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Orgelpredigt

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a Mörl, Gustav Philipp: Das rein-gestimmte Orgel-Werk unsers Herzens (Nürnberg s.a.)

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y Bibelstellen (58)

  • 1 Könige 18,26
  • 1 Petrus 4,12
  • 1 Samuel 16,23
  • 1 Samuel 18
  • 1 Timotheus 1,15
  • 2 Chronik 29,25
  • 2 Chronik 5,13
  • 2 Könige 3,16
  • 2 Samuel 12,13
  • Apostelgeschichte 10,43
  • Epheser 5,19
  • Epheser 5,8
  • Epheser 5,9
  • Exodus 15,1–2
  • Exodus 15,2
  • Ezechiel 18,23
  • Galater 2,20
  • Galater 5,17–18
  • Galater 5,24
  • Galater 6,7
  • Jakobus 2,18
  • Jeremia 3,12
  • Jeremia 3,13
  • Jeremia 31,20
  • Jesaja 54,10
  • Jesaja 57,15
  • Jesaja 6,3
  • Johannes 16,2
  • Johannes 3,16
  • Lukas 2,14
  • Markus 7,9
  • Markus 7,9–11
  • Matthäus 17,4
  • Matthäus 18,23–35
  • Matthäus 18,26
  • Matthäus 18,27
  • Matthäus 26,30
  • Matthäus 6,23
  • Offenbarung 7,12
  • Philipper 2,12
  • Psalmen 1,3
  • Psalmen 100,1–2
  • Psalmen 113
  • Psalmen 118
  • Psalmen 130,1–2
  • Psalmen 150
  • Psalmen 150,1–6
  • Psalmen 27,8
  • Psalmen 46,1–9
  • Psalmen 73,23–26
  • Psalmen 84,2–3
  • Römer 12,16
  • Römer 5,1
  • Römer 7,19
  • Römer 8,1
  • Römer 8,33–34
  • Sprichwörter 30,8–9
  • Titus 2,11

[[S. 1]]

Titel

Das
rein-gestimmte Orgel-Werk
unsers Herzens/
Oder
Christliche
Einweihungs-Predigt/
eines neu-verfertigten
Ld OrgelNürnberg, Predigerkirche, Reichard-Orgel 1709 Orgel-Werkes/
Welches
Vor die allbereit 13. Jahr in der Asche liegende
Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, St. Egidien Egidier-Kyrche angeschaffet;[1] inzwischen aber in der Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, Predigerkirche Pre=
diger-Kyrche
/ allwo sich die Egidier-Gemeine biß zum neuen Kyr=
chen-Bau/ zuversammlen pflegt/ bey dem öffentlichen Gottes=
dienst zugebrauchen/ ist angefangen/ und auch daselbst
eingeweihet worden/
gehalten
Dom[enica] XXII. post Trinitatis. 1709.
Und
auf inständiges anhalten seiner lieben Gemeine
zum Druck ausgefertiget
Von
Lc PredigtautorMörl, Gustav Philipp (1673–1750) Gustav Philipp Mörl/ Predigern der Gemeine
zu Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, St. Egidien St. Egidien/ und des Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, Melanchthon-Gymnasium Gymnasii Noribergensis
Inspectore.

Le Geographicumf Ort: Nürnberg Nürnberg/ zufinden bey Lb PersonMichahelles, Wolfgang (vor 1699 – ca. 1717) Wolffgang Michahelles.

[[S. 2]]

Widmung

Meiner ganzen lieb-werthesten
Egidier-Gemeine/
Als
meinen theuren Seelen-Schaafen
und Zuhörern/

Ubergieb und eigne ich hiemit zu/ diese meine geringe/ doch hoffentlich nicht ohne Erbauung abgelegte/ und von ihnen so offt im Druck verlangte Orgel-Predigt/ zu einen Zeugnüß/ und verbündlichen Danck-Ruhm/ vielfältig von mir und den Meinigen genossenen und noch täglich zufliessenden Wolthaten und Zuneigung/

Nebst herzlichen Wunsch/ und inbrünstigem Gebet zu Gott/ daß Er/ Sie sämtlich/ und eine jede Person derselben insonderheit/ in seiner Gnade erhalten/ vor allem Ubel bewahren/ und/ statt meiner/ mit Seinem reichen Seegen/ ein ewiger Vergelter alles empfangenen Guten seyn wolle/

Und versichere Sie unter Priesterlicher Treu/ jederzeit zu verharren aller meiner lieben Zuhörer getreuer Fürbitter bey Gott

Gustav Philipp Mörl.

[S. 3]

In Nomine Jesu.

Vorbereitung.

Ly BibelstelleOffenbarung 7,12 Lob und Ehr/ und Weißheit und Danck/ und Preiß und Krafft/ und Stärke/ sey unserm Gott/ von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Apoc. VII. 12.Es pflegen sich die Menschen/ Geliebte/ und Andächtige in Christo Jesu/ unserm Herrn/ nicht nur in solchen Dingen/ worüber sie ihr eigen Gewissen alsobald bestrafft/ an ihren Gott zu versündigen; sondern auch dasjenige/ womit man meinet Gott dem Herrn zu dienen/ und etwas Löbliches und Gutes zu schaffen/ ist öffters so bewandt/ daß man Gott mehr dadurch erzürnet/ und sich versündigt/ als daß man ein gut Werk sollte gethan haben. Die Juden meinten zur Zeit Christi/ wenn sie/ an statt/ ihren armen Eltern mit ihrem Vermögen beyzuspringen/ sprechen: Corban/ das ist/ wenn ichs opffere/ so ist dirs viel nützer;[2] so thäten sie wol/ und erzeigten Gott einen besondern Dienst/ da ihnen doch unser Heyland wiederspricht/ und sagt: Ly BibelstelleMarkus 7,9 Wol fein habt ihr Gottes Gebot aufgehoben/ aufdaß ihr eure Aufsätze haltet. Marc. VII. 9. 10. 11.Es prophezeyet Christus seinen Aposteln/ Ly BibelstelleJohannes 16,2 es werde eine Zeit kommen/ daß/ wer sie/ die Apostel/ tödtet/ meinen werde/ er thue Gott einen Dienst daran. Joh. XVI. 2.O! sündhaffter Gottes Dienst! So haben auch unsere liebe Vorfahren zur Gnüge bewiesen/ daß man durch die so heilig-gehaltene Päbstliche Gottes-Dienste/ Z[um] E[exempel] der besondern Ordens-Kleidungen/ Rosen-Cranz/ Bilder-Verehrung/ und mancherley Kyrchen-Pomp/ Ornat/ und Theatralischer Ausschmückung/ u[nd] s[o] f[ort] sich mehr versündige/ als etwas Gutes ausrichte. Weil wir demnach anheute/ bey Einweihung unserer neuen wolklingenden Ld OrgelNürnberg, Predigerkirche, Reichard-Orgel 1709 Orgel/ in einem [S. 4] solchen Vorhaben begriffen sind/ welches so wol seine Vertheidiger als auch Widersacher/ bey unterschiedlichen Glaubens-Genossen/ ja auch in unserer eigenen Evangelisch-Lutherischen Kyrche/ findet; nebst dem auch aus dem Pabstthum auf uns geerbet: als müssen wir uns freylich zuvörderst darum bekümmern/ ob wir auch durch Anschaffung/ Herstellung/ und Besorgung dieses schönen Orgel-Werkes/ etwas Gott wolgefälliges ausgerichtet haben? Und wird also dieser ansehnlichen/ volkreichen Gemeine nicht zuwider seyn/ wenn wir zum Voraus diese Frage/ auf welcher das gantze Werk beruhet/ erörtern: Obs auch recht/ nützlich/ und Gott wolgefällig sey/ wenn wir uns bey unserm Gottesdienst der Music, und insonderheit der Orgeln bedienen.

Gleich wie wir nun diese Frage allerdings mit Ja/ zu beantworten/ uns getrauen; also setzen wir zu Behauptung unserer Meinung dieses als einen richtigen/ und unfehlbaren Grund: Daß es ein Gott wolgefälliger Dienst/ und seiner Ehre gemäß sey/ wann man ihn mit Gesang lobet/ und sich desselben in denen Kyrchen-Versammlungen bedienet. Von dieser Warheit eure Christliche Liebe zu überzeugen/ finden wir im Alten und N[euen] Test[ament] Anleitung genug. Als Gott der Herr sein Volck Israel glücklich durch das Le Geographicumi Gewässer: Rotes Meer rothe Meer Lm Ereignislegendär: Zug der Israeliten durch das Rote Meer geführet/ so stimmt nicht nur Lb PersonMoses Moses samt dem ganzen Volk dem Herrn ein Danck-Lied an; sondern nennt ihn auch zugleich anfangs mit einem besondern Nahmen/ Ly BibelstelleExodus 15,1–2 Exod. XV. 1. 2.und sagt: Ly BibelstelleExodus 15,2 Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang; gleichsam/ als ob es vor allen Dingen sich gezieme/ Gott dem Herrn mit einem Gesang zu loben. Das herrliche Psalter-Buch Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) Davids ist nichts anders/ als ein bey dem Jüdischen öffentlichen Gottes Dienst üblich eingeführtes Gesang-Buch: und musten insonderheit die sechs schöne Psalmen/ vom Ly BibelstellePsalmen 113 113ten biß Ly BibelstellePsalmen 118 118ten gerechnet/ der Israelitischen Kyrche dienen/ zu einen Lob- und Freuden-reichen Oster-Gesang/ welchen sie den Nahmen des grossen Hallel, und Halleluja, beylegten. Dieser Oster-Gesang war so üblich und Gott wolgefällig/ daß ihn auch Christus der Herr/ wie allezeit/ also auch bey dem letzten Osterlamm/ mit seinem andächtigem Munde geheiliget hat: allermassen uns die Evangelisten berichten/ Ly BibelstelleMatthäus 26,30 Matth. XXVI. 30.daß er nach solchen gesprochenen Lobgesang/ hinaus an den Le Geographicumf Ort: Jerusalem, Ölberg Oelberg mit seinen Jüngern gegangen/ sein Leiden anzutretten.[3] Was die gleich nach Christi Himmelfahrt gepflantzte Apostoliche Kyrche von den Gesängen gehalten/ und ob sie sich derselben bey ihrem/ sonst sehr einfältigen/ ungeschmückten/ [S. 5] und fast armseeligen Gottes-Dienst gebrauchet/ kan ein jeglicher aus den Worten Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Pauli selbst schliessen/ Eph. 5. 19.da er seinen Ephesiern befiehlt: Ly BibelstelleEpheser 5,19 Redet untereinander von Psalmen und Lob Gesangen/ und geistlichen Liedern/ und singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen.

Nehmen wir ausser der Heil[igen] Schrifft die Kyrchen-Geschichten zu Hülfe/ so erhellet unwidertreiblich daraus/ daß die urältesten Christen einen guten Theil ihres Gottes-Dienstes in den Gesängen gesucht haben. Bey dem Lb PersonEusebius von Caesarea (260–340) Eusebio Lib. V. c. 28. findet man Nachricht/ daß die/ ungefähr 200. Jahr nach Christi Geburt/ lebende Kyrchen-Vätter/ den bekannten Lästerer der Gottheit Christi/ den Lb PersonArtemon, Haereticus (3. Jh.) Artemon, der seine Lügen unverschämter Weise aus dem Apostolischen Alterthum herzuleiten sich unterstunde/ eben dadurch widerlegten/ weil sie erweißlich machen kunten/ quod Lr QuellenEusebius, Historia Ecclesiastica (1672) M Psalmi & Cantica W W KorrekturOriginal: fratumfratrum, ἀπαρχής, jam pridem a fidelibus conscripta, Christum verbum Dei concelebrant, divinitatem ei tribuendo. d[as] i[st] Daß in denen Psalmen und Gesängen/ welche schon vorlängsten von den Glaubigen verfertiget worden/ Christi Gottheit gepriesen würde.[4] Sind nun etwa 200. Jahr nach Christi Geburt die Gesänge schon alt gewesen/ so müssen sie nothwendig/ wie auch das Griechische Wort mit sich bringt/ schon zu der Apostel Zeiten üblich gewesen seyn. Dahero dann auch Lb PersonPlinius Secundus (ca. 62 – ca. 115) Plinius im Anfang des andern Seculi an den Kayser Lb PersonTraianus, Marcus Ulpius (53–117) Trajanum von den Christen dieses berichtet: Lr QuellenPlinius, Epistulae (1995) M Soliti sunt Christiani stato die ante lucem convenire, Carmenq; Christo quasi Deo dicere secum invicem. Es pflegen die Christen an einen gewissen Tag in aller Frühe zusammen zukommen/ und Christo als ihrem Gott zu Ehren ein Lied miteinander zu singen.[5] Was die Gelehrte bey dem Wort: Carmen, allhie erinnern/ kan man bey dem gelehrten Lb PersonRittershausen, Konrad (1560–1613) Rittershusio, und Lb PersonKortholt, Christian (1633–1694) Kortholdo über diesen Brieff Lb PersonPlinius Secundus (ca. 62 – ca. 115) Plinii nachlesen.[6] Ja es scheinen diese Worte Plinii: secum invicem Carmen dicere, d[as] i[st] miteinander/ oder noch eigentlicher/ Wechsels-Weise nach einander singen/ zimlicher massten zu bestättigen/ die von vielen in Zweiffel gezogene Erzehlung Lb PersonSokrates Scholastikos (ca. 380 – ca. 440) Socratis Lr QuellenNicephorus, Ecclesiasticae Historiae Libri (1588) M lib. VI. c. 8. Da dieser Kyrchen-Scribent von dem Ursprung der Wechsel-Gesänge/ welche sonsten Antiphonae genennet werden/ folgendes anführet: Lr QuellenNicephorus, Ecclesiasticae Historiae Libri (1588) M Wir müssen auch erzehlen/ sagt er/ woher die Gewonheit in der Kyrche/ Wechsels=weiß zu singen/ ihren Ursprung habe. Lb PersonIgnatius von Antiochien (vor 68 – ca. 110) Ignatius Bischoff zu Le Geographicumf Ort: Antiochia Antiochia in Le Geographicumh Territorium: Syrien Syrien/ der dritte nach dem Apostel Lb PersonPetrus Petro/ der auch mit denen Aposteln selbst noch umgegangen/ sahe einmal in ei= [S. 6] nem Gesicht/ wie die Engel/ durch Wechsel-Gesänge/ die Heil[ige] Dreyfaltigkeit lobeten. Diese angemerckte Art zu singen/ machte er in der Kyrche zu Antiochia bekannt. Dahero solcher Gebrauch allen andern Kyrchen nachmals ist mitgetheilet worden.[7] Erhellet demnach aus allem/ was wir jetzo vorgebracht/ daß man schon zu der Apostel/ und nächst darauf folgenden Zeiten/ sich der Gesänge W W KorrekturOriginal: deybey geistlichen Zusammenkunfften bedienet habe.

