verachtet sie jn Ly Bibelstelle2 Samuel 6,20 vnd sagt/ wie herrlich ist heut der König in Jsrael?

Ebner gestalt vnd massen werden von etlichen veracht vnd verlacht/ Orgel/ Orgelmacher/ Orgelschlager/ vnd die so zuüberkommung dieser Orgel geholffen haben. Quarta Ἐπιπροπὴν. JÜbers.: Überlassen der Entscheidung. Aber wie dem allem/ man muß dem Wasser sein gang lassen/ recht verständige Leut werden anderst von der sach reden vnd halten. Dann sie wissen/ daß man solches nicht auß Hoffart angefangen/ oder auß eignem Priuat affect/ sonder Gott zu Lob vnd Ehr/ vnd zu auffnemung seiner Kirchen: demselbigen wöllen wir auch die gantze Sach heimgestelt vnd befohlen haben: Quinta Συμπέρασμον ἐυκτικὸν. JÜbers.: Wünschende Schlussfolgerung. jn darneben ernstlich anrüffen/ daß er wölle Ly BibelstellePsalmen 122,7 Glück vnd Fried geben in den Mauren vnd Pallästen Jerusalem/ daß wir mit freuden sagen mögen/ wir frewen vns/ daß vns gesagt ist/ Psalm. 122. Ly BibelstellePsalmen 122,1 daß wir können in das Hauß des Herrn gehen: in welchem Hauß wöllen wir auß seiner Gnad/ Ly BibelstellePsalmen 146,2 dem Herrn singen vnser lebenlang/ vnd vnsern Gott loben so lang wir seind: Psalm. 146. Ly BibelstellePsalmen 150,3–5 jhn loben aber/ auch mit Posaunen/ mit Psaltern/ vnd Harpffen/ mit Paucken vnnd Raien/ mit Saiten vnd Pfeiffen/ mit hellen klingenden Cymbalen/ Psalm. 150. biß daß wir dahin kommen/ da wir mit den lieben heiligen Engeln werden singen könden/ Ly BibelstelleJesaja 6,3 Heilig/ Heilig/ Heilig ist der Herr Zebaoth: Disem vnserm Gott/ welcher ist Gott Vatter/ Sohn vnd Heiliger Geist/ einig im Wesen/ Dreyfaltig in Personen/ sey Lob/ Ehr vnd Danck gesagt/ für alle seine Gutthaten von nun an biß in Ewigkeit/ Amen.

[S. 34–37]

ΔΙΑΤΥΠΩΣΙΣ. JÜbers.: Gestaltung.

Es folgt ein Baumdiagramm mit der inhaltlichen Struktur der Predigt, hier wiedergegeben nach Art einer Gliederung

Concio est ἐγκωμιαστικὴ
1. Προοίμιον ἄτεχνον. Eius,
1. Πρότασις continens θαυμασμὸν propter Euangelium non praelectum nec explicatum.
2. Ἄιτιον θαυμασμοῦ. Celebratur hodie dies Dominica, in qua hoc fieri debebat.
3. Ἐξεργασία per ἀπόδοσιν, triplex
1. Organi emptio, & in templo erectio.
2. Admonitio
Pauli. Ephes. 5. Coloss. 4.
Salomonis. Ecclesiast. cap. 3.
3. Opinio quorundam, sinistrè de organo iudicantium.
1. Conquerentium de sumptibus, hoc modo, non benè collocatis.
2. Insimulantium huius instituti authores, noui papatus,
2, Διήγησις. Haec est breuissima explicatio textus, in quo dicitur de Musica, & συντόμος JÜbers.: kurz affertur, eius
1. Diuisio. Perficitur
Canendo, id est, Musica vocali.
Psallendo, hoc est, instrumentali.
2. Modus. Musicae indulgeamus
Ἄρσις, non lingua tantùm.
Θέσις, sed serio cordis affectu.
3. Obiectum. Versatur circa cantilenas
Non
Turpes. | Obscoenas.
Sed pias,
Psalmos. | Hymnos. | Cantiones spirituales.
3. Κατάστασις. Loquemur de vtriusque
Honestate. | Vtilitate. | Qualitate.
4. Κατασκευὴ ἢ ἔπαινος
1. Θεωρητικὸς. JÜbers.: Theoretisch
1. Honestatis. Musicae
1. Vocalis, ab
1. Antiquitate. Probatur ab
1. Origine pendente à Deo.
2. Natura per exemplum infantum, in cunis
Vagientium.
Ad murmur proprium, aut cantum alterius indormitantium.
3. Pronunciatis
Aristotelis. | Platonis. | Socratis.
2. Experientia. Expolitio per μερισμὸν. Cantarunt
Angeli.
Homines.
Viri
Patriarchae. | Reges. | Prophetae. | Apostoli.
Mulieres
Debora. | Anna. | Maria.
Hic additur
στοχασμὸς, num musica vocalis artificialis, tempore Apostolorum in vsu fuerit.
Διορισμὸς temporis, quando coeperit musica, in Ecclesia.
