Icon

Orgelpredigt

Start → Register → Orgeln → E020001: Ulmer Münster, Sturm/Schott-Orgel 1578/1599

d Ulmer Münster, Sturm/Schott-Orgel 1578/1599

Disposition

Sturm 1578

I. Manual Oberwerk (C/D–c³, 48 Tasten):

Großkoppelbass 16′; Prinzipal 8′; Flöten 8′; Oktave 4′; Duodecima 3′; Quintadecima 2′; Mixtur 5- bis 8-fach; Zimbel doppelt; Tremulant

II. Manual Brustwerk (C/D–c³, 48 Tasten):

Posaune 8′; Flöten 4′; Regal 4′; Oktave 2′; Zimbel einfach; Vogelgesang; Tremulant

III. Manual Rückpositiv (C/D–c³, 48 Tasten):

Koppel 8′; Prinzipal 4′; Oktave 2′; Duodecima 1½; Mixtur 5- bis 7-fach; Heerpauken

Pedal (C/D–b¹, 22 Tasten):

Prinzipal oder Subbass 16′ (teilweise 2-chörig); Posaune 8′; Mixtur 6- bis 7-fach

Schott/Schneider 1599 [1624]

I. Manual Hauptwerk (C/D–c³, 48 Tasten):

Principal 16′; Fagott 16′; Principal 8′; Principal 8′; Principal 8′; Posaune 8′; Gedeckt 4′; Gedeckt 4′; Hohlflöte 4′; Spitzflöte 4′; Octav 4′; Mixtur 9-fach (2⅔); Cymbal 5-fach (1′); Quintadena 4′; Octav 4′ + 2′; Duodezime 8′; Tremulant

II. Manual Brustwerk (C/D–c³, 48 Tasten):

Principal 4′; Gedeckt 2′; Oktave 2′; Quinte 1⅗; Mixtur; Cymbal; Hörnlein; Vogelgesang; Tremulant

III. Manual Rückpositiv (C/D–c³, 48 Tasten):

Principal 4′; Gedeckt 4′; Gedeckt 2′; Octav 2′; Octav 2′; Quinte 1 ⅗; Hörnlein; Mixtur; Koppelregal 4′; Heerpauken; Tremulant

Pedal (vermutlich C/D–b¹):

Principal 16′; Subbass 16′; Fagott 16′; Fagott 8′; Principal 8′; Mixtur 6-fach; Posaune 8′

Weitere Bauhinweise:

  • Principal 4′ von BW und RP sind im Prospekt.
  • Der Principal 16′ und das Fagott 16′ im Manual sind Transmissionen zum Pedal.
  • Im HW ist die Duodezime zugehörig zum Principal 8′.
  • Im RP sind die beiden Octav 2′ unterschiedliche Registertypen.
  • Alle Pfeifen außer Subbass sind aus Englischem Zinn und Metall, Subbbass ist aus Holz, Posaune 8′ im Pedal aus Messing.
  • 39 Register mit über 3000 Pfeifen, allerdings sind Principal 16′ und Fagott 16′ nur jeweils ein Register, das vom Manual und Pedal parallel angesprochen werden kann, daher ist die Doppelzählung beider Register fragwürdig: Aus diesem Grund ist eher von 37 Register zu sprechen. Das Register Octave 4′+ 2′ ist als ein Register zu zählen, da es ein gemischtes Register ist.
  • Jedes Manual hat 48 Tasten, das Pedal 22.
  • Schleifenladenorgel mit 3 Manualen und Pedal
  • 16 Blasebälge, jeder mit 125 Pfund Blei beschwert um richtigen Winddruck zu erzeugen
  • Alle drei Werke (HW, BW, RP) haben je 9 Windladen.
  • Orgelgehäuse aus Holz und mit Gold verziert
  • Die Manual-Abmessung der Oktavenräume (c bis c³) stammt von mir, diese wäre logisch und nach den Regeln der damaligen Orgelbautradition.