Gehen wir in den Zeiten der Kyrchen/ etwas weiter fort/ so finden wir/ daß die Kyrchen-Gesänge in beständiger Ubung und Observanz geblieben seyen. Der im andern Seculo hochberühmte Kyrchen-Vatter Lb PersonJustin der Märtyrer (ca. 100 – 165) Justinus Martyr lehnet/ in seiner Schutzrede an den Kayser Lb PersonAntoninus Pius (86–161) Antoninum Pium, die Lästerung/ als ob die Christen keinen Gott glaubten/ dadurch ab/ Lr QuellenJustinus Martyr, Opera (1686) M quia gratos se Deo exhibentes, rationales pompas & hymnos celebrent atque decantent.[8] d[as] i[st] Weil sie ihre Dankbarkeit/ durch vernünfftige Gottesdienst und Gesänge bezeugten. Aus dem Lb PersonTertullianus, Quintus Septimius Florens (nach 150 – nach 220) Tertulliano, welcher sowol in das andere als dritte Seculum gehöret/ könnten viele Stellen angeführet werden/ wenn es die Zeit litte. Jedoch kan ich nicht vorbey gehen die merkwürdige Worte Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustini, Epist. CXIX. ad Januarium de Ritibus Ecclesiae: Lr QuellenAugustinus, Epistolae (1668) M Sine dubio (in Ecclesia scil[icet]) faciendum est maxime illud, quod etiam de scripturis defendi potest: sicut de hymnis & Psalmis canendis, cum & ipsius Domini & Apostolorum habeamus documenta & exempla, & praecepta.[9] d[as] i[st] Ohne Zweiffel muß man diejenige Gebräuche am allermeisten in der Christlichen Kyrche in acht nehmen/ welche auch aus der Heil[igen] Schrifft können vertheidiget werden: gleichwie wir vom Gesang der Lieder und Psalmen/ sowol unsers Herrn selbst/ als auch der Apostel Zeugnüsse/ Beyspiele/ und Verordnungen haben. Diesemnach muß dann Lb PersonZwingli, Huldrych (1484–1531) Zwinglius freylich sehr irrig dran gewesen seyn/ da er alles Singen und Musiciren aus der Kyrche abgeschaffet wissen wollte/ auch einst deßwegen vor dem Rath zu Le Geographicumf Ort: Basel Basel erschien/ und die darauf gerichtete Supplication absang/ mit dieser Auslegung: So verwunderlich und verdrüßlich dem Rath diese seine abgesungene Bitte vorgekommen; eben Lr QuellenCalvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705) M so ungereimt sey es auch ein Gebet vor Gott abzusingen/ und noch darzu mit der Orgel darein zuschlagen[10] Vid. Lb PersonCalvör, Caspar (1650–1725) Calvör Lr QuellenCalvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705) M Rituale Eccles. P. II. p. 638.[11] Viel anders haben wir die urälteste Christen anjetzo von dem Gesang urtheilen hören.

[S. 7]

Dieses nun vorausgesetzet/ kan ich nicht finden/ warum man den Gebrauch der Orgeln bey denen ordentlichen Kyrchen Gesängen; oder auch eine zierliche/ von Kunst verständigen eingerichtete Harmonie und Music, aus der Kyrche verbannen sollte.[12] Eine Orgel ist sonderlich darzu dienlich/ daß eine so zahlreiche Menge der Singenden/ so wol in einem Thon erhalten/ als auch zur Andacht zugleich mit aufgemuntert werde. Solte denn aber Gott dem Herrn ein unordentliches Geschrey besser etwa gefallen/ als ein zusammen haltend- und gleichstimmiger Gesang? Sollten denn etwa nur diejenige Lieder Gott dem Herrn angenehm seyn/ welche auf bäuerische/ und rauhe Art abgesungen werden? Und sollte Er wol derjenigen Music allein feind und zuwider seyn/ welche sich auf solche Reguln gründet/ die Er selbst in der ganzen Natur mit Maaß/ Zahl/ und Gewicht/ geordnet und gesetzet? Diß ist wol schwerlich zu glauben.

Jedoch dörfften manche diesen Schluß für allzu abgebrochen und übereilt ansehen/ auch noch einen grossen Unterscheid/ zwischen einem gemeinen blosen Lobgesang/ und einer künstlichen Music, zu zeigen/ sich anheischig machen. Und ist nicht ohne: es kan noch manches eingewendet werden/ welches die Mühe wol werth ist/ daß es bey unserm gegenwärtigen Vorhaben untersucht/ und beantwortet werde.[13]

Zuvörderst beuget unser Gegentheil nicht nur denen jenigen Exempeln für/ die wir von allerley Musicalischen Instrumenten aus dem Alten Test[ament] anführen könnten; sondern bekrieget uns vielmehr aus eben dieser Rüst-Kammer: indem solche Scribenten vorgeben/ es gehöre die Instrumental-Music A[lten] Test[aments] zu des Jüdischen Volks Kindheit und Minderjährigkeit/ durch welche sie zwar den süssen Thon des Evangelii fürgebildet/ uns aber durchaus kein Exempel der Nachfolge gegeben habe/ so wenig/ als wir andere Schatten-Werke und Fürbilder des alten Bundes nachzuahmen begehren.[14] Allein ich kan/ bey reiffem Nachsinnen/ durchaus nichts zulängliches unter diesem Vorgeben antreffen. Es ist kein einiger Ort oder Spruch in ganzer Heil[igen] Schrifft zuzeigen/ worinnen die Instrumental-Music als ein Vorbild N[euen] Test[aments] angemerket würde/ wie solches doch gleichwol bey eigentlichen Vorbildern erfordert wird. Vielmehr haben wir zu beobachten/ daß Moses/ durch welchen Gott der Herr sonst den Geheimnüß-reichen Dienst A[lten] Test[aments] angeordnet hat/ von der Music nicht den geringsten Befehl gegeben. Lb PersonDavid (fl. 1000 v. Chr.) David hat das Haupt-sächlichste/ aus Eingebung Gottes/ und mit Beystand der Heiligen Propheten/ dabey gethan. Dahero wir von Lb PersonHiskija (ca. 750 – 696 v. Chr.) His= [S. 8] kia2. Chron. XXIX. 25. lesen: Ly Bibelstelle2 Chronik 29,25 Er stelllet die Leviten im Hause des Herrn/ mit Cymbaln/ Psaltern und Harffen/ wie es N[ota] B[ene] David befohlen hatte/ und Lb PersonGad Gad der Schauer des Königes/ und der Prophet Lb PersonNathan Nathan/ denn es war des Herrn Gebot durch seine Propheten. In dem bekannten Ly BibelstellePsalmen 150 letzten Psalm wird die Music nach ihrer unterschiedlichen Art/ warlich nicht als ein bloses Levitisches Werk/ sondern als ein Mittel des Lobs Gottes/ zu welchem wir jetzo nicht weniger/ als im A[lten] Test[ament] verbunden/ anbefohlen. Weswegen auch dieselbe bey der Lm Ereignislegendär: Einweihung des Salomonischen Tempels Einweihung des Salomonischen Tempels/ eigentlich wegen des dadurch ausgebreiteten Lobs Gottes/ Ihme/ dem Herrn/ so angenehm gewest/ besage der Worte: 2. Chron. V. 13.Ly Bibelstelle2 Chronik 5,13 Und da die Stimme sich erhub von den Drommeten/ Cymbeln/ und andern Saitenspielen/ und von dem N[ota] B[ene] Loben des Herrn/ daß er gütig ist/ und seine Barmherzigkeit ewig währet/ da ward das Haus des Herrn erfüllet mit einem Nebel.[15]

Ferner beziehet sich unser Widerpart auf einige Stellen der Kyrchen-Vätter/ in welchen sie die Instrumental-Music als etwas Heydnisches verwerffen/ und fast zimlich spöttlich durchlassen. Justinus Martyr schreibet Lr QuellenJustinus Martyr, Opera (1686) M quaest. & resp. CVII. p. 132. also: Lr QuellenJustinus Martyr, Opera (1686) M Simpliciter canere, insipientibus non convenit: sed instrumentis inanimatis, & crotalis cum saltatione canere. Quo circa in Ecclesiis, non usus Carminum per ejus generis instrumenta, & alia insipientibus congruentia receptus est: sed simplex cantio in eis manet.[16] d[as] i[st] Ein einfältiger Gesang schickt sich auch vor verständige Leute; aber leblose Instrumenta, und mit Tanzen und Hüpffen vergesellschaffte Zimbeln/ nur vor unverständige. Dahero in der Christlichen Kyrche keine mit Instrumenten und andern thörichten Weesen eingerichtete Lieder üblich sind; sondern man bleibt bey einem einfältigen Gesang. Allein man siehet fast ohne mein erinnern/ daß dieser Eyffer Justim zwar die Heydnische/ abergläubliche/ weltliche/ fleischliche Music, derer sich die Heyden/ nebst Tanzen und Springen bey ihrem Gottesdient gebrauchten/ antaste: aber durchaus unsere woleingerichtete Kyrchen-Music nicht betreffe/ als von welcher sie noch nichts mögen gewust haben. Die Christen thaten freylich recht/ daß sie/ um ihre Gottesdienste von denen Heydnischen desto besser zu unterscheiden/ der W W KorrekturOriginal: InstrmentenInstrumenten sich gänzlich enthalten/ als bey welchen sich der Mißbrauch und Aergernüsse/ weit vor dem guten Gebrauch/ würden eingeschlichen haben. Aber daß man heut zu Tag/ da wir von [S. 9] dem Heydnischen Mißbrauch ganz entfernet sind/ ja nichts davon wissen/ eben das unterlassen müsste/ was in der ersten Kyrche unterlassen worden/ folget durchaus nicht. Lb PersonArnobius ( – ca. 327) Arnobius ziehet freylich die Instrumental-Music, Lr QuellenArnobius, Disputationum adversus gentes libri septem (1604) M lib. VII. p. 237. scharff durch/ wenn er schreibet: Lr QuellenArnobius, Disputationum adversus gentes libri septem (1604) M Etiamne Dii afficiuntur aeris tinnitibus, & quassationibus Cymbalorum? etiamne tympanis? etiamne Symphoniis? quid efficiunt crepitus scabillorum, ut cum eos audierint numina, honorificae secum existiment actum, & ferventa animos irarum oblivione deponant? An nunquid ut parvuli pusiones ab ineptis vagitibus crepitaculis exterrentur auditis? eadem ratione & omnipotentia numina tibiarum stridore mulcentur, & ad numerum cymbalorum mollita indignatione flaccescunt? Quid sibi volunt excitationes illae, quas canitis matutini, collatis ad tibiam vocibus? Obdormiscunt enim superi, remeare ut ad vigilias debeant?[17] Es gehen aber seine Worte bloß dahin/ daß er die Thorheit der Heyden anzapfft/ indem sie dafür hielten/ sie könnten durch den Klang/ denen Göttern eine Ehre anthun; ihren Zorn stillen/ wie man bey denen weinenden Kindern ein Schlötterlein braucht; sie aus dem Schlaff erwecken/ Ly Bibelstelle1 Könige 18,26 1. Kön. XIIX. 26. 27.u[nd] s[o] f[ort] nicht anderst als dort Lb PersonElija (9. Jh. v. Chr.) Elias denen Baals-Pfaffen es gemacht. Hiemit bleibet nun unsere heutige Kyrchen-Music, die ganz andere Absicht hat/ billig unangefochten.

Nechstdem will drittens der Music sehr nachtheilig scheinen/ so man in dem Alterthum sich erkundiget: wenn und zu welcher Zeit selbige bey dem Gottesdienst sey üblich und gebräuchlich worden. Zwar kan man in diesem Punct fast auf keinen rechten Grund kommen/ und sind die Meinungen der Gelehrten gar unterschiedlich. Wenn die Kyrchen-Music vor recht alt ausgegeben wird/ so setzet man sie insgemein in das VIIde Seculum, so daß deren Stiffter der Pabst Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitalianus gewesen seyn sollte.[18] Andere halten dafür/ es sey selbige erst im IXden Seculo, unter dem Kayser Lb PersonLudwig der Fromme (778–840) Ludovico Pio, bekannt worden. Gehet man dem Zeugnüß Lb PersonAquin, Thomas von (1225–1274) Thomae von Aquin nach/ so wäre selbige so gar im XIIIden Seculo noch nicht in die Kyrche eingeführet worden: wie man bey dem Lb PersonCalvör, Caspar (1650–1725) Calvörio in Lr QuellenCalvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705) M Rituali Ecclesiastico P. II. p. 688. 691. umständlicher lesen kan.[19] Es sey nun dem wie ihm wolle/ und man erwehle auch die älteste Zeit unter diesen dreyen/ so geben die Kyrchen-Geschichte an die Hand/ daß damals die Laien oder gemeine Glieder der Kyrchen von dem Gesang je mehr und mehr ausgeschlossen/ und ihnen gleichsam das Maul gestopffet worden; so daß die nach und [S. 10] nach mit eingeführte Instrumental-Music mehr zur Eitelkeit/ und Unterhaltung des Pfaffen-Gesangs/ als zur Erbauung der Christlichen Gemeine ihr Absehen gehabt. Vid. Calvör. Lr QuellenCalvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705) M l. c. & p. 640.[20] Itemque Lb PersonBona, Giovanni (1609–1674) Cardin. Bona Lr QuellenBona, Rerum Liturgicarum Libri Duo (1674) M de Rebus Liturgicis, p. 426. seqq.[21] Dahero man sich fast nicht wundern darff/ wenn von Reformirter Seite die Orgeln/ Lr QuellenCalvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705) M des Römischen Abgotts Baals Feld Zeichen sind genennet worden. Ap[ud] Lb PersonDedeken, Georg (1564–1628) Dedek. Lr QuellenDedeken, Thesaurus Consiliorum 1 (1671) M Thes. Consil. P. I. p. 1146.[22] Ist nun der Ursprung und die Einführung der Music so Anti-Christisch/ und der Gemeine Gottes in ihrer Andacht und Gesang so nachtheilig; so wird selbiger auch schlechtes Lob gebühren. Dieser Einwurff so schön er auch scheinet/ kan doch auf folgende Weise gar füglich abgeleinet werden. Erstlich ist es durchaus noch keine ausgemachte Sache/ daß der Musicalischen Instrumenten Gebrauch beym Gottesdienst nicht älter seye/ als die Zeiten des Pabst Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitaliani. Man findet bey dem Christlichen Poeten Lb PersonPrudentius Clemens, Aurelius (348 – ca. 405) Prudentio welcher in das IVte und Vte Seculum gehöret/ in Apotheosi v. 386. seqq. folgende schöne/ und von wenigen bemerkte Worte:

Ln LiteraturPrudentius, Apotheosis (1876) M Quicquid in aere cavo reboans tuba curva remugit,
Quicquid ab arcano vomit ingens spiritus haustu,
Quicquid casta chelys, quicquid testudo resultat,
Organa disparibus calamis quod consona miscent,
Aemula pastorum quod reddunt vocibus antra;
Christum concelebrat, Christum sonat, omnia Christum
Muta etiam fidibus sanctis animata loquuntur.
[23]

Welche ein sinnreicher Poet also verteutschet:

Was aus dem holen Erz der krummen Hörner hallet/
Was ein geheimer Geist aus Winde-Bälgen bläst/
Was auf der Laute klingt/ was von der Harffe schallet/
Was die ungleiche Reih der Pfeiffen Orgeln läst/
Was uns der Stimmen Streit bläst so einstimmig ein/
Das will zu Christi Preiß allein gewidmet seyn.
Was Echo, in dem Wald aus dürrer Höle singet/
Wann sie ein geistigs Lied äfft frommen Schäfern nach/
Was stumm zwar von Natur/ doch aus den Saiten klinget/
Was tod ist am Clavir, das hat doch seine Sprach/
Was Odem hat/ und nicht/ das alles stellt sich sein/
Und will zu Christi Preiß allein gewidmet seyn.
[24]

[S. 11]

Woraus genugsam erhellet/ daß man lang vor Lb PersonVitalianus (vor 657 – 672) Vitaliano der Musicalischen Instrumenten zum Lob Gottes/ und also folglich auch in der Kyrchen sich bedienet habe. Zum andern aber/ wenn auch gleich der erstmalige Gebrauch der Music noch so tadelhafftig wäre/ so könnte er doch unsere Music nicht verwerfflich machen/ wenn wir nur nicht an den Fehlern selbst Theil nehmen/ sondern sie vielmehr abstellen. Tempel und Altäre sind grossen Mißbräuchen im Pabstthum unterworffen; sie können aber bey uns ohne Sünde gebraucht werden. Man wende nur die Kyrchen-Music nicht zum Nachtheil/ Verdruß/ und Hindernüß der Andacht bey dem gemeinen Hauffen der Zuhörer an; so wirds ihr nicht schaden können/ ob sie gleich von Vitaliano oder iemand anders aus eitlen Hochmuth des Geistlosen geistlichen Standes wäre eingerühret worden.