Orientali.
Occidentali.
2. Instrumentalis, ab
1. Ortu pertinente ad Deum per Iubal filium Lamech. Gen. 8.
2. Frequenti vsu apud
Gentes. Inter hos exercuerunt hanc tanquam huius
Artifices, vt
Orpheus. | Linus. | Arion.
Amatores, vt
Cimon, filius Miltiadis. | Epaminundas. | Achilles.
Hic additur ἐξεργασίας ἕνεκα JÜbers.: Ausführung wegen turpitudo contemptus musicae, in exemplo Scythici Regis, musicam instrumentalem despicientis.
Populum Dei. Exemplo est
Dauid. | Salomon. | Ezechias. | Iosias. | Nehemias.
Annectitur
Ἀμφισβήτησις, an haec Musica Christi & Apostolorum tempore fuerit in vsu.
Ἔκθεσις εἰδικὴ, quando Musica organica coeperit vsurpari.
ὑποφορὰ, num musica illa sit in rebus medijs habenda, vbi dicta Esaiae & Amos contra ἀδιαφορίαν in specie pugnantia, soluuntur per διάκρισιν vsus & abusus.
2. Vtilitatis. vtriusque erutae ex effectu. Musica
1. Excitat
Mentem. Probatur
Similitudine Magnetis.
Antithesi Musicae obscoenae à minori.
Deuotam laetitiam. Κατασκευὴν ex
Dicto Iacobi Cap. 5.
Exemplo Dauidis 2. Sam. 6.
Spiritum propheticum, in
Saule. 1. Sam. 10.
Elisaeo. 2. Reg. 3.
2. Docet. Coloss. 3.
3. Consolatur. Asseueratio afferitur exemplo matronae parturientis.
4. Expellit
1. Tristitiam, vt in Saule.
2. Iram, sicut in
Clinia. | Alexandro Magno. | Ludouivo Pio, Imperatore. | Elisaeo. 2. Reg. 3.
3. Diabolum. Exemplo est Saul. 1. Sam. 16.
3. Qualitatis. In Musica consideranda venit, cantus
1. Materia
ἄρσις, non
Cantiones prophanae.
Psalmi
Valentini. | Samosateni. | Bonauenturae.
Pontificia
Litania. | Cantio, Salue Regina.
θέσις, sed
Psalmi Dauidis. | Hymni. | Cantiones spirituales.
2. Modus. Continetur hic
Non Concentu tantùm.
Sed ponderis verborum diligenti consideratione.
3. Finis.
Gloria Dei. 1. Corinth. 10. Ephes. 5. Coloss. 3.
Aedificatio Ecclesiae. 1. Cor. 14.
2. Πρακτικὸς JÜbers.: Praktisch vsus
1. Ψεκτικὸς
Defectus Cingliani organorum vsum contemnentis.
Excessus Pontificij ex organorum vsu opus meritorium facientis. Expolitio sumitur ab exemplo Marthae sororem, ignauiae apud Christum accusantis. Luc. 10.
2. Ἐγκωμιαστικὸς μεσότητος Euangelicae.
3. Ἐπανορθωτικὸς obiectionum in exordio positarum. Diluitur obiectio, per
1. Distinctionem
ἐργου necessarij.
παρέργου adiaphorici.
2. Καταφρόνησιν.
3. Ὀνειδισμὸν συγκριτικὸν, ex loco Matth. c. 11. & exemplo Michol. 2. Sam. 6.
4. Ἐπιπροπὴν, in qua res tota committitur iudicio Dei, & hominibus, momenta rerum accuratè & prudenter perpendentibus.
5. Συμπέρασμον ἐυκτικὸν.

Finis.

Einzelanmerkungen

  1. In der Marginalie gibt der Autor fälschlich das 1. Kapitel des Epheserbriefs als Quelle an.
  2. Der zweite zitierte Psalmvers stammt aus Psalm 103, nicht wie angegeben aus Psalm 146.
  3. Autographer Zusatz Anwanders, ergänzt nach dem Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  4. Im 15. Kapitel des 1. Buchs seines Werks LPolydorus, De rerum inventoribus (1532) De inventoribus rerum behandelt Polydorus Virgilius die Erfindung der Musikinstrumente. Er beschreibt die von Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David verwendeten Instrumente als Saiteninstrumente, die mit einem Plektrum gezupft oder geschlagen wurden. Siehe ausführlicher zu dieser Quelle im Personenartikel zu Lb PersonVergilius, Polydorus (ca. 1470 – 1555) Polydorus Virgilius.
  5. Anwander wandelt den ersten Halbvers aus Ly BibelstellePsalmen 8,3 Ps 8,3 Aus dem munde der Jungen kinder vnd Seuglingen hastu eine Macht zugericht ab, indem er das Jesus-Wort Ja / Habt jr nie gelesen / Aus dem munde der Vnmündigen vnd Seuglingen hastu Lob zugericht? (Ly BibelstelleMatthäus 21,16 Mt 21,16) einbezieht.