Beschreibung

In der Reformation wurde die Orgel im Ulmer Münster beseitigt. Bis heute lässt sich nicht nachweisen, in welcher Form dies geschah und ob es tatsächlich 1531 den brachialen Lm Ereignis1531: Orgelsturm im Ulmer Münster Orgelsturm gegeben hat, der nur in deutlich späteren Berichten geschildert wird. Sicher ist allerdings, dass Orgeln und Figuralmusik erst wieder in den Gottesdienst Einzug hielten, nachdem die Reichsstadt den Anschluss an die lutherische Kirche suchte. Der konfessionelle Richtungswechsel, der sich hinter der Entscheidung zum Neubau einer Orgel verbirgt, und die damit verbundene Neuausrichtung der kirchenmusikalischen Praxis in Ulm ist kürzlich von Philip Hahn dargestellt worden. Die Geschichte des Instruments wurde von Raimund Sterl erforscht, auf dessen Aufsatz sich der vorliegende Artikel stützt. Von ihm wurde auch die ursprüngliche Disposition des Jahres 1578 aus den Quellen im Stadtarchiv Ulm rekonstruiert. Die Disposition nach den weitreichenden Umbaumaßnahmen der Jahre 1597-1599 beruht auf den Angaben in Lc PredigtautorDieterich, Conrad (1575–1639) Conrad Dieterichs La OrgelpredigtVlmische Orgel Predigt (Ulm 1624) M Orgelpredigt.

Im Jahre 1570 griff der Ulmer Superintendent Lb PersonRabus, Ludwig (1524–1592) Ludwig Rabus den schon seit längerem in der Stadt geäußerten Wunsch auf, eine neue Orgel im Ulmer Münster zu errichten. Nach einer Ausschreibung erreichten den Ulmer Rat zahlreiche Bewerbungen für den Auftrag. Unter anderem reichte der Orgelbauer Lb PersonNor, Christoph (ca. 1535 – ca. 1590) Christoph Nor aus Le Geographicumf Ort: Schwäbisch Gmünd Schwäbisch Gmünd einen Plan für eine Orgel mit 28 Registern (22 im Manual, 6 im Pedal) und insgesamt 1292 Pfeifen ein. Sechs Jahre lang erstreckten sich die Planungen, bis im Jahre 1576 der Orgelbauer Lb PersonSturm, Kaspar (ca. 1540 – ca. 1615) Kaspar Sturm den Bauauftrag bekam. Sturms Dispositionsschreiben umfasste eine Orgel mit 20 Registern, 16 Blasebälgen und 3 Manualen mit Pedal. Er veranschlagte eine zweijährige Bauzeit und erstellte eine Kostenaufstellung in Höhe von 4000 Gulden. Der Rat stimmte am 30. Juni 1576 seinem Vorschlag zu. Im Herbst begann der Bau. Zu dieser Zeit erhielt Sturm bereits 2000 Gulden Vorschuss und freies Logis für die Zeit der Bauarbeiten. Am 11. Mai 1577 wurden die Pfeifen nach Ulm gebracht, bevor schließlich im Oktober 1578, nach zweijähriger Bauzeit, die Orgel fertiggestellt wurde. Vom 3. bis 5. November 1578 wurde die Orgel durch den Münsterorganisten von Le Geographicumf Ort: Straßburg Straßburg, Lb PersonSchmid d. Ä., Bernhard (1535–1592) Bernhard Schmid d. Ä., Lb PersonEndel, Wilhelm (vor 1568 – 1587) Wilhelm Endel aus Le Geographicumf Ort: Nürnberg Nürnberg, Lb PersonPolner, Paul (vor 1549 – nach 1590) Paul Polner aus Le Geographicumf Ort: Freising Freising und den Organisten Lb PersonWizreitter, Hanns Abraham (vor 1573 – 1617) Hans Wißreiter aus Le Geographicumf Ort: München München positiv begutachtet und abgenommen. Am 11. November folgte Sturms Entlassung mit den vertraglich ausgemachten Zahlungen. Diese wurden auf Sturms Betreiben erhöht, nachdem er über seinen Vertrag hinaus noch weitere Register einfügte (Posaune und Oktav im Pedal) und die Mixturen im Rückpositiv und Pedal um weitere Pfeifen ergänzte.

Sturm erhielt 1580 als Anerkennung für den Orgelbau das Ulmer Bürgerrecht. Im Jahre 1582 reparierte er die Orgel nach ersten Schäden. Eine Überholung im Jahr 1588 wollte Sturm ursprünglich selbst vornehmen, der Auftrag ging jedoch an den Ulmer Münsterorganisten Lb PersonRintzke, Christoph (vor 1579 – 1595) Christoph Rintzke. Rintzke und Sturm verband zeitlebens eine tiefe Feindschaft, was nicht selten zu Reibereien und Streitigkeiten führte. Die Grabenkämpfe endeten mit dem Wegzug Sturms aus Ulm am 14. September 1593. Nach dem Tod Rintzkes im Jahre 1595 versuchte Sturm erfolglos den Auftrag für die Wartung seiner Ulmer Orgel zu bekommen. Der Rat hatte Sturm zu diesem Zeitpunkt bereits von der Liste möglicher Orgelbauer gestrichen. In der engeren Auswahl waren Orgelbauer wie Lb PersonSchneider, Andreas (vor 1592 – nach 1600) Andreas Schneider, Lb PersonSchott, Konrad (1561 – ca. 1637) Konrad Schott und der Nachfolger Rintzkes, Lb PersonSteigleder, Adam (1561–1633) Adam Steigleder. Mit dem blinden Orgelbauer Konrad Schott aus Le Geographicumf Ort: Stuttgart Stuttgart war der Rat zwar in Verhandlungen getreten, jedoch war dieser mit Aufträgen seines Dienstherren Herzog Lb PersonFriedrich I. von Württemberg (1557–1608) Friedrich zu Württemberg ausgelastet.