Aber dieses ist es eben/ was noch letzlich/ und zum vierdten/ wider unsere Meinung eingestreuet wird/ man könne nemlich nichts geistliches noch nützliches und zur Erbauung dienendes an und bey unsern Kyrchen-Musicen finden noch merken: Es stecke nichts anders/ als eine fleischliche Kützelung der Ohren dahinter; und diene mehr zur Wollust des Herzens/ als zur geistlichen Andacht/ u[nd] s[o] w[eiter]. Nun muß ich freylich bekennen/ daß es bey vielen Kyrchen Musicen fast nirgend als überall fehle/ man sehe gleich die musicirende Personen/ oder die Art der Music, oder die Zuhörer/ oder endlich die Würckung der Music an. Die musicirende Personen sollten von Rechts wegen die ganze Gemeine so wol mit der Stimm/ als mit der Andacht vertretten/ und also nicht nur verstehen was sie singen/ sondern auch das Herz dabey haben. Da werden aber nun offt lateinische Stücke abgesungen/ davon sie keinen Verstand haben/ und also auch von aller Andacht leer bleiben. Ich will von diesen Fehler/ statt meiner/ reden lassen den bekannten Herrn Lb PersonGerber, Christian (1660–1731) Gerber/ Lr QuellenGerber, Unerkannte Sünden der Welt (1699) M P. I. der unbekannten Sünden/ p. 1060. Lr QuellenGerber, Unerkannte Sünden der Welt (1699) M Wir wollen/ schreibt er/ von denen Sängern reden/ die in manchen grossen Städten/ item in Fürstlichen und Königlichen Hof-Capellen gebraucht werden. Da sind denn dißweilen Leute von unterschiedlichen Religionen und Nationen. Man findet unter ihnen abgöttische Baals-Diener/ Päbstliche Marien-Knechte/ unzüchtige Italiener und Cappaunen.[25] Dergleichen Leute nun/ die einer irrigen Religion zugethan sind/ scheuet man sich heut zu Tage nicht/ zum Gottesdienst zu gebrauchen. Ein solcher Italiener tritt denn um Geld und Gewinns willen in unser Versammlung/ und krehet etwas daher/ so närrisch/ als es ihm einfällt oder be= [S. 12] liebet: Im übrigen hat er an unserm Gottesdienst einen Greuel/ W W KorrekturOriginal: ververachtetverachtet solchen in seinem Herzen/ und sorget/ er mögte dadurch verunreiniget werden/ darum laufft er so bald er ausgesungen/ und die Predigt angehet/ aus der Kyrchen/ treibet unterdessen seine Leichtfertigkeit mit Sauffen oder mit Buhlen/ dann kommt er wieder. Oder/ braucht man schon an manchem Ort keine Italiener/ sondern Teutsche/ so bezeuget es die Erfahrung/ daß es manchmal Hurer/ Ehebrecher/ Trunkenbolde und sonst lasterhaffte Personen seyn/ die ein liederliches/ unchristliches Leben führen/ wenn sie aber vollkommene Musici seyn/ die in Vocal- und Instrumental-Music sich stattlich hören lassen/ so ist alles gut.[26] Die Art zu Componiren ist manchmal so profan und weltlich/ daß sie die Liebhaber mehr zum Tanzen/ als zur Andacht bewegen sollte/ und wird mehr auf die Kunst/ oder neueste Mode, als auf Gottgeheiligte Gemüths-Bewegungen gesehen. Die Zuhörer wissen fast niemals was musicirt wird/ bringen dahero die Zeit mit ausschweiffenden Gedanken zu; und ist also nicht zu vermuthen/ daß eine geistliche Inbrünstigkeit die Würkung einer solchen Music seyn könne. Dieses alles begehre ich zwar nicht zu läugnen; allein es reichet doch auch nicht zu/ alle Kyrchen-Musicen verwerfflich zu machen. Diese Fehler können alle verbessert werden/ und gibt es noch endlich so wol gottsförchtige Musicos, als auch andächtige Componisten/ derer Dienst Gott dem Herrn nicht unangenehm seyn wird. Denen Zuhörern und der ganzen Gemeine kan am füglichsten geholffen werden/ wenn man die abzusingende Texte durch den Druck bekannt macht/ und ihnen gleichsam in die Hände giebet/ wie wir es denn auch anjetzo mit unserer Music also eingerichtet haben/ daß/ vermög derer ausgetheilten Büchlein/ ein grosser Hauffe der Gemeine den Inhalt des Gesangs verstehen/ und seine Andacht darauf richten kan.[27] Wo diese Umstände bey denen Musicen beobachtet werden/ da kan es denn an heilsamer Erbauung und geistlichen Seelen-Nutzen nicht ermangeln. Es müssen nothwendig die Lehr- und Trost-reichen Texte mehr Aufmunterung geben/ wenn sie durch einen süssen Klang unsern Herzen eingeflösst/ als wenn sie bloßhin gelesen werden. Was das Gemähl denen Augen/ das ist die Music denen Ohren. Gleichwie nun eine erbauliche Biblische Geschicht weit tieffer zu Herzen tringt/ wenn nebst dem inwendigen Seelen-Aug/ auch das euserliche Cörperliche Aug selbige/ von einem Kunst=reichen Pinsel vorgestellet/ zugleich betrachten kan; also wird auch ein erbauliches Lied uns mehr aufmuntern/ wenn die Music ihre natürliche Bewegungs-Krafft [S. 13] mit dem Geist Gottes vermenget und verbindet.[28] Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustinus schreibet von seiner eigenen Erfahrung also: Lr QuellenAugustinus, Opera 8 (1616) M Ich konnte nicht ersättiget werden/ von der wunderbaren Lieblichkeit der Gesänge/ deinen hohen Rath von der Menschen Seeligkeit zu betrachten. Wie sehr weinte ich/ wenn ich hefftig bewogen ward/ durch die Lob-Gesäng und Lieder/ deiner lieblich erschallenden Kyrche. Diese Stimme floß in meine Ohren/ und deine Warheit ward in mein Herz geflöset/ und dadurch entbrannten in mir die gottseelige Affecten/ die Thränen flosen/ und mir war wol bey ihnen.[29] Nicht weniger kan auch ein betrübtes und trauriges Herz kräfftig aufgerichtet und zur Freude in Gott gebracht werden/ wenn der süsse Schall der Music ein trostreiches Lied begleitet. Ly Bibelstelle1 Samuel 16,23 Wenn der Geist Gottes über Lb PersonSaul (fl. 1000 v. Chr.) Saul kam/ so nam David die Harffen/ und spielet mit seiner Hand/ so erquicket sich Saul/ und ward besser mit ihm/ und der böse Geist weich von ihm/ stehet 1. Sam. XVI. 23. Da der Prophet Lb PersonElisa Elisa weissagen will/ so gibt er den Befehl: 2. Reg. III. 15.Ly Bibelstelle2 Könige 3,16 Bringet mir nun einen Spielmann. Und da der Spielmann auf der Saiten spielet/ und also das Gemüth des Propheten in eine angenehme Ruhe und Stille brachte/ welches damals eben gegen den König in Le Geographicumh Territorium: Israel Israel in Zorn-Eyffer entbrannt war/ kam die Hand des Herrn auf ihn/[30] und kunte also der Geist Gottes besser in ihme/ dem Propheten/ würken/ gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser besser/ als in einem verunruhigtem/gesehen wird. Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Lutherus setzet an einem Ort gar bedenklich: Ich halte es gänzlich dafür/ und habe dessen keinen Scheu/ öffentlich zu bekennen/ daß nach der Theologia oder Göttl[ichen] Wort/ keine andere Kunst auf Erden sey/ welche der Music könne oder möge verglichen werden: dieweil die Music, nach der Theologia, das allein ausrichten kan/ welches sonsten das Wort Gottes allein vermag und ausrichtet/ nemlich ein unruhiges und betrübtes Herz frölich machen/ und zu frieden stellen.[31] Endlich wenn auch eine Orgel sonst gar keinen Nutzen gebe/ so hilfft sie doch zu guter Ordnung des Gottesdienstes/ dadurch/ daß sie die Stimme der Gemeine zusammen/ und in einer Gleichheit hält/ damit nicht durch ein häßlich durcheinander lauffendes Geschrey die Andacht der Singenden gestöret werde;[32] als wovon Eure Christliche Liebe/ wegen unserer bißherigen Ld OrgelNürnberg, Predigerkiche, vor 1709 sehr schwachen Orgel selbst eigenes Zeugnüß wird geben können.

Nachdem nun alle diese Einwürffe gründlich gehoben sind/ so haben wir kein Bedenken mehr unsere neu erbaute Orgel Gott dem Allmächti= [S. 14] W W KorrekturOriginal: tigengen zu widmen/ und selbige hiemit in dem Nahmen des Drey-Einigen Gottes einzuweihen. Wir wollen unsere Einweihung in drey kurtze Stücke verfassen/ nemlich in Danken/ Heiligen/ und Wünschen.

Zuvörderst danken wir dem barmherzigen Vatter im Himmel/ der in diesen jetzigen elenden und betrübten Zeiten/ da der Lm Ereignis1700–1721: Nordischer Krieg Krieg fast ganz Europam überschwemmet/ und die Gewerbe leiblicher Nahrung aller Orten ins stecken gerathen/ dennoch so viel geistlichen Seegen uns Unwürdigen hat geschenket/ daß seine schöne und erbauliche Gottesdienste unter uns in vollem Schwange gehen/ auch allhier in diesem lieben Gottes-Haus in erwünschten Flor stehen; so gar daß er uns anheute ein neues Mittel und Instrument vergönnet/ durch welches unser heiliger Gesang desto andächtiger und geistreicher/ auch ordentlicher und zierlicher/ soll und kan gemachet werden. Ach! Er walte den noch ferner in Gnaden über uns; er erhalte uns sein liebes Wort/ Christliche Gesänge/ und andere Schätze des Evangelii/ damit der Leib Christi/ welcher ist die Gemeine/ auch allhier unter uns/ biß ans Ende der Welt/ möge erbauet/ und der Nahme Gottes verehret werden. Nächstdem aber danken wir auch in unterthänigem Gehorsam Einem ganzen Hochedlen und Hochweisen Rath/ und insonderheit unsers Hochgeehrtesten Herrn Kyrchen-Pflegers Hochadel[iger] Herrlichkeit/ durch dessen Vorsorge/ Fürbitt/ und Anordnung dieses schöne Ld OrgelNürnberg, Predigerkirche, Reichard-Orgel 1709 Orgel-Werk allhier stehet. Als ich die Ehre hatte/ Dero Hochedlen Herrlichk[eit] zu dem hochansehnlichen Ephorat und Kyrchen Pfleg-Amt in Unterthänigkeit zu gratuliren; so war dieses meine erste Bitt an Sie/ daß Sie doch meine liebe Egidier-Gemeine mit einem neuen und grössern Orgel-Werk versorgen mögten. Gleichwie nun damals schon Dero Hochadel[ige] Herrlichk[eit] mir allen Beystand und Förderung versprochen; also haben Sie sich solcher Zusage von selbsten eine geraume Zeit darnach erinnert/ und das Werk selbst/ wie es jetzo ist/ hergestellet. Nun davor statte ich denn billig meinen unterthänigen Dank ab/ und wünsche/ daß Gott ein reicher Vergelter solcher Vorsorge seyn wolle. Er wende von einem gesamten Hochedlen Rath/ und insonderheit von Herrn Kyrchen-Pflegers Hochadel[iger] Herrlichk[eit] alles Widrige ab/ und lasse ihr Hohes Wolwesen durch Ihre geistliche und leibliche Widerwärtige nimmermehr verstimmet werden; sondern erhalte vielmehr bey Ihnen in ihrem Regiment/ in ihren Häusern/ und in ihren Edlen Seelen eine angenehme [S. 15] Harmonie alles selbst erwünschten Seegens und Zufriedenheit. Und weilen ohne Zweiffel Herrn Kyrchen-Pflegers Hochadel[ige] Herrl[ichkeit] in ihrem eigenen/ vor die Ehre Gottes wachenden Gewissen sich verpflichtet erachten/ unsere in der Asche liegende Egidier-Kyrche ehestens wieder aufzurichten; als wünsche ich herzlich/ daß Gott solchen Bau gnädiglich seegnen/ anfangen/ mittlen und vollenden wolle helffen.