  6. Eigenhändige Korrektur Anwanders im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  7. Die Formulierung schicket euch in die Zeit begegnet auch in Ly BibelstelleKolosser 4,5 Kolosser 4,5.
  8. Eigenhändige Korrektur Anwanders im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3). Im Druck ist das P um 90° im Uhrzeigersinn gedreht dargestellt.
  9. Anwander spielt auf den Bericht über das Ly BibelstelleExodus 16,1–3 hungernde Volk Israel in der Wüste Sin an.
  10. Eigenhändige Korrektur Anwanders im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  11. Diese Marginalie ergänzte Anwander im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  12. Der Ly BibelstelleDaniel 3,51–90 Lobgesang der drei Männer im Feuerofen zählt zu den Apokryphen. Er wird in der Septuaginta und Vulgata überliefert, ist jedoch nicht Teil der Lutherbibel.
  13. Anwander zitiert Plinius ep. 10, 96, 7. In seinem Brief an Kaiser Trajan erstattete Plinius im Jahr 112 Bericht über die Rechtfertigung der anonym angeklagten Christen, eine juristische Angelegenheit, mit der er sich in seiner Amtszeit als Statthalter von Bithynien zu befassen hatte (siehe dazu auch Hengel, Studien zur Christologie (2006), S. 234–236). Die gesamte Stelle lautet: adfirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta, ne latrocinia, ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent. (Plinius, Epistulae (1995), S. 642)
    Deutsche Übersetzung: Sie versicherten jedoch, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestanden, daß sie sich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen und sich durch Eid nicht etwa zu irgendwelchen Verbrechen zu verpflichten, sondern keinen Diebstahl, Raubüberfall oder Ehebruch zu begehen, ein gegebenes Wort nicht zu brechen, eine angemahnte Schuld nicht abzuleugnen. (Plinius, Epistulae (1995), S. 643)
  14. Die genaue Textstelle, auf die sich Anwander hier bezieht, konnte bisher nicht ermittelt werden.
  15. Anwander zitiert aus dem Brief des Heiligen Lb PersonHieronymus, Sophronius Eusebius (347–420) Hieronymus. Dieser bezog sich nicht auf das Musikleben der alten Juden, sondern erstattete seiner Schülerin Lb PersonMarcella (Heilige) (ca. 325 – ca. 410) Marcella Bericht über seine Eindrücke auf seiner Reise in das Heilige Land. Die Psalmen singenden Bauern hörte er selbst in Bethlehem und schrieb darüber: […] ut supra diximus, uillula tota rusticitas et extra psalmos silentium est. quocumque te uerteris, arator stiuam tenens alleluia decantat, sudans messor psalmis se auocat et curua adtondens uitem falce uinitor aliquid Dauiticum canit. (Hieronymus, Epistulae 1–70 (1996), S. 342f.)
    Deutsche Übersetzung: […] wie oben gesagt, ist das ganze Dorf bäuerlich und außer den Psalmen herrscht Stille. Wohin du dich auch wendest, singt der Bauer beim Pflügen Alleluja, der schwitzende Schnitter unterhält sich mit Psalmen, und der Winzer, der die Weinrebe mit dem gebogenen Winzermesser beschneidet, singt etwas Davidisches.
  16. Angespielt wird auf die bekannte Darstellung des Augustinus, der den ersten Einsatz eines hymnischen Volksgesangs in Le Geographicumf Ort: Mailand Mailand während der Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof Lb PersonAmbrosius von Mailand (339–397) Ambrosius und den Arianern schildert. Ambrosius weigerte sich, der Kaisermutter Lb PersonJustina (–388) Justina die Basilica Portiana für ihre Gottesdienste abzutreten. Daraufhin wurde die Kirche am Palmsonntag des Jahres 386 von Soldaten umstellt. Ambrosius verharrte mehrere Tage mit seiner Gemeinde in der Kirche. Dabei stärkte man sich durch den gemeinsamen Gesang: Tunc hymni et psalmi ut canerentur secundum morem orientalium partium, ne populus maeroris taedio contabescerent, institutum est: ex illo in hodiernum retentum multis iam ac paene omnibus gregibus tuis et per cetera orbis imitantibus. (Augustinus, Conf. 9,7,15)
    Deutsche Übersetzung: Damals ward das Singen von Hymnen und Psalmen nach der Weise der Ostkirche eingeführt, damit das Volk im Übermaß seiner Niedergeschlagenheit sich nicht erschöpfte. Seither, bis auf diesen Tag, hat sich der Brauch erhalten und ist bereits von vielen, ja fast allen Deinen Kirchengemeinden auch sonst auf dem Erdkreis übernommen worden. (Augustinus, Confessiones (1987), S. 447, 449.)
    Vgl. als neueren Beitrag zur Frage der Entstehung der mittelalterlichen Hymnentradition: Weckwerth, Altchristliche Hymnen (2010), S. 50–55.