Im Jahre 1595 holte Adam Steigleder seinen Freud Schott schließlich nach Ulm, der nun in das Geschehen als Gutachter eingriff. Er kritisierte die Orgel Sturms und wies auf erhebliche Mängel hin. Der Rat lud daraufhin Sturm nochmals ein, auf eigene Kosten nach Ulm zu reisen und die Schäden zu besichtigen. Sturm konnte dieser Einladung jedoch nicht folgen, da er bei Aufträgen in Le Geographicumh Territorium: Österreich Österreich unabkömmlich war. Er erbat sich Aufschub, dem der Rat jedoch nicht folgte. Im gleichen Jahr erschien Sturm dennoch in Ulm, durfte jedoch die Orgel nicht besichtigen. Lediglich mündliche Informationen über den Zustand der Orgel konnte er von den Baupflegern erbeten. Diese Schmach führte zu erheblichen Streitereien zwischen Sturm und dem Ulmer Stadtrat. Eine zweite Einladung 1597, nach Ulm zu kommen, schlug er aus.

Sturm wandte sich stattdessen an den Lb PersonRudolf II. von Habsburg (1552–1612) Kaiser und versuchte eine Verfügung zu erwirken, nach der fällige Provisionen des Ulmer Rates, die man gestrichen hatte, an ihn wieder aufgenommen werden müssten. Der Kaiser beauftragte daraufhin Herzog Lb PersonPhilipp Ludwig von Pfalz-Neuburg (1547–1614) Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, eine Kommission zu bilden, die in Vermittlung mit Ulm eintreten sollte. Nach mehrtätigen Verhandlungen einigten sich beide Parteien auf eine Zahlung von 1000 Gulden, mit der Sturm alle Rechte und Ansprüche aufgab.

Seit der Orgeleinweihung 1578 erfuhr die Disposition der Orgel laufende Veränderungen. So baute Rintzke die Mixtur im Rückpositiv aus und schuf die Register Quint und Krummhorn. Adam Steigleder hingegen drängte nicht auf eine Renovierung, sondern auf eine Erweiterung. Ab Mitte 1597 wurde am Orgelwerk nach den Intentionen Schotts gearbeitet. Als Orgelbauer wurde Andreas Schneider herangezogen. Er vollendete seinen Erweiterungsbau 1599. Die neue Disposition fußte vermutlich noch auf den Grundzügen Sturms, allerdings wurden die Register stark verändert. Ferner baute Schneider im Rückpositiv ein Transpositionsklavier ein, um einen Ausgleich zwischen dem italienischen und deutschen Chorton zu schaffen. Am 15. Juni 1599 wurde die fertige Orgel von Konrad Schott und dem Stuttgarter Orgelbauer Lb PersonSchmid, Michael (vor 1572 – nach 1599) Michael Schmid abgenommen.

Conrad Dieterich erwähnt 1624 als Schmuck des Instruments nur die Vergoldung der hölzernen Bauteile. Vermutlich erhielt der Orgelprospekt später sein reiches Bildprogramm, das Elias Frick im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts dokumentiert hat. Neben alttestamentarischen Szenen nennt er zahlreiche Themen der antiken Mythologie (Orpheus, Daphne und die sieben Planeten), wie sie sonst auf Orgeln dieser Zeit selten zu finden sind.

Raphael Baader

Portaldaten

Dieser Datensatz ist in folgenden Einträgen des Portals verknüpft:

Empfohlene Zitierweise
DFG-Projekt »Orgelpredigt«. Digitale Edition, https://orgelpredigt.ur.de/E020001 (Version 1.00 vom 31. Januar 2020). DOI: 10.5283/orgelpr.portal
Letzte Änderung dieses Dokuments am 1. Februar 2021.

Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist, so bitten wir um eine kurze Nachricht an