Nach abgestatteter Dank-Pflicht folget dann das Haupt-Werk/ daß wir unsere neue Orgel/ Gott dem Herrn Heiligen/ widmen/ übergeben/ und einweihen. Nun so seye denn hiemit dieses schöne und wol-klingende Kunst-Werk auf ewig und beständig von allen weltlichen und gemeinen Gebrauch abgesondert/ und dem Drey-einigen Gott/ Vatter/ Sohn/ und Heil[igem] Geist/ zu Ehren gewiedmet und gesetzet! Diene du inskünfftige mit deinem süssen Thon niemand anders/ und zu nichts anders/ als zu Lob deines Schöpffers/ und Ermunterung unserer Andacht. Keine frevele Hand wolle dich jemals entweihen und gemein machen/ sondern es müsse sich allezeit die Kunst mit der Gottesfurcht paaren bey denen die dich anrühren/ und mit dir einstimmen. Der Heil[ige] Geist belebe allezeit die Herzen deiner Zuhörer/ so offt der Wind in deine Pfeiffen tritt/ ein geistreiches Lied anzustimmen. Alle Musicen seyen nichts anders/ als thätliche und würkliche Magnificat, da die Herzen aller musicirenden inwendig allezeit anstimmen: Meine Seel erhebt den Herrn/ und mein Geist freuet sich Gottes meines Heylandes. Wenn betrübte und niedergeschlagene/ ja von dem Teuffel beängstete Gewissen und Seelen sich allhier einfinden/ so wolle Gott solchem Trauer-Geist durch den geistvollen Klang und Gesang steuern und wehren/ wie dorten durch den Klang der Harffe Davids bey Saul. Ja es gebe der Grund-gütige Gott über das alles/ daß das Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, St. Egidien rechte und eigentliche Haus dieses Orgel-Werks fein bald erbauet werde/ und dieses auf unsern werthen Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, St. Egidien Egidier-Berg/ gegen die Berge von welchen uns Hülffe kommt/ erschallen möge.[33]

Mein Wunsch ist am Ende und zum Beschluß dieser: Gott wolle und allezeit bey unseren lieblichen Gesängen einen Vorschmack der Englischen Himmels-Music geniesen/ und unsere Herzen zu einer inbrünstigen Sehnsucht nach jener Freude erwecket werden lassen. Die H[eiligen] Engel stimmen nicht nur/ vor dem Angesicht ihres Gottes/ ein Ly BibelstelleJesaja 6,3 Heilig/ Heilig/ Heilig/ nach dem andern an; sondern da auch ein Engel/ [S. 16] als der erste Prediger der Geburt Christi vor den Hirten auftratt/ und seine trostreiche Predigt hielte/ wurde zugleich von dem völligen Engel-Chor angestimmet/ und abgesungen: Ly BibelstelleLukas 2,14 Ehre sey Gott in der Höhe/ Friede auf Erden/ und den Menschen ein Wolgefallen. So lasst uns denn nicht nur sehen/ dermaleins im Himmel in den Chor der Engel aufgenommen zu werden; sondern auch versichert seyn/ daß/ so offt wir hier im Geiste singen/ selbige zu uns tretten/ und uns zu ihren Consorten oder Gesellen des Lobs Gottes aufnehmen. Ja lasst uns jetzo eine Probe davon machen/ und/ nachdem die künstliche figural-Music allbereit den Anfang gemacht/ durch zusammgesetzte Andacht und Stimme dieser volkreichen Gemeine/ unter gewisser Einstimmung der allhier gegenwärtigen Heil[igen] Engel/ unsere Einweihung vollenden mit dem schönen Gloria der Christlichen Kyrche: Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme Gloria sey dir gesungen/ mit Menschen und Englischen Zungen.[34] u[nd] s[o] f[ort].

Evangelium/ Matth. XIIX. 23. --- 35.

Ly BibelstelleMatthäus 18,23–35 Das Himmelreich ist gleich einem Könige/ der mit seinen Knechten rechnen wolt. Und als er anfieng zu rechnen: kam ihm einer für/ der war ihm zehen tausend Pfund schuldig. Da ers nun nicht hatte zu bezahlen/ hieß der Herr verkauffen/ ihn und sein Weib/ und seine Kinder/ und alles was er hatte/ und bezahlen. Da fiel der Knecht nieder/ und betet ihn an/ und sprach: Herr! hab Gedult mit mir/ ich will dirs alles bezahlen. Da jammert den Herrn desselbigen Knechts/ und ließ ihn loß/ und die Schuld erließ er ihm auch. Da gieng derselbige Knecht hinaus/ und fand einen seiner Mitknecht/ der war ihm hundert Groschen schuldig. Und er grieff ihn an/ und würgete ihn/ und sprach: Bezahle mir/ was du mir schuldig bist. Da fiel sein Mitknecht nieder/ und bat ihn/ und sprach: Habe Gedult mit mir/ ich will dir alles bezahlen. Er wolte aber nicht/ sondern gieng hin/ und warff ihn ins Gefängnüß/ biß daß er bezahlet/ was [S. 17] er ihm schuldig war. Da aber seine Mitknecht solches sahen: wurden sie sehr betrübt/ und kamen/ und brachten für ihren Herrn/ alles was sich begeben hatte. Da fordert ihn sein Herr für sich/ und sprach zu ihm: Du Schalcksknecht/ alle diese Schuld hab ich dir erlassen/ dieweil du mich batest: Soltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht/ wie ich mich über dich erbarmet habe? Und sein Herr ward zornig/ und überantwortet ihn den Peinigern/ biß daß er bezahlet alles/ was er ihm schuldig war. Also wird euch mein Himmlischer Vatter auch thun/ so ihr nicht vergebet von eurem Hertzen/ ein jeglicher seinem Bruder seine Fehle.

Eingang.

Wenn ich das gefallene Menschliche Geschlecht in seinem Verderben und Unordnung abbilden/ und in einem Sinnbild/ dem Gedächtnüß zur Hülffe/ vorstellen sollte; so wisste ich nichts bessers zu mahlen/ als ein zwar schönes/ jedoch dabey verstimmtes Orgel-Werk/ mit der solches andeutenden Uberschrifft:

Falsch und Unrein.

Denn gleichwie erstlich an einem solchen Orgel-Werk die schönen Pfeiffen zwar da stehen/ und nicht anderst anzusehen sind/ als bey einer guten und rein-klingenden Orgel; also hat der Mensch viel herrliche und schöne Gaben von Gott in der Schöpffung erlanget/ auch nach dem Fall/ dem groben eusserlichen Ansehen nach/ behalten/ z[um] E[exempel] einen scharffsinnigen Verstand/ viel hohe und schwere Dinge zu ergründen; einen Willen sich nachdem/ was uns der Verstand/ als gut und nützlich/ vorgestellt/ zu lencken/ und das vor schädlich erkannte zu fliehen; und noch darüber/ so viele Leibs- und Gemüths-Kräfften/ das jenige auszuführen/ was der Wille in uns beschlossen hat/ daß es geschehen sollte. O! schönes Pfeiff-Werk in dieser Orgel! Gleichwie aber ein solch unreines Orgel-Werk sich verräth/ wenn es seinen Klang hören läst und tractirt wird/ so daß die Claves oder Stimmen in keinem propor- [S. 18] tionirlichen Klang gegeneinander stehen/ und von derjenigen Harmonie abweichen/ welche in der Natur gegründet ist; also verhälts sichs auch zum andern mit uns gefallenen Menschen. Der Verstand beurtheilet geistliche Sachen ganz ungereimt/ als welche in ihrer höchsten Göttlichen Weißheit ihme thöricht vorkommen; er weiß weder was ihme warhafftig nutzet noch schadet/ sondern hält offt Gifft vor Artzney/ und bittere Coloquinten[35] oder wilde Ranken/ vor täugliches Gemüß und Speise. Der Wille harmonirt nicht mit dem Verstand/ sondern erwehlet offt/ was er weiß und erkennet/ daß es schädlich sey/ genug wenn er nur denen Begierden dadurch ein Genügen leistet; zu vielen Guten hingegen ist er träg und unlustig/ ob ihn gleich der Nutz davon noch so deutlich in die Augen leuchtet. Die übrige Begierden und untere Kräfften der Seelen und des Leibs stehen in keinem proportionirlichen Klang gegen die obere besagte Kräfften. Ln LiteraturOvid, Metamorphosen (1974) M Video mellora, proboque, deteriora sequor,[36] heist es mit den Worten des Lb PersonOvid (43 v. Chr. – 17 n. Chr.) Heydnischen Poetens/ Rom. VII. 19.oder vielmehr mit dem Christlichen Lb PersonPaulus von Tarsus (10 v. Chr. – 60 n.Chr.) Paulo zu reden: Ly BibelstelleRömer 7,19 Das Gute das ich will das thue ich nicht/ sondern das Böse/ das ich nicht will/ das thue ich. O! heßlicher Klang dieser unserer Herzens-Orgel! Endlich auch und drittens/ gleichwie sich ein verstimmtes Orgel-Werk zu wol- und rein-gestimmten Instrumenten nicht schicket/ und einem Kunst-verständigen/ und Thon-haltenden Gemüth in den Ohren weh thut/ auch von ihme gänzlich verworffen wird; also reimen wir uns nun nach dem Fall nicht mehr/ mit dem reinen Ebenbild des vollkommenen Gottes/ wir sind ein Greuel in seinen Augen und Ohren/ weil alle unsere Kräfften/ gegen dem reinen und süssen Klang seines heiligen Weesens und Willens gehalten/ ein verdrüßliches Geheul von sich geben/ und kan er uns nicht anders als verwerffen und anfeinden.

Meine Geliebte! Da uns Gott eine irdische und wolklingende Orgel in diesem Gottes-Haus verliehen; sollten wir denn nicht vielmehr bedacht seyn/ die Orgeln unserer Herzen/ welche von Natur auf oben beschriebene Weise in uns allen beschaffen/ d[as] i[st] falsch und unrein sind/ wiederum wol und rein einzustimmen/ und in eine süsse Harmonie mit Gott/ zugleich aber auch in ein gnädiges Wolgefallen darüber bey Gott zu bringen? Lr QuellenArndt, Vom wahren Christenthum (1699) M Unser Herz/ Geist/ Seele/ Gemüth und Mund/ ist Gottes Posaune/ Harffen/ Cymbeln und Orgeln/[37] sagt der fromme Lb PersonArndt, Johann (1555–1621) Arnd/ 2. Lr QuellenArndt, Vom wahren Christenthum (1699) M Buch v. W. Ch. cap. 41. Aber/ O! daß sie auch reinstimmig von ihm mögten erfunden werden. Hierinnen wird uns nun eine [S. 19] gute Anweisung und Lehre geben können/ der in diesem Jahrgang ordentlich zu erklären vorkommende andere Theil unsers Sonntägl[ichen] Evangelii/ als in welchem uns die schönen reinen Herzens-Stimmen des so viele Schulden auf sich gehabten Knechtes/ zusamt der damit einstimmigen und harmonirenden Erbarmung des Himmels-Königs vorgehalten wird. Wir wollen uns auch ohne weiteren Umschweiff zu der Abhandlung wenden/ und miteinander betrachten:

Das rein-gestimmte Orgel-Werk unsers Herzens.

Lw Musikwerkanonym: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend Du aber/ O heiliger und reiner Gott!
Thue auf den Mund zum Lobe dein/
Bereite das Herz zur Andacht fein.
Den Glauben mehr/ stärk den Verstand/
Daß uns dein Nahm werd wol bekannt.
Biß wir singen mit Gottes Heer:
Heilig/ Heilig/ ist Gott der Herr/
Und schauen dich/ von Angesicht/
In ewiger Freud und seeligen Licht.
[38] Amen.

Abhandlung.

Geliebte. Soll unser verderbtes Orgel Werk des Herzens wieder zurecht gebracht werden/ so muß man die Haupt-Stimmung desselben zuvörderst recht einrichten/ da dann so fort wiederum eine angenehme Harmonie zwischen Gott und uns entstehen kan. Und dieses sind die zwey Haupt Theile unsers Textes/ welche wir nun abzuhandlen haben/ nemlich daß wir betrachten:

1. Die reinen Stimmen unserer Herzens-Orgel.

2. Die Harmonie, welche zwischen Gott und uns daraus erwächst.

Denen Music-Verständigen ist es nicht nur bekannt/ sondern liegt auch zum Grund in der ganzen Music, daß eine wahre Harmonie und Concent eigentlich bestehe in dreyen Stimmen/ nemlich aus einem gewissen Haupt-Thon oder Clavi, same einer Quint und Terz. Solche drey Haupt-Stimmen müssen denn nun auch bey unserer Herzens-Orgel ins [S. 20] reine gebracht werden/ nach dem schönen Vorbild des Knechtes im heutigen Evangelio/ von dem es heist: Ly BibelstelleMatthäus 18,26 Da fiel der Knecht nieder/ und betet ihn/ seinen Herrn/ an/ und sprach: Herr habe Gedult mit mir ich will dirs alles bezahlen; als aus welchen Worten wir gar eigentlich vernehmen können/ eine demüthige Buße/ einen herzlichen Glauben/ und eine aufrichtige Lebens-Besserung. Es können aber diese drey nothwendige/ ja wesentliche Stücke eines Christen gar füglich und ungezwungen/ mit obig-benannten dreyen Stimmen verglichen/ und dadurch abgebildet werden/ wie wir jedes Orts gehörig anzeigen wollen/ wenn wir nun die Sache selbst vorhero werden ausgeführet haben.

Erstlich muß sich also/ mein Christ/ in deinem Herzen/ soll selbiges anderst einen süssen Klang in den Ohren deines Gottes von sich geben/ finden/ eine demüthige Busse. Der Knecht im Evangelio fiel nieder/ vor seinen Herrn/ und betet ihn/ nach Morgenländischer Weise/ an. Diß war ein Zeichen seiner niedrigsten Demuth und Unterwürffigkeit/ welche er seinem Herrn zu erweisen sich verbunden achtete. Er läugnet nicht etwan seine Schuld/ und begehrt sich zurechtfertigen: noch weniger treibt er ein Gespött mit seiner Untreu/ wie manche böse Schuldner sichs noch in die Faust lachen/ wenn sie ihren Nächsten angesetzet haben. Nein! sondern es tringt ihn wehmüthigst zu Gemüth/ was er verbrochen; die Schand und Scham/ der Schmerz und Traurigkeit wirfft ihn zu Boden; sein Herz verdammte ihn inwendig nicht weniger/ als auswendig der strenge/ doch wolverdiente Ausspruch seines Königes/ der da hieß verkauffen ihn/ und sein Weib/ und seine Kinder/ und alles was er hatte/ und bezahlen. So muß es nun auch/ Andächtiger Zuhörer/ in und bey dir/ beschaffen seyn/ in Ansehung deiner grossen Sünden-Schulden/ die du bey Gott gehäuffet und auf dich geladen hast. Ohne Buße geschiehet keine Vergebung der Sünde: und wenn Gott die Sünder/ bey dem Lb PersonJeremia Jeremia/ auf seine Gnade vertröstet/ sprechende: c. III. 12. 13.Ly BibelstelleJeremia 3,12 Kehre wieder/ du Abtrünnige Israel/ so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen/ denn ich bin barmherzig/ und will nicht ewiglich zürnen; so hängt er diese unausbleibliche Bedingnüß mit an: Ly BibelstelleJeremia 3,13 Allein erkenne deine Missethat/ daß du wider den Herrn deinen Gott gesündiget hast. Gott ziehet mit seiner Gnade bey keinen anderen Menschen ein/ als bey dem/ Ly BibelstelleJesaja 57,15 so zuschlagenes und demüthigen Geistes ist; er erquickt niemand anders mit seinem Trost/ Jes. LVII. 15.als den Geist der Gedemüthigten/ und das [S. 21] Herz der Zerschlagenen. Billig erinnert sich ein Mensch/ der seine Versöhnung bey Gott sucht/ der nachdrücklichen Warnung Pauli: Ly BibelstelleGalater 6,7 Irret euch nicht/ Gal. VII. 7.[39]Gott läst sich nicht spotten: und wo es dem Sünder kein Ernst ist in Bereuung; so ist es Gott kein Ernst mit Vergebung der Sünden. Nicht eher/ als da sich David nach seinen schweren Sünden-Fällen warhafftig vor Gott demüthigte/ und kein falsch mehr in seinem Geist war/ sondern die Wehmuth seines Herzens ihme den Mund/ ohne Zweiffel unter 1000. Thränen öffnete/ daß er sprach: Ly Bibelstelle2 Samuel 12,13 Ich habe gesündiget wieder den Herrn; er gieng an ihn diß freudige Evangelium: 2. Sam. XII. 13.Ly Bibelstelle2 Samuel 12,13 So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen/ du wirst nicht sterben.