  17. Zitat nach Josephus, Antiquitates (1540), S. 6. In einer späteren Ausgabe wurde die Stelle modifiziert zu: Iubal uerò germanus eius musicae operam dedit, psalteriumque & citharam inuenit. (Josephus, Antiquitates (1559), S. 6)
  18. Von dieser Stelle an häuft sich die Bezugnahme auf das Musikkapitel aus Lb PersonZwinger, Theodor (1533–1588) Theodor Zwingers Universalenzyklopädie. Vgl. die Erwähnungen der drei bekannten Musiker aus der antiken Mythologie in verschiedenen Zusammenhängen in Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1286, 1288, 1290.
  19. Anwander lehnt sich hier mit seinen folgenden Nennungen an die Unterabteilung Duces im Musikkapitel von Zwingers Universalenzyklopädie an, vgl. Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1283.
  20. Auch diese zwei Griechen führte Theodor Zwinger als Beispiele an: Cimon Miltiadis F[ilius], & Epaminondas Thebanus, cùm fidibus egregiè canerent, omnibus aliis Imperatoribus Graecorum antelati fuerunt. Ion coenatum se cum Cimone narrat apud Laomedontem, cùm admodum adolescens ex Chio uenisset Athenas. Secundum libamina cùm accubuisset, cantasse eum: quem, cùm non illepidè cecinisset, commendatum fuisse à conuiuis, ut Themistocle festiuiorem. Illum enim scire se negasse canere, uel citharam pulsare: urbem uerò amplificare, & opibus augere, id tenere. Plut. in Cimone, & Alex. lib. 2. cap. 25. (Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1283). Zwinger koppelt dabei zwei antike Überlieferungen. Epaminondas wird so von Lb PersonCicero, Marcus Tullius (106 – 43 v. Chr.) Ciceros zu Beginn seiner großen moralphilosophischen Abhandlung Ln LiteraturCicero, Gespräche in Tusculum (1992) M Tusculanae disputationes erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit der Überlegenheit der griechischen Kultur über die römische. Diese hängt für Cicero damit zusammen, dass die Griechen den Künsten einen höheren Stellenwert einräumten: honos alit artes, omnesque incenduntur ad studia gloria, iacentque ea semper quae apud quosque improbantur. summam eruditionem Graeci sitam censebant in nervorum vocumque cantibus; igitur et Epaminondas, princeps meo iudicio Graeciae, fidibus praeclare cecinisse dicitur, Themistoclesque aliquot ante annos cum in epulis recusasset lyram, est habitus indoctior. ergo in Graecia musici floruerunt, discebantque id omnes, nec qui nesciebat satis excultus doctrina putabatur. (Cicero, Gespräche in Tusculum (1992), S. 8, 10.)
    Deutsche Übersetzung: Die Ehre nährt die Kunst, der Ruhm treibt alle zur Arbeit an, und wo eine Kunst verachtet wird, da wird sie sich auch niemals entfalten können. Die höchste Bildung erblickten die Griechen in der Kunst des Saitenspiels und des Gesangs. So soll auch Epameinondas, nach meinem Urteil der bedeutendste unter den Griechen, vortrefflich zur Kithara gesungen haben, und als einige Zeit früher Themistokles bei einem Gastmahl erklärte, mit der Lyra nicht umgehen zu können, galt dies als ein Mangel an Bildung. So blühte denn in Griechenland die Musik, alle lernten sie und wer nichts von ihr verstand, galt als ein Mann, dessen Erziehung vernachlässigt worden war. (Cicero, Gespräche in Tusculum (1992), S. 9, 11.)
    Ganz ähnliches wird von Plutarch über Kimon berichtet. Auch hier wird Kimons Musikalität die Kunstferne des Themistokles gegenübergestellt: Der Dichter Ion erzählt, er habe einmal, als er ganz jung von Chios nach Athen gekommen war, bei Laomedon zusammen mit Kimon gespeist. Nach gebrachtem Trankopfer sei Kimon aufgefordert worden zu singen, und als er ziemlich gut gesungen hatte, so hätten ihn die Anwesenden gelobt, er sei vielseitiger als Themistokles; denn der habe gesagt, zu singen und Kithara zu spielen habe er nicht gelernt, aber eine Stadt groß und reich zu machen, das verstehe er. (Plutarch, Große Griechen und Römer 2 (2010), S. 18.)
  21. Zwinger leitet dieses Exemplum, das in die Reihe der großen Helden unter den Musikfreunden zählt, folgendermaßen ein: Homerus ingenij coelestis uates, uehementissimis Achillis manibus canoras fides aptauit, ut earum militare robur leui pacis studio relaxaret. (Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1283) Er bringt dann den griechischen Originaltext mit der Schilderung Achills im 9. Gesang der Ln LiteraturHomer, Ilias (1961) M Ilias, Verse 185–189. In deutscher Übersetzung lautet die Stelle: Als sie die Zelte und Schiffe der Myrmidonen erreichten, | Fanden sie ihn, wie er grade sein Herz an der künstlichen, schönen, | Klingenden Leier vergnügte, geschmückt mit silbernem Stege, | Die er gewonnen, nachdem er Eëtions Feste vernichtet. (Homer, Ilias (1961), S. 287, 289)
    Zu Achills Rolle als Musiker siehe Fantuzzi, Achilles in Love (2012), S. 133–138.
  22. Anwander fand dieses Beispiel bei Theodor Zwinger, vgl. Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1293. Siehe den Wortlaut der lateinischen Quelle im Personenartikel Lb PersonIsmenias Ismenias.
  23. Nach dem Bericht in Ly Bibelstelle2 Chronik 29,25–30.– 2 Chr 29 veranlassten die beiden Propheten König Lb PersonHiskija (ca. 750 – 696 v. Chr.) Hiskija, den Gottesdienst im Tempel nach Davids Vorbild wieder herzustellen. Dazu gehörte auch die Einrichtung der Tempelmusik nach dem alten Modell.
  24. Zitiert nach Platina, De vita pontificum (1529), S. 76. Siehe zum Wortlaut und Kontext des Zitats den Personenartikel Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitalian.
  25. In dieser Fassung gehen die Verse auf Lb PersonBale, John (1495–1563) John Bale zurück. Vier überprüfte Mantuanus-Ausgaben des 16. Jahrhunderts weisen hingegen an der gemeinten Stelle, am Ende des letzten Kapitels des 4. Buchs der LVD16 S 7276 Libri Fastorum, eine abweichende Formulierung auf. Anwanders Fassung der Mantuanus-Stelle findet sich jedoch auch in anderen Texten des 16.–18. Jahrhunderts zitiert. Siehe ausführlicher zur Überlieferungsgeschichte im Personenartikel Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitalian.
  26. Eigenhändige Korrektur Anwanders im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  27. Im Text wird irrtümlich Kapitel 9 statt Kapitel 6 angegeben.
  28. Vgl. Am 6,3–7.
  29. Anwander gibt von Ciceros Syllogismus nur die Schlussfolgerung wieder, überdies leicht abweichend von der modernen Edition: Summa quidem auctoritate philosophi severe sane atque honeste haec tria genera confusa cogitatione distinguunt: quicquid enim iustum sit, id etiam utile esse censent, itemque quod honestum, idem iustum, ex quo efficitur, ut, quicquid honestum sit, idem sit utile. (Cicero, Vom rechten Handeln (2001), S. 144, 146)
    Deutsche Übersetzung: Es ist freilich streng und tadelnswert, wenn die Philosophen wenigstens vom höchsten Rang im Denken folgende drei untereinander verschmolzene Arten unterscheiden: alles nämlich, was gerecht ist, das ist nach ihrer Ansicht auch nützlich, und ebenso, was ehrenvoll, das auch gerecht, woraus folgt, daß alles, was ehrenvoll ist, auch nützlich ist. (Cicero, Vom rechten Handeln (2001), S. 145, 147)
  30. Die Herkunft dieses in der Frühen Neuzeit verbreiteten Sprichworts konnte bisher nicht ermittelt werden.
  31. Anwander paraphrasiert den Bericht in Ly Bibelstelle2 Samuel 6,12–15 2 Sam 6,12–15.
  32. Anwander paraphrasiert und verkürzt im folgenden die Stelle Ly Bibelstelle1 Samuel 10,1–10 1 Sam 10,1–10. Zwei Verse werden dabei wörtlich zitiert.
  33. Anwander spielt auf eine Errettungsgeschichte an, die bereits Lb PersonMathesius, Johannes (1504–1565) Johannes Mathesius in der 7. Predigt seines Bandes Lr QuellenMathesius, Das tröstliche De profundis (1565) M Das tröstliche De profundis, welches ist der 130. Psalm Davids mitteilte. Möglicherweise bezog er sich auch auf eine andere Quelle, denn Mathesius erwähnt nicht den genauen Ort (Torgau). In seiner Fassung nimmt sich die Geschichte folgendermaßen aus: Zum beschluß muß ich euch ein gute Historien sagen. Nicht fern von vns/ lag eine vom Adel in kindsnöten/ wie denn Got sein theyl auch in Frawenzimmern hat/ mit der kreisterin traff es hart zu/ lag etlich tag in kindsnöten/ Wie aber Gott jr diß schwere Creutz als seiner lieben Tochter auffleget/ vnnd kein hülff vnd rath menschlicher weyse mehr vorhanden war/ vnnd Wehemutter/ vnnd andere erbare Frawen mit der Freisterin/ nach langem schreien müde vnd mürbe worden/ vnd fast aller ding außgehofft hatten/ tregt sichs ohn gefehr zu/ inn der abentstund/ das ein armes schülerlein vor dem hause diesen verß auß dem De profundis singet: Vnd ob es wert biß inn die nacht/ vnnd wider an den morgen/ sol doch mein hertz etc. Wie Gott diese stimm der betrübten Frawen inn jhre ohren vnnd hertz schallen lesset/ wircket der heylig Geist darneben/ das die Fraw auß des knaben gesang/ wider hertz vnd trost fasset/ fehet darauff an/ die andern anzusprechen: Ach lieben freundin vnd schwestern/ last vns auch mit verzweyffeln vnnd sorgen/ Gott