Diese jetzt-erforderte Buße vergleicht sich danu gar schön in unserer Herzens-Orgel mit der ersten Grund-Stimme/ oder dem Haupt-Clavi in dem Concent oder Harmonie einer lieblichen Orgel. Diese Stimme pflegt allezeit die tieffste zu seyn/ und bekommt von denen Künstlern den Nahmen des Basses, oder eigentlicher/ der Basis. So auch die Buße. Diese ist nicht nur der Grund unseres Christenthums/ und die Basis, worauf alles andere beruhet; sondern setzet auch unser Herz in einen so tieffen Thon/ und traurige Stimmung/ daß wir mit David/ bey unsern Buß-Ubungen seuffzen müssen: Ps. CXXX. 1. 2.Ly BibelstellePsalmen 130,1–2 Aus der Tieffen ruff ich Herr zu dir/ Herr/ höre meine Stimme/ laß deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens. Ist dieser Grund-Clavis in seiner Stimmung nicht rein/ so werden die übrige Claves mit ihme in keine Harmonie können gebracht werden: Ist unsere Buße nicht aufrichtig/ redlich/ und aus reiner Absicht gegen Gott/ so wird auch alles/ was du immermehr in deinem Christenthum dir träumen läßt/ gutes vorzunehmen/ Gott mißfällig/ und in seinen Ohren hartlautend seyn; wie etwa dorten Christus unter einem andern Gleichnüß sagt: Matth. VI. 23.Ly BibelstelleMatthäus 6,23 Wenn dein Aug ein Schalk ist/ so wird dein ganzer Leib finster seyn.

Zum andern muß auch deine Herzens-Orgel erklingen lassen die reine Stimme des wahren Glaubens. Die Ansprach/ welche der Knecht im Evangelio an seinen Herrn thut/ heist also: Ly BibelstelleMatthäus 18,26 Herr/ habe Gedult mit mir. Wir können/ Krafft dieser Worte/ in das Herz dieses Knechtes gleichsam hinein sehen/ und die innigste Beschaffenheit desselben abmerken. Es findet sich darinnen eine allgemeine Versicherung/ daß sein König ein mitleidiger/ barmherziger/ und gelinder Herz seye; weil/ ohne dieses versichert zu seyn/ er nimmermehr die Zuflucht zu ihm würde genommen haben. Er applicirt aber dieses fromme und gütige [S. 22] Herz seines Königs/ auch auf seine Person insonderheit/ und setzt das Vertrauen in ihn/ er werde/ was er etwan gegen viel andere bereits gethan/ an ihn nicht erwinden lassen/ sondern auch sein gnädiger Herr und König seyn. In welcher Zuversicht er sich unterstehet/ bey so unbegreifflich-grosser Schuld hinzu zunahen/ und nicht entblödet zu sagen: Ly BibelstelleMatthäus 18,26 Herr/ habe Gedult mit mir. O! welchen Muth/ welch Vertrauen setzt nicht dieser Knecht in sein Herrn! weit mehr/ als das frommste Kind zu seinen gütigsten Vatter setzen kan. Und so muß auch das Herz eines wahren Christen beschaffen seyn/ daß/ so sehr es sich um seiner Sünden willen demüthiget/ und alles Guten unwürdig schätzt/ so grosse und noch weit grössere Gnade/ es bey Gott zu erlangen hoffe. Es verwechselt ein bußfertig-glaubiger Christ die Worte des Knechtes in Evangelio/ mit den Worten der Christlichen Kyrche/ und seuffzet in kindlicher Zuversicht.

Lw MusikwerkLuther, Martin: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott Gdenk' an deins Sohns bittern Tod/
Sieh' an sein heil'ge Wunden roth/
Die sind ja für die ganze Welt/
Die Zahlung und das Lösegeld/
Deß trösten wir uns allezeit/
Und hoffen auf Barmherzigkeit.
[40]

Zuvörderst erinnert sich ein wahrer Christ öffters der unendlichen Liebe Gottes allen Menschen zu ihrem Heil in Christo Jesu erwiesen mit Paulo/ 1. Tim. I. 13[41]der da sagt: Ly Bibelstelle1 Timotheus 1,15 Das ist je gewißlich war/ und ein theures werthes Wort/ daß Jesus Christus kommen ist in die Welt/ die Sünder seelig zu machen. Was aber über alle Menschen sich erstrecket/ und ihnen allen von Gott zugedacht ist/ das eignet sich der wahre Glaube eines Christen insonderheit zu/ als wenn sonst niemand/ als er allein/ dran Theil hätte/ und spricht mit Geist-freudigem Herzen: Gal. II. 20.Der Sohn Gottes hat auch mich geliebet/[42] Ly BibelstelleGalater 2,20 und sich selbst für mich dargegeben. Und weil er denn nun hat die Freudigkeit zum Eingang in das Heilige/ durch das Blut Christi: so gehet er denn auch hinzu mit warhafftigem Herzen/ in völligem Glauben/ besprenget in seinem Herzen/ und loß von dem bösen Gewissen/ nach der Vermahnung W W KorrekturOriginal: PauliePauli Ebr. X. 19. 22.

Dieser jetzt-beschriebene Glaube hat nun eine gar deutliche Aenlichkeit mit der andern Haupt Stimme in der Harmonie oder in dem Concent, nemlich mit der sogenannten Quint. Es pflegen die Kunstverständige sonsten also davon zu reden/ daß die Quint in der Stim= [S. 23] mung schweben müsse/ das ist/ sie müsse nicht allzu scharff in die Höhe gebracht werden/ noch auch als zu faul in die Niedere sincken. Hiedurch wird uns des Glaubens nothwendige Stimmung und Eigenschafft gar schön angedeutet/ wie nemlich derselbe zwischen der Zaghafftigkeit und Sicherheit gleichsam schweben/ und die Mittel-Strasse halten müsse. Er muß nicht all zu tieff in der Zaghafftigkeit herunter sinken/ Rom. V. 1.sondern vielmehr mit Paulo also schliessen: Ly BibelstelleRömer 5,1 Nun wir denn sind gerecht worden/ durch den Glauben/ so haben wir Friede mit Gott/ durch unsern Herrn Jesum Christum. Ly BibelstelleRömer 8,33–34 Wer will also die Auserwehlte Gottes beschuldigen? Gott ist hie/ der gerecht macht. Rom. IIX. 33. 34.Wer will verdammen? Christus ist hie/ der gestorben ist/ ja vielmehr/ der auch auferwecket ist/ welcher ist zur rechten Gottes und vertritt uns. Jedoch muß und darff er auch nicht in Sicherheit allzu hoch steigen/ und darneben der menschlichen Gebrechlichkeit/ Satanischer Versuchung/ und der bösen Welt Verführung vergessen; sondern den Menschen in seinen Busen zu greiffen anhalten/ um zu sehen/ daß er auch noch Fleisch und Blut habe/ Phil. II. 12.und also Ly BibelstellePhilipper 2,12 mit Furcht und Zittern zu schaffen/ daß er seelig werde. Die Quint pflegt sonst ordentlich in dem Alt oder zu teutsch/ in der hohen Stimme/ geführet zu werden/ und seine Clausuln abzugeben. So ist auch der Glaube eine rechte Alt-Stimme/ und gehet in die Höhe/ daß ein Glaubiger von sich mit David sagen kan. Ps. CXXI. 1.LªPs_121_1ª Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen von welchen mir Hülffe kommt. Er steigt hinauf auf den Berg Golgatha zu seinem Heyland/ fasst da sein Creutz/ fängt da auf sein Blut/ ja lässet sich mit den ausgespannten Armen seines gecreutzigten Heylandes zu ihn in die Höhe ziehen.

Endlich und zum dritten/ muß auch in deiner Herzens-Orgel zur reinen Stimmung gebracht werden/ die Terz, oder der neue Gehorsam. Dieses wird uns an die Hand gegeben/ durch das Versprechen des Knechtes in unserem Evangelio/ da er zu seinem König sagt: ich will dir alles bezahlen. Er gelobet hiemit seinem Herrn einen solchen unermüdeten Fleiß an/ eine solche unverbrüchliche Treue/ durch welche er allen vorigen Schaden wieder ersetzen/ und allen inskünfftig möglichen Nutzen schaffen wolle. Und ob ihme zwar eine so grosse Schuld abzutragen allerdings unmöglich/ und also dieses ganze Versprechen impracticabel war; so daß/ wenn der Herr die Schuld ihme nicht erlassen hätte/ er mit der Bezahlung in Ewigkeit nicht wür= [S. 24] de ausgekommen seyn: so erhellet doch daraus sein Gemüth/ sein Vorsatz/ und sein Eyffer/ welchen er in rühmlicher/ getreuer/ und vorsichtiger Verwaltung der ihme obliegenden Geschäffte W W KorrekturOriginal: auzuwendenanzuwenden/ begierig war. Dieser Vorsatz muß warlich bey einem Menschen/ der Gott gefallen will/ auch seyn. Wir können zwar nimmermehr unsere vorige Sünden-Schulden durch künfftige Frömmigkeit ablegen; noch auch die vom Gesetz Gottes erforderte Zahlungs-Posten jemals vollkömmlich entrichten: allein es muß doch die Abscheulichkeit unsers vorigen Wandels uns so widerwärtig fallen/ daß/ wenn es möglich wäre/ mit unserm Blut die alten Sünden zurück zu ziehen; wir keiner Mühe/ keines Fleisses/ keiner Kosten/ ja nichts dessen/ was wir haben/ schonen wollten/ solche Schuld zu tilgen/ und aufzuheben. Es muß wenigstens aufs künfftige ein solcher Vorsatz gefasset werden/ nichts mehr durch neue Sünden darzu zuthun/ sondern nach der Krafft und Mitwürkung des Heil[igen] Geistes/ die in der Buß-Angst gethane Gelübde der Besserung/ der Gottesfurcht/ der Gerechtigkeit/ der Reinigkeit/ der Versöhnlichkeite und aller andern Christlichen Tugenden/ auf das treulichste Gott dem Herrn zu bezahlen. Der Glaube muß nicht ohne Werke bleiben/ nach der ernstlichen Bestraffung Lb PersonJakob Jacobi/ Jac. II. 18gegen die Heucheley: Ly BibelstelleJakobus 2,18 Zeige mir deinen Glauben mit deinen Werken/ so will ich auch meinen Glauben dir zeigen mit meinen Werken. Christus hat uns gereiniget von unsern Sünden/ nicht daß wir aufs neue derselben dienen/ und uns damit beflecken sollen/ sondern daß wir seyn sollen ihme selbst ein Volk zum Eigenthum/ das fleissig wäre zu guten Werken/ und rechte Zeloten oder Eyfferer in der Gottesfurcht abgeben. Ly BibelstelleTitus 2,11 Tit. II. 11.Sind wir/ nachdem wir weiland waren Finsternüß/ ein Licht worden in dem Herrn;[43] Ey/ so müssen wir auch Ly BibelstelleEpheser 5,9 wandeln als die Kinder des Lichtes/ und die Frucht des Geistes/ welche ist allerley Gütigkeit/ Eph. V. 8. 9.und Gerechtigkeit/ und Warheit/ hervor bringen.

Was wir anjetzo von dem neuen Gehorsam gesagt/ das lehret uns gar deutlich/ wie schön und eigentlich derselbe mit der dritten Stimme einer reinen Harmonie, nemlich mit der Terz, sich vergleichen lasse. Die Terz kan nicht unfüglich/ als eine gewöhnliche Clausul dem Tenor heim gegeben werden/ und solche Stimme vorstellig machen: Der Tenor aber hat seinen Nahmen daher/ weil diese Stimme uno tenore, auf eine gleichhaltende Weiß und Ordnung fort schleichet/ nicht gar zu hoch steigt/ noch auch gar zu tieff fällt. Diese Eigenschafft muß sich auch bey deinem neuen Gehorsam finden/ soll derselbe beständig [S. 25] und Gott-gefällig seyn. Du must in deinem Vorsatz nicht wetterwendisch seyn/ und heute Gott/ morgen aber der Welt dienen wollen/ sondern uno tenore lauffen den Weg der Gebote Gottes. Du must durch unnöthige Menschen-Furcht und mancherley Zaghafftigkeit nicht zu tieff herunter fallen/ daß du des Willens Gottes richtige Bahn verlassest; noch auch durch die weltliche Lüste dich zu hoch versteigen/ daß du mehr trachten wolltest nach hohen Dingen/ Ly BibelstelleRömer 12,16 Rom. XII. 16.als dich herunter halten zu den Niedrigen:[44] sondern täglich zu deinen Gott seuffzen:

Lw Musikwerkanonym: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ (1526/1527) Laß mich kein Lust noch Furcht von dir
In dieser Welt abwenden.
Beständig seyn ans Ende gib mir/
Du hasts allein in Händen.
[45]

In der Stimmung des Concentes gilts als eine regul, daß die Terzen scharff sollen angezogen seyn/ und keinen faulen Thon von sich geben. So auch dein neuer Gehorsam. Da müssen wir nicht träg und faul seyn/ was wir thun sollen/ sondern mit Ernst die Hand an das Werk des Herrn legen: Da müssen wir dem alten Lb PersonAdam Adam nicht faulenzen lassen/ noch demselben Pfühlen und Bolster unterlegen/ sondern vielmehr kränken und tödten nach Pauli Ausspruch: Gal. V. 24.Ly BibelstelleGalater 5,24 Welche Christo angehören/ die creutzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden.

Gehen wir nun/ Geliebte/ dieser angehörten Lehre nach/ und stimmen unsere Herzens-Orgel in diese süsse Harmonie der Buße/ des Glaubens/ und des neuen Gehorsams zusammen; so muß es freylich einen angenehmen Thon in den Ohren Gottes von sich geben/ und sein gnädiges Vatter-Herz wiederum mit uns einstimmig und harmonisch werden. Welches denn auch der andere Theil ist/ den wir annoch zu betrachten vor uns haben/ nemlich die Harmonie welche zwischen Gott und uns erwächst. Die Natur-Kündiger wissen/ daß zwischen zweyen rein- und gleich-gestimmten Instrumenten und Saiten eine verwunderliche Verbündnüß sey/ so gar/ daß wenn man zwey dergleichen Lauten oder Geigen neben einander auf einen Tisch leget/ und eine davon mit dem Finger rühret und schnellet/ auch die andere zuklingen anfängt/ und/ gleichsam aus Liebe zur Aehnlichkeit und Gleichheit/ mit einstimmet. Und eben also gehet es und verhält sichs auch mit Gott und uns/ mit seinem und unsern Herzen. Erklingt bey uns die Buße; so stimmt mit ein/ Gottes Erbarmen: Spielt bey [S. 26] uns der Glaube seinen Thon/ so vereinigt sich damit Gottes Gnade: Läst sich bey uns hören der neue Gehorsam; so begleitet denselben Gottes Gelindigkeit. Diß beweisst das Exempel des Königes im Evangelio gegen seinem Knecht/ als von welchen es heist: Ly BibelstelleMatthäus 18,27 Da jammerte den Herrn desselbiges Knechtes/ und ließ ihn loß/ und die Schuld erließ er ihm auch.