schickt vns sein getaufftes schülerlein zu/ das helt vns Dauids tröstliche verßlein für/ vnd vermanet vns/ wir sollen nicht ablassen auff Got zu warten/ ob er schon jetzt verzeucht/ vnd lest mich sein wort (inn schmertzen solt du kinder geberen) wol kosten/ wirdt er doch mich vnnd euch sein hilff auch gewißlich erfaren lassen/ vnd ob es weret biß inn mitternacht/ vnnd wider an den morgen/ last vns noch einmal anklopffen/ vnnd auff sein wort/ blut/ vnd teuren eyde zu jm schreyen/ er wird helffen/ das wöllen wir in kürtz erfaren/ Drauff sprechen sie jr Vater vnser/ inn starcker hoffnung vnnd tröstlicher andacht/ Ehe jhr gebet recht auß war/ schickt Gott mittel vnd wege/ so zum handel dieneten/ vnnd bescheret der kreislerin in derselbigen stunde ein lebendigen schönen vnd jungen Sone/ vnd stercket die Mutter/ vnd erfrewete jre freundin/ vnd das gantze hause/ Da lobt vnd preyset diesen nothelffer jederman/ der nicht allein dem weyblichen geschlechte jhr Creutz auffleget/ sondern auch jhre wehe vnnd schmertzen kennet/ vnnd mitten auß dem tode Mutter vnd kind erretten vnd erfrewen kan. (Mathesius, Das tröstliche De profundis (1565), T1v–T2v.)
  34. Der Kriegszug gegen die Amalekiter, in dem Saul entgegen Gottes Gebot Beute mitnahm, wird in Ly Bibelstelle1 Samuel 15 1 Sam 1 dargestellt. Anwander bietet im Folgenden eine moderne Interpretation der in Ly Bibelstelle1 Samuel 16,14–23 1 Sam 16,14–23 geschilderten Episode von Sauls Melancholy, die ihn als Strafe Gottes befällt und die durch Davids Harfenspiel geheilt wird.
  35. Anwander fügte diese für den Sinnzusammenhang unentbehrliche Ergänzung in seinem Exemplar ein, vgl. Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  36. Anwander bietet eine Übersetzung der Darstellung bei Theodor Zwinger, vgl. Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1291. Siehe den Wortlaut der Quelle im Personenartikel Lb PersonKleinias von Tarent Kleinias von Tarent.
  37. Dieses Zitat stellt eine wörtliche Übersetzung dieses Exemplums dar, wie es in Lb PersonZwinger, Theodor (1533–1588) Theodor Zwingers Universalenzyklopädie auf Lateinisch erscheint, vgl. den Wortlaut im Personenartikel Lb PersonAlexander der Große (356 – 323 v. Chr.) Alexander der Große.
  38. Die Stelle fußt samt der Literaturangabe, die hier nicht weiter verfolgt wurde, auf Theodor Zwingers Darstellung und stellt eine leicht gekürzte Übersetzung des lateinischen Originals dar: Ludouicus Pius Imperator, cùm Theodvlphi episcopi consilio & instinctu, regno exutus, captus, & in carcerem à Lothario impio filio coniectus esset, liberatus & restitutus in regnum, Theodulphum captum carceri inclusit. In quo cùm hymnum, quem in carcere dictitarat, in festo Palmarum plena uoce cantaret, Gloria laus & honor tibi sit rex Christe redemtor, &c. morus Imperator, iussit conscriptum carmen uoce pontificis decantatum signari: eiusque dulcedine permollitus, ueniam dedit Theodulpho uitae suae insidiatori, & liberum abire permissit. Cranzius libro I. capite 27. Metropoleos. (Zwinger, Theatrvm Hvmanae Vitae 5 [1586], S. 1287).
  39. Es ist nicht ganz einfach zu klären, welche Aussage Tertullians hier gemeint ist. In Tertullians großer Abrechnung mit den häretischen Lehren der Valentinianer, der Schrift Adversus Valentinianos, werden Psalmen nicht erwähnt. Gemeint ist vermutlich folgende Stelle in Ln LiteraturTertullian, De Carne Christi (1844) M De carne Christi: Sed remisso Alexandro cum suis syllogismis quos in argumentationibus torquet, etiam cum psalmis Valentini quos magna impudentia quasi idonei alicuius auctoris interserit […]. (Tertullian, De Carne Christi (1844), 17,1.)
    Deutsche Übersetzung: Doch lassen wir nun den Alexander mit seinen Syllogismen, die er in seinen Beweisführungen herausdrechselt, und mit den Psalmen Valentins, die er mit grosser Unverschämtheit, als rührten sie von einem brauchbaren Verfasser her, einflicht! (http://www.tertullian.org/articles/kempten_bkv/extra_13_de_carne_christi.htm#C17)
    Zu dem offenbar nicht näher identifizierbaren Alexander, dessen Rekurs auf Valentinus’ Psalmen verurteilt wird, vgl. Willing, Eusebius von Cäsarea (2008), S. 398.