Das demüthige Niederfallen des Knechtes bewegt den König zum Mitleiden/ Jammern/ und Erbarmen/ daß ihme das Elend des Knechts zu Herzen gehet/ und er darauf bedacht ist/ wie ihme mögte geholffen werden. Eben diese Herzens Bewegung/ wenn wir auf menschliche Weise reden/ findet sich auch bey Gott. Siehet er uns in Buß-Thränen schwimmen/ und in der Angst unserer Seele auf die Knie fallen; Ly BibelstelleJeremia 31,20 Jer. XXXI. 20.ach! so bricht ihm sein Herz gegen uns/ daß er sich unser erbarmen muß.[46] Ezech. XIIX. 23.Ly BibelstelleEzechiel 18,23 Meinest du/ fragt Gott der Herr selbst bey den Propheten Lb PersonEzechiel Ezechiel/ daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen/ und nicht vielmehr daß er sich bekehre von seinem Weesen und lebe: Ist doch sein erbarmendes und jammerndes Herz abgebildet in Luc. XV. 19. 20.der unerschöpfflich-trostreichen Parabel vom verlohrnen Sohn/ als welches ungerathene Kind sich nicht so geschwind auf den Weg machen kunnte/ mit dem Vorsatz seinem Vatter zu Füssen zu falten/ und das begangene Unrecht zu bekennen/ daß nicht alsobalden von dem Vatter dabey stündte: Da er/ der Sohn/ aber noch ferne von dannen war/ sahe ihn sein Vatter und jammerte ihn/ lieff und fiel ihm um seinen Hals und küsset ihn. Es ist auch Gott von Ewigkeit her schon bedacht gewesen ein Mittel auszufinden/ wie uns mögte geholffen werden/ indem er aus Liebe gegen uns arme Menschen/ Ly BibelstelleJohannes 3,16 seinen eingebohrnen Sohn gegeben/ Joh. III. 16.auf daß alle die an ihn glauben/ nicht verlohren werden/ sondern das ewige Leben haben. Und gewiß/ es müssten ehe Himmel und Erden/ ja die ganze Natur zu trümmern gehen/ ehe Gott einen Bußfertigen ohne Erbarmen sollte abweisen/ als welcher sich ja selbst/ bey dem Lb PersonJesaja Propheten/ verschreibt: Jes. LIV. 10.Ly BibelstelleJesaja 54,10 Es sollen wol Berge weichen/ und Hügel hinfallen/ aber meine Gnade soll nicht von dir weichen/ und der Bund meines Friedes soll nicht hinfallen/ spricht der Herr/ dein Erbarmer.

Jedoch das Erbarmen allein/ ohne Hülffe mutzet nicht. Drum folgt auch bey Gott die würkliche Gnade/ dem jammerenden Herzen auf dem Fuß nach. Der König im Evangelio ließ den um Gedult [S. 27] bittenden/ und so zuversichtlichen Knecht loß. Er lag auf seinen vorher ergangenen Befehl/ in Ketten und Banden vor seinen Füssen/ und doch verzagt er nicht/ sondern hoffet Gedult zu erbitten. Und es fehlet ihn auch nicht; indem der König die Fessel ihme abnehmen/ und ihn auf freyen Fuß stellen lässt. Sehet/ Geliebte/ so schön harmonirt das glaubige Herz eines Christen/ mit dem gnädigen Herzen Gottes. Setzen wir unsere Zuversicht auf ihn/ so erlässt er uns alle Sünden/ lässt uns abnehmen die Ketten und Fessel/ welche uns von der Sünde sind angeleget worden/ stellet uns auf freyen Fuß/ daß wir uns rühmen/ und sagen können: Rom. IIX. 1.Ly BibelstelleRömer 8,1 So ist nun nichts Verdammliches an uns/ die wir in Christo Jesu sind. Der Glaube ist so mächtig und kräfftig bey Gott/ daß er ihm nichts abschlagen kan. Darum hat Christus so offt in den Tagen seines Fleisches zu denen Hülffbegierigen gesagt: Dir geschehe/ wie du geglaubet hast/ und wie du willt; dein Glaube hat dir geholffen/ u[nd] s[o] f[ort]. Weil dem Glauben bey Gott dem Herrn kein Ding unmöglich ist. Ursach ist/ weil sich derselbe an Gottes Warheit hält/ die nicht betrügen kan/ und welche Gott so wenig/ als ich selbst/ läugnen kan. Nun hat uns Gott überall in der ganzen Heiligen Schrifft das Wort gegeben/ daß wer an Christum glaube/ solle nicht verlohren werden/ allermassen von diesem Jesu alle Propheten zeugen/ Ly BibelstelleApostelgeschichte 10,43 Act. X. 43.daß in seinem Nahmen Vergebung der Sünden empfahen sollen alle die an ihn glauben:[47] Darum sagt denn ein glaubiger Christ/ mit David/ zu Gott: Ps. XXVII. 8.Ly BibelstellePsalmen 27,8 Mein Herz hält dir für dein Wort/ ihr sollt mein Antlitz suchen/ darum suche ich auch Herr/ dein Antlitz.

Endlich und zuletzt lässet sich noch hören Göttliche Gelindigkeit gegen den süssen Klang des neuen Gerhorsams. Da der Knecht im heutigen Evangelio verspricht alles zu bezahlen/ da schenkt ihme der König die Schuld/ und ist mit dem herzlichen Erbieten zu frieden: denn so heist es: Die Schuld erließ er ihm auch. Es wuste der König gar wol/ daß dieser Knecht mehr versprochen/ als in seinen Kräfften und Vermögen war/ und daß er nimmermehr die Bezahlung würde leisten können: nicht destoweniger gefiel ihme doch sein gutes Vorhaben/ und das herzliche Erbieten/ das er aus seinem Mund hören ließ/ und würden ihme wol die einzeln Pfenninge angenehm gewesen seyn/ die dieser Knecht zur Abtragung seiner Schuld/ würde beygebracht haben. Nicht anders verhält sichs bey dem Herrn unsern Gott. [S. 28] Er erwartet zwar billig von einem jeden bußfertigen Menschen/ daß er ihme sich mit Leib und Seel übergebe und aufopffere; daß er in keine einzige Sünde mehr einzuwilligen gelobe; daß er alles Böse abzulegen sich vorsetze: allein/ weil er weiß/ was vor ein Gemächt wir seyn/ und auf das tieffste erkennet/ daß uns die vollkommene Erfüllung seiner Gebote unmöglich sey/ wegen der Schwachheit und Verderbnüß unserer Natur/ so ist er nach seiner [griechisch] und vätterlichen Gelindigkeit damit frieden/ wenn nur der Vorsatz bey uns fest bleibet/ und wir muthwillig in keine Sünde willigen/ gesetzt auch/ daß wir mit vielfältigen Schwachheiten überfallen/ übereilet/ und zum straucheln gebracht würden. Ly BibelstelleGalater 5,17–18 Gal. V. 17. 18.Gelüstet gleich das Fleisch wider den Geist/ und den Geist wider das Fleisch/ daß sie wider einander sind/ und wir nicht thun/ was wir wollen; so sind wir dennoch nicht unter dem Gesetz der Verdammnuß bey Gott/ wenn uns nur der Geist regieret/ und wir uns von ihm regieren lassen.[48] Er hat einen andern vor uns angenommen/ der da bezahlen muste/ das er nicht geraubet hatte/ nemlich Jesum Christum. Desselben vollkommener Gehorsam ersetzt/ was uns/ bey unserm guten und aufrichtigem Gehorsam/ an dem Werk/ und an der That selbst abgehet/ daß wir täglich bey unserer Abrechnung mit Gott in Erkänntnüß unserer Fehler und Gebrechen sagen können:

Lw MusikwerkSchop, Johann: Werde munter, mein Gemüte Bin ich gleich von dir gewichen/
Stell ich mich doch wieder ein/
Hat mich doch dein Sohn verglichen/
Durch sein Angst und Todes-Pein.
Ich verläugne nicht die Schuld/
Aber deine Gnad und Huld/
Ist viel grösser/ als die Sünden/
Die sich stets in mir befinden.
[49]

Nützliche Anwendung.

Nun/ ihr meine Geliebte/ so gehet dann in eure Herzen/ und prüfet euch/ was vor ein Klang von euch in den Ohren/ nicht so wol der Menschen/ als Gottes selbst/ erschalle [S. 29] und erklinge. Haben sich eure Seelen auch recht gedemüthiget vor dem Herrn euren Gott/ von wegen der vielfältigen Sünden/ derer euch euer Gewissen schuldig gibt? Ach! wie zeigen doch eure so emsig gesuchte weltliche Ergötzlichkeiten/ euere hochmüthige Geberden/ stolze Kleider/ und freche Lebens-Art/ daß eure Herzen noch wenig gebogen/ und bußfertig gedemüthiget seyen. Stehet auch eure Hoffnung und Glaube also zu den Herrn euren Gott/ daß ihr/ wenn die Anfechtungen kommen/ die Sünden drücken/ die Trübsalen ängstigen/ ja der Herr selbst gar tödten will/ feste bleibet/ das Vertrauen nicht wegwerffet/ und getrost seyd um Christi willen/ der euch erlöset hat? Ach! wie zittert doch euer Herz/ wenn die Winde der Versuchungen/ der Prüfungen/ des Leidens und des Todes nur ein wenig sich merken lassen. Ist auch euer Vorsatz so eyfferig und herzlich/ euch zu hüten/ daß ihr in keine/ keine Sünde williget/ und thut wider Gottes Gebot? Tob. IV. 6.Ach! warum sind denn unsere Gassen/ unsere Häuser/ unser Thun und Lassen so voll Frevels/ Greuels und Boßheits. Da wundert denn nur nicht/ ihr Sünder/ warum Gott mit euch nicht einstimme in eurem Verlangen/ in eurem Gebet; warum ihr in eurem Creutz/ und vielfältigen Trübsalen fast verzagen müsset/ und der Hülffe beraubt seyd. Hätte euch Gott nach seinen Willen; so hättet ihr Gott wiederum nach eurem Willen. Nachdem ihr aber mit dem Knecht im Evangelio nicht niederfallet/ noch zu dem gedultigen Gott fliehet/ und die Bezahlung versprechet; so jammert auch Gott dem Herrn eurer nicht/ er lässt euch nicht loß/ und fordert seine Schuld an euch biß auf den letzten Heller.

Ihr aber/ die ihr euch eines bessern bewust seyd/ und denen das Herz ein warhafftiges Zeugnüß ungeheuchelter Buße giebet/ nehmet diese treuherzige Vermahnung an/ daß ihr ja nicht ablasset/ von dem was der gute Geist in euch angefangen hat/ sondern im Guten beständig verharret. Verfälschet den reinen Thon eurer Herzens-Orgel nicht/ zu welchen ihr nach so vieler Bemühung gelanget seyd. Absonderlich hütet euch/ daß weder gute/ noch böse Tage/ weder Freud noch Leid/ euch auf andere Gedanken/ und Stimme bringen mögen. Ein wol zubereitetes/ ausgedrocknes/ wohlverwahrtes/ und rein-gestimmtes Orgel-Werk muß auch seine Reinigkeit behalten/ [S. 30] wenn gleich Hitz und Frost/ dürre oder nasse Zeit einfällt: Also auch du/ mein lieber Mit Christ/ must nicht nur in guten/ sondern auch in bösen Tagen fromm/ heilig/ und deinem Gott getreu seyn. 1. Pet. IV. 12Ly Bibelstelle1 Petrus 4,12 Ihr Lieben/ lasset euch die Hitze/ so euch begegnet/ nicht befremden/ (die euch wiederfähret/ daß ihr versucht werdet) als wiederführe euch etwas selzames: Hingegen fallet auch nicht von eurem Gott ab/ wenn ihr des Seegens Gottes genieset/ und seyd Ly BibelstellePsalmen 1,3 wie ein Baum gepflanzet an den Wasserbächen/ der seine Frucht bringet zu seiner Zeit/ und seine Blätter verwelken nicht/ und was er macht das geräth wol. O führe euch Gott gleich in das Meer der Trübsalen/ Ps. I. 3.oder lasse seine Freuden-Sonne über euch aufgehen/ so bleibet gleiches Sinnes und gleicher Gottseeligkeit. Ja bittet vielmehr euren Gott mit dem Lb PersonSalomo weisen Mann: Prov. xxx. 8.Ly BibelstelleSprichwörter 30,8–9 Armuth und Reichthum gib mir nicht; laß mich aber meinen bescheidenen Theil Speise dahin nehmen. Ich mögte sonst wo ich zu satt würde/ verläugnen/ und sagen: Wer ist der Herr? oder wo ich zu arm würde/ mögte ich stehlen/ und mich an dem Nahmen meines Gottes vergreiffen. Soll, eine Orgel/ als rein-gestimmet passiren; so muß sie nicht nur in denen ordentlichen Griffen/ sondern auch/ wenn es durch die Semitonia gehet/ und die härteste Führungen oder Themata vorkommen/ in der Harmonie bleiben. Kommt denn also auch dein Gott mit vielen Züchtigungen über dich/ und führt dich durch harte ungebähnte Wege; so sprich du doch mit Lb PersonAsaf Assaph: Ps. LXXVI. 23.[50] Ly BibelstellePsalmen 73,23–26 Dennoch bleibe ich stets an dir/ denn du hältest mich bey meiner Rechten. Du leitest mich nach deinen Rath/ und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe/ so frage ich nichts nach Himmel und Erden. Wenn mir gleich Leib und Seel verschmacht/ so bist du doch/ Gott/ allezeit/ meines Herzens Trost und mein Theil. Daferne aber ja der Satan dich übervortheilt/ eine Sünde dich übereilet/ eine Trübsal dich zu Boden wirfft/ daß entweder deine Buße oder dein Glaube/ oder deines Lebens Heiligkeit und guter Vorsatz/ in Unordnung gerathen/ und in einen falschen Thon fallen wollen; so bessere es doch bald wieder/ und ersetze mit grossen Fleiß/ was dir an deiner Reinig= [S. 31] keit abgegangen. Eines geschickten Organisten und Componisten beste Kunst ist/ daß er die härteste Dissonantien/ welche sonst dem Gehör noch so beschwerlich fallen/ also wisse zu resolviren daß nichts destoweniger ein angenehmer Klang und Harmonie zuletzt heraus komme. Also wenn auch das Creutz/ die sündliche Versuchungen/ und deines Fleisches Schwachheit/ dich in gefährliche und übellautende Dissonantien verwickelt hat; so dichte und sorge so lang/ diß du selbige durch Gebet und Regierung des Heiligen Geistes/ wieder zurecht und in die vorige reine Harmonie resolvirt und gebracht habest.