  40. Seine Informationen bezieht Anwander aus der Kirchengeschichte des Lb PersonEusebius von Caesarea (260–340) Eusebius von Caesarea. Als einer der Anklagepunkte gegen den Bischof von Antiochien, Paulus von Samosata, der im Winter 268/269 exkommuniziert und seines Amtes enthoben wurde, fungiert auch dessen Umgang mit den Psalmen. Anwander lehnt sich eng an die wichtigste Quelle für dieses Verfahren an, die wir hier in moderner deutscher Übersetzung wiedergeben: Die Psalmen auf unseren Herrn Jesus Christus verbot er, weil sie zu neu und erst von neueren Dichtern verfaßt wären, läßt auf sich selbst aber durch Frauen inmitten der Kirche am großen Ostertage Lieder singen, bei deren Anhören man sich entsetzen möchte. Ein solches Gebaren duldet er auch bei den ihm schmeichelnden Bischöfen und Priestern der benachbarten Dörfer und Städte in deren Reden vor dem Volke. Während er nämlich nicht mit uns bekennen will, daß der Sohn Gottes vom Himmel herabgekommen ist — um etwas von dem, was schriftlich dargelegt werden soll, vorwegzunehmen; und das wird keine leere Behauptung sein, sondern erhellt aus vielen Stellen in den Akten, die wir absandten, nicht zuletzt aus seinem Worte Christus ist von unten –, sagen die, welche Lieder auf ihn singen und vor dem Volke ihn verherrlichen, ihr gottloser Lehrer sei als Engel vom Himmel herabgekommen. Und der eitle Mann verhindert solche Reden nicht, ist vielmehr zugegen, wenn sie gesprochen werden. (Eusebius, Kirchengeschichte (2011), S. 349.)
  41. Anwander bezieht sich auf das lange Zeit Bonaventura zugeschriebene Lr QuellenBonaventura, Psalterium (1604) M Psalterium in honorem Beatae Mariae Virginis, dessen Psalmen von den Jesuiten offenbar wieder verstärkt für die Marienverehrung in Umlauf gebracht wurden. So erschien eine neue Auflage 1604 in München (Bonaventura, Psalterium (1604)). Anwander zitiert vermutlich die deutsche Ausgabe von 1595. Allerdings ließ sich auf Anhieb hier keine Stelle finden, die die angeführten Zeilen wörtlich enthält. Möglicherweise kontaminierte der Pfarrer die Verse In dich/ O Fraw/ hab ich gehofft/ in ewigkeit werde ich nit zuschanden (Bonaventura, Der gulden Psalter (1595), S. 79) und O Fraw der Welt/ erlöß mich von meinen Feinden/ steh auff zu meiner Hilff (Bonaventura, Der gulden Psalter (1595), S. 65). Vielleicht ist aber auch eine andere Stelle gemeint, denn die bei Anwander verwendete Form zitiert wörtlich der Württembergische Hofprediger Lb PersonHauber, Johann (1572–1620) Johann Hauber in seiner Auseinandersetzung mit Bonaventuras Psalmen, vgl. Hauber, Wegweiser der Layen (1610), S. 211. Jedenfalls richtet sich Anwanders Kritik gegen Frömmigkeitstrends im geistlichen katholischen Lied seiner Zeit.
  42. Anwander ergänzte diese Marginalie im Exemplar Kaufbeuren, Archiv der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche, Evangelisches Kirchenarchiv, D-KFp: S 39 (Nr. 3).
  43. Im 10. Buch seiner Bekenntnisse äußerte sich Augustinus ausführlich über die Gefahren des Gesangs im Gottesdienst. Anwander bezieht sich auf folgende Stelle: tamen cum mihi accidit, ut me amplius cantus quam res, quae cantitur, moveat, poenaliter me peccare confiteor et tunc mallem non audire cantantem. (Augustinus, Bekenntnisse (2004), S. 496)
    Deutsche Übersetzung: Widerfährt es mir jedoch, daß mich mehr der Gesang als das gesungene Wort ergreift, so muß ich gestehen, daß ich sträflich sündige, und dann möcht’ ich am liebsten keinen Gesang mehr hören. (Augustinus, Bekenntnisse (2004), S. 497)
  44. Anwander bezieht sich hier auf Angaben aus Lb PersonGratian (–1158) Gratians Schlüsselwerk zum Kanonischen Recht. Die zwei von ihm konsultierten Stellen gibt er korrekt an. Er zitiert zunächst die Worte bei der Ernennung eines Psalmisten (Kantors), die sich im 20. Kapitel der Distinctio 23 finden: Vide, vt quod ore cantas, corde credas, & quod ore credis, operibus comprobes. (Decretum Gratiani (1604), Sp. 132.) Er dürfte allerdings eine andere Edition herangezogen haben. Das Verbum compleas begegnet so etwa in folgender Pariser Ausgabe: Vide vt quod ore cantas, corde credas, & quod corde credideris, operibus compleas. (Gratian, Decretorum Collectanea (1552), S. 37.) Auch gegenüber dieser Textfassung verwendet Anwander jedoch eine leicht abweichende Lesart. Unserer Auffassung nach handelt es sich bei dem zweiten Auftauchen des Wortes ore im Predigttext um eine Verwechslung. Denn sinngemäß kann es hier nur um den Glauben im Herzen und nicht um den Glauben im Ohr gehen. In unserer Edition ist das Wort daher berichtigt. Die Hinweise auf Hieronymus und Papst Gregor I. hat Anwander der zweiten angegebenen Stelle im 1. Kapitel der Distinctio 92 entnommen, vgl. Decretum Gratiani (1604), Sp. 512. Im Detail wird hier neben dem Hinweis auf einen Brief Gregors und auf dessen Dekret über das Sängeramt, das Anwander an anderer Stelle zitiert (vgl. Predigt, S. 30), der Kommentar des Hieronymus zu Ly BibelstelleEpheser 5,19 Epheser 5,19 wiedergegeben. Er enthält die Kernformulierung des Gedankens als Corde, non voce, deum laudare debemus (vgl. den kompletten Wortlaut dieser Auslegung im Lb PersonHieronymus, Sophronius Eusebius (347–420) Personenartikel des Hieronymus). Eine Glosse zu der Wendung non voce enthält dann die zwei lateinischen Verse, die auch Anwander anführt. Ein Autor ist nicht genannt. Gegenüber dem überlieferten Wortlaut weist Anwanders Zitat eine kleine Abweichung bei der Verbform cantet auf, die eigentlich im Indikativ Präsens steht: Non vox, sed votum: non chordula musica, sed cor: Non clamans, sed amans: cantat in aure Dei. (Decretum Gratiani (1604), Sp. 512)
  45. Anwander bezieht sich auf Lukas 10,38–42.
  46. Anwander zitiert Auszüge aus einem Dekret Gregors des Großen, in dem für das Sängeramt in der Kirche niedere Geistliche vorgeschrieben wurden. In moderner Edition lautet die Stelle: In sancta hac Romana ecclesia […] consuetudo est valde reprehensibilis exorta, ut quidam ad sacri altaris ministerium cantores eligantur et in diaconatus ordine constituti modulationi vocis serviant, quos ad praedicationis officium elemosinarumque studium vacare congruebat. Unde fit plerumque, ut ad sacrum ministerium, dum blanda vox quaeritur, quaeri congrua vita neglegatur et cantor minister Deum moribus stimulet, cum populum vocibus delectat. (Gregor I., Epistolae 1 (1891), S. 363)
    Deutsche Übersetzung: Seit Langem hat sich in der römischen Kirche die üble Gewohnheit eingeschlichen, daß Diakone, die man zu Sängern bestellt hat, blos auf ihre Stimme Sorgfalt verwenden, während sie doch dem Predigtamt und der Armenpflege obliegen sollten. Daher kommt es, daß man bei der Auswahl von Priestern auf Schönheit der Stimme zu großes Gewicht legt, und die Rücksicht auf den sittlichen Lebenswandel vernachläßigt, weßhalb es Cleriker genug giebt, welche, während sie das Volk durch ihren Gesang ergötzen, Gott durch ihre Sitten beleidigen. (Gfrörer, Allgemeine Kirchengeschichte 2,2 (1842), S. 1089f.)
    Diese Schlüsselstelle wurde in zahlreichen kirchenrechtlichen Werken überliefert. Konkret zog Anwander vermutlich das auch anderweitig von ihm zitierte LDecretum Gratiani (1604) Decretum Gratiani heran, wo man das Zitat im 2. Kapitel der Distinctio 92 findet.
  47. Die zum Sprichwort gewordenen Verse stammen von Lb PersonHoratius Flaccus, Quintus (65 – 8 v. Chr.) Horaz. Anwander bringt sie leicht abgewandelt, mit einem konjunktivischen Optativ anstelle der Präsensform bei Horaz: Est modus in rebus, sunt certi denique fines, Quos ultra citraque nequit consistere rectum. (Horaz, Satiren (1977), S. 19)
    Deutsche Übersetzung: Maas ist den Dingen bestimmt; und es gibt feststehende Grenzen, Jenseits wie diesseits kann nimmer bestehen, was Recht ist. (Horaz, Satiren (1837), S. 8.)
  48. Das von Anwander zitierte Sprichwort, auf Deutsch Schuster bleib bei deinem Leisten, geht auf eine Anekdote über den griechischen Maler Lb PersonApelles (4. Jh. v. Chr.) Apelles zurück. Es kursiert auch in leicht abweichenden Varianten. Anwander bezieht sich auf die Formulierung Sutor, ne ultra crepidam und verfälscht dabei das ihm womöglich wenig vertraute Wort Sandale (crepida) zu cripia.
  49. Anwander fasst die in 2 Samuel 6,15–21 enthaltene Darstellung in eigenen Worten zusammen.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 4. November 2022.

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