Letzlich aber und zum Beschluß/ haben wir noch einen Trost mit anzuhängen/ von zwar fromme/ doch schwachglaubige/ unvollkommene/ und ihre Gebrechen mehr als zu sehr fühlende Seelen. Weil nemlich solche gute Herzen ihre Buße/ nicht im höchsten Grad der Demuth und Betrübnüß; ihren Glauben nicht in vollkommenster Gewißheit; ihre Lebens Besserung nicht in untadelhaffter Heiligkeit befinden; ob gleich das Herz aufrichtig und redlich ist: so werden sie offt kleinmüthig/ und zweiffeln/ ob auch Gott mit ihnen zu frieden sey. Aber getrost/ ihr Zaghaffte/ es wird euch dieses nichts schaden/ noch eure reine und Gott angenehme Harmonie des Herzens stören. Sehet/ es sind in einer Orgel W W KorrekturOriginal: nicht nichtnicht nur hellklingende/ und scharff durchschneidende Pfeiffen und Register/ welche einen weiten Laut von sich geben; sondern es finden sich auch stille/ tieff-sausende/ und schwache Pfeiffen/ welcher aber deßwegen nicht verworffen werden/ weil doch auch in dem stillen Thon eine Reinigkeit und angenehme Stimmung oder Harmonie seyn kan. Ja es sind in gewisser Maaß die scharffen Octaven, Superoctaven, Quinten und Mixturen nichts nütze/ ohne die stille gedäckte/ oder doch den tieffen Chor-Thon haltende Register. Also auch bleibest du doch in den Ohren deines Gottes ein wol lautendes Orgel-Werk/ wenn du gleich in Buße/ Glauben/ und Frömmigkeit/ nicht so starck aussprechen kanst/ als dein Nächster: genug wenn das Herz nur rein und aufrichtig ist. Ja es gefällt wol deine niedrige Stimme Gott dem Herrn besser/ als das starke Rauschen und Sauffen derer Starkglaubigen/ woferne sie nicht fleissig auf ihrer Hut sind/ und in geistliche Hoffarth/ Ubermuth/ und Vermessenheit sich verfallen.

[S. 32]

Du aber/ O getreuer Gott und Vatter/ rühre selbst unsere Herzen mit deinem Gesetz sowol/ als mit dem Evangelio/ daß Buß/ Glaube/ und Gehorsam in denselben zusammen stimmen mögen. Blase in uns mit dem Wind des Heiligen Geistes/ daß aus unsern Herzen/ und Mund/ ja aus allen unsern Gliedern/ Thun/ und Verrichtungen erschallen möge dein Lob/ so wol hier in dieser Zeit/ als auch dort in der Ewigkeit. Amen!

[[S. 33]]

Texte zur Musik

Verzeichnüß
Derjenigen
Texte und Arien
Welche bey
Einweihung
der neuen
Egidier-Orgel
abgesungen worden.
Der Gemeine zur andächtigen Erbauung aus=
getheilet.
Dom[enica] XXII. post Trinitatis 1709.

I. Vor der Predigt.[51]
Psal. 100. v. 1.

Ly BibelstellePsalmen 100,1–2 Jauchzet dem Herrn alle Welt/ dienet dem Herrn mit Freuden/ kommet vor sein Angesicht mit Frolocken.

Aria.[52]

Lr QuellenFaber, Das der künftigen Aegidier-Kyrche gewidmete Orgel-Werk (1709) M 1.

Spielt dem Herren neue Lieder/
Ihr geweihte Christi Glieder!
Und du/ heilge Kyrch-Gemein/
laß[53] die Seiten[54] und die Pfeiffen/
zwar viel-stimmig/ aber rein/
gros und klein/
tief in aller Herzen greifen.
Dieser Tag soll unserm Gott ein geweihtes Dank-Fest seyn.

2.

Der sein Wort lässt unverstimmet/
wo sein heiligs Feuer glimmet/
durch das Ohr zu Herzen gehn/
der durch unsre Kyrchen-Ammen
(die sein Seegen ewig krön')
alles schön
und in Ordnung hält zusammen/[55]
der soll' unter uns mit Preis hehr und hocherhaben stehn.

3.

Der nicht nur auf schlechten Halmen/
der bey uns die frommen Psalmen/
auch auf W W KorrekturOriginal: prächtigenprächtgen[56] Orgeln hört/
der die Kyrche liebt und schmücket/
der das Leid in Lieder kehrt/
der vermehrt/
was den Satan unterdrücket[57]/
der sey jetzt/ und ewig einst/ für so wichtigs Heil geehrt.

[[S. 34]]

4.

Der erhalt' uns solche Freude/
nebst der Ohr= und Augen-Weide/
unsers Herzens Trost/ sein Wort!
Laß uns hier harmonisch leben/
stimm das Herz: in Werken fort
hier/ wie dort/
einen reinen Thon zu geben/
und bleib' an des jüngsten Tags Zahl-Register/ unser Hort.

5.

Wie[58] die Orgeln von den Winden
Sprach und Leben erst empfinden/
wie sie ohne solche todt:
So muß Gottes Geist die Lieder/
die wir Ihm in Lust und Noth
zum Gebot/
legen/ als zu Fußen/ nieder/
wichtig machen; sonsten gilt unser Centner nicht ein Lot.

6.

Wie[59]/ wann wir nicht auf Claviren
hoch und tiefe Hölzer rühren/
wo man sie nicht tritt und schlägt/
unsre Orgeln stumm verbleiben:[60]
So wird/ was sich in uns regt
und bewegt/
Gottes Lob gar selten treiben/
wo Er nicht an-mit dem Kreutz auf den Tremulanten-trägt.

7.

Aber/ Herr! Du wirst es machen/
daß/ wann wir bey Kreuzen krachen/
wir nicht brechen im b dur.
Du gönnst deiner Kyrch die Wonne/
Du gibst in der Kreuzes Cur
eine Spur
zu der ewgen Freuden-Sonne.
Gott ist unser/ wir sind sein. Fromme Kyrche glaub' es nur.

8.

Eins noch! als wir jetzt probiren/
wie wir einst die Stimmen führen/
in des Himmels höherm Chor:
Orgel! so wirst du gewohnen/
hier die Prob zu bringen vor/
biß das Ohr
dich dort siehet höher thronen.[61]
Herr! heb' aus der Asche dort dieser Orgel Haus empor!

Beschluß:

Ly BibelstellePsalmen 100,1–2 Jauchzet dem Herrn alle Welt/ dienet dem Herrn mit Freuden/ kommet vor sein Angesicht mit Frolocken.

II. Auf der Canzel.

Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme Gloria sey Dir gesungen/
mit Menschen und Englischen Zungen/
mit Harpfen und mit Cymbeln schon.
Von zwölf Perlen sind die Pforten
an deiner Stadt/ wir sind Consorten
der Engel hoch um deinen Thron.
[[S. 35]] Kein Aug hat je gespürt/
kein Ohr hat je gehört
solche Freude:
Deß sind wir froh/ Jo! Jo!
Ewig in dulci Jubilo!
[62]

III. Nach der Predigt.
Psal. 150.

Ly BibelstellePsalmen 150,1–6 Lobet den Herrn in seinem Heiligthum/ lobet Ihn in der Veste seiner Macht.
Lobet Ihn in seinen Thaten/ lobet Ihn in seiner grossen Herrlichkeit.
Lobet Ihn mit Posaunen/ lobet Ihn mit Psalter und Harpfen.
Lobet Ihn mit Paucken und Reigen/ lobet Ihn mit Säiten und Pfeiffen.
Lobet Ihn mit hellen Cymbeln/ lobet Ihn mit wolklingenden Cymbeln.
Alles/ was Odem hat/ lobet den Herrn/ Halleluja.

IV. Im Tag-Amt/ nach der Epistel.
Psal. 46.

Ly BibelstellePsalmen 46,1–9 Gott ist unsre Zuversicht und Stärke/ eine Hülfe in den grossen Nöthen/ die uns troffen haben.
Darum fürchten wir uns nicht/ wann gleich die Welt untergienge/ und die Berge mitten ins Meer sünken.
Wann gleich das Meer wütet und wallet/ und von seinem Ungestümm die Berge einfielen/ Sela.
Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihrem Brünnlein/ da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind.
Gott ist bey ihr drinnen/ darum wird sie wol bleiben/ Gott hilft ihr frühe.
Die Heyden müssen verzagen/ und die Königreiche fallen/ das Erdreich muß vergehen/ wann Er sich hören lässt.
Der Herr Zebaoth ist mit uns/ der Gott Jacob ist unser Schutz/ Sela.

[[S. 36]]

V. Nach dem Evangelio.
Psal. 84.

Ly BibelstellePsalmen 84,2–3 Wie lieblich sind deine Wohnungen/ Herr Zebaoth!
Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn/ mein Leib und Seel freuen sich in dem lebendigen Gott.

Aria.

1.

Ly BibelstelleMatthäus 17,4 Hier ist gut seyn/
wo Jesus sich verkläret/[63]
den Betenden gewähret/
was Mund und Herz begehret.
Da trifft es ein:
Hier ist gut seyn.

2.

Hier ist gut seyn/
wo Jesus ist das Leben/
dem/ der sich Ihm ergeben/
kan er in Freuden schweben.
Und da triffts ein:
Hier ist gut seyn.

3.

Hier ist gut seyn/
wo Jesus uns anblicket/
durch Wort und Geist erquicket/
das Herz vom Eitlen rücket.
Da trifft es ein:
Hier ist gut seyn.

4.

Hier ist gut seyn.
sey Seele eine Hütte/[64]
so Welt-Lust nicht zerrütte/
zu Jesus richt die Bitte.
So trifft es ein:
Hier ist gut seyn.

Psal. 84.

Ly BibelstellePsalmen 84,2–3 Wie lieblich sind deine Wohnungen/ Herr Zebaoth!
Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn/ mein Leib und Seel freuen sich in dem lebendigen Gott.

Ende.

Einzelanmerkungen

  1. Die Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, St. Egidien Egidienkirche war bei einem Lm Ereignis1696: Brand der Egidienkirche in Nürnberg Brand am 6. und 7. Juli 1696 vollständig zerstört worden. Die Gemeinde nutzte bis zur Wiederherstellung ihrer alten Kirche, die erst 1718 eingeweiht werden konnte, das Gebäude der Le Geographicumg Gebäude: Nürnberg, Predigerkirche Prediger-Kirche, in der auch die Orgeleinweihung stattfand.
  2. Paraphrase der in der Marginalie angegebenen Stelle Ly BibelstelleMarkus 7,9–11 Mk 7,9-11.
  3. Paraphrase von Ly BibelstelleMatthäus 26,30 Mt 26,30.: Vnd da sie den lobgesang gesprochen hatten/ giengen sie hinaus an den Oelberg. Siehe zur Tradition dieser gerne als Argument für den singenden Jesus verwendeten Bibelstelle auch den Kommentar zu Kostbare Bosische Orgel (Zwickau 1647), D7r.
  4. Zitat nach der Ausgabe Eusebius, Historia Ecclesiastica (1672), S. 196. In der modernen Ausgabe dieses Werks wird die Stelle aus dem 28. Kapitel des 5. Buchs etwas anders wiedergegeben: sed et psalmi vel cantica, quae a fratribus fidelibus ex initio scripta sunt, verbum dei esse Christum et deum tota hymnorum suorum laude concelebrant. (Eusebius, Kirchengeschichte 1 (1903), S. 501). Wie Mörl erklärt, handelt es sich bei Artemon um einen Häretiker, der die Gottesnatur Jesu Christi leugnete und Christus nur als adoptierten Sohn Gottes anerkannte. Um die Thesen der sogenannten Adoptionisten zu widerlegen, führten Eusebius und andere den Psalmengesang als besonders alten Beleg für die Anbetung Christi als Gott in der christlichen Kirche an. Dasselbe Argument begegnet auch schon in Christliche Predigt (Tübingen 1602), S. 12.
  5. In seinem Brief an Kaiser Lb PersonTraianus, Marcus Ulpius (53–117) Trajan erstattete Plinius im Jahr 112 Bericht über die Rechtfertigung der anonym angeklagten Christen, eine juristische Angelegenheit, mit der er sich in seiner Amtszeit als Statthalter von Bithynien zu befassen hatte, siehe dazu auch Hengel, Studien zur Christologie (2006), S. 234-236. Die gesamte Stelle lautet: adfirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta, ne latrocinia, ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent. (Plinius, Epistulae (1995), S. 642.)
  6. Vgl. Rittershausen, Liber commentarius in Epistolas Plinii (1619), S. 331f., 383-385; Kortholt, In Plinii Et Traiani Epistolas Commentarius (1674), S. 108ff.
  7. Die von Mörl gebotene Version wandelt diejenige aus der uns vorliegenden deutschen Ausgabe der Chronik sprachlich ab, vgl. Nicephorus, Kirchen Histori 2 (1588), S. 244. Vermutlich handelt es sich ume eine eigene Übersetzung der lateinischen Stelle in Nicephorus, Ecclesiasticae Historiae Libri (1588), Sp. 804. Sie stammt aus dem 8. Kapitel des 13. Buchs, nicht wie angegeben des 6.
  8. Zitat aus Justinus Martyr, Opera (1686), S. 60.
  9. Vgl. Augustinus, Epistolae (1668), S. 599f. Möglicherweise übernahm Mörl das Zitat auch aus Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 639.
  10. Paraphrase und am Ende wörtliches Zitat nach Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 638.
  11. Diese Episode aus Zwinglis Leben wird häufiger in Orgelpredigten erwähnt, vgl. als früheste Beispiele Kostbare Bosische Orgel (Zwickau 1647), C3r; Organologismos (Dresden 1651), F2v. Als Quelle wird in älteren theologischen Texten einvernehmlich ein Werk des Lb PersonHellbach, Albrecht von (vor 1584 – 1614) Albrecht von Hellbach angeführt, das in modernen Bibliothekskatalogen leider bislang nicht zu identifizieren war. Lc PredigtautorFrick, Christoph (1577–1640) Christopher Frick bezeichnet es als Filo Aegidis, vgl. Musica Christiana (Leipzig 1615), S. 39, während Lb PersonMithob, Hector (vor 1643 – nach 1680) Hector Mithobius von Filio Aegidis spricht, vgl. Mithob, Psalmodia Christiana (1665), S. 243. Beide stimmen in der Seitenangabe (Teil 1, S. 85) überein. Mörl stützte sich auf die Darstellung bei Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 638. In der moderneren Zwingli-Biographik, die die hier genannten Überlieferungswege nicht berücksichtigt, gilt diese Episode als Legende, für die es keine belastbaren Quellenbelege gibt, vgl. Jenny, Zwinglis Stellung zur Musik im Gottesdienst (1966), S. 13–15. Die Genese der Legende und ihre argumentative Funktion scheint aber bislang nicht wirklich aufgearbeitet worden zu sein.
  12. Starke Vorbehalte gegen Orgeln und Kunstmusik im Gottesdienst hatten Theologen wie Lb PersonArnold, Gottfried (1666–1714) Gottfried Arnold oder auch der Gymnasialrektor Lb PersonVockerodt, Gottfried (1665–1727) Gottfried Vockerodt geäußert, vgl. Arnold, Die Erste Liebe Der Gemeinen Jesu Christi (1696), S. ; Vockerodt, Mißbrauch der freyen Künste (1697), S. 24f.
  13. Mörl spielt wohl auf die aktuellen Debatten um die Kirchenmusik an. Unter den Befürwortern einer künstlichen Musiq hat insbesondere Lb PersonMotz, Georg (1653–1733) Georg Motz eine regelrecht Theologie der Musik als Kunstform entfaltet, vgl. Motz, Vertheidigte Kirchen=Music (1703), S. 31-37, 60ff. und passim.
  14. Mörl bezieht sich auf ein zentrales Argument, mit dem reformierte Theologen die Rechtfertigung musikalischer Instrumente im Gottesdienst durch das Vorbild des Alten Testaments abgelehnt hatten, gestützt vor allem auf Lb PersonCalvin, Jean (1509–1564) Jean Calvins Kommentar zu Ly Bibelstelle1 Samuel 18 1 Sam 18: Musicam itaque illam instrumentalem teneamus tunc ratione temporis illius & populi fuisse toleratam, quod essent ut pueri, quemadmodum sacra Scriptura loquitur, qui puerilibus istis rudimentis indigerent, quae hodie non sunt ultro revocanda: nisi perfectionem Euangelicam velimus abolere, & plenam lucem quam in Christo Domino nostro consequuti sumus obscurare. (Calvin, Homiliae In I. Librum Samuelis (1667), S. 294) Vgl. auch Erinnerungs Schrifft Anhalt (1596), S. 74, sowie zum Kontext dieser Debatte Irwin, Music and God’s Word (2011), bes. S. 73. Diese Auffassung vertraten freilich schon die Kirchenväter. Auch der von Mörl weiter unten zitierte Lb PersonArndt, Johann (1555–1621) Johann Arndt warnte vor einer zu wörtlichen Auffassung der alttestamentarischen Instrumente: Diese unterschiedliche Chor und Jnstrumenta/ darauff im alten Testament unterschiedliche Psalmen gespielet seyn/ weils ein Stück von äusserlichen Ceremonialischen Gottesdienst gewest/ sind nun vergangen/ und ist nun unser Hertz/ Geist/ Seele/ Gemüthe und Mund/ Gottes Posaunen/ Psalter/ Harffen und Cymbeln worden. (Arndt, Vom wahren Christenthum (1699), S. 573)
  15. Mörl lässt den mittleren Teil des Verses aus und ergänzt seinen Kommentar.
  16. Vgl. Justinus Martyr, Opera (1686), S. 462. Diese Stelle zitiert auch Calvör, allerdings in einer etwas kürzeren und sprachlich anderen Fassung, vgl. Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 687.
  17. Vgl. Arnobius, Disputationum adversus gentes libri septem (1604), S. 226; die in der Orgelpredigt verwendete Ausgabe konnte nicht ermittelt werden. Auch auf dieses Zitat wird Mörl bei seiner Calvör-Lektüre gestoßen sein, vgl. Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 687. Er bietet jedoch einen weitaus längeren Ausschnitt, den er offenbar einer Werkausgabe entnahm.
  18. Vgl. dazu Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 640 und ähnlich S. 678.
  19. Vgl. die materialreiche historische Darstellung in Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 688, sowie bes. 691.
  20. Calvör schildert zunächst, die historischen Etappen des Ausschlusses der Laien aus dem Kirchengesang und das Verbot der Volkssprache, vgl. Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 640. Seine Kritik an diesem Vorgang findet dann Ausdruck anlässlich der Wiedereinführung des Volksgesangs durch die Reformation, allerdings mit einem Hinweis auf die ästhetischen Probleme, die dadurch entstanden: Post Reformationem verò redditum est jus psallendi in Ecclesiâ populo indiscriminatim; ast simul recruduerunt cacophonia aliaque inconvenientia, de quibus conquesti Veteres, quae tamen ut magis magisque tollantur, laborant illi quibus cordi est decens disciplina. (Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 641)
  21. Die Quellenangabe scheint nicht korrekt zu sein. Das Buch behandelt an dieser Stelle die Schuhe der Priester, vgl. Bona, Rerum Liturgicarum Libri Duo (1674), S. 426. Die Einführung von Orgeln ist auf S. 523-525 dargestellt.
  22. Diese Literaturangabe erscheint auch in Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 688, von wo Mörl vermutlich auch den als Zitat ausgewiesenen Satz übersetzte: Similis severitas, primorum temporum Reformatis haesit, quorum nonnulli haud dubitarunt, Organa comprimis Musica, ipsius Baalis ac Anti-Christi Romani signa buccinasve castrenses uti vocitare ita ex Ecclesiasticis coetibus planè eliminatum ire. Siehe auch Dedeken, Thesaurus Consiliorum 1 (1671), S. 1146.
  23. Prudentius, Apotheosis (1876), S. 35. Die Quelle begegnet auch bei Calvör, vgl. Calvör, Ritvalis Ecclesiastici 2 (1705), S. 692. Dieser zog daraus aber nicht den Schluss, Orgeln seien schon vor Vitalian im christlichen Gottesdienst verwendet worden.
  24. Von wem diese deutsche Übersetzung stammt, konnte bisher nicht festgestellt werden. Es handelt sich nicht um die Übertragung, die Motz veröffentlicht hatte, vgl. Motz, Vertheidigte Kirchen=Music (1703), S. 106, und die auch von Lb PersonMattheson, Johann (1681–1764) Johann Mattheson zitiert wird, vgl. Mattheson, Critica Musica 1 (1722/1723), S. 175.
  25. Hier lässt Mörl ein von Gerber verwendetes ausführliches Lutherzitat aus.
  26. Obwohl der Titel des Werks nicht korrekt wiedergegeben ist und auch die Seitenangabe nicht zutrifft, handelt es sich um ein exaktes Zitat, vgl. Gerber, Unerkannte Sünden der Welt (1699), S. 1203-1205.
  27. Der Lr QuellenVerzeichniß derjenigen Texte und Arien (1709) M Textdruck, der der Predigt im Anhang beigefügt ist, war zuvor schon separat veröffentlicht und der Gemeinde beim Einweihungsgottesdienst ausgeteilt worden. Den Druck im kleineren Oktavformat erfasst Georg Andreas Will in seiner Bibliographie unter folgendem Titel: Verzeichniß derjenigen Texte und Arien, welche bey Einweihung der neuen Aegidier=Orgel auf dem Music=Chor abgesungen worden Dom. XXII. p. Trin. 1709. Will, Bibliotheca Norica 2 (1773), S. 313. Ein Exemplar hat sich in der Stadtbibliothek Nürnberg erhalten.
  28. Mörl greift bewusst oder unbewusst einen von Lb PersonPraetorius, Michael (1571–1621) Michael Praetorius vermittelten Gedanken auf, den er sprachlich und konzeptionell aktualisiert: Ferner wie die schönen vnd künstlichen wolgemalten Bilder der anschawenden Augen an sich ziehen: eben also durchdringet auch die liebligkeit der süssen wolklingenden harmonia vnd concenten die heimliche Gedancken vnd affecten, wenn sie in der Zuhörer Ohren fellet. Derhalben hat die Orgel billich jhren Sitz in den Kirchen vnd Tempel Gottes/ damit durch jhre anleitung Gottselige vnd andechtige Hertzen auffgemnuntert/ vnd durch jhren lieblichen resonantz, dem lobe/ welches der hohen Göttlichen Mayest. gesungen wird/ zuzuhören/ beyzuwohnen vnd außzuwarten/ angereitzet vnd gleichsam genötiget werden. (Praetorius, Syntagma musicum 2 (1619), S. 87) Siehe zur Herkunft dieses Zitats den Personenartikel Lb PersonDiruta, Girolamo (1554/1564 – nach 1610) Girolamo Diruta.
  29. Vgl. Augustinus, Opera 8 (1616), S. 269f. Siehe den lateinischen Wortlaut dieses Zitats im Personenartikel Lb PersonAugustinus, Aurelius (354–430) Augustinus.
  30. Mörl interpoliert eine längere Ergänzung in das Zitat.
  31. Zitat aus Martin Luthers Brief an Lb PersonSenfl, Ludwig (1486 – 1542/1543) Ludwig Senfl. Siehe den lateinischen Wortlaut der Stelle im Personenartikel Lb PersonLuther, Martin (1483–1546) Martin Luther.
  32. Ähnlich wie auch bei Samuel Schelwig zeigt sich hier die neue Funktion der Orgel als Begleiterin des Gemeindegesangs, vgl. Christliche Orgel-Predigt (Danzig s.a.), S. 2. In der Nürnberger Predigt ist noch deutlich zu spüren, dass das gemeinschaftliche Singen der Kirchengemeinde als ästhetisch unbefriedigend empfunden wurde. Dass dies auch theologisch problematisch erschien, weil durch falschen und unschönen Gesang das Lob Gottes nicht in der bestmöglichen Form geleistet wurde, hat Motz ausführlich dargelegt, vgl. Motz, Vertheidigte Kirchen=Music (1703), S. 92ff.
  33. Anspielung auf das zerstörte eigentliche Kirchengebäude der Gemeinde. Die Grundsteinlegung zu dem von Mörl herbeigesehnten Neubau erfolgte 1711. 1718 konnte die neue Egidienkirche schließlich eingeweiht werden.
  34. Beginn der 3. Strophe des Liedes Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme M Wachet auf, ruft uns die Stimme.
  35. Koloquinte (Citrullus colocynthis), giftige Pflanze aus der Familie der Kürbisgewächse.
  36. Zitat aus Ovid, Metamorphosen (1974), S. 234.
  37. Zitat aus Arndt, Vom wahren Christenthum (1699), S. 573.
  38. 2. Strophe des Liedes Lw Musikwerkanonym: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend M Herr Jesu Christ dich zu uns wend.
  39. Mörl gibt versehentlich Kapitel 7 statt Kapitel 6 an.
  40. 4. Strophe des Liedes Lw MusikwerkLuther, Martin: Nimm von uns, Herr, du treuer Gott M Nimm von uns, Herr.
  41. Recte Vers 15.
  42. Der erste Teil des Satzes stellt eine Paraphrase dar.
  43. Paraphrase von Ly BibelstelleEpheser 5,8 Eph 5,8.
  44. Paraphrase von Ly BibelstelleRömer 12,16 Röm 12,16..
  45. 4. Strophe des Liedes Lw Musikwerkanonym: Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ (1526/1527) M Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
  46. Paraphrase von Ly BibelstelleJeremia 31,20 Jer. 31,20.
  47. Paraphrase von Ly BibelstelleApostelgeschichte 10,43 Apg 10,43.
  48. Paraphrase von Ly BibelstelleGalater 5,17–18 Gal 5,17-18.
  49. 6. Strophe des Liedes Lw MusikwerkSchop, Johann: Werde munter, mein Gemüte M Werde munter, mein Gemüte.
  50. Recte Psalm 73.
  51. Bei der vor der Predigt aufgeführten Komposition handelt es sich um Lb PersonHaberkorn, Petrus (1604–1676) Johann Pachelbels Lw MusikwerkPachelbel, Johann: Jauchzet dem Herrn alle Welt (PWV 1216) M Jauchzet dem Herrn alle Welt mit einem neuen Text für die Sätze des Mittelteils, siehe dazu auch die folgende Anmerkung.
  52. Die Worte dieser Aria verfasste Lb PersonFaber, Samuel (1657–1716) Samuel Faber als Neutextierung des Mittelteils von Johann Pachelbels Geistlichem Konzert Lw MusikwerkPachelbel, Johann: Jauchzet dem Herrn alle Welt (PWV 1216) M Jauchzet dem Herrn alle Welt, vgl. Röder, Zum Nachleben und Textautor (2015); Röder, Pachelbel der Nürnberger (2016), S. 140. Der Text war zuvor in dem der Gemeinde ausgeteilten Librettodruck veröffentlicht worden, vgl. Verzeichniß derjenigen Texte und Arien (1709). Den von ihm gedichteten Arien-Teil publizierte Samuel Faber außerdem separat, vgl. Faber, Das der künftigen Aegidier-Kyrche gewidmete Orgel-Werk (1709). In der letztgenannten Ausgabe sind die Strophen nicht nummeriert; über dem Arientext steht außerdem als Überschrift der Ausruf m!. Zwei Schreibweisen aus Mörls Predigt wurden nach Fabers Druck korrigiert. Im Kommentar wird außerdem auf die Marginalien hingewiesen, die Faber seiner Edition hinzugefügt hat.
  53. Mit einem Asterisk verweist Faber an dieser Stelle auf seine erste Marginalie: Jch mahl eine Orgel/ deren Epigraphe: Mixta sed pura. Die lateinische Devise steht auf einer Höhe mit der Zeile viel-stimmig/ aber rein. Nicht ganz klar ist, ob es sich um reale Inschriften handelt, mit denen die neue Orgel verziert worden war und die im Gedicht aufgegriffen werden, oder ob es fiktive Epigraphe sind, die zu dem poetischen Gemälde gehören, das Faber hier entwirft.
  54. Faber, Das der künftigen Aegidier-Kyrche gewidmete Orgel-Werk (1709): Saiten.
  55. Als zweite Marginalie setzt Faber hier: κατἀ tἀξιν etc.
  56. Korrigiert nach der Schreibweise in Faber, Das der künftigen Aegidier-Kyrche gewidmete Orgel-Werk (1709) und Verzeichniß derjenigen Texte und Arien (1709).
  57. Faber, Das der künftigen Aegidier-Kyrche gewidmete Orgel-Werk (1709) und Verzeichniß derjenigen Texte und Arien (1709): untertrücket.
  58. Mit einem Asterisk verweist Faber an dieser Stelle auf seine dritte Marginalie: Aura & digitis sonus..
  59. Mit einem Asterisk verweist Faber an dieser Stelle auf seine vierte Marginalie: Verbis & operibus audimur.
  60. Die fünfte Marginalie zu dieser Zeile lautet: Sine verbere mutum..
  61. Die sechste Marginalie zu dieser Zeile lautet: Cernimus aure sonos..
  62. 3. Strophe des Liedes Lw Musikwerkanonym (nach Hans Sachs): Wachet auf, ruft uns die Stimme M Wachet auf, ruft uns die Stimme.
  63. Der Arientext bezieht sich auf die Bibelstelle Ly BibelstelleMatthäus 17,4 Mt 17,4, die Jesu Verklärung zum Gegenstand hat.
  64. Das Bild der Hütte stammt ebenfalls aus Ly BibelstelleMatthäus 17,4 Mt 17,4. Die Seelen-Hütte erscheint als Gegenbild zu den Hütten für die Propheten Moses, Elias und Jesus, die Petrus im Evangelium zu bauen vorschlägt.

Letzte Änderung dieses Dokuments am 29. November 2022